Steuerrecht

Beihilfe, Vollstationäre Pflege, Selbstbehalt, Realsplitting, „Doppelte“ Berücksichtigung des an den getrennt lebenden Ehegatten gezahlten Unterhalts, Zumutbarkeit des Abschlusses einer privaten Pflegeversicherung

Aktenzeichen  M 17 K 19.3585

Datum:
14.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31829
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBhV § 39

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage, über die nach übereinstimmender Erklärung der Beteiligten durch die Berichterstatterin und im schriftlichen Verfahren nach § 101 Abs. 2 VwGO entschieden werden konnte, hat keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.
Zwar kann die Klagepartei als Rechtsnachfolger für den verstorbenen Beihilfeberechtigten einen Beihilfeanspruch aktiv legitimiert geltend machen (BVerwG, U.v. 29.4.2010 – 2 C 77/08 – juris Rn. 16, unter Aufgabe der vormaligen Rechtsprechung, wonach der Beihilfeanspruch grundsätzlich nicht als vererblich angesehen wurde), allerdings besteht ein solcher im vorliegenden Fall nicht.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe im beantragten Umfang (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Bescheid vom 22. Februar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage statthaft, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Das Klagebegehren ist nach § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 22. Februar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 2019 die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 3.354,65 € (70 v.H. von 4.792,35 € [10.323,99 € abzgl. 5.531,64 €]) beantragt.
Streitgegenstand ist allein die Gewährung weiterer Beihilfe für die Monate November 2018, Dezember 2018 und Januar 2019. Der vormalige Kläger legte ausdrücklich Klage gegen den Bescheid vom 22. Februar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 2019 ein und beantragte insofern die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen. Diese Bescheide bezogen sich aufgrund des Antrags und ausweislich des zugrundeliegenden Formblatts vom 30. Dezember 2018 allein auf die Monate November 2018 bis Januar 2019.
Der Streitgegenstand wird auch nicht dadurch erweitert, dass der nunmehrige Kläger erstmals mit Schreiben vom 4. Juli 2021 die Rechnungen des Pflegeheims für die Monate März 2019 bis März 2020 sowie mit Schreiben vom 15. September 2021 weitere Beihilfebescheide vom 26. März 2019 und 19. März 2020 vorlegte. Es geht aus den klägerischen Schreiben schon nicht hervor, dass hiergegen Klage erhoben werden soll („Unvollständigkeit des Betrachtungszeitraums: Die Beihilfe hat unkorrekte Berechnungen/Zahlungen über den gesamten Zeitraum des Aufenthalts meiner Mutter im Seniorenheim gemacht, nicht nur über die von Ihnen angeführten drei Monate.“). Jedenfalls wäre eine solche mangels Einhalten der Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO offensichtlich unzulässig.
II. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. statt aller BVerwG, U.v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Für die hier vorgenommene vollstationäre Pflege entstehen Aufwendungen mit jedem Aufenthaltstag in der Pflegeeinrichtung.
Bei dem streitgegenständlichen Aufenthalt zwischen November 2018 und Januar 2019 bestimmt sich die Beihilfefähigkeit daher nach § 80 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juni 2017 (BGBl. I S. 1570) bzw. Gesetz vom 8. November 2018 (BGBl. I S. 1819) bzw. Gesetz vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2232), und der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung – BBhV) vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326), zuletzt geändert durch Verordnung vom 24. Juli 2017 (BGBl. I S. 1232, ber. 2019 S. 46) bzw. Gesetz vom11. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2387).
III. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer weiteren Beihilfe i.H.v. 3.354,65 €.
1. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 39 Abs. 1 BBhV.
Demnach sind Aufwendungen für vollstationäre Pflege beihilfefähig, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist. Beihilfefähig sind pflegebedingte Aufwendungen einschließlich der Aufwendungen für Betreuung, § 39 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 BBhV. Allerdings sind diese monatlich als beihilfefähig anerkennungsfähigen Aufwendungen nach § 39 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB XI auf 1.775,00 € für Pflegebedürftige des Pflegegrades 4 begrenzt. Dass hinsichtlich der Rechnungspositionen Pflege und Ausbildungsumlage pro Monat ungeachtet der tatsächlichen Aufwendungen pauschal 1.775,00 € als beihilfefähig anerkannt wurden, begegnet demnach keinen Bedenken.
Die weiteren streitigen Rechnungspositionen Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten unterfallen von vorneherein nicht dem Anwendungsbereich von § 39 Abs. 1 BBhV.
2. Auch hat der Kläger keinen Anspruch auf Mehrleistungen zu Aufwendungen für vollstationäre Pflege aus § 39 Abs. 2 BBhV.
Demnach sind Aufwendungen für Pflegeleistungen, die über die nach Absatz 1 beihilfefähigen Aufwendungen hinausgehen – hier also die Rechnungsposten Pflege und Ausbildungsumlage -, sowie für Verpflegung und Unterkunft einschließlich der Investitionskosten beihilfefähig, sofern von den Einnahmen höchstens bestimmte monatliche Beträge verbleiben.
Da dem Kläger die Mindestselbstbehalte des § 39 Abs. 2 Satz 1 HS. 2 BBhV für die streitgegenständlichen Monate bei Abzug der monatlichen ungedeckten Aufwendungen für Pflege, Ausbildungsumlage, Verpflegung und Unterkunft sowie Investitionskosten von den nach § 39 Abs. 3 BBhV maßgeblichen Einnahmen verbleiben, besteht kein Anspruch nach § 39 Abs. 2 BBhV.
Konkret verbleiben dem Kläger:
– für den Monat November 2018: 2.543,14 € (Einnahmen i.H.v. 2.973,55 € abzüglich der ungedeckten Aufwendungen i.H.v. 430,41 €), was über dem maßgeblichen Mindestselbstbehalt von 1.266,17 € liegt.
– für den Monat Dezember 2018: 3.076,05 € (Einnahmen i.H.v. 5.247,44 € abzüglich der ungedeckten Aufwendungen i.H.v. 2.171,39 €), was über dem maßgeblichen Mindestselbstbehalt von 2.234,41 € liegt.
– für den Monat Januar 2019: 3.056,89 € (Einnahmen i.H.v. 5.247,44 € abzüglich der ungedeckten Aufwendungen i.H.v. 2.190,55 €), was über dem maßgeblichen Mindestselbstbehalt von 2.234,41 € liegt.
a) Der maßgebliche Mindestselbstbehalt für die Monate Dezember 2018 und Januar 2019 beträgt 2.234,41 €, für den (Teil-)Monat November 2018 1.266,17 €.
Der monatliche Mindestselbstbehalt setzt sich aus den sich nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 ergebenden einzelnen Mindestselbstbehalten wie folgt zusammen.
Der Mindestselbstbehalt nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BBhV beträgt für jeden vollen Monat 440,09 €. Nach dieser Vorschrift muss dem Beihilfeberechtigten ein Betrag von 8% des Grundgehalts der Stufe 8 der Besoldungsgruppe A 13 für jede beihilfeberechtigte und jede berücksichtigungsfähige Person verbleiben, für die ein Anspruch nach Absatz 1 oder § 43 SGB XI besteht. Für die Ehefrau des früheren Klägers bestand aufgrund ihrer notwendigen vollstationären Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung ein Anspruch nach § 39 Abs. 1 BBhV. Mangels Bezugnahme auf eine bestimmte Fassung der Besoldungstabelle ist auf die für den jeweils zu berechnenden Monat geltende Fassung abzustellen. Entsprechend bestimmt Ziffer 39.2.1 Satz 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung vom 26. Juni 2017 (BBhVVwV), dass für die Berechnung des zu belassenden Mindestbetrages immer die aktuelle Besoldungstabelle zugrunde zu legen ist. In den maßgeblichen Monaten November 2018 bis Januar 2019 betrug das Grundgehalt der Stufe 8 der Besoldungsgruppe A 13 5.501,10 € (vgl. Besoldungstabelle 2018 für Beamtinnen und Beamten des Bundes, gültig ab 1. März 2018). Hieraus ergibt sich ein Mindestbehalt von 440,09 € (8 v.H. von 5.501,10 €).
Da für den früheren Kläger in den maßgeblichen Monaten kein Anspruch nach § 39 Abs. 1 BBhV bestand, besteht ein zusätzlicher Mindestselbstbehalt von 1.650,33 € nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBhV. Nach dieser Vorschrift muss dem Beihilfeberechtigen 30 Prozent des Grundgehalts der Stufe 8 der Besoldungsgruppe A 13 für eine beihilfeberechtigte Person verbleiben, für die kein Anspruch nach Absatz 1 oder § 43 SGB XI besteht. Aus den dargestellten Gründen ist auf ein maßgebliches Grundgehalt von 5.501,10 € abzustellen, woraus sich ein Mindestbehalt von 1.650,33 € (30 v.H. von 5.501,10 €) ergibt.
Hinzu kommt ein weiterer Mindestselbstbehalt von 143,99 €. Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BBhV muss dem Beihilfeberechtigten zusätzlich ein Betrag von 3% des Grundgehalts der letzten Besoldungsgruppe für die beihilfeberechtigte Person verbleiben. Zwar präzisiert die Vorschrift nicht die Besoldungsstufe, allerdings ist angesichts der ausdrücklichen Nennung von Stufe 8 bei den Nr. 1 – 3 davon auszugehen, dass bei Nr. 4 auf die Stufe abzustellen ist, die der Beamte zuletzt innehatte. Die Vorschrift trifft selbst keine Aussagen dazu, auf welche Fassung der Besoldungstabelle abzustellen ist. Für ein Abstellen auf die aktuelle Fassung spricht hier ebenfalls der Wortlaut, der keine ausdrückliche Bezugnahme auf eine frühere Fassung enthält, so dass grundsätzlich von einer dynamischen Verweisung auszugehen ist. Dies entspricht auch Sinn und Zweck der Vorschrift, da der Mindestbehalt ansonsten aufgrund der immer wieder erfolgenden Besoldungserhöhungen in Abhängigkeit davon absinken würde, wie lange der Beamte nicht mehr im aktiven Dienst ist. Für eine solche Differenzierung ist jedoch kein sachlicher Grund ersichtlich. Dieser Auslegung entspricht auch die Regelung in Ziffer 39.2.1 BBhVVwV (VG Berlin, U.v. 12.11.2014 – 7 K 338.13 – juris Rn. 32). Der frühere Kläger hatte zuletzt die Besoldungsgruppe A 12, Stufe 7 inne. Für die maßgeblichen Monate führt dies zu einem Grundgehalt von 4.799,69 € (vgl. Besoldungstabelle 2018 für Beamtinnen und Beamten des Bundes, gültig ab 1. März 2018). Daraus ergibt sich ein weiterer Mindestselbstbehalt von 143,99 € (3 v.H. von 4.766,69 €).
Da für den Monat November 2018 seitens des Pflegeheims lediglich 17 Tage in Rechnung gestellt wurden, besteht in diesem Monat ein (anteiliger) Mindestselbstbehalt i.H.v. 1.266,17 € (17 x [2.234,41 € / 30]).
b) In den Monaten Dezember 2018 und Januar 2019 bestehen maßgebliche monatliche Einnahmen i.H.v. 5.247,44 €, im (Teil-)Monat November 2018 2.973,55 €.
aa) Maßgeblich sind nach § 39 Abs. 3 BBhV die im Kalenderjahr vor der Antragstellung erzielten Einnahmen. Einnahmen nach Satz 2 sind die Bruttobezüge nach § 2 des Beamtenversorgungsgesetzes, die nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften verbleiben (Nr. 2), der Zahlbetrag der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Ehegattin; maßgeblich ist der Betrag, der sich vor Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und ohne Berücksichtigung des Beitragszuschusses ergibt (Nr. 3) sowie der unter § 2 Abs. 3 des Einkommenssteuergesetzes fallende Gesamtbetrag der Einkünfte der Ehegattin; unberücksichtigt bleibt der Anteil einer gesetzlichen Rente, der der Besteuerung unterliegt (Nr. 4).
Aufgrund der Antragstellung am 14. Januar 2019 sind die im Kalenderjahr 2018 erzielten Einnahmen maßgeblich. Diese beliefen sich unter Anwendung des § 39 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 BBhV auf insgesamt 62.969,32 €, also auf einen monatlichen Durchschnitt von 5.247,44 €.
Die Bruttoversorgungsbezüge (§ 39 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BBhV) des vormaligen Klägers beliefen sich im Jahr 2018 auf insgesamt 44.829,12 €, die Altersrente der Ehegattin auf 3.436,20 € (§ 39 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BBhV) und die sonstigen Einkünfte der Ehegattin auf 14.707,00 € (§ 39 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 BBhV).
bb) Das Gericht verkennt bei dieser Berechnung nicht, dass es sich bei dem bei der (getrenntlebenden) Ehegattin unter § 39 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 BBhV fallenden Betrag i.H.v. 14.707,00 € um Unterhalt des vormaligen Klägers handelt. Dieser Betrag ist trotz des Umstandes, dass der vormalige Kläger diesen nach eigenem Vortrag aus seinen Bruttoversorgungsbezügen, also den nach Nr. 2 maßgeblichen Einnahmen bestritten hat, zusätzlich bei der Ehegattin als Einnahme nach Nr. 4 anzusetzen.
Der ehemalige Kläger und seine dauernd getrenntlebende Ehefrau machten vom Real-Splitting Gebrauch. Diese steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeit tritt nicht kraft Gesetzes ein, sondern muss von den Ehegatten übereinstimmend beantragt werden, vgl. § 10 Abs. 1a Satz 1 EStG. Während der Kläger den an seine Ehefrau gezahlten Unterhalt gem. § 10 Abs. 1a EStG im Rahmen seiner Steuererklärung als Sonderausgaben berücksichtigen konnte, handelte es sich bei dessen Ehefrau um sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 1a EStG. Diese werden gem. § 2 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG in den Gesamtbetrag der Einkünfte eingerechnet.
Dieser Gesamtbetrag ist für die Berechnung i.R.d. § 39 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BBhV ausschlaggebend. Tatsächlich wird der Betrag des gezahlten Unterhalts beim Realsplitting dann beihilferechtlich „doppelt“ gewertet; zum einen beim vormaligen Kläger i.R.d. § 39 Abs. 3 Nr. 2 BBhV bei den Bruttobezügen, zum anderen bei dessen Ehefrau i.R.d. § 39 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BBhV.
Diese Berechnung entspricht jedoch den Vorgaben der Bundesbeihilfeverordnung. Die Beklagte wandte die Verordnung korrekt an. Eine Minderung der zu berücksichtigenden Bezüge des Klägers um die entsprechenden Bestandteile des Gesamtbetrags der Einkünfte von dessen Ehefrau (oder umgekehrt), wie sie der Kläger für richtig erachtet, ist nicht gerechtfertigt.
Insgesamt entstehen durch das gewählte Realsplitting steuerliche Vorteile für den unterhaltsleistenden Beihilfeberechtigten, die seine Leistungsfähigkeit erhöhen (Minderung der Steuerlast). Der geleistete Ehegattenunterhalt wird von der Spitze des zu versteuernden Einkommens abgezogen. Dadurch kann eine Steuerersparnis in Höhe der persönlichen Spitzensteuerbelastung erzielt werden. Die Steuerbelastung des Unterhaltsleistenden wird dadurch in der Regel drastisch reduziert (vgl. Börger/Bosch, Deutsches Anwalt Office Premium, § 12 Familienrecht, Rn. 653).
Eine weitere Entlastung in Bereich der Beihilfe durch eine Minderung der Dienstbezüge um den Betrag der an den Ehegatten gewährten Unterhaltsleistungen ist insoweit sachlich nicht gerechtfertigt. Zudem handelt es sich bei der Konzeption des § 39 Abs. 2 und 3 um eine die Grundleistungen des § 39 Abs. 1 ergänzende Leistung, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beihilfeberechtigten und seiner Angehörigen in Form von Eigenanteilen berücksichtigt.
Im Übrigen obliegt es der freien Entscheidung der getrenntlebenden Ehepartner, ob sie die Möglichkeiten des Realsplittings nutzen wollen oder nicht. Der Antrag zur Durchführung des Realsplittings bindet die Antragsteller für ein Jahr und kann auch jeweils nur für ein Kalenderjahr gestellt werden, vgl. § 10 Abs. 1a Satz 3 EStG. Etwaige Nachteile aus der Wahl des Realsplittings im Zusammenhang mit der Aufnahme einer stationären Pflege im Einzelfall können im Folgejahr rückgängig gemacht werden (vgl. Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand April 2021, Bd. 1 Anm. 11 zu § 39 Abs. 3 BBhV).
cc) Auch kann der Kläger für die Berechnung der Einnahmen nach § 39 Abs. 3 BBhV nicht eine entsprechende Anwendung der Normen verlangen, die im Fall einer Ehescheidung Anwendung fänden.
Hierbei ist vorweg darauf hinzuweisen, dass in einem solchen Fall die Gewährung von Beihilfe für die Pflegebedürftige schon von vorneherein ausscheiden dürfte, da sie nach Ehescheidung weder berücksichtigungsfähige Angehörige i.S.v. § 80 Abs. 2 BBG noch selbst Beihilfeberechtigte i.S.v. § 80 Abs. 1 BBG sein dürfte.
Im Übrigen weist die Beklage zurecht darauf hin, dass Unterhaltsleistungen beim Real-Splitting nicht mit einem Versorgungsausgleich nach Ehescheidung vergleichbar sind.
Eine Ehescheidung hat zwar u.U. gemäß § 57 BeamtVG Auswirkungen auf die Höhe der Bruttobezüge. Voraussetzung ist hier aber jedenfalls eine familiengerichtliche Entscheidung und nicht, wie hier, eine bloße privatrechtliche Vereinbarung. Allerdings wird sich die Ehescheidung – anders als der Kläger meint – nicht nur auf die Einnahmen i.S.v. § 39 Abs. 3 BBhV, sondern auch auf die maßgeblichen Mindestselbstbehalte i.S.v. § 39 Abs. 2 BBhV aus. Die Beklage weist zurecht darauf hin, dass Mindestselbstbehalte für die Ehefrau dann nicht mehr bestünden.
3. Auch ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf eine weitere Beihilfe unmittelbar aus dem durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Fürsorgegrundsatz.
Die Fürsorgepflicht ergänzt die ebenfalls durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationspflicht des Dienstherrn. Sie fordert, dass der Dienstherr den amtsangemessenen Lebensunterhalt des Beamten bzw. Versorgungsempfängers und seiner Familie auch in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt oder Tod sicherstellt. Ob er diese Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise erfüllt, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen. Für die genannten besonderen Belastungssituationen wird die Fürsorgepflicht grundsätzlich abschließend durch die Beihilfevorschriften konkretisiert. Im Ausnahmefall kann sich unmittelbar aus dem verfassungsrechtlich verbürgten Fürsorgegrundsatz ein Beihilfeanspruch ergeben. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung der Fall, wenn anderenfalls dem Beamten eine auch unter Berücksichtigung des pauschalierenden und typisierenden Charakters der Beihilfevorschriften nicht mehr zumutbare Belastung abverlangt würde und die Ablehnung der Beihilfe die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt. Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht ist wegen des Zusammenhangs mit der sich ebenfalls aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Alimentationspflicht des Dienstherrn unter anderem verletzt, wenn der Beihilfeberechtigte infolge eines für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen vorgesehenen Leistungsausschlusses oder einer Leistungsbegrenzung mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation oder eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann. Für Aufwendungen im Fall der Pflegebedürftigkeit gilt nichts anderes (BVerwG, U.v. 26.4.2018 – 5 C 4.17 – juris Rn. 12 m.w.N. und unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 24.1.2012 – 2 C 24.10 – juris Rn. 16, 19).
Der Wesenskern der Fürsorgepflicht ist hier schon deshalb nicht verletzt, weil die beihilfeberechtigte Ehefrau des vormaligen Klägers die zumutbare Eigenvorsorge in Form einer Pflegezusatzversicherung nicht getroffen hat. In Übereinstimmung mit höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung geht das Gericht davon aus, für Beamte sowie berücksichtigungsfähige Angehörige seit dem 1. Juli 1996 die Obliegenheit bestand, für den Fall der Pflegebedürftigkeit eine Pflegezusatzversicherung abzuschließen. Zu diesem Zeitpunkt konnten Personen, die das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, im Regelfall zumutbar eine Pflegezusatzversicherung abschließen (BVerwG, U.v. 26.4.2018 – 5 C 4.17 – juris Rn. 15 ff.; HessVGH, U.v. 22.11.2019 – juris Rn. 75 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 27.1.2017 – OVG 4 B 6/16 – Rn. 34 ff.).
Die am 27. September 1941 geborene Ehefrau des vormaligen Klägers war zum Stichtag 1. Juli 1996 erst 55 Jahre alt. Anhaltspunkte dafür, dass der Abschluss einer Pflegezusatzversicherung für diese nicht zumutbar gewesen sei, bestehen nicht. Die erst auf gerichtliche Nachfrage vorgebrachten Erwägungen des Klägers stellen dies nicht substanziell in Frage. Vielmehr wird abstrakt bezweifelt, dass Versicherungsbeiträge für eine private Pflegezusatzversicherung hätten aufgebracht werden können, da diese jeweils bis zu ca. 10% des „verfügbaren Rahmens“ ausgemacht hätten.
Mangels des Abschlusses einer zumutbaren Pflegezusatzversicherung kommt es auf die vom Kläger vorgelegte Berechnung, wonach dem vormaligen Kläger tatsächlich lediglich 912 € pro Monat verblieben sein sollen, nicht an. Dieser Wert taugt auch deshalb nicht als Vergleich mit dem vom Verordnungsgeber in § 39 Abs. 2 BayBhV vorgesehenen Mindestselbstbehalt, da der Kläger mit Netto-Werten und unter Abzug der privaten Kranken- und Pflegeversicherung der Eheleute rechnete.
4. Auch sind – anders als die Klagepartei im Widerspruchsverfahren meint – aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Januar 2012 (2 C 24.10) keine besonderen Bemessungssätze zu beachten und anzuwenden (vgl. VG Ansbach, U.v. 19.3.2021 – AN 18 K 18.01835- juris Rn. 95).
Durch die Überarbeitung und Neufassung des § 39 BBhV in der ab dem 20. September 2012 und auch für das Verfahren geltenden Fassung wollte der Verordnungsgeber dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Januar 2012 Rechnung tragen (HessVGH, U. v. 22. November 2019 – 1 A 1271/16 – juris Rn. 57 ff. m.w.N.).
Darüber hinaus sieht die Entscheidung einen Anspruch auf Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes für die Erstattung der Aufwendungen für stationäre Pflege vor, wenn ansonsten der amtsangemessene Lebensunterhalt nicht mehr sichergestellt und Eigenvorsorge durch Abschluss einer Versicherung nicht möglich oder zumutbar ist (BVerwG, U.v. 24.1.2012 – 2 C 24.10 – juris Leitsatz). Wie bereits dargestellt, war für die Ehefrau des vormaligen Klägers Eigenvorsorge durch Abschluss einer Pflegezusatzversicherung möglich.
IV. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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