Steuerrecht

Eigenständigkeit des ordnungsrechtlichen Gewerbebegriffs

Aktenzeichen  AN 4 K 18.00812, AN 4 K 18.00813

Datum:
12.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 18275
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1, Art. 36
BGB § 21, § 22
GewO § 33c Abs. 1 S. 1, § 35 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Auf den Gewerbebegriff des bürgerlichen Vereinsrechts oder des Abgabenrechts kommt es für die Anwendung der gewerberechtlichen Vorschriften nicht an. Das Gewerberecht ist als Ordnungsrecht unabhängig davon anwendbar. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei Idealvereinen iSd bürgerlichen Rechts kann das für die Anwendung der Gewerbeordnung konstituierende Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht zweifelhaft sein. Ob diese Absicht vorliegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage im Verfahren AN 4 K 18.00812 wird abgewiesen.
2. Das Verfahren AN 4 K 18.00813 wird eingestellt.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens AN 4 K 18.00812. Die Parteien tragen die Kosten des Verfahrens AN 4 K 18.00813 jeweils zur Hälfte.
4. Der Streitwert wird im Verfahren AN 4 K 18.00812 auf 2.000,00 EUR, im Verfahren AN 4 K 18.00813 auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage im Verfahren AN 4 K 18.00812 ist unbegründet. Die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung vom 27. März 2018 in Höhe von 2.000,00 EUR zur Durchsetzung des Gewerbeuntersagungsbescheides vom 23. November 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger ist zur Überzeugung des Gerichts unverändert als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden im Sinne der Gewerbeordnung tätig.
1. Die Zwangsgeldandrohung dient der Durchsetzung der mit Bescheid vom 23. November 2016 ausgesprochenen bestandskräftigen erweiterten Gewerbeuntersagung. Auf Grundlage dieses Verwaltungsaktes kann mit Verwaltungszwang vollstreckt werden (Art. 29 Abs. 1 VwZVG). Die weitere Rechtsgrundlage ergibt sich aus den Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31 Abs. 1 und 36 VwZVG. Der Bescheid wurde nach Anhörung erlassen und ordnungsgemäß begründet. Das Zwangsgeld ist gerichtet auf die Einstellung der Tätigkeit als Vertretungsberechtigter des … e.V. und dient im Übrigen auch der Absicherung der mit bestandskräftigem Bescheid vom 23. November 2016 ausgesprochenen erweiterten Gewerbeuntersagung.
Der Kläger hat die Verantwortlichkeit für den …e.V. im gerichtlichen Verfahren eingeräumt und sich damit seinem bisherigen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren abgewendet (vgl. insbesondere das Schreiben vom 25. Februar 2018). Im Übrigen ergab sich die Verantwortlichkeit auch aus der sonstigen Sachlage. Der Kläger ist in der Vergangenheit als Vertretungsberechtigter aufgetreten. Dies ergibt sich bereits aus der Gewerbeanmeldung (Bl. 2 der Verfahrensakte). Es war unabhängig von dem nunmehrigen Vortrag schon nicht ersichtlich, dass sich seit dem Bescheid vom 23. November 2016 an diesen Verhältnissen etwas geändert haben soll.
2. Jedenfalls in der konkreten Ausgestaltung handelt es sich bei der Vereinstätigkeit um ein Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung. Auf den Begriff des bürgerlichen Vereinsrechts oder auf den abgabenrechtlichen Begriff kommt es nicht an. Daher geht auch der Bezug auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH München, U.v. 2.11.2005 – 4 B 99.2582 – juris Rn. 24 f.), das den Entzug der Rechtsfähigkeit eines Vereins zum Gegenstand hat, ins Leere. Das Gewerberecht ist als Ordnungsrecht unabhängig anwendbar.
Gewerbe im Sinne des Gewerberechts ist jede nicht sozial unwertige, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbständige Tätigkeit. Die gewerberechtliche Einbindung einer Tätigkeit bezweckt den Schutz der Allgemeinheit oder Einzelner gegen Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen, die erfahrungsgemäß durch bestimmte wirtschaftliche Betätigungen herbeigeführt werden können (BVerwG, B.v. 3.7.1998, Az. 1 B 114/97 – juris Rn. 7).
Bei Idealvereinen könnte an der Gewinnerzielungsabsicht zu zweifeln sein (Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung § 1, Stand: Oktober 2017, Rn. 26). Anhand der Umstände ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der … e.V. mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird.
Die Vereinsräumlichkeiten liegen im hinteren Bereich einer Lokalität, die von der Polizei in ihrer Kontrolle als „Wettannahmestelle“ beschrieben wurde (vgl. Bl. 97 ff. d.A.). Die Vereinsräumlichkeiten sind vom vorderen Bereich dieser Wettannahmestelle durch einen Durchgang getrennt. In der gesamten Lokalität befinden sich zahlreiche Geldspielgeräte.
In den Vereinsräumen des …e.V. befinden sich insgesamt sechs Geräte, davon drei Geldspielgeräte, ein Livewettautomat und zwei Unterhaltungsspielgeräte. Dieser Feststellung tritt der anwaltliche Vertreter in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2018 dahingehend entgegen, dass sich die von der Polizei festgestellten Geräte lediglich im Durchgang zu den Vereinsräumlichkeiten befinden würden. Damit soll wohl gesagt werden, dass die Geräte nicht zum …e.V. gehören. Dies erscheint dem Gericht angesichts der Gesamtzahl der Spielgeräte im vorderen Bereich der Wettannahmestelle unter Berücksichtigung der gesetzlichen Höchstzahl von Spielgeräten, die vorliegend ohnehin wohl überschritten wurde, und dem späten Vorbringen in der Historie des Verfahrens als komplett unwahrscheinlich. Es kann im Übrigen auch dahinstehen, denn der Durchgang dient gerade dazu den hinteren Bereich und damit die Vereinsräumlichkeiten zu erreichen. Das Gericht ist der Überzeugung, dass die entsprechenden Spielgeräte dem Verein zuzurechnen sind – gleichgültig ob sie in den Vereinsräumlichkeiten selbst oder im Durchgang zu diesen stehen. Der Vortrag dient zur Überzeugung des Gerichts der weiteren Verschleierung der Verantwortlichkeiten.
Dies ist im Zusammenhang damit zu sehen, dass der Kläger das nunmehr abgemeldete Gewerbe unter der Anschrift …straße * mit der Bezeichnung „Aufstellen von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit“ betrieben hat (Bl. 1 d.A.). Hinsichtlich seiner Gewerbeausübung führte der Kläger im Schreiben vom 25. Februar 2018 aus, man versuche ihm finanziell den Boden unter den Füssen zu entziehen. Hieraus, aus den räumlichen Verhältnissen, der Anzahl der Spielgeräte und dem sonstigen Verhalten des Klägers in der Historie des Verfahrens kann ohne weiteres geschlossen werden, dass die Vereinstätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird.
Gerade die Historie des Verfahrens zeigt eine komplette Verweigerungshaltung des Klägers. Zu diesem Gesamtbild gehört etwa auch, dass der Klägervertreter zwar genau angeben konnte, dass sich die Geldspielgeräte im Durchgangsbereich zu den Vereinsräumlichkeiten befinden, aber nicht sicher sagen konnte, welchen namensgebenden „…“ der Verein eigentlich unterstützen soll. Auch hieraus kann geschlossen werden, dass der Idealzweck des Vereins nicht im Vordergrund steht.
Bei einem rein ideellen Vereinszweck wäre das Verhalten des Klägers nicht einmal im Entferntesten nachvollziehbar. Für das hier zu beurteilende Gewerberecht ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der …e.V. mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird. Damit ist der Kläger unter Verstoß gegen eine bestandskräftige Untersagung als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden tätig.
3. Im Übrigen ist die Zwangsgeldandrohung auch verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei ergangen.
Damit war die Klage insoweit abzuweisen. Die Pflicht zur Kostentragung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
II.
Das Verfahren AN 4 K 18.00813 war einzustellen, da die Parteien den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt und somit über den Streitgegenstand disponiert haben. Das Gericht hatte daher nur noch nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden, § 161 Abs. 2 VwGO.
Es entsprach vorliegend billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens den Parteien jeweils zur Hälfte aufzuerlegen. Dabei hatte das Gericht auf einer Seite zu berücksichtigen, dass die Zweitschrift erst im laufenden Klageverfahren zurückgesendet worden ist und damit der Kläger der behördlichen Anordnung insoweit Folge geleistet hat. Auf der anderen Seite hätte es vorliegend hinsichtlich des Verlustes der Erstschrift ordnungsgemäßer Verwaltungstätigkeit entsprochen, dass der entsprechende Verlust dokumentiert und ggf. auch durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung belegt wird. Der Beklagten hätte das dem Kläger nach Vortrag subjektiv unmögliche Herausgabeverlangen daher bekannt sein müssen. Aufgrund dieser Umstände waren den Parteien jeweils die Hälfte der Kosten aufzuerlegen.
III.
Der Streitwert ergibt sich für beide Verfahren aus der Höhe des jeweils angedrohten Zwangsgeldes, § 52 Abs. 3 GKG. Ein einheitlicher Streitwert war nicht festzusetzen.
Soweit das Verfahren AN 4 K 18.00812 betroffen ist, gilt folgendes:


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