Steuerrecht

Behandlung einer verdeckten Einlage bei der Ermittlung des Einkommens

Aktenzeichen  7 K 729/17

Datum:
9.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2018, 405
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
KStG § 8 Abs. 3 S. 3, § 27, § 28, § 38
EEStG § 6 Abs. 1 Nr. 5

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Bescheide über Körperschaftsteuer 2013, gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2013, Gewerbesteuermessbetrag 2013, gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2013, gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31.12.2016 jeweils vom 04.03.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.02.2017 werden dahingehend geändert, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte bzw. der Gewerbeertrag um weitere 120.000 € vermindert wird, der festzustellende verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer bzw. der vortragsfähige Gewerbeverlust entsprechend angepasst wird und das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2013 in Höhe von 170.000 € festgestellt wird. Die Berechnung der steuerlichen Auswirkungen im Einzelnen wird dem Beklagten übertragen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist begründet. Zu Unrecht hat das FA angenommen, dass der Teilwert der erlassenen Gesellschafterforderung niedriger als ihr Nennwert ist und hat entsprechend eine zu niedrige verdeckte Einlage bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen.
1. Wie der große Senat des BFH im Beschluss vom 9. Juni 1997 GrS 1/94 (BFHE 183, 187, Bundessteuerblatt –BStBl – II 1998, 307) entschieden hat, führt eine verdeckte Einlage in Form eines Verzichts auf die Forderung gegenüber der Gesellschafter durch den Wegfall der zuvor passivierten Verbindlichkeit bei der Kapitalgesellschaft zu einer Vermögensmehrung, die nach handelsrechtlichen Grundsätzen als Gewinn ausgewiesen werden kann. Dem ist steuerrechtlich jedoch durch den Abzug einer verdeckten Einlage gemäß § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG außerhalb der Bilanz zu begegnen, wenn der Gesellschafter den Erlass im Hinblick auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt hat. Der Verzicht des Gesellschafters kann sich auch auf eine Forderung erstrecken, die angesichts der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft nicht als vollwertig angesehen werden kann. In diesem Fall hat die Kapitalgesellschaft als Wert der Einlage den tatsächlichen Wert der Forderung, nicht ihren Nennbetrag auch nicht den als Verbindlichkeit passivierten Betrag anzusetzen. Einlagen sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Kapitalgesellschaft mit dem Teilwert der zugeführten Wirtschaftsgüter anzusetzen. Für die Bewertung der Forderung ist es gleichgültig, ob der Gesellschafter eine gegen die Gesellschaft gerichtete Forderung an die Gesellschaft abtritt oder ihr die entsprechende Schuld erlässt. Beide Vorgänge können nicht unterschiedlich bewertet werden, weil die abgetretene Forderung durch die Vereinigung mit der Verbindlichkeit untergeht, das Ergebnis also demjenigen eines Forderungsverzichts entspricht. Der Wert des Vermögenszugangs ist in beiden Fällen mit dem Betrag zu bemessen, den der Betriebsinhaber für den Erwerb der Forderung oder die Herbeiführung des Verzichts hätte aufwenden müssen. Er entspricht dem noch werthaltigen Teil der Forderung.
2. Im Streitfall besteht kein Zweifel daran, dass der Verzicht des Gesellschafters der Klägerin auf die Darlehensforderung in Höhe eines Teilbetrags von 170.000 € eine (verdeckte) Einlage darstellt, da sie ihre Ursache im Gesellschafterverhältnis hat. Es ist nicht ersichtlich, dass und aus welchem Grund ein fremder Dritter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ersatz- und bedingungslos in derselben Höhe auf eine Darlehensforderung verzichtet hätte.
3. Der durch den Forderungsverzicht entstandene Gewinn ist außerbilanziell in voller Höhe zu neutralisieren, weil der Teilwert der Forderung, auf die der Gesellschafter verzichtet hat, ihrem Nennwert entsprach.
a) Die Einlage ist gemäß §§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG, 7 Satz 1 GewStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG mit dem Teilwert der Forderung, auf die verzichtet wurde, im Zeitpunkt der Zuführung zu bewerten. Soweit die Forderung im Zeitpunkt des Verzichts nicht (mehr) werthaltig war, bleibt es bei der durch den Wegfall der Verbindlichkeit ausgelösten Gewinnerhöhung (BFH-Beschluss vom 09.06.1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307). Diese Grundsätze gelten auch im Fall eines Darlehensverzichtes mit eigenkapitalersetzendem Charakter (BFH-Urteil vom 28.11.2001 I R 30/01, BFH/NV 2002, 677; BFH-Beschluss vom 16.05.2001 I B 143/00, BFHE 195, 351, BStBl II 2002, 436).
b) Der Große Senat stellt für die Ermittlung des Teilwerts der erlassenen Forderung auf den Wert ab, den der Betriebsinhaber für den Erwerb der Forderung oder die Herbeiführung des Verzichts hätte aufwenden müssen. Damit stellt der Große Senat auf den Betrag ab, den der Schuldner für den Erwerb der Forderung oder die Herbeiführung des Verzichts hätte aufwenden müssen (Groh, BB 1997, 2523/2524; Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 1. Aufl. 2015, § 8 KStG Rdnr. 1393). Der Teilwert einer Darlehensforderung ist im Wege der Schätzung aufgrund der am Bilanzstichtag gegebenen objektiven Verhältnisse zu ermitteln und wird durch die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Schuldners und durch ihre Verzinslichkeit beeinflusst. Maßgebend ist, ob nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund der Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Schuldners mit einem (teilweisen) Forderungsausfall zu rechnen ist (BFH-Urteil vom 20.08.2003 I R 49/02, BFHE 203, 319, BStBl II 2003, 941; FG Hamburg, Urteil vom 12.02.2014 6 K 203/11, juris).
c) Bei Anwendung dieser Kriterien war die Forderung, auf die der Gesellschafter der Klägerin verzichtet hat, in voller Höhe werthaltig. Zwar war ihr Eigenkapital zum 31.12.2013 negativ, jedoch sind stille Reserven vorhanden, die die latente Überschuldung so weit beseitigen, dass die Verbindlichkeiten der Klägerin durch ihr Vermögen gedeckt sind. Konkret bedeutet dies, dass das negative Eigenkapital in Höhe von 8.961 € durch die stillen Reserven in Höhe von 20.035 € mehr als ausgeglichen wird. Ist das auf diese Weise ermittelte Eigenkapital positiv, ist die Darlehensforderung mit ihrem Nennwert anzusetzen, denn bei positivem Eigenkapital kann regelmäßig von einer „wirtschaftlich gesunden Kapitalgesellschaft“ und damit ganz allgemein von einer ausreichenden Bonität ausgegangen werden, da die Verbindlichkeiten der Gesellschaft durch entsprechendes Vermögen gedeckt sind (Urbahns, DStZ 2005, 148/153). Im Streitfall hatte die Klägerin am Bilanzstichtag zum 31.12.2013 laut berichtigter Bilanz ein Aktivvermögen in Höhe von 290.687,08 € und zuzüglich der stillen Reserven in Höhe von 310.722,08 €. Dem standen vor Erlass der Gesellschafterforderung Verbindlichkeiten und Rückstellungen in Höhe von 299.648,59 € gegenüber. Die Gesellschafterforderung war somit durch das Aktivvermögen in voller Höhe abgedeckt, so dass kein Grund für die Annahme eines niedrigeren Teilwerts besteht. Unter Zugrundelegung der Teilwertdefinition des BFH im Beschluss des GrS 1/94 (s.o. Ziff. 1) hätte sich die Klägerin von der Verbindlichkeit im Nennwert von 170.000 € durch den Einsatz von Aktivvermögen in gleicher Höhe befreien können, ohne dass sie dadurch überschuldet gewesen wäre (vgl. Groh, BB 1997, 2523/2524).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.


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