Steuerrecht

Einheitlicher Erwerbsgegenstand bei der Grunderwerbsteuer

Aktenzeichen  II R 25/17

Datum:
27.5.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2020:U.270520.IIR25.17.0
Normen:
§ 100 Abs 1 S 1 FGO
§ 126 Abs 3 S 1 Nr 1 FGO
§ 135 Abs 1 FGO
§ 1 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997
§ 8 Abs 1 GrEStG 1997
§ 9 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997
Spruchkörper:
2. Senat

Leitsatz

NV: Ergibt sich aus einem Rechtsgeschäft oder weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand. Ein unbebautes Grundstück kann aber nur dann in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein, wenn der Veräußerer zivilrechtlich zur Gebäudeerrichtung verpflichtet ist.

Verfahrensgang

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 19. Oktober 2016, Az: 2 K 1332/13, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 19.10.2016 – 2 K 1332/13 und die Einspruchsentscheidung vom 04.10.2013 aufgehoben.
Die Grunderwerbsteuer wird unter Abänderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 21.08.2012 auf 70.350 € festgesetzt.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Auf den ursprünglich im Eigentum des S stehenden Grundstücken in … sollte ein Outlet-Center errichtet werden. Die C-AG hatte Planungen erstellt und eine Baugenehmigung erwirkt; mit der Vermietung war begonnen worden.
2
Mit notariellem Kaufvertrag vom 06.09.2010 trat die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) in das noch unvollendete Projekt ein. S verkaufte und übertrug der Klägerin den Grundbesitz mit aufstehenden Gebäulichkeiten, Bestandteilen und Zubehör. Er verpflichtete sich außerdem, den “Baukörper 5”, der bereits vermietet war, herzustellen (II. § 8 Abs. 2 des Kaufvertrags). Die mitbeteiligte C-AG verkaufte und übertrug der Klägerin die Baugenehmigung, alle Mietverträge und alle Projektierungsunterlagen. Der Gesamtkaufpreis betrug 4.770.000 € (II. § 3 Abs. 1 des Kaufvertrags). Davon entfielen auf den Grundbesitz 1.240.000 €, auf den Baukörper 5  770.000 € sowie auf die von der C-AG veräußerten Wirtschaftsgüter 2.760.000 €. Die Klägerin übernahm sämtliche öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen und verpflichtete sich, das Outlet-Center entsprechend den Vorgaben der übernommenen Verträge herzustellen (II. § 26 Abs. 2 des Kaufvertrags).
3
Im Hinblick auf den Umstand, dass ein nahezu vollständig entwickeltes Projekt veräußert und eine weitere Beteiligung des Veräußerers gewünscht wurde (Präambel Abs. 9 des Kaufvertrags), hatten die Beteiligten über eine Kaufpreisherabsetzung zu verhandeln, wenn entweder die Baukosten für die noch zu errichtenden Gebäude den Betrag von 5.880.000 € überschreiten (II. § 25 Abs. 2a des Kaufvertrags) oder das “Gesamtnettomietvolumen” den Betrag von 865.000 € p.a. unterschreitet (II. § 25 Abs. 2b i.V.m. § 1 Abs. 4c des Kaufvertrags).
4
Im Falle einer Weiterveräußerung sollte der Veräußerer 30 % des Weiterveräußerungsgewinns erhalten (Präambel Nr. 9, II. § 27 Abs. 2 des Kaufvertrags).
5
Die Klägerin beauftragte die W-KG mit der Bebauung des Grundstücks. Die W-KG ihrerseits beauftragte einer Vorabvereinbarung entsprechend das Ingenieurbüro des S mit der Erbringung der Architektenleistungen.
6
Im Verlauf der Baumaßnahmen erhöhten sich die tatsächlichen Baukosten um 2.000.000 € auf somit insgesamt 7.880.000 €. Andererseits konnte für den Baukörper 5 eine um 72.000 € erhöhte Miete vereinbart werden. Mit Änderungsvertrag vom 16.08.2011 wurde der Kaufpreis auf 2.842.000 € herabgesetzt (§ 2 Abs. 4 des Änderungsvertrags), wovon noch 760.000 € auf die von der C-AG veräußerten Wirtschaftsgüter entfielen.
7
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) setzte mit Bescheid vom 21.08.2012 Grunderwerbsteuer in Höhe von 375.270 € fest. Dabei legte das FA eine Bemessungsgrundlage in Höhe von insgesamt 10.722.000 € zu Grunde. Dieser Betrag umfasste den neu vereinbarten Gesamtkaufpreis in Höhe von 2.842.000 € zzgl. Baukosten in Höhe von 7.880.000 €. Der Erwerbsvorgang unterliege gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grunderwerbsteuer; als Vertragsgegenstand sei –so das FA– das fertig errichtete Projekt anzusehen. Es handele sich um ein einheitliches Vertragswerk; die Baukosten gehörten damit zur Bemessungsgrundlage.
8
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück. Nach Auffassung des FG waren alle Bauerrichtungskosten, die Vergütung für die Bauplanung und die übrigen Dienstleistungen in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen. Die Klägerin sei mit Abschluss des Kaufvertrags vom 06.09.2010 in ihrer Entscheidung über das “Ob” und “Wie” der Bebauung nicht mehr frei gewesen. Es sei ein fast fertig entwickeltes Projekt veräußert worden; die KG sei gehalten gewesen, ein Grundstück nach den Vorgaben der Veräußererseite zu bebauen.
9
Mit der Revision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen die Rechtsgrundsätze zum einheitlichen Erwerbsgegenstand.
10
Die Klägerin beantragt,die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung vom 04.10.2013 aufzuheben und den Bescheid über Grunderwerbsteuer vom 21.08.2012 dahingehend abzuändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 70.350 € herabgesetzt wird.
11
Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
12
Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten verzichtet.


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