Steuerrecht

Änderung des Abänderungsbescheids und Festsetzung der Einkommensteuer

Aktenzeichen  2 K 1985/16

Datum:
27.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2018, 559
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1093 Abs. 3
EStG § 12 Nr. 1
AGBGB Art. 12

 

Leitsatz

Tenor

1. Unter Änderung des Änderungsbescheids vom 19. September 2014 und der Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2016 wird die Einkommensteuer für 2012 auf 1.005 € festgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Gründe

II.
Die Klage ist begründet.
1. Die Kläger haben einen Anspruch darauf, dass der geltend gemachte Betrag von 2.120 € gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1, Satz 2 Buchst. b und Satz 3 – des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres (EStG) steuermindernd als Sonderausgaben berücksichtigt wird.
a) Sonderausgaben sind die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind oder wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden: auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende, lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, wenn der Empfänger unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Dies gilt nur für Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines Betriebs (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 und 2 EStG) und für den Teil der Versorgungsleistungen, der auf den Wohnteil eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft entfällt (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 3 EStG).
Als Gegenleistung für die Übergabe aller land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke sowie des landwirtschaftlichen Anwesens von seinen Eltern hat der Kläger seinen Eltern im Rahmen eines Altenteilvertrages als beschränkt persönliche Dienstbarkeit ein grundbuchrechtlich gesichertes unentgeltliches lebenslanges Wohnungsrecht am Schlafzimmer im Erdgeschoss des überlassenen Wohnhauses und das Recht auf Mitbenützung der zum gemeinsamen Gebrauch der Hausbewohner bestimmten Anlagen, Einrichtungen und Räume, insbesondere der gemeinsamen Küche und des Bades mit WC, bewilligt (vgl. dazu auch Übergabevertrag, Ziffer 9 Auflassung und Eintragung dinglicher Rechte).
b) Die „typischerweise“ im Rahmen eines Altenteilsvertrages geschuldeten Leistungen an den Vermögensübergeber haben steuerrechtlich den Charakter von Versorgungsleistungen. Der Begriff „Versorgungsleistungen“ umfasst grundsätzlich solche Zuwendungen zur Existenzsicherung, durch welche die Grundbedürfnisse des Bezugsberechtigten wie Wohnen und Ernährung und der sonstige Lebensbedarf abgedeckt werden. Hierzu gehören auch Aufwendungen für die Instandhaltung der vom Übergeber zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung in dem bei Übergabe vertragsgemäßen Zustand (vgl. BFH-Urteil vom 25. März 1992 X R 196/87, BStBl II 1992, 1012). Im Umfang ihrer Abziehbarkeit fließen sie dem Übergeber als wiederkehrende Sachleistungen zu. Dabei fehlt es nicht deshalb an einer wirtschaftlichen Belastung, weil die Sachaufwendungen des Verpflichteten auf das ihm gehörende Grundstück in sein Eigentum übergehen (vgl. BFH-Urteile vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84, BStBl II 1985, 610; in BStBl II 1992, 1012, und vom 24. November 1993 X R 123/90, BFH/NV 1994, 704; Urteil des FG Nürnberg vom 21. Mai 2015 4 K 351/13, EFG 2015, 1600).
Die Abziehbarkeit der von einem Übernehmer getragenen Instandhaltungsaufwendungen als Versorgungsleistungen setzt voraus, dass der Vermögensübernehmer zu deren Tragung verpflichtet ist und diese Instandhaltungsaufwendungen den im Zeitpunkt der Vermögensübergabe gegebenen vertrags- und ordnungsgemäßen Zustand des Gebäudes erhalten sollen. Eine solche steuerlich begünstigte Instandhaltungsverpflichtung kann sich in erster Linie daraus ergeben, dass sich der Vermögensübernehmer hierzu im Übergabevertrag eindeutig und klar gegenüber einem Übergeber verpflichtet hat. Auch kann sich eine solche Verpflichtung aus den zu Art. 96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) erlassenen landesrechtlichen Ausführungsgesetzen ergeben, die die typische Interessenlage des Altenteilsvertrages in allen wesentlichen Aspekten exemplarisch und richtungsweisend, vor allem auch hinsichtlich Inhalt und Grenze der dem Verpflichteten/Vermögensübernehmer gegenüber dem Berechtigten/Vermögensübergeber obliegenden Leistungsverpflichtungen beschreiben (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21. Juni 2012 X B 76/11, BFH/NV 2012, 1594, und vom 3. März 2004 X R 14/01, BStBl II 2004, 826). So regelt Art. 12 Abs. 1 AGBGB (Bayern): Ist dem Berechtigten auf dem Grundstück eine abgesonderte Wohnung zu gewähren, so hat der Verpflichtete die Wohnung dem Berechtigten in einem zu dem vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Dauer seiner Verpflichtung in diesem Zustand zu erhalten.
c) Die Erhaltungsaufwendungen für die Anschaffung der neuen Einbauküche können -soweit sie auf das gewährte Wohnrecht entfallenauf den Übergabevertrag gestützt werden, sind ausreichend konkretisiert und können als Sonderausgaben abgezogen werden. Aus dem erklärten Vertragsinhalt und aus der Rechtsnatur des Altenteilsvertrages ergibt sich eine Verpflichtung des Klägers zur Übernahme der geltend gemachten Aufwendungen, um den im Zeitpunkt der Vermögensübergabe gegebenen vertrags- und ordnungsgemäßen Zustand der Altenteilerwohnung zu erhalten.
Nach § 133 BGB ist bei Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Außerdem sind nach § 157 BGB Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Verboten ist damit die Buchstabeninterpretation; geboten die Berücksichtigung u.a. des sprachlichen Zusammenhangs der abgegebenen Willenserklärungen, die Stellung der auslegungsbedürftigen Formulierung im Gesamtzusammenhang des Textes und sämtliche Begleitumstände (vgl. BFH-Urteil vom 25. August 1999 X R 38/95, BStBl II 2000, 21, Rn. 35).
Im Streitfall haben die Vertragsparteien im Übergabevertrag die gesetzliche Regelung in Art. 12 Abs. 1 AGBGB dahingehend modifiziert, dass die Austragswohnung aus dem ausschließlich zur Nutzung überlassenen Schlafzimmer im Erdgeschoss sowie der Mitbenützung der zum gemeinsamen Gebrauch der Hausbewohner bestimmten Anlagen, Einrichtungen und Räume, insbesondere der gemeinsamen Küche und des Bades mit WC besteht. Entgegen der Auffassung des Beklagten besteht demnach die Austragswohnung weder allein aus dem Schlafzimmer noch ist das Recht auf Mitbenützung der Küche durch die Verköstigungsregelung am Familientisch obsolet. Dies gilt schon deshalb, weil im Übergabevertrag ausdrücklich neben der Verköstigungsregelung die Küchenmitbenutzung geregelt ist und der Benützung der Küche außerhalb der normalen Essenszeiten für die Übergeber eine eigenständige Bedeutung zukommt. Hinzu kommt der sprachliche Kontext in Ziffer 3a des Übergabevertrags, der die Austragswohnung definiert und in der der Küchenmitbenützung von den Vertragspartnern eine wesentliche Bedeutung zuerkannt worden ist.
Nach dem Übergabevertrag hat der Kläger die Austragswohnung, zu der die Mitbenutzung der Küche gehört, in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Dauer in diesem Zustand zu erhalten. Maßstab der Erhaltungspflicht ist der geschuldete vertragsmäßige Gebrauch, der im Regelfall durch den baulichen Zustand der Altenteilerwohnung im Zeitpunkt der Nutzungsüberlassung konkretisiert wird. Zu den Erhaltungsmaßnahmen, die zur Beseitigung von Mängeln notwendig werden, gehören insbesondere die regelmäßige Wartung, Pflege oder Ausbesserung zur Verhinderung oder Beseitigung von Schäden und zum Schutz vor natürlicher Alterung oder Abnutzung (vgl. BFH-Urteil vom 31. März 2004 X R 32/02, BFH/NV 2004, 1248, FG Nürnberg in EFG 2015, 1600). Daher schuldet der Kläger nach dem Übergabevertrag auch die Instandhaltung der Küche mitsamt der Kücheneinrichtung.
d) Auch bei einem Wohnungsrecht, das sich gemäß § 1093 Abs. 3 BGB auf einen Teil des Gebäudes oder auf die Mitbenutzung gemeinschaftlicher Anlagen und Einrichtungen beschränkt, hat der Eigentümer -hier der KlägerErhaltungsaufwendungen zu tragen (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 1093 Rn. 9). Zu gemeinschaftlich genutzten Anlagen und Einrichtungen gehört z.B. auch eine Waschküche, zu deren Instandhaltung der Eigentümer gegenüber dem Berechtigten verpflichtet ist (vgl. BFH in BStBl II 2000, 21, BGH in BGHZ 191, 213).
Im Streitfall handelt es sich bei der Einbauküche um eine solche Einrichtung, da sie der Erfüllung der nach dem Übergabevertrag geschuldeten Versorgungsleistung dient. Denn Versorgungsleistungen i.S. des Altenteilsvertrags umfassen grundsätzlich solche Zuwendungen, durch welche die Grundbedürfnisse des Bezugsberechtigten wie Wohnen, aber auch Ernährung abgedeckt werden (BFH in BStBl II 2000, 21).
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die alte Kücheneinrichtung nicht verschlissen oder mangelhaft gewesen ist. Denn der Kläger hat die Kücheneinrichtung nach 28 Jahren seit Abschluss des Übergabevertrags durch eine Einbauküche ersetzt. Diese Maßnahme hat der Kläger zur Erfüllung der Versorgungsleistung aus dem Übergabevertrag erbracht, da sie insoweit auf das gewährte Wohnrecht entfiel (vgl. BFH in BFH/NV 2004, 861; BFH-Urteil vom 21. Juni 2012 X B 76/11, BFH/NV 2012, 1594; FG Niedersachsen, Urteil vom 17. Mai 2017 1 K 310/16, EFG 2017, 1168). Zur Austragswohnung gehört zur Sicherstellung der Ernährung der Übergeber die Mitbenützung einer funktionsfähigen Küche. Die Einbauküche stellt aufgrund ihres Preises lediglich eine zeitgerechte Modernisierungsmaßnahme dar. Der von den Klägern gewählte Aufteilungsmaßstab nach Personen im Haushalt, ist nicht zu beanstanden.
e) Eine Beteiligung des Übergebers an gewöhnlichen Instandhaltungsmaßnahmen scheidet im Streitfall aufgrund der Verpflichtung des Klägers im Altenteilsvertrag aus, wonach der Kläger die Austragswohnung in gut bewohnbaren Zustand zu erhalten hat. Auch der Gesetzgeber hat in Art. 12 Abs. 1 AGBGB keine Pflicht des Altenteilwohnungsberechtigten zur Tragung der gewöhnlichen Instandhaltungskosten –entgegen der Regelung der §§ 1093 Abs. 1, 1041 BGBvorgesehen (vgl. Sprau/Ott, Justizgesetze in Bayern, 1988, Art. 12 AGBGB Rz. 2).
f) Das Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 2 EStG kommt im Streitfall nicht zur Anwendung, weil Versorgungsleistungen keine Zuwendungen, sondern vorbehaltene Vermögenserträge der Übergeber sind (vgl. BFH in BStBl II 1992, 1012).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
4. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO erkennbar nicht erfüllt sind.


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