Steuerrecht

Beschwer bei Anfechtung eines Körperschaftsteuer-Nullbescheids

Aktenzeichen  7 K 1071/20

Datum:
30.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2021, 90
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 2b

 

Leitsatz

Die durch einen Änderungsbescheid nach § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG erfolgte Rückgängigmachung eines IAB wegen Nichterfüllung der Verbleibensvoraussetzungen kann, wenn die ursprüngliche Veranlagung unanfechtbar war, innerhalb der Grenzen des § 351 Abs. 1 durch die Inanspruchnahme eines bisher nicht voll ausgeschöpften IAB für ein anderes Wirtschaftsgut wieder kompensiert werden.

Tenor

1. Unter Änderung des Körperschaftsteuerbescheides 2014 und des Gewerbesteuermessbescheides 2014, jeweils vom 10.01.2019, werden der Gesamtbetrag der Einkünfte und der Gewerbeertrag um 3.800 € herabgesetzt. Nach Abzug eines Verlustabzugs in Höhe von 116 € werden die Körperschaftsteuer 2014 und der Gewerbesteuermessbetrag 2014 in Höhe von jeweils 0 € festgesetzt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe

II.
1. Die Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2014 ist nach § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, obwohl im angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid eine Steuer von 0 € festgesetzt worden ist. Denn dadurch, dass sich im angefochtenen Änderungsbescheid vom 10.01.2019 durch die Rückgängigmachung des IAB um 3.800 € der Gesamtbetrag der Einkünfte von ursprünglich 116 € auf 3.916 € erhöht hat, wurde erstmals ein Teil des steuerlichen Verlustes 2015 in Höhe von 3.622 € nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG zurückgetragen. Nach der Rechtsprechung des BFH wird über Grund und Höhe des Verlustrücktrags ausschließlich im Rahmen der Veranlagung des Rücktragsjahres entschieden. Gleichzeitig setzt eine Entscheidung im Verlustrücktragsjahr über die nach § 10d Abs. 1 EStG als Verlustrücktrag abgezogenen Beträge eine Entscheidung zur Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte des Rücktragsjahres voraus. Diese Größe bestimmt das Maximalvolumen für den Verlustrücktrag und begründet eine Beschwer des Steuerpflichtigen (Bundesfinanzhof – BFH – Urteile vom 10.03.2020 IX R 24/19, BFH/NV 2020, 873 Rz. 28; vom 09.02.2017 X B 49/16, BFH/NV 2017, 721 Rz. 13-14).
2. Die Klage ist auch begründet. Das FA ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die nachträgliche Erhöhung des IAB für den Transporter um 3.800 € unzulässig ist.
Die Klägerin hätte im Streitjahr 2014 im Rahmen der ursprünglichen Veranlagung für den Transporter mit voraussichtlichen Anschaffungskosten von 15.000 € unstreitig einen IAB in Höhe von 6.000 € (40%) geltend machen können. Die Voraussetzungen des § 7g Abs. 1 EStG sind insoweit erfüllt, dass Wirtschaftsgut wurde im folgenden Jahr angeschafft und blieb mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung folgenden Wirtschaftsjahres im Betriebsvermögen der Klägerin. Da zunächst nur ein IAB in Höhe von 2.200 € in Anspruch genommen worden ist, war die Klägerin berechtigt, im Rahmen des Einspruchs gegen den nach § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG geänderten Bescheid den Antrag nach § 7g Abs. 1 EStG nunmehr dahingehend auszuüben, dass der IAB in maximal zulässige Höhe in Anspruch genommen wird.
Gegen die nachträgliche Erhöhung des IAB spricht weder der Grundsatz, dass steuerliche Wahlrechte nur bis zum Eintritt der Bestandskraft der jeweiligen Steuerfestsetzung ausgeübt werden können, auf welche sie sich auswirkten noch gibt es einen Grundsatz, dass eine Änderung des IAB unzulässig wäre, wenn sie nur der Kompensation der von der Rückgängigmachung eines IAB gemäß § § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG ausgelösten Rechtsfolgen dient.
a) In der Rechtsprechung ist es geklärt, dass ein IAB nicht nur für im Zeitpunkt der Antragstellung ausstehende Investitionen beantragt werden kann. Vielmehr ist das Merkmal der „voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten“ nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG, ebenso wie das der voraussichtlichen Anschaffung i.S.v. § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a EStG, aus Sicht des Bilanzstichtags auszulegen, für den der IAB geltend gemacht wird. Demgemäß kann – bei Vorliegen der weiteren materiellen Voraussetzungen – von einer voraussichtlichen Anschaffung/Herstellung und von voraussichtlichen Anschaffungs-/Herstellungskosten im Sinne dieser Norm auch dann auszugehen sein, wenn der Antrag auf IAB für das innerhalb des dreijährigen Investitionsprogramms angeschaffte Wirtschaftsgut dem FA erst nach dem Anschaffungszeitpunkt zugeht (BFH-Urteil vom 28.04.2016 I R 31/15, BStBl II 2017, 306). Darüber hinaus muss ein IAB nicht bereits bei der erstmaligen Einreichung der Steuererklärung geltend gemacht werden, sondern ist auch zulässig, wenn die Rücklage später zum Zwecke der Bescheidänderung gebildet wurde. Er kann sogar nach einer Betriebsprüfung gebildet werden, um eine nach den Ergebnissen der Außenprüfung eintretende Gewinnerhöhung zu kompensieren (BFH-Urteile vom 23.03.2016 IV R 9/14, BStBl II 2017, 295; vom 06.04.2016 X R 28/14, BStBl II 2017, 302). In dem zuletzt genannten vom BFH entschiedenen Fall wurde ein IAB rückgängig gemacht, weil das Wirtschaftsgut nicht innerhalb von drei Jahren nach Antragstellung fertiggestellt bzw. angeschafft wurde. Der Kläger des dortigen Verfahrens hat im Rahmen des Klageverfahrens erstmals den IAB für andere Wirtschaftsgüter geltend gemacht, für die bisher keine IAB beantragt worden waren und hat damit die Gewinnerhöhung aufgrund der Rückgängigmachung des IAB kompensiert. Der BFH hat dies unter der Voraussetzung zugelassen, dass die Investitionsabsicht für die Wirtschaftsgüter, für die der IAB im Klageverfahren erstmals geltend gemacht wird, ausreichend dargelegt wird.
Im Streitfall bestehen an der Investitionsabsicht bezüglich der Anschaffung des Kastenwagens/Transportfahrzeugs keine Zweifel, denn dieses Wirtschaftsgut wurde im Folgejahr tatsächlich angeschafft. Darüber hinaus wurde für dieses Wirtschaftsgut bereits in der ursprünglichen Veranlagung ein IAB, wenn auch nicht in voller Höhe, geltend gemacht. Wenn es aber grundsätzlich zulässig ist, einen IAB erstmals nachträglich geltend zu machen, um damit die Gewinnerhöhung aufgrund der Rückgängigmachung eines IAB für ein anderes Wirtschaftsgut zu kompensieren, so muss dies umso mehr gelten, wenn für das Wirtschaftsgut, für das der Antrag nach § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG nachträglich gestellt wird, bereits im erstmaligen Steuerbescheid aufgrund eines entsprechenden Antrags in der Steuererklärung ein IAB in Anspruch genommen wurde.
b) Der IAB gehört zu den zeitlich unbefristeten Wahlrechten, die formell bis zum Eintritt der Bestandskraft derjenigen Steuerfestsetzung ausgeübt werden können, auf die sie sich auswirken sollen (BFH-Urteil vom 17.02.2012 VIII R 48/10, BStBl II 2013, 952). Zwar sind die ursprünglichen Veranlagungen für das die Ausübung des IAB betreffenden Jahres 2014 bestandskräftig geworden. In Folge des geänderten Körperschaftssteuerbescheids 2014 aufgrund der Rückgängigmachung des IAB für den Anhänger nach § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG hat sich der Gesamtbetrag der Einkünfte jedoch um 3.800 € erhöht, sodass in gleicher Höhe ein höherer Verlustabzug (178 € Verlustvortrag aus 2013, 3.116 € Verlustrücktrag aus 2015) berücksichtigt wurde. § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG ist eine spezielle Korrekturvorschrift i.S.d. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d AO für den Fall der Rückgängigmachung des IAB. Sie führt zu keiner Gesamtaufrollung der Veranlagung, sondern zu einer punktuellen Korrektur in Höhe des zunächst in Anspruch genommenen IAB. Da der Änderungsbescheid aufgrund der Rückgängigmachung des IAB nach § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG vom 10.01.2019 den unanfechtbaren Körperschaftsteuerbescheid 2014 vom 28.10.2015 geändert hat, kann er im Rechtsbehelfsverfahren nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht (§ 351 Abs. 1 AO). Zwar wird sowohl im ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheid 2014, wie auch im Änderungsbescheid eine Körperschaftsteuer von 0 € festgesetzt. Da die Festsetzung einer Körperschaftsteuer von 0 € im Änderungsbescheid die Folge des Verbrauchs von verrechenbaren Verlusten in Höhe von 3.800 € ist, ergibt sich der Änderungsrahmen im Streitfall nicht, wie im Regelfall, durch die Gegenüberstellung der jeweils festgesetzten Steuer, sondern durch den im Änderungsbescheid zusätzlich in Anspruch genommenen Verlustabzug in Höhe von 3.800 €. In diesem Rahmen kann der Änderungsbescheid durch die Inanspruchnahme des höheren IAB für den Kastenwagen/Transportfahrzeugs korrigiert werden, sodass es bei den Besteuerungsgrundlagen, wie sie im ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheid vom 28.10.2015 enthalten waren, bleibt. Das bedeutet, dass der im Änderungsbescheid vom 20.01.2019 erstmals in Anspruch genommene Verlustvortrag aus 2013 und Verlustrücktrag aus 2015 nicht verbraucht wird. Die entsprechende Änderung des Gewerbesteuermessbescheid 2014 folgt aus § 35b Abs. 1 GewStG.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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