Steuerrecht

Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechtes – Formunwirksamer notarieller Kaufvertrag

Aktenzeichen  Au 2 K 17.528

Datum:
6.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24392
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayNatSchG Art. 39
BGB § 139, § 311b

 

Leitsatz

1. Wird ein Geschäft über den auf einem Grundstück befindlichen Holzbestand außerhalb des notariellen Kaufvertrags abgeschlossen, ist der notarielle Vertrag formunwirksam, da nicht alle Bestandteile des Veräußerungsgeschäfts beurkundet sind. (Rn. 46 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
2. Fehlt es am Vorliegen eines formgerechten notariellen Kaufvertrags, ist die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts nach Art. 39 Abs. 1 BayNatSchG nicht möglich. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 21. März 2017 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts durch Bescheid des Landrats … vom 21. März 2017 zugunsten des Beigeladenen zu 2 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Voraussetzungen des Art. 39 BayNatSchG lagen nicht vor, da hier kein den gesetzlichen Anforderungen genügender Vorkaufsfall vorlag. Der notariell beurkundete Kaufvertrag vom 12. Januar 2017 ist nach § 311b Abs. 1, § 139 BGB ungültig. Das dort geregelte Beurkundungserfordernis erstreckt sich nicht nur auf die Veräußerungs- und Erwerbsverpflichtung, sondern auf den Vertrag im Ganzen. Formbedürftig sind alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt. Sind mehrere Rechtsgeschäfte als Einheit gewollt, ist alles zu beurkunden (BGH, U.v. 19.11.1982 – V ZR 161/81 – NJW 1983, 563; U.v. 27.10.1982 – V ZR 132/81 – NJW 1983, 565). Hätten die Parteien den Vertrag aber auch ohne den nicht beurkundeten Teil abgeschlossen, ist ein möglicher Formverstoß gemäß § 139 BGB unschädlich (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 24.8.2011 – 14 ZB 09.2714 – juris Rn. 5; vgl. ferner: BayVGH, B.v. 22.6.2015 – 15 ZB 13.1915 – juris Rn. 17 ff.; U.v. 28.7.1999 – 9 B 97.474 – juris; VG München, U.v. 26.9.2017 – M 1 K 16.4356 – juris Rn. 18 ff.; U.v. 15.9.2009 – M 1 K 09.2240 – juris; Fischer-Hüftle in Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, Naturschutzrecht in Bayern, Stand: April 2019, Art. 39 Rn. 17).
Von einem außerhalb des notariellen Kaufvertrags abgeschlossenen Geschäft über den auf dem Grundstück befindlichen Aufwuchs ist zur Überzeugung des Gerichts auszugehen. Dafür, dass sich der Beigeladene zu 1 und der Kläger zusätzlich über einen „Verkauf“ des Aufwuchses einigten, spricht maßgeblich, dass der beurkundete Kaufpreis von 500 € – gleich welche Preisangaben herangezogen werden – für das Grundstück weit unter dem tatsächlichen Wert des Grundstücks samt Baumbestand liegt. Laut der seitens des Klägers vorgelegten Waldwertschätzung der Waldbesitzervereinigung … e.V. vom 3. September 2018 – gegen die von den Beteiligten keinerlei Bedenken geltend gemacht wurden – liegt der Wert des Waldbestandes des Grundstücks bei 3.330 €. Die Frage der tatsächlichen Motivation des Klägers und des Beigeladenen zu 1 für ihr Vorgehen ist für die zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung. Maßgeblich ist, dass nach der Überzeugung des Gerichts, die dieses auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, ein formunwirksamer notarieller Vertrag vorliegt, da nicht alle Bestandteile des Veräußerungsgeschäfts beurkundet sind. Ungeachtet der schwankenden Wertangaben seitens des Klägers und der einer Schätzung naturgemäß innewohnenden Ungenauigkeiten ergibt sich aus der Wertschätzung der Waldbesitzervereinigung … e.V. objektiv eine augenfällige Diskrepanz zu dem notariell beurkundeten Kaufpreis von 500 €. Dies spricht dafür, dass es auch eine außerhalb des notariellen Vertrags liegende Abrede über den Aufwuchs gab. Denn auch bei Annahme eines „Freundschaftspreises“ zu Gunsten des Beigeladenen zu 1 ist dieser große Unterscheid nicht erklärlich. Näherliegend ist daher die Schilderung des Klägers und des Beigeladenen zu 1. Der vom Kläger in der Klagebegründung angegebene Kaufpreis von 3.500 € für den Aufwuchs liegt hingegen deutlich näher an dem durch die Waldwertschätzung ermittelten Wert des Waldbestandes von 3.330 €. Auch der ermittelte Wert des Waldbodens von 510 € ist mit dem im notariellen Kaufvertrag genannten Preis von 500 € für das Grundstück nahezu deckungsgleich. Auch dieser Umstand spricht mithin für eine von den Kaufvertragsparteien gewollte Trennung der Abrede über den Aufwuchs von der Abrede über das Grundeigentum. Für das Vorhandensein einer derartigen Gestaltung spricht auch die vom Kläger vorgelegte Bestätigung vom 24. März 2017 über die Rückerstattung eines Betrags von 4.100 €, welcher den notariell beurkundeten Kaufpreis von 500 € deutlich übersteigt.
Da es hier den Kaufvertragsparteien letztlich um die Veräußerung des Grundstücks mit Aufwuchs ging, setzte sich das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft nach dem Willen der Parteien aus der Abrede über den Verkauf des Bewuchses zum Preis von 3.500 € und der Einigung über den Erwerb des Grundstücks zum Preis von 500 € zusammen und hätte insgesamt gemäß § 311b Abs. 1 BGB einer Beurkundung bedurft (s. hierzu auch Grziwotz in Erman, BGB, 15. Auflg. 2017, § 311b BGB Rn. 43 ff.).
Aufgrund des maßgeblichen Interesses des Beigeladenen zu 1 an der Nutzung des Baumbestands, ist auch anzunehmen, dass die Parteien den Vertrag nicht ohne den nicht beurkundeten Teil abgeschlossen hätten. § 139 BGB findet hier folglich keine Anwendung.
Der Formmangel wurde auch nicht gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt, da hier ein Vollzug der Auflassung durch Eintragung in das Grundbuch nicht erfolgt ist.
Damit fehlt es am Vorliegen eines formgerechten notariellen Kaufvertrags, der die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts nach Art. 39 Abs. 1 BayNatSchG ermöglicht.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO; vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2017 – 6 CE 17.426 – juris Rn. 23).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
3. Gründe, die Berufung zuzulassen, bestehen nicht (§ 124 Abs. 2, 124a VwGO).


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben