Steuerrecht

Eintragung, Gesellschaft, Haftung, Beteiligung, Handelsregister, Feststellung, Quartal, Abberufung, Zeitpunkt, Bestellung, Vertretung, Finanzamt, Verfahren, Klage, gesetzlicher Vertreter, Gewinn und Verlustrechnung, Co KG, Haftungsbescheid, Zweigniederlassung, Eintragung im Handelsregister

Aktenzeichen  7 K 730/17

Datum:
8.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6649
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Das FA hat den Kläger rechtsfehlerfrei für die Körperschaftsteuerverbindlichkeiten der X Ltd. für 2010 zuzüglich Zinsen und Solidaritätszuschlag und 4. Quartal 2011 zuzüglich Solidaritätszuschlag in Haftung genommen.
1. Gemäß § 69 i.V.m. § 34 AO haften die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.
a) Die X Ltd. ist eine Kapitalgesellschaft britischen Rechts (Ltd.). Bei ausländischen juristischen Personen richtet sich die gesetzliche Vertretung nach dem Recht des Staates des tatsächlichen Verwaltungssitzes (Zöller/Althammer, ZPO, 32. Aufl., § 51 Tz. 1). Die Vertretung einer britischen Ltd. erfolgt durch den director (Zöller/Althammer, ZPO, 32. Aufl., § 52 Tz. 6 m.w.N.). Die ständigen Vertreter inländischer Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften, welche befugt sind, als solche für die Tätigkeit der Zweigniederlassung die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten (s. § 13 Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Handelsgesetzbuch – HGB -) sind beim Handelsregister für den Bereich ihrer inländischen Zweigniederlassung anzumelden (Zöller/Althammer, ZPO, 32. Aufl., § 52 Tz. 6 m.w.N.).
Im Streitfall war der Kläger zum director der inländischen Zweigniederlassung der X Ltd. bestellt und wurde entsprechend im Handelsregister des Amtsgerichts München eingetragen. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, nach der Eintragung im englischen Companies House sei er – nach vorheriger mehrmaliger Bestellung und Abberufung – letztmalig am 06.12.2011 als director bestellt und am 20.12.2011 wieder abberufen worden, so dass er für die danach fällig gewordenen Steuern nicht in Haftung genommen werden könne. Unterlagen, insbesondere einen Gesellschafterbeschluss, über seine Abberufung oder eine Kündigung als gesetzlicher Vertreter der inländischen Zweigniederlassung der X Ltd. hat der Kläger nicht vorgelegt (vgl. BFH-Beschluss vom 19.11.2012 VII B 126/12, BFH/NV 2013, 504). Das FA ist daher zu Recht von der bis zur Löschung der X Ltd. fortbestehenden Vertreterfunktion des Klägers für die deutsche Zweigniederlassung ausgegangen.
2. Der Kläger war als gesetzlicher Vertreter der X Ltd. verpflichtet, für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der inländischen Zweigniederlassung zu sorgen und deshalb Steuererklärungen rechtzeitig und wahrheitsgemäß abzugeben (§ 31 Abs. 1 KStG i.V.m. § 25 Abs. 3 Einkommensteuergesetz). Aus der Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 2 AO ergibt sich darüber hinaus die Verpflichtung, die fälligen Steuern aus den verwalteten Mitteln zu bezahlen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.2004, VII R 19/02, BStBl. II 2004, 967; BFH-Beschluss vom 16.02.2006, VII B 122/05, BFH/NV 2006, 1051).
Der Kläger hat diese Pflichten verletzt, da er nicht dafür gesorgt hat, dass die Körperschaftsteuererklärungen rechtzeitig abgegeben (die Körperschaftsteuererklärung 2010 wurde mit ca. eineinhalbjähriger Verspätung, die Körperschaftsteuererklärung 2011 überhaupt nicht eingereicht) und die festgesetzten Steuern bei Fälligkeit bezahlt werden.
3. Der Kläger hat die ihm obliegenden Pflichten zumindest auch in grob fahrlässiger Weise und damit schuldhaft verletzt. Denn nach der Rechtsprechung des BFH indiziert die in der Nichtentrichtung von Steuern liegende Pflichtwidrigkeit den gegenüber dem Geschäftsführer zu erhebenden Schuldvorwurf (BFH-Beschluss vom 25.07.2003, VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540; BFH-Urteil vom 04.12.2007, VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521).
4. Zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung der geschuldeten Abgabenbeträge entstandenen Vermögensschadens besteht auch ein adäquater Kausalzusammenhang. Wie aus der Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2011 über die Beteiligung der X Ltd. an der X Ltd. & Co. KG geschlossen werden kann, hatte die X Ltd. ausreichende liquide Mittel, die Steuern in Höhe von insgesamt 23.448,51 €, für die der Kläger in Anspruch genommen wird, zu entrichten, da ihr ein Gewinnanteil in Höhe von 128.573 € zugewiesen wurde. Zwar trägt das FA die Feststellungslast für eine nicht anteilige Befriedigung (BFH-Urteil vom 11.07.1989, VII R 81/87, BStBl. II 1990, 357). Der Haftungsschuldner hat jedoch eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Im Rahmen dieser Mitwirkungspflicht besteht die Verpflichtung, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu erteilen. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen hat das Finanzamt die Haftungsquote zu ermitteln oder – soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann – im Schätzungswege gem. § 162 AO die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (BFH-Urteil vom 27.02.2007, VII R 60/05, BStBl. II 2008, 508). Die Berechnung erfolgt überschlägig (vgl. BFH-Urteil vom 12.7.1988, VII R 108-109/87, BFH/NV 1988, 764, m.w.N). Eine ungerechtfertigte Weigerung des Haftungsschuldners, in seinem Wissensbereich liegende Auskünfte zu erteilen, kann das Finanzamt bzw. das Finanzgericht zu einer unter Umständen für den Geschäftsführer nachteiligen Schätzung der Haftungssumme berechtigen (BFH-Urteil vom 25.05.2004, VII R 8/03, BFH/NV 2004, 1498; BFH-Urteil vom 04.12.2007, VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521). Da der Kläger zur Erteilung dieser Auskünfte, zu der er mit Schreiben vom 08.06.2015 aufgefordert worden war, nicht bereit war, war das FA berechtigt, ihn für die Steuern in Höhe von insgesamt 23.448,51 € in voller Höhe in Anspruch zu nehmen.
5. Die Inanspruchnahme des Klägers war auch ermessensgerecht. Das FA hat sowohl das Entschließungsermesse, wie auch das Auswahlermessen ordnungsgemäß ausgeübt und die Gründe im Haftungsbescheid bzw. der Einspruchsentscheidung ausführlich dargelegt. Da es neben dem Kläger auch den Gesellschafter und Verfügungsberechtigten A gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen und dies entsprechend begründet hat, hat es auch das Auswahlermessen zutreffend ausgeübt.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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