Aktenzeichen 10 K 746/16
Leitsatz
1. Etwaige Überentnahmen der Klägerin i.S. von § 4 Abs. 4a EStG können auch dann den Abzug von an sich der betrieblichen Sphäre zuzuordnenden Schuldzinszahlungen beschränken, wenn es sich bei den Aufwendungen um nachträgliche Betriebsausgaben handelt.
2. Die innerhalb des § 4 Abs. 4a mehrfach verwendeten Begriffe, „Entnahmen“, „Gewinn“, „Einlagen“ und „Wirtschaftsjahr“ sind für den gesamten Bereich des § 4 grundsätzlich einheitlich zu verstehen.
3. Eine Überentnahme ist in einem Verlustjahr nicht höher anzusetzen als der Betrag, um den die Entnahmen die Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (sog. Entnahmenüberschuss). Verluste dürfen sich in der Berechnung nicht entnahmeerhöhend auswirken.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die bis zum 1. August 2016 entstandenen Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 53/100, der Beklagte zu 47/100. Die danach entstandenen Kosten des Verfahrens tragen die Kläger alleine.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Die der Klägerin als nachträgliche Betriebsausgaben zurechenbaren Schuldzinszahlungen, welche die gemeinsam mit dem Kläger aufgenommenen Darlehen A-Bank und B-Bank 1 und 2 betreffen, mithin die Schuldzinsen über einen Betrag in Höhe von 14.845,94 € sind als nachträgliche Betriebsausgaben abziehbar. Jedoch ist dieser Betrag aufgrund der festgestellten vorzutragenden Überentnahmen zum 31.12.2006 um einen Betrag in Höhe von 2.340,89 € zu vermindern. Das FA hat in dem Einkommensteueränderungsbescheid 2007 vom 1. August 2016 bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Klägerin demgemäß zu Recht nur einen Verlust in Höhe von 12.506 € berücksichtigt.
a) Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind. Schuldzinsen stehen in einem derartigen Zusammenhang mit dem Betrieb, wenn sie für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Maßgebend ist somit der tatsächliche Verwendungszweck des Darlehens (BFH-Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, GrS 2/88, GrS 3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II.2.). Sofern Betriebsausgaben nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs oder Mitunternehmeranteils entstehen, gehören sie zu den nachträglichen Einkünften aus der früheren betrieblichen Tätigkeit (§ 24 Nr. 2 EStG).
b) Wie die Kläger zutreffend festgestellt haben, steht die betriebliche Veranlassung dieser bezahlten Schuldzinsen in Höhe von 14.845,94 € zur Überzeugung des erkennenden Senats fest und ist – zu Recht – zwischen den Beteiligten nun ebenso unstreitig, wie der Umstand, dass die zugrunde liegenden Darlehen nicht zur Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens verwendet wurden (vgl. Sitzungsniederschrift, Seite 2).
c) Das FG hat nach § 126 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) bei seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des BFH-Urteils aus dem ersten Rechtsgang zugrunde zu legen, da sich im zweiten Rechtsgang keine abweichende Beurteilung der entscheidungserheblichen Tatsachen ergeben hat (BFH-Beschluss vom 21. März 2013 VI B 155/12, BFH/NV 2013, 1103; Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 126 FGO, Rz. 79 [Juni 2016]). Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH tritt die Bindung des FG nicht nur hinsichtlich der Gründe ein, die zur Aufhebung des FG-Urteils geführt haben, sondern auch hinsichtlich der Gründe, die zur Zurückverweisung der Sache an das FG führen (Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 126 FGO, Rz. 76 [Juni 2016]; BFH-Urteil vom 4. November 2004 III R 38/02, BFHE 208, 155, BStBl II 2005, 271, Rz. 38).
aa) Die Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO zugrunde gelegt, steht für den erkennenden Senat fest, dass ein Schuldzinsenabzug bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Klägerin für die aus den Darlehen C-Bank und D-Bank 1 sowie D-Bank 2 ausscheidet. Im Streitfall scheidet ein von der Klägerin in diesem Sinne selbst getragener Aufwand aus (BFH-Urteil vom 3. Februar 2016 X R 25/12, BFHE 252, 486, BStBl II 2016, 391, Rz. 32). Außerdem kommt hinsichtlich dieser Darlehensverträge eine Zurechnung der Schuldzinszahlungen an die Klägerin weder unter dem Gesichtspunkt einer Abkürzung des Zahlungswegs noch unter dem Aspekt des abgekürzten Vertragswegs in Betracht (BFH-Urteil vom 3. Februar 2016 X R 25/12, BFHE 252, 486, BStBl II 2016, 391, Rz. 35).
bb) Allerdings sind der Klägerin diejenigen Schuldzinszahlungen als nachträgliche Betriebsausgaben zurechenbar, welche die gemeinsam mit dem Kläger aufgenommenen Darlehen A-Bank und B-Bank 1 und 2 betreffen (BFH-Urteil vom 3. Februar 2016 X R 25/12, BFHE 252, 486, BStBl II 2016, 391, Rz. 42), mithin die Schuldzinsen über einen Betrag in Höhe von 14.846 € (exakt: 14.845,94 €).
Die zwischenzeitlich erteilte Restschuldbefreiung ([…]) ändert nichts daran, dass die im Streitjahr erfolgten Abbuchungen für gemeinschaftliche Zinsschulden der Ehegatten einkommensteuerrechtlich der Klägerin zurechenbar sind (BFH-Urteil vom 3. Februar 2016 X R 25/12, BFHE 252, 486, BStBl II 2016, 391, Rz. 46).
cc) Da die von der Klägerin erklärten Schuldzinsen aus den Darlehen mit der A-Bank und B-Bank 1 und 2 in Höhe von 14.845,94 € betrieblich veranlasst waren, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Betriebsausgabenabzug aufgrund von Überentnahmen gemäß § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt ist (BFH-Urteil vom 17. August 2010 VIII R 42/07, BFHE 230, 424, BStBl II 2010, 1041). Etwaige Überentnahmen der Klägerin i.S. von § 4 Abs. 4a EStG können auch dann den Abzug von an sich der betrieblichen Sphäre zuzuordnenden Schuldzinszahlungen beschränken, wenn es sich bei den Aufwendungen um nachträgliche Betriebsausgaben handelt (BFH-Urteile vom 3. Februar 2016 X R 25/12, BFHE 252, 486, BStBl II 2016, 391; vom 23. März 2011 X R 28/09, BFHE 233, 404, BStBl II 2011, 753). Dem steht die von den Klägern zitierte Kommentierung von Heinicke in Schmidt (EStG, 35. Aufl. 2016, § 4 Rz. 522) nicht entgegen. Auch danach können als Überentnahmen zu qualifizierende Schuldzinszahlungen dem Grunde nach (gegebenenfalls nachträgliche) Betriebsausgaben darstellen; § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG beschränkt lediglich deren Abzug durch die gesetzliche Fiktion, dass insoweit keine Betriebsausgaben vorlägen (BFH-Urteil vom 3. Februar 2016 X R 25/12, BFHE 252, 486, BStBl II 2016, 391, Rz. 47).
dd) Auch führt die Feststellung des FG im Urteil im ersten Rechtsgang, dass die Schuldzinsen betrieblich veranlasst sind, nicht – wie die Kläger meinen – zu einer Bindungswirkung in der Form, dass nichtabzugsfähige Betriebsausgaben wegen Überentnahmen gem. § 4 Abs. 4a EStG nicht mehr angenommen werden könnten, also ein Hinzurechnungsbetrag gem. § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG ausscheiden würde. Denn eine Bindung des FG im zweiten Rechtsgang an die Feststellungen im FG-Urteil des ersten Rechtsgangs kann schon allein deshalb nicht bestehen, weil der BFH nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO das Urteil des FG im ersten Rechtsgang aufgehoben hat und die Sache zurückverwiesen hat. Damit ist das Ergebnis der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtsgang gegenstandslos geworden (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1996 IX R 47/95, BFHE 182, 178, BStBl II 1997, 348, Rz. 14).
Im Übrigen stellt die Formulierung „betrieblich veranlasst“ auch keine Tatsachenfeststellung i.S. des § 118 Abs. 2 FGO dar, denn bei dieser Formulierung handelt es sich um die Schlussfolgerung bei Rechtsfragen (Entscheidung von privater oder betrieblicher Veranlassung), denen keine Bindungswirkung zukommt (Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 118 FGO, Rz. 79 [Okt. 2013] m.w.N.; Lange in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 118 FGO, Rz. 173 [Juni 2015] m.w.N.).
2. Im Streitfall ist der Betriebsausgabenabzug der Klägerin aufgrund von Überentnahmen gemäß § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt. Nicht abziehbar sind Schuldzinsen in Höhe von 2.340,89 €. Das FA hat demgemäß die Einkommensteuerfestsetzung 2007 in dem Einkommensteueränderungsbescheid vom 1. August 2016 zutreffend korrigiert und bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Klägerin nur einen Verlust in Höhe von 12.506 € berücksichtigt.
a) Gemäß § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahrs übersteigen (§ 4 Abs. 4a Satz 2 EStG). Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6% der Überentnahme des Wirtschaftsjahrs zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt (§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG). Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 € verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist nach § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG dem Gewinn hinzuzurechnen (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2013 IV R 17/10, BFHE 244, 23, BStBl II 2014, 316). Eine Hinzurechnung nicht abziehbarer Schuldzinsen aufgrund von Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG ist auch dann vorzunehmen, wenn – wie im Streitfall – im Veranlagungszeitraum (Streitjahr) keine Überentnahme vorliegt, sich aber ein Saldo aufgrund von Überentnahmen aus den Vorjahren ergibt (BFH-Urteil vom 17. August 2010 VIII R 42/07, BFHE 230, 424, BStBl II 2010, 1041).
b) Die innerhalb des Abs. 4a mehrfach verwendeten Begriffe, „Entnahmen“, „Gewinn“, „Einlagen“ und „Wirtschaftsjahr“ sind für den gesamten Bereich des § 4 grundsätzlich einheitlich zu verstehen (BFH-Urteil vom 7. März 2006 X R 44/04, BFHE 212, 501, BStBl II 2006, 588).
aa) Das in Satz 2 und 4 zu prüfende Tatbestandsmerkmal des „Gewinns“ ist demgemäß grundsätzlich i.S. der Gewinndefinition des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG zu verstehen (BFH-Urteil vom 7. März 2006 X R 44/04, BFHE 212, 501, BStBl. II 2006, 588; Schallmoser in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG, Rz. 1061 [Juni 2016]). Die Anwendung des allgemeinen Gewinnbegriffs wird im Schrifttum aber überwiegend mit dem Hinweis abgelehnt, dass Überentnahmen in diesem Fall allein durch im laufenden Wirtschaftsjahr angefallene Verluste entstehen könnten, und zwar selbst dann, wenn der Steuerpflichtige überhaupt keine Entnahmen getätigt habe. Daher hält die herrschende Meinung (h.M.) eine einschränkende (und mithin hinsichtlich der einzelnen Sätze des § 4 uneinheitliche), ergebnisbetrachtende Auslegung des Gewinnbegriffs mit Blick auf den Zweck der gesetzlichen Regelung für geboten; sie versteht unter Gewinn i.S. des Satzes 2 nur ein positives Ergebnis (Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG Rz. 1061 [Juni 2016]).
bb) Vor diesem Hintergrund ist entgegen der Struktur des § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG, der von der „Summe des Gewinns und der Einlagen“ spricht, welche den Entnahmen gegenüberzustellen sind, eine Überentnahme in einem Verlustjahr nicht höher anzusetzen als der Betrag, um den die Entnahmen die Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (sog. Entnahmenüberschuss, BFH-Urteil vom 22. Februar 2012 X R 12/09, BFH/NV 2012, 1418; Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG Rz. 1061 [Juni 2016]). Verluste dürfen sich in der Berechnung nicht entnahmeerhöhend auswirken (BFH-Urteil vom 3. März 2011 IV R 53/07, BFHE 233, 127, BStBl II 2011, 688).
cc) Verluste gehen auch dann grundsätzlich in die Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG – als Bestandteil des „Gewinns“ im Sinne der Vorschrift – ein, wenn Einlagen getätigt wurden (BFH-Urteil vom 22. Februar 2012 X R 12/09, BFH/NV 2012, 1418). Im jeweiligen Wirtschaftsjahr sind Einlagenüberschüsse dieses Jahres zunächst mit Verlusten dieses Jahres auszugleichen. Der jeweilige Differenzbetrag ist sodann mit den fortgeführten Vorjahreswerten zu verrechnen oder auf der Grundlage dieser Werte/ Ansätze (formlos) fortzuschreiben (BFH-Urteil vom 22. Februar 2012 X R 12/09, BFH/NV 2012, 1418).
c) Dies zugrunde gelegt, sind die zum Abzug als nachträgliche Betriebsausgaben grundsätzlich zugelassenen Schuldzinsen in Höhe von 14.845,94 € um einen Hinzurechnungsbetrag in Höhe von 2.340,89 € gem. § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG (als Betrag von 6% auf die in den Vorjahren festgestellten, zum 31.12.2006 vorzutragenden Überentnahmen) zu kürzen.
aa) Der erkennende Senat errechnet die Überentnahmen bis zum 31.12.2006 in Höhe von 39.014,99 €, ausgehend von den zwischen den Beteiligten unstreitigen (vgl. Sitzungsniederschrift, Seite 2) Verlusten, Entnahmen und Einlagen (vgl. Tabelle im Tatbestand des Urteils, Seite 7 f.), wie folgt:
Jahr
Entnahme (+)/
Einlage (-)
– Überschuss
Jahres# Verlust
Anzusetzende
# Überentnahme (Unterentnahme -)
Über# entnahmen kumuliert:
Vorzu# tragender Verlust
DM
DM
DM
DM
DM
1999
+29.545,94
76.156,72
29.545,94
29.545,94
76.156,72
2000
+28.106,20
13.479,06
28.106,20
57.652,14
89.635,78
2001
– 13.180,60
138.471,82
0,00
57.652,14
214.927,00
entspricht in EUR
29.477,07
109.890,43
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
2002
– 40.364,87
73.238,77
0,00
29.477,07
142.764,33
2003
– 11.310,30
13,48
– 11.296,82
18.180,25
142.764,33
2004
– 11.332,09
31.049,65
0,00
18.180,25
162.481,89
2005
– 4.227,71
63.555,84
0,00
18.180,25
221.810,02
2006
+20.834,74
211.639,54
20.834,74
39.014,99
433.449,56
bb) In den Jahren 1999, 2000 und 2006 ergeben sich jeweils Entnahmeüberschüsse, die den Überentnahmen entsprechen, da in diesen Jahren diesen Entnahmeüberschüssen immer Verluste gegenüberstehen.
cc) In den Jahren 2001 bis 2005 haben sich jeweils Einlageüberschüsse ergeben. Bei der Berechnung der Überentnahmen bis zum 31.12.2006 sind im jeweiligen Wirtschaftsjahr die Einlagenüberschüsse dieses Jahres zunächst mit Verlusten dieses Jahres auszugleichen. Der jeweilige Differenzbetrag ist sodann mit den fortgeführten Vorjahreswerten zu verrechnen oder auf der Grundlage dieser Werte/Ansätze (formlos) fortzuschreiben (BFH-Urteil vom 22. Februar 2012 X R 12/09, BFH/NV 2012, 1418).
Da in den Jahren 2001, 2002, 2004 und 2005 den aufgetretenen Einlageüberschüssen jeweils immer höhere Verluste im selben Jahr gegenüber stehen, ergeben sich nach der Verrechnung der Einlageüberschüsse mit den Verlusten in diesen Jahren keine anzusetzenden Über- bzw. Unterentnahmen mehr; die verbleibenden Restverluste in diesen Jahren sind den bisher vorzutragenden Verlusten hinzuzurechnen.
Nur im Jahr 2003 ist der Einlageüberschuss größer als der Verlust, was in Höhe des Differenzbetrages (-11.310,30 + 13,48 = -11.296,82) zu einer Unterentnahme führt. Diese Unterentnahme aus 2003 von 11.296,82 € vermindert die in den Vorjahren (bis zum 31.12.2002) fortgeschriebenen kumulierten Überentnahmen von 29.477,07 € auf 18.180,25 € (29.477,07 – 11.296,82 = 18.180,25). Denn der entsprechende Vorjahreswert, mit dem die Unterentnahme (als Differenzbetrag) zu verrechnen ist, sind nicht die vorzutragenden Verluste (zum 31.12.2002 mit 142.764,33 €) sondern – wie auch vom FA im Änderungsbescheid vom 1. August 2016 durchgeführt – die kumulierten Überentnahmen. Im Übrigen wäre eine andere Verrechnung der Unterentnahme mit den vorzutragenden Verlusten für die Kläger nachteiliger.
Jahr
Verlust
Einlage-überschuss
Restverlust (vorzutragen)
Unter# entnahme (-)
DM
DM
DM
DM
2001
138.471,82
– 13.180,60
125.291,22
0
EUR
EUR
EUR
2002
73.238,77
– 40.364,87
32.873,90
0
2003
13,48
– 11.310,30
0
– 11.296,82
2004
31.049,65
– 11.332,09
19.717,56
0
2005
63.555,84
– 4.227,71
59.328,13
0
dd) Soweit die Kläger argumentieren, dass mehr Einlagen als Entnahmen in den Jahren zwischen 1999 bis 2006 vorgelegen haben, zeigt sich, dass sie nicht konsequent die Begriffe Überentnahmen und Entnahmeüberschuss sowie Entnahmen bzw. Unterentnahmen und Einlagenüberschuss sowie Einlagen verwenden. Die Kläger haben bei ihrer Argumentation nur jeweils die Entnahmen und die Einlagen der Jahre von 1999 bis 2006 addiert und dann die Summen gegenübergestellt. Diese Berechnung entspricht aber nicht der Definition der Überentnahme aus § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG. Denn nach der Definition der Überentnahme ist im jeweiligen Jahr neben den Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen zu berücksichtigen; bzw. es sind wie im Streitfall die sich ergebenden Einlageüberschüsse vorrangig mit den sich in den Jahren ergebenden Verlusten auszugleichen und nur die jeweiligen Differenzbeträge mit den Vorjahreswerten zu verrechnen.
Von dieser Vorgehensweise ist auch der IV. Senat des BFH in seinem von den Klägern bei ihrer Argumentation herangezogenen Urteil (BFH-Urteil vom 3. März 2011 IV R 53/07, BFHE 233, 127, BStBl II 2011, 688) ausgegangen. Die von den Klägern zitierte Formulierung: „Entsprechend dem Sinn und Zweck des Gesetzes muss vielmehr der Überschuss aller Entnahmen über alle Einlagen die Obergrenze für eine Überentnahme i.S. von § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG i.d.F. des StBereinG 1999 bilden; Verluste dürfen sich in der Berechnung demgegenüber nicht entnahmeerhöhend auswirken“ (dort unter Tz. II.2.b. der Entscheidungsgründe = juris Rz. 35) ist nach Auffassung des Senats nicht anders zu verstehen. Denn dieser einzelne Satz steht im Kontext der sich in jedem einzelnen der Jahre 1999 bis 2001 vom BFH in diesem Fall bestimmten Überentnahmen und Unterentnahmen. Und von diesem Rechtsgrundsatz ist der erkennende Senat auch bei seiner Entscheidung ausgegangen (vgl. II.2.b.aa. und bb.); die vom BFH geforderte Obergrenze (vgl. II.2.c.aa. und bb.) wurde im Streitfall beachtet.
ee) Damit ist die Bemessungsgrundlage der kumulierten Überentnahmen in Höhe von 39.014,99 € mit 6% zu verzinsen, was gemäß § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG zu nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben in Höhe eines Betrages von 2.340,84 € führt. Daraus ergibt sich ein berücksichtigungsfähiger Verlust bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Klägerin in Höhe von 12.506 €. Dieser Betrag errechnet sich aus den betrieblich veranlassten Schuldzinsen in Höhe von 14.845,95 € und der außerbilanziellen Hinzurechnung von 2.340,89 €.
3. Die Kostenentscheidung betrifft den gesamten Rechtsstreit (den ersten und zweiten Rechtsgang) und beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 138 Abs. 2 FGO sowie § 135 Abs. 1 FGO (Kostenentscheidung nach Verfahrensabschnitten; Teilabhilfebescheid des FA vom 1. August 2016; vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 2013 XI R 24/12, BFH/NV 2013, 1920, m.w.N., Rz. 27). Der BFH hat die Kostenentscheidung auf das FG gemäß § 143 Abs. 2 FGO übertragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung. Die Kläger konnten es auf Grund der Schwierigkeit der Streitsache für notwendig halten, schon im Vorverfahren einen fachkundigen Berater mit der Interessenvertretung zu beauftragen (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).
4. Die Revision war nicht zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO).