Steuerrecht

Antrag auf Aussetzung der Vollziehung – Ablehnung und Gewährung

Aktenzeichen  12 V 2479/20

Datum:
15.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41078
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
FGO § 69 Abs. 3, Abs. 4

 

Leitsatz

Wenn die Finanzbehörde im Einspruchsverfahren den AdV-Antrag zwar zunächst abgelehnt hat, später aber dann doch AdV gewährt, ist die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 FGO, dass ein Antrag nach § 69 Abs. 2 FGO ganz oder zum Teil zuvor abgelehnt wurde, nicht erfüllt.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Streitig im anhängigen Klageverfahren 12 K 2477/20 ist, ob Verluste aus Gewerbebetrieb in der Bemessungsgrundlage zur Einkommensteuer zu berücksichtigen sind, weil der Antragsteller nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei und es sich nicht um inländische Einkünfte handele.
Der Antragsgegner, das Finanzamt, hat während der Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide für 2014, 2015 und 2016 in vollem Umfang Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt und die AdV jeweils bis einen Monat nach dem Ende des Einspruchsverfahrens befristet. Mit Mitteilungen vom 14. Oktober 2020 und 21. Oktober 2020 hat das Finanzamt dem Antragsteller mitgeteilt, dass die AdV am 12. November 2020 beendet ist und die ausgesetzten Beträge zur Zahlung fällig sind.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Bescheide vom 4. November 2019 über die Einkommensteuer für 2014 und 2015 und den Bescheid vom 5. September 2019 über die Einkommensteuer für 2016 – alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2020 – wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte für die Dauer des Klageverfahrens für 2014 in Höhe von 38.755,00 €, für 2015 in Höhe von 23.858,00 € und für 2016 in Höhe von 17.264,43 € von der Vollziehung auszusetzen und die Bescheide vom 18. März 2019 über die Verspätungszuschläge zur Einkommensteuer für 2014, 2015 und 2016 – alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2020 – wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte für die Dauer des Klageverfahrens für 2014, 2015 und 2016 in Höhe von jeweils 500,00 € von der Vollziehung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass der Antrag gemäß § 69 Abs. 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässig sei, da keine vorherige Ablehnung des Antrages auf AdV vorliegt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und die vorgelegten Akten sowie die Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2020 verwiesen.
II.
Der Antrag ist unzulässig.
Gem. § 69 Abs. 4 FGO kann der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO bei Gericht in zulässiger Weise nur angebracht werden, wenn die Finanzbehörde einen Antrag nach § 69 Abs. 2 FGO ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Dies gilt nicht, wenn
1. die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2. eine Vollstreckung droht.
Keiner dieser Ausnahmetatbestände liegt im Streitfall vor.
§ 69 Abs. 4 FGO bezweckt eine Entlastung des Finanzgerichts (FG). Die Entlastung liegt darin, dass Aussetzungsanträge zunächst durch eine Verwaltungsentscheidung vorgefiltert werden müssen – und sich dadurch z.T. auch erledigen – bevor sie an das FG herangetragen werden dürfen. Die in § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO vorausgesetzte Vorprüfung liegt vor, wenn entweder ein Antrag nach § 361 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) oder ein solcher nach § 69 Abs. 2 Satz 1 FGO abgelehnt worden ist (Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler , AO/FGO, § 69 FGO Rz. 1082 [Mai 2019]). Es genügt eine einmalige Ablehnung (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 17. Dezember 1996 VIII B 71/96, BFHE 182, 164, BStBl II 1997, 290). Der Steuerpflichtige muss sich nicht in jedem Verfahrensabschnitt erneut an das Finanzamt wenden (Birkenfeld in HHSp, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 1083 [Mai 2019]). Hat die Finanzbehörde den Antrag zwar zunächst abgelehnt, später aber dann doch AdV gewährt, ist die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 FGO nicht erfüllt (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 71 [Juli 2015] m.w.N.).
Nach diesem Maßstab ist der Antrag unzulässig. Das Finanzamt hat für die Dauer des Einspruchsverfahrens in vollem Umfang AdV für die Einkommensteuer 2014, 2015 und 2016 sowie die Verspätungszuschläge hierzu gewährt und auch die Folgebescheide über Zinsen und Solidaritätszuschlag von der Vollziehung ausgesetzt. Die vorübergehende Ablehnung der AdV für die Einkommensteuer 2016 mit Bescheid vom 13. Mai 2019 stellt keine einmalige Ablehnung i.S. des § 69 Abs. 4 FGO dar, denn das Finanzamt hat nach einer zwischenzeitlichen Stundung mit Bescheid vom 24. September 2019 die AdV in vollem Umfang für die Einkommensteuer 2016 und den Verspätungszuschlag hierzu zusammen mit den Folgebescheiden für die Zinsen und den Solidaritätszuschlag gewährt. Damit ist die vorherige Ablehnung durch das Finanzamt obsolet.
Die Mitteilungen der Finanzbehörde über den Ablauf der Vollziehungsaussetzung mit Zahlungsaufforderung (einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung) vom 14. Oktober 2020 und 21. Oktober 2020 sind keine Ablehnung der Vollziehungsaussetzung für den daran anschließenden Zeitraum noch droht allein durch diese Mitteilung bereits die Vollstreckung im Sinne der vorgenannten Vorschrift (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Dezember 1994 VI B 138/94, BFH/NV 1995, 701).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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