Steuerrecht

Auslegung des Begriffs “Forstwirtschaftlicher Betrieb”

Aktenzeichen  3 K 1200/19

Datum:
17.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34984
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 12 Nr. 1 S. 1, § 15 Abs. 2
BewG § 33

 

Leitsatz

Tenor

1. Unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids für 2016 vom 29.06.2018 in Gestalt der der Einspruchsentscheidung vom 12.08.2019 werden die Einkünfte aus Forstwirtschaft mit – 1.558 € festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu 3/40 und der Beklagte zu 37/40 zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten des Klägers vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat zum großen Teil Erfolg.
Der Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 29.06.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.08.2019 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, als neben dem Ansatz eines Entnahmewertes für privates Brennholz auch ein Entnahmewert für die private Nutzung von betrieblichen Anlagegütern als Betriebseinnahme angesetzt wurde. Im Übrigen ist die Klage ohne Erfolg.
Der Kläger betrieb im Klagejahr 2016 einen forstwirtschaftlichen Betrieb. Im Rahmen dieses Betriebes entnahm der Kläger von den Holzvorratsbeständen einen Teil zur Privatnutzung. Für diese Entnahme ist ein Entnahmewert von 35 € je Ster anzusetzen.
1. Ein forstwirtschaftlicher Betrieb setzt gemäß § 15 Abs. 2 EStG eine selbstständige nachhaltige Betätigung voraus, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, und unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unternommen wird. Nach Bruschke in Gürsching/Stenger, BewG, ErbStG, § 33 BewG, Rz. 20, ist unter „Forstwirtschaft“ die planmäßige, auf den Anbau und den Abschlag von Holz gerichtete Tätigkeit zu verstehen.
a) Auch wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb keine Mindestgröße erfordert, können nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 05.05.2011 IV R 48/08, BStBl. II 2011, 792, Rz. 21) die Größe und die Art der Bewirtschaftung Anhaltspunkte dafür bieten, ob der Rahmen einer privaten Gartenbewirtschaftung für Eigenbedarfszwecke überschritten wurde. Die Finanzverwaltung nimmt aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung an, dass einkommensteuerrechtlich kein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb vorliegt, wenn die bewirtschafteten Grundstücksflächen insgesamt nicht größer als 3.000 m² sind, sofern es sich nicht um Intensivnutzungen für Sonderkulturen handelt, z.B. für Gemüse-, Blumen- und Zierpflanzenanbau, Baumschulen oder Weinbau. Die Rechtsprechung hat darin eine Faustregel gesehen, an der sie sich im Einzelfall orientiert hat (BFH-Urteil vom 05.05.2011 IV R 48/08, BStBl. II 2011, 792 m.w.N.; FG Nürnberg, Urteil vom 21.02.2019 6 K 130/18, Rn. 20, juris).
b) Aus dem Begriff des „land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs“ folgt, dass der Steuerpflichtige nicht nur – wie ein privater Gartenbesitzer – Erträge zu Eigenbedarfszwecken erzielt, sondern wie ein (Haupt- oder Nebenerwerbs-) Landwirt seine Erträge am Markt anbietet. Der Steuerpflichtige muss erkennbar am Markt mit seinen land- und forstwirtschaftlichen Produkten und/oder Dienstleistungen auftreten, da nur so eine Abgrenzung dieser Betriebe von der privaten Vermögensverwaltung möglich ist (FG Nürnberg, Urteil zur Kfz-Steuer vom 21.02.2019 6 K 130/18, Rn. 21, juris).
Bei Beurteilung der Forstwirtschaft sind jedoch deren natürliche Gegebenheiten zu beachten. Während z.B. bei der eigentlichen Landwirtschaft die planmäßige Nutzung des Grund- und Bodens durch Fruchtziehung in der Regel Jahr für Jahr der Jahreszeit entsprechende Arbeiten wie die Bearbeitung des Bodens und seine Bepflanzung, die Bestandspflege und das Abernten der Früchte erfordert und jedes Jahr Erträge erwirtschaftet werden können, liegen die natürlichen Verhältnisse bei der Forstwirtschaft grundsätzlich anders. Das gilt insbesondere bei Waldungen, deren Bestände nur eine oder nur wenige Altersklassen aufweisen und die man daher im Gegensatz zu den Nachhaltsbetrieben als aussetzende Betriebe bezeichnet. Denn zwischen der Aufforstung einer Waldfläche und der Holzernte liegen je nach der Umtriebszeit der betreffenden Holzarten zwei, drei oder viele Jahrzehnte. Die planmäßige Nutzung des Grundes und Bodens durch Fruchtziehung ist also beim aussetzenden Forstbetrieb kein Geschehensablauf, der sich auf ein Jahr erstreckt und alljährlich wiederholt; bei ihm erstreckt sich der Bogen von der Anpflanzung bis zur Ernte auf die gesamte Umtriebszeit der Altersklassen der aufgeforsteten Holzarten.
c) Bei den sog. Bauernwaldungen, die wegen ihrer geringen Flächengröße keine Nachhaltungsbetriebe sind, die aufgrund der zahlreichen Altersklassen ihrer Bestände stetige Erträge erbringen können, sondern typische aussetzende Betriebe mit wenigen Altersklassen darstellen, sind also nach der Aufforstung häufig viele Jahre keine direkten Nutzungen durch Holzernten möglich. Nur durch das natürliche Wachstum selbst vollzieht sich ein ständiger jährlicher Wertzuwachs. Ist eine solche Forstfläche planmäßig aufgeforstet, ist aber die Umtriebszeit der wenigen Altersklassen noch nicht abgelaufen, so beschränkt sich die Bewirtschaftung im Wesentlichen auf die Bestandspflege, deren Durchführung gerade bei Bauernwaldungen je nach den zur Verfügung stehenden Arbeitskräften sehr unterschiedlich ist (vgl. hierzu allgemeine Ausführungen in den BFH-Urteilen vom 18.03.1976 IV R 52/72, BStBl. II 1976, 482; vom 18.11.2009 II R 30/08, BFH/NV 2010, 466; und vom 09.03.2017 VI R 86/14, BStBl. II 2017, 981; FG Nürnberg, Urteil vom 21.02.2019 6 K 130/18, Rn. 25, juris).
d) Es sind laufend Pflegemaßnahmen im Wald durchzuführen. Eine Durchforstung dient der Konzentration auf die wertvollen Bäume des Waldes. Entnommen werden bei den Durchforstungen Bäume, die die Auslesebäume bedrängen oder starke Grobformen ausweisen. Bis zum Bestandsende wird sich die Gesamtzahl der Bäume verringern, da der einzelne Baum immer mehr Standraum für sein Wachstum benötigt (Portal des Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; https://www.stmelf.bayern.de/wald/waldbesitzer_portal; Stand: 17.10.2020). Kommt es zu einem verstärkten Befall von Bäumen durch einen Schadorganismus (Borkenkäfer, Pilze, Mäuse etc.), kann sofortiges Handeln notwendig sein. Um eine weitere Ausbreitung des Schadorganismus zu vermeiden, sind artspezifische Maßnahmen zu ergreifen. So vermeidet man großflächige Waldschäden und bewirtschaftet seinen Wald nachhaltig. Auch Stürme, Waldbrände, Schnee und Eis können gravierende Schäden am Wald hinterlassen. In der Folge sinkt außerdem die Abwehrkraft gegenüber biologischen Schädlingen. So findet der Borkenkäfer optimale Brutbedingungen nach Sturm- und Frostschäden. Zudem ist in Fällen, in denen eine Selbstreinigung des Stammes nicht erfolgt und dennoch hohe Holzqualitäten erzielt werden sollen, eine Wertastung durchzuführen. Insbesondere bei Fichte und Tanne ist eine Astung zur Wertsteigerung sinnvoll (Portal des Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; https://www…de/wald/waldbesitzer_portal; Stand: 17.10.2020).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall unterhält der Kläger einen forstwirtschaftlichen Betrieb und die im Klagejahr durchgeführten Waldbewirtschaftungsmaßnahmen sind alle betrieblich veranlasst. Ein Wert für eine private Nutzung von betrieblichen Anlagegütern ist nicht anzusetzen, da eine private Nutzung nicht stattfand.
a) Die Größe der bewirtschafteten Grundstücksflächen übersteigt und überstieg im Klagejahr die für die Abgrenzung von einer privaten Gartenbewirtschaftung zu Eigenbedarfszwecken entwickelte Grenze bei weitem. Zwischen der Aufforstung einer Waldfläche und der Holzernte liegen je nach Umtriebszeit mehrere Jahrzehnte. Der Kläger hat sich dazu entschieden, in seinem Wald hochwertiges Holz zu erzeugen. Es handelt sich nicht um eine Kurzumtriebsplantage mit schnell nachwachsendem Holz. Nach den Angaben der Klägerseite ist der Baumbestand nach den natürlichen Gegebenheiten der Forstwirtschaft erst in 30 bis 50 Jahren voll ausgetrieben und reif für einen Holzeinschlag mit einem Verkauf der Produkte. Nach der Rechtsprechung genügt das „sich selbst Überlassen“ einer Waldfläche ohne Holzverkäufe oder Holzverwertung oder Bewirtschaftungsmaßnahmen den Anforderungen eines Forstbetriebs (vgl. BFH-Urteil vom 09.03.2017 VI R 86/14, BStBl. II 2017, 981). Es wird derjenige zum Forstwirt, der – wie der Kläger – einen Wald, der nach seiner Beschaffenheit einen aussetzenden forstwirtschaftlichen Betrieb darstellt, hat und dessen Wertsteigerung durch den natürlichen Aufwuchs ihm als zunächst nicht realisierter Gewinn zufällt. Die Gewinnerzielungsabsicht ist hiermit gegeben. Die Annahme eines forstwirtschaftlichen Betriebs scheitert nicht an fehlenden Holzverkäufen bzw. -verwertungen.
b) Die Pflege und Durchforstung des Waldes gehört dabei nach der Überzeugung des Senats untrennbar zur betrieblichen Sphäre. Es sind nach den Angaben der Klägerseite laufend Pflegemaßnahmen durchzuführen. Zu eng zueinander stehende Bäume sowie Dürr- und Schädlingsholz sind zu entfernen und Sturmschäden zu beseitigen. Dies ist auch deshalb zu besorgen, um eine Ausbreitung des Schädlingbefalls zu verhindern und die Anforderungen der Forstbehörden zu erfüllen. Die Angaben des Klägers sind glaubhaft und werden durch die Informationen des Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bestätigt. Damit steht die Vorhaltung und Nutzung des Maschinenparks in unmittelbarem Zusammenhang mit der langfristigen Waldbewirtschaftung und ist in vollem Umfang betrieblich veranlasst. Daran ändert auch die Brennholzentnahme im Klagejahr und in den vorangegangenen und folgenden Jahren nichts. Der Eigenverbrauch des Klägers betrifft Holz, das wegen Pflegemaßnahmen und Fällen kaputter Bäume aus betrieblichen Gründen geschlagen wurde, nicht aber hiebreifes geerntetes Holz. Neben dem eigenverbrauchten Holz ist somit eine zukünftige, noch nicht realisierte Holzernte vorhanden. Die Eigennutzung stellt nicht die jährliche Ernte dar. Zudem betrifft die Entnahme auch nicht das in den dem Klagejahr zugrundeliegenden Wirtschaftsjahren geschlagene Holz. Der Kläger hat nach seinen Angaben in den beiden Wirtschaftsjahren 2015/2016 und 2016/2017 durch die Pflegemaßnahmen jeweils ca. 30 bis 40 Ster Brennholz erzeugt und dieses abgelagert. Er hat jedoch nicht das Stammholz oder das durch die Pflegemaßnahmen dieser beiden Wirtschaftsjahre geschlagene Holz, sondern erst das fertige Produkt Brennholz aus dem Vorrat entnommen, welches nach seinen Angaben zuvor etliche Jahre gelagert gewesen war.
c) Das Urteil des FG Nürnberg vom 30.09.2015 (Az. 7 K 562/14) ist auf den Streitfall nicht anzuwenden, denn der Sachverhalt des Streitfalles unterscheidet sich wesentlich vom Sachverhalt, der dem 7. Senat des Finanzgerichts Nürnberg zur Entscheidung vorlag. Die forstwirtschaftliche Fläche des Klagefalles ist wesentlich größer als im Sachverhalt des 7. Senats (unter 1 ha). Zudem liegt im Klagefall eine Bewirtschaftung des Waldes mit der Anlegung eines Brennholzvorrates (auch im Klagejahr) und der Erzielung von Verkaufserlösen in den Vorjahren 2010 bis 2013 sowie im Jahr 2020 vor. In dem Sachverhalt, der dem 7. Senat des Finanzgerichts Nürnberg zur Entscheidung vorlag, wurde kein Brennholzvorrat angelegt. Es wurden lediglich dürre Bäume eingeschlagen und diese ausschließlich für eigene private Zwecke als Brennholz verwendet.
3. Für die Entnahme von Brennholz aus den Brennholzvorrat ist ein Entnahmewert von 35 € je Ster anzusetzen. Die Bewertung einer Entnahme erfolgt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG mit dem Teilwert. Teilwert ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Wert, den ein gedachter Erwerber beim Erwerb des ganzen Betriebs für das einzelne Wirtschaftsgut aufwenden würde. Der Teilwert kann aus dem voraussichtlichen Veräußerungspreis abzüglich eines Gewinnaufschlags abgeleitet werden (Schmidt/Kulosa, EStG 39. Auflage, § 6 Rz. 257). Das bei den Pflegemaßnahmen entnommene Holz wird auf die Länge eines Meters geschnitten, stärkeres Holz gespalten und gelagert. Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren vorgetragen, dass der Marktpreis für ofenfertiges Brennholz (Nadelholz) etwa 45 € je Ster betrage. Hierfür wurden Belege vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter ausgeführt, dass der Holzpreis mittlerweile weiter gefallen sei und der Kläger im Juni 2020 3 ½ Ster zum Preis von 30 € je Ster verkauft habe. Nach Auffassung des Senats ist im Streitfall ausgehend vom Betrag von 45 € für das ofenfertige Zuschneiden und die Verbringung aus dem Wald ein Abschlag von 10 € zu machen. Somit ist ein Entnahmewert von 35 € je Ster anzusetzen.
4. Es ist somit sowohl im Wirtschaftsjahr 2015/2016 als auch 2016/2017 ein Entnahmewert in Höhe von 980 € (28 x 35 €) anzusetzen. Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 errechnet sich ein Verlust in Höhe von -1.505 €, der im Klagejahr mit -376 € (3/12) zu berücksichtigen ist. Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 errechnet sich ein Verlust in Höhe von -1.576 €, der im Klagejahr mit -1.182 € (9/12) zu berücksichtigen ist. Die Einkünfte aus Forstwirtschaft betragen damit mit -1.558 €.
Die Berechnung der Einkommensteuer wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Finanzamt auferlegt, da die Ermittlung des festzusetzenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand für das Gericht bedeutet. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten des Klägers sowie die Abwendungsbefugnis, der von Amts wegen zu erfolgen hat, ergibt sich aus den §§ 151 Abs. 1 Satz 1 FGO, 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.


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