Steuerrecht

Antrag auf Abänderung des Einkommensteuerbescheids

Aktenzeichen  11 K 2478/17

Datum:
25.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 45455
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 2 Abs. 1, § 22 Nr. 3 S. 1

 

Leitsatz

Es ist davon auszugehen, dass eine Zahlung kein als “Sonstige Einkünfte” zu behandelndes Bestechungsgeld ist, sondern der fraglichen Zahlung ein Darlehensvertrag zugrunde liegt, wenn die fragliche Zahlung nicht in bar, sondern durch Banküberweisung erbracht wird, und wenn sie sich nicht als Gegenleistung für eine Ausweitung der Liefermenge der Firma des Zahlenden darstellt, weil dieser als Scheinfirma ohne eigenen Geschäftsbetrieb eine Ausweitung der Liefermenge nicht möglich ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 vom 27. März 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2015 wird mit der Maßgabe geändert, dass sonstige Einkünfte in Höhe von … € nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden.
Dem Beklagten wird aufgegeben, die Berechnung der Einkommensteuer 2010 nach Maßgabe der Urteilsgründe durchzuführen, dem Kläger das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich mitzuteilen und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 nach der Rechtskraft des Urteils neu bekannt zu geben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist begründet. Der streitgegenständliche Einkommensteuerbescheid 2010 und die Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der dem Kläger im Streitjahr zugeflossene Betrag von … € fällt nicht unter eine der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung; er ist insbesondere nicht als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG der Besteuerung zu unterwerfen.
a. Nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften i.S. von § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG (z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände) gehören.
b. Im Streitfall fällt der dem Kläger im Streitjahr zugeflossene Betrag von … € unter keine der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG. Der Kläger war als Geschäftsführer bei der GmbH im Streitjahr angestellt. Er bezog weder von der Firma A-Metallhandel Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit noch tätigte er im Rahmen eines eigenen Gewerbes mit dieser Firma Geschäfte und erzielte gewerbliche Einkünfte. Ein von einem Dritten gezahltes Bestechungsgeld wäre auch nicht als steuerbarer Arbeitslohn zu erfassen (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, BStBl II 2000, 396). Der streitgegenständliche Betrag gehört auch nicht zu den Einkünften i.S. von § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG.
c. Eine sonstige Leistung i. S. von § 22 Nr. 3 EStG liegt im Streitfall nicht vor.
Eine sonstige Leistung i. S. von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das um des Entgelts willen erbracht wird. Hierzu gehört auch das einem Arbeitnehmer von Dritten gezahlte Bestechungsgeld; es ist – da es ohne Wissen und entgegen den Interessen des Arbeitgebers gezahlt wurde – nicht durch das Dienstverhältnis veranlasst und deshalb kein steuerbarer Arbeitslohn, wohl aber Einnahme i. S. des § 22 Nr. 3 EStG (BFH-Urteil vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, BStBl II 2000, 396; vom 31. Mai 2000 IX R 73/96, BFH/NV 2001, 25 und vom 16. Juni 2015 IX R 26/14, BStBl II 2015, 1019).
Im Streitfall wurden dem Kläger am 8. Februar 2010 … € von Herrn A, der für die Firma A-Metallhandel auftrat, auf sein privates Konto bei der S Privatbank überwiesen. Das Gericht konnte sich jedoch nicht davon überzeugen, dass der Überweisung dieses Betrages eine Gegenleistung des Klägers gegenüberstand.
Dies ergibt sich aus Folgendem: Eine inländische ladungsfähige Anschrift der im Ausland befindlichen Zeugen A und S konnte nicht ermittelt werden; diese wären deshalb in der mündlichen Verhandlung von den Beteiligten zu stellen gewesen. Aus der Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen S durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes L vom 4. Mai 2012 ergibt sich jedoch, dass der Zeuge S ausgesagt hat, dass von Z und dem Kläger vorgeschlagen worden sei, A als Einzelunternehmer in M zu installieren. A sei lediglich Strohmann gewesen. Der Zeuge S sei in der Zeit zwischen November 2009 und Juli 2010 der Verfügungsberechtigte für das Bankkonto des A-Metallhandels gewesen. Ein Großteil der Rechnungen des A-Metallhandels sei von Frau G, der Sekretärin der Firma X GmbH, mit Wissen des Klägers und des Herrn B selbst erstellt worden. Dafür sei extra ein Computer angeschafft worden. Der Kläger habe immer mindestens zehn Blankounterschriften des A auf Briefpapier des A-Metallhandels gehabt. Diese seien benötigt worden für die Zustimmung des A-Metallhandels für Direktüberweisungen an die eigentlichen italienischen oder spanischen Schrottfirmen.
Zu berücksichtigen ist zudem, dass bei der Durchsuchung der Wohnräume des Klägers am 3. August 2010 Rechnungen der Firma A-Metallhandel auf dem Laptop des Klägers sichergestellt und ausgedruckt wurden (Blatt 105 der Finanzgerichtsakten). Auch nach Auffassung der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes L und des Landgerichts L handelt es sich bei der Firma A-Metallhandel um eine Scheinfirma (vgl. Aktenvermerk der Steuerfahndungsstelle L vom 28. April 2014; auf die Feststellungen im Urteil des Landgerichts L vom 10. November 2017 … wird wegen der Einzelheiten verwiesen). Nach den Feststellungen des Landgerichts L wusste der Kläger, dass er sämtliche auf A abgerechneten Geschäfte tatsächlich nicht über die Firma A-Metallhandel, sondern mit Herrn S, der hinter der Firma A-Metallhandel und dem spanischen Vorlieferanten stand, abwickelte. Dieser Sichtweise schließt sich der Senat an.
Der Betrag von … € war deshalb keine Gegenleistung für eine Ausweitung der Liefermenge durch den A-Metallhandel. Denn eine Ausweitung der Liefermenge war dem A-Metallhandel als Scheinfirma ohne eigenen Geschäftsbetrieb nicht möglich. Der an den Kläger geleistete Betrag war nach Überzeugung des Senats auch kein Entgelt für seine Mitwirkung an umsatzsteuerlichen Karussellgeschäften. Bei einer Ausweitung der Menge der an die GmbH erstellten Rechnungen der Firma A-Metallhandel hatte vor allem die GmbH durch die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs einen Vorteil. Nicht geklärt werden konnte hingegen, welchen Vorteil Herr A oder die Personen, die sich seiner als Strohmann bedienten, dafür erhielten oder erwarteten, dass sie dem Kläger im Streitjahr einen Betrag von … € zahlten. Nicht nachvollziehbar ist, warum die Firma A-Metallhandel etwas an den Kläger zahlen sollte, weil diese als Stroh- und Scheinfirma fungierte, auf deren Namen und Adresse Scheinrechnungen ausgestellt wurden. Vielmehr erfolgen – dies ist gerichtsbekannt – üblicherweise Zahlungen an den Aussteller der Scheinrechnungen.
d. Der Senat ist vielmehr davon überzeugt, dass der Zahlung des Betrages von … € ein Darlehensvertrag zugrunde lag.
Nach dem vorgelegten schriftlichen Darlehensvertrag vom 6. November 2009 zwischen der Firma A-Metallhandel als Darlehensgeber und dem Kläger als Darlehensnehmer wurde vereinbart, dass Herr A dem Kläger einen Betrag bis maximal … € als verzinsliches Darlehen zur Verfügung stellt. Dieser Betrag wurde auch tatsächlich auf das private Bankkonto des Klägers überwiesen. In dem Darlehensvertrag hatten die Parteien eine feste Laufzeit bis 31. Dezember 2014 vereinbart. Vereinbart wurde außerdem ein Zinssatz von 3% pro Jahr. Sicherheiten für das Darlehen wurden nicht bestellt. Eine Verpfändung des Geschäftsanteils des Klägers wurde nicht vereinbart.
Die Parteien waren sich in Bezug auf den schriftlichen Darlehensvertrag vom 6. November 2009 einig, dass der Strohmann A nur seinen Namen abgibt, nicht aber selbst Darlehensgeber sein soll. Vielmehr wurde in T (Spanien) am 21. Oktober 2009 – vermittelt und gedolmetscht durch Herrn S – mündlich ein Darlehen zwischen Z als Darlehensgeber und dem Kläger als Darlehensnehmer in Höhe von … € vereinbart. Insoweit zieht der Senat die Feststellungen des Urteils des Landgerichts L vom 10. November 2017 heran, auf die verwiesen wird. Nach der Rechtsprechung des BFH können die in strafrechtlichen Ermittlungen oder in einem Strafurteil getroffenen Feststellungen im finanzgerichtlichen Verfahren verwertet werden, es sei denn, die Beteiligten erheben gegen die Feststellungen substantiierte Einwendungen und stellen entsprechende Beweisanträge, die das Finanzgericht nach den allgemeinen für die Beweiserhebung geltenden Grundsätzen nicht unbeachtet lassen kann (BFH-Beschluss vom 12. Januar 2016 VII B 148/15, BFH/NV 2016 762).
Ursprünglich gab der Kläger im strafrechtlichen Verfahren an, das Darlehen stamme von A. Später relativierte der Kläger seine Aussage, dass nicht mehr ganz klar sei, mit wem die Darlehensvereinbarung getroffen worden sei und wer das Darlehen ausgezahlt habe. Es sei jedenfalls aus Spanien gekommen. Der im Wege eines Rechtshilfeersuchens an die spanischen Behörden per Videokonferenz durch das Landgericht L vernommene Zeuge Z gab anschließend an, dass die Darlehensvereinbarung mündlich zwischen ihm und dem Kläger, vermittelt und gedolmetscht durch S, in T erfolgt sei. Diese Aussage hielt die Kammer des Landgerichts L für glaubhaft, da der Zeuge keinen Grund habe, die Unwahrheit zu sagen. Der Zeuge Z wisse, dass der Kläger kein Geld mehr habe. Die Kammer des Landgerichts L glaubte deshalb nicht, dass der Zeuge nur deshalb behaupte, er habe das Darlehen gegeben, um so an das Geld durch den Kläger zu gelangen (Auf Blatt 93 – 95 der Finanzgerichtsakten wird verwiesen). Zudem heißt es in dem Betreff der Banküberweisung am 8. Februar 2010 an den Kläger „laut vertragl. Vereinb. 21.10“ (Auf Blatt 127 ff. der Finanzgerichtsakten des Verfahrens 11 K 2180/15 (1. Rechtszug) wird verwiesen). Auch dies zog die Kammer des Landgerichts L heran, um die Glaubwürdigkeit des Zeugen Z zu begründen. Der Senat hat deshalb keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen.
Der Senat ist davon überzeugt, dass im Streitjahr ein Darlehensvertrag vereinbart und die Durchführung desselben von den Parteien beabsichtigt war. Der Kläger gab insoweit an, dass die Rückzahlung des Darlehens bei seiner Vereinbarung ernsthaft geplant gewesen sei, dass er sich aber später nicht mehr um eine Rückzahlung des Darlehens bemüht habe. Dass ein Darlehensvertrag und dessen Durchführung mit Herrn Z im Streitjahr vereinbart wurde, wird auch erhärtet durch die Aussage des Zeugen S in seiner Vernehmung am 4. Mai 2012 durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes L. Danach erhielt der Kläger im Jahr 2010 von der Firma A-Metallhandel ein Darlehen von … €. Herr Z hatte den Zeugen nach seiner Aussage angewiesen, das Geld vom Bankkonto der Firma A-Metallhandel anzuweisen, wobei das Geld für eine Kapitalerhöhung der Firma X gedacht gewesen sei. Mit der Darlehensgewährung wurde im Streitjahr insgesamt ein nachvollziehbarer Zweck von Seiten des Klägers, der damit u.a. die Erhöhung seines Stammkapitalanteils an der GmbH im Jahr 2010 finanzieren wollte, verfolgt.
e. Hingegen konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass es sich bei dem Darlehen um Bestechungsgelder handelt. Diese werden üblicherweise nicht durch Banküberweisung, sondern bar ausgezahlt. Weder aus dem vorgelegten schriftlichen Darlehensvertrag vom 6. November 2009 noch aus den Ausführungen des Landgerichts L zur Aussage des Zeugen Z ergibt sich, dass der Betrag von … € gezahlt wurde, um den Kläger zu bestechen. Es ist nicht ersichtlich, warum die Firma A-Metallhandel oder Herr Z etwas an den Kläger dafür zahlen sollte, dass der Kläger auf diese Firma Scheinrechnungen ausstellte, die sich die Firma A-Metallhandel umsatzsteuerrechtlich zurechnen lassen musste. Vielmehr werden üblicherweise Zahlungen an den Strohmann, der seinen Namen oder seine Firma für das Ausstellen von Scheinrechnungen zur Verfügung stellt, vereinbart.
Der Senat geht vielmehr davon aus, dass auch der Kläger, der zu 10% an der GmbH beteiligt war, davon profitierte, dass ein Großteil der Rechnungen des A-Metallhandels von Frau G, der Sekretärin der GmbH, mit Wissen des Klägers und des Herrn B selbst erstellt wurden und so der GmbH die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs aus diesen Rechnungen eröffnet wurde. Der Senat bezieht sich insoweit auf die Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen S durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes L vom 4. Mai 2012, der auch ausgesagt hat, dass von Z und dem Kläger vorgeschlagen worden sei, A als Einzelunternehmer in M zu installieren. Das Risiko des Verlusts des Vorsteuerabzugs und die Gefahr der Strafverfolgung nahm der Kläger in Kauf, ohne dass ersichtlich ist, dass dafür eine Gegenleistung vereinbart worden war.
Da keiner der Tatbestände der Einkunftsarten des EStG, insbesondere nicht der des § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG, im Streitfall erfüllt ist, ist der Klage stattzugeben.
f. Dem FA wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO aufgegeben, die Berechnung der Einkommensteuer für das Jahr 2010 durchzuführen. Gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 FGO ist das FA verpflichtet, das Ergebnis der Berechnungen dem Kläger unverzüglich formlos mitzuteilen und entsprechend diesem Ergebnis nach Rechtskraft der finanzgerichtlichen Entscheidung einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 zu erteilen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 1, Abs. 3 FGO, §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Regelung gilt auch nach der Änderung der ZPO durch das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 (BGBl I 2004, 2198) sinngemäß für finanzgerichtliche Urteile.
4. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Insbesondere weicht der Senat nicht von dem durch das Finanzgericht Düsseldorf am 19. Februar 2019 erlassenen Urteil (Aktenzeichen: 10 K 3672/15 E; Blatt 283 ff. der Finanzgerichtsakten) ab.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben