Steuerrecht

Anerkennung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft

Aktenzeichen  1 K 1090/19

Datum:
12.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 52666
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
KStG § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2

 

Leitsatz

1. Eine geschäftsleitende Holding übt eine eigene gewerbliche Tätigkeit aus, wenn sie eine einheitliche Leitung über den Konzern ausübt. Die einheitliche Leitung kann durch die Herausgabe von Richtlinien, Empfehlungen, gemeinsamen Besprechungen und Beratungen erfolgen, wenn sie schriftlich festgehalten werden. Dagegen reicht es nicht aus, dass sich die einheitliche Leitung stillschweigend aus einer weitgehenden personellen Verflechtung der Geschäftsführungen der Konzernunternehmen ergibt (vgl. BFH v. 17.12.1969 – I 252/64, BFHE 98, 152, BStBl. II 1970, 257, BeckRS 1969, 21001083). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Äußerung der Finanzverwaltung (BMF v. 10.11.2005 – IV B 7 – S 2770-24/05, BStBl. I 2005, 1038, DStR 2005, 1989), die dahingehend ausgelegt werden könnte, dass eine geschäftsleitende Holding die Voraussetzung der eigenen gewerblichen Tätigkeit iSd § 14 I 1 Nr. 2 S. 2 KStG nicht erfüllt, überzeugt nicht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Unter Abänderung des Körperschaftsteuerbescheides vom 14.09.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2019 wird die festgesetzte Körperschaftsteuer 2008 auf 0,00 € gemindert.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der zu erstattenden Aufwendungen der Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Aufwendungen der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Klage ist begründet. Die Z 1-2-3 S. KG ist auch im Streitjahr 2008 ein geeigneter Organträger.
Nach § 14 KStG ist das Einkommen einer Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen, wenn die Organgesellschaft sich in einem Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen und die Organgesellschaft vom Beginn des Wirtschaftsjahres ununterbrochen finanziell eingegliedert ist. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG kommt als Organträger auch eine Personengesellschaft im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes in Betracht, wenn sie eine Tätigkeit im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes ausübt. Die Voraussetzung muss im Verhältnis zur Personengesellschaft selbst erfüllt sein.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.
1. Die Klägerin hatte mit der Z-H 1-2-3 GmbH = Z 1-2-3 GmbH einen Gewinnabführungsvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG abgeschlossen. Dieser wurde von der KG mit Vertrag von 28.07.2008 übernommen, da die Z-H 1-2-3 GmbH = Z 1-2-3 GmbH alle verbliebenen Aktiva und Passiva in die KG eingebracht hat. Die Ausgliederung des Vermögens der Z-H 1-2-3 GmbH = Z 1-2-3 GmbH auf die KG erfolgte mit ertragsteuerlicher Rückwirkung zum 01.01.2008.
Entsprechend dieser Rückwirkung sind die Anteile an der Klägerin der KG seit Beginn des Wirtschaftsjahres zuzurechnen.
2. Die KG, eine Personengesellschaft, übte spätestens bei Gewinnabführung am 31.12.2008 selbst eine gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) aus.
a) Die KG unterhielt zwar, mangels eigenen Personals, keinen eigenen gewerblichen Betrieb auch nicht in Form einer Großhandelstätigkeit. Sie erbrachte im Streitjahr auch noch keine konzerninternen Dienstleistungen an die Organgesellschaften, wie etwa IT-Support, Buchhaltungen oder Abwicklung des Cash-Poolings.
b) Sie übte jedoch als sog. geschäftsleitende Holding eine gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aus.
Dabei genügt es nicht, dass sich das herrschende Unternehmen auf die Verwaltung der Beteiligungen beschränkt. Der Organträger beteiligt sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, indem er eine einheitliche Leitung über den Konzern ausübt. Die einheitliche Leitung kann durch die Herausgabe von Richtlinien, Empfehlungen, gemeinsamen Besprechungen und Beratungen erfolgen, wenn sie schriftlich festgehalten werden. Dagegen reicht es nicht aus, dass sich die einheitliche Leitung stillschweigend aus einer weitgehenden personellen Verflechtung der Geschäftsführungen der Konzernunternehmen ergibt (BFH, Urteil vom 17. Dezember 1969 – I 252/64 -, BFHE 98, 152B, BStBl II 1970, 257, Rn. 32ff).
Die KG nahm nach außen erkennbar auf das Tagesgeschäft der Organgesellschaften entscheidenden Einfluss. Dies hat die Klägerin mit Unterlagen belegt.
aa) Der Geschäftsverteilungsplan der KG ist hierfür jedoch unbehelflich, da er erst am 18.02.2009 und damit nach dem entscheidenden 31.12.2008, aufgestellt wurde.
bb) Die formularmäßigen Investitions/Bedarfsanträge in 2008 belegen ebenfalls nicht die Steuerung durch die KG, da die unterzeichnenden Geschäftsführer MM, TH und KE in den beantragenden Gesellschaften selbst Geschäftsführer waren.
cc) Den Mietvertrag für das Objekt 11 vom Juli 2008 hat Herr KE als Geschäftsführer der Z Grundstücksgesellschaft 1-2-3 mbH und nicht für die KG unterzeichnet. In dieser Funktion kündigte er auch am 25.09.2008 den Mietvertrag für das Objekt 12. Es war jedoch die KG, die am 12.11.2008 einen Zuschuss für die Erweiterung … gewährte.
dd) Aus dem Eintritt der KG vom 11.09.2008 in eine Darlehensvereinbarung zwischen der Bank und der Z-H 1-2-3 GmbH = Z 1-2-3 GmbH kann nicht auf eine Steuerung der Organgesellschaften als geschäftsleitende Holding geschlossen werden. Unerheblich ist hierbei, ob außenstehende Dritte wie die Bank hierin die Wahrnehmung einer Leitungsfunktion durch die KG erblickten.
ee) Die Leitungsfunktion der KG wird jedoch deutlich aus den Protokollen der vierzehntägigen Geschäftsführersitzungen, von denen eines vom 18.08.2008 vorgelegt wurde. Die Teilnehmerrunde setzte sich aus den drei Hauptgeschäftsführern und den Geschäftsführern der Organgesellschaften zusammen. Das Tagesgeschäft wurde erörtert und Maßnahmen festgelegt., die … dienen sollten. Selbst einzelne Geschäftsvorfälle wie … wurden abgestimmt.
Aus dem Protokoll ergibt sich zwar nicht ausdrücklich, in welcher Funktion die Herren MM, KE und TH in der Abstimmung mitwirkten, schließlich waren sie auch gleichzeitig Geschäftsführer der „normalen Organgesellschaften“. Es wird jedoch deutlich, dass ein abgestimmtes Vorgehen in allen Einzelheiten des Tagesgeschäftes beabsichtigt und durchgesetzt wurde. Zu den einzelnen Besprechungspunkten gab es keine demokratischen Mehrheitsentscheidungen, sondern klare Ansagen. Diese Durchsetzungskraft hatten nur die drei Hauptgeschäftsführer und zwar in ihrer Funktion als Stiftungsvorstände und damit als Geschäftsführung der KG. Zwar dürfte Ihnen auch als Geschäftsführer der Z-H 1-2-3 GmbH/neu eine faktische Machtposition zugestanden worden sein, da diese Gesellschaft, wie die Vorgängerin, durch ihre zentralen Tätigkeiten für den Konzern eine wichtige Rolle spielte. Gegenüber den Organgesellschaften hatte die Z-H 1-2-3 GmbH/neu jedoch keine durchsetzbare Rechtsposition, da sie nur über schuldrechtliche Verträge mit ihnen verbunden war. Die KG hingegen war Gesellschafterin der anwesenden Organgesellschaften und somit im Konfliktfall einzig entscheidungsbefugt. Der erkennende Senat schließt daraus, dass die KG mittels der Geschäftsführer MM, KE und TH in diesen regelmäßigen Geschäftsführerbesprechungen das Tagesgeschäft der Organgesellschaften gesteuert hat.
Die KG ist daher als geschäftsleitende Holding einzuordnen.
c) Die Äußerung der Finanzverwaltung (Bundesministerium der Finanzen, 10.11.2005, IV B 7-S. 2770-24/05, FMNR608000005, Rn. 18), die dahingehend ausgelegt werden könnte, dass eine geschäftsleitende Holding die Voraussetzung der eigenen gewerblichen Tätigkeit i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG nicht erfüllt, überzeugt nicht. Zum einen wird dies nicht ausdrücklich erklärt, sondern lediglich auf Abschn. 50 Abs. 2 Nr. 2 KStR 1995 verwiesen, der auf das BFH-Urteil vom 17.12.1969 I 252/64 Bezug nimmt. Zum anderen bleibt die Finanzverwaltung eine Begründung schuldig, warum diese Entscheidung, die zur Frage der Organschaft ergangen ist, nicht einschlägig sein soll und welche Grundsätze stattdessen für Holdinggesellschaften gelten sollen.
Der BFH jedenfalls hält diese Entscheidung für die Frage der eigenen gewerblichen Tätigkeit i.S.d. § 14 Nr. 2 Satz 1 KStG bei Holdinggesellschaften als Organmütter weiterhin für einschlägig (BFH, Beschluss vom 10. August 2005 – I B 27/05 -, Rn.7, juris).
3. Aufgrund der Zurechnung des Einkommens der Klägerin an die KG als Organmutter war die Körperschaftsteuer auf 0 € herabzusetzen.
4. Die Kosten des Verfahrens waren dem Beklagten aufzuerlegen (§ 135 Abs. 1 FGO). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren diente der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO und hat von Amts wegen zu erfolgen.
5. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zuzulassen, insb. wegen der entgegenstehenden Ansicht der Finanzverwaltung.


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