Steuerrecht

Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags

Aktenzeichen  AN 19 K 19.01975

Datum:
29.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38997
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 6 Abs. 1
EStG § 16, § 22 Nr. 2, § 23

 

Leitsatz

1. Auch der Verkauf einer Immobilie kann nach einer auf Art. 6 BayKAG beruhenden Satzung beitragspflichtig sein, wenn sich im Verkaufserlös Vorteile aus dem Fremdenverkehr realisieren. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Einkommensteuerrechtliche Überschusseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung gelten jedenfalls immer dann als „Vermietungsgewinne“ im fremdenverkehrsbeitragsrechtlichen Sinne, wenn Gebäude oder Räume vermietet werden, die unmittelbar einem Fremdenverkehrsbetrieb zu dienen bestimmt sind. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3.    Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Das Gericht konnte – nach einem Übertragungsbeschluss gemäß § 6 Abs. 1 VwGO – durch den Einzelrichter und mit Einverständnis der Beteiligten auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
II.
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. In der Umstellung von der ursprünglich erhobenen Untätigkeitsin die Anfechtungsklage liegt eine zulässige Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO, da dieser nicht widersprochen wurde.
III.
Der Fremdenverkehrsbeitragsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig.
1. Rechtsgrundlage des Beitragsbescheides ist Art. 6 Kommunalabgabengesetz (KAG) i.V.m. der Satzung für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags in der Großen Kreisstadt … vom 3. Februar 2015. Nach Art. 6 Abs. 1 KAG, § 1 Abs. 1 der Satzung für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags (FBS) wird von allen selbständig tätigen natürlichen und juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr Vorteile erwachsen, ein Fremdenverkehrsbeitrag erhoben. Mit diesem wird der Vorteil, der dem Beitragspflichtigen innerhalb eines Kalenderjahres durch den Fremdenverkehr mittelbar oder unmittelbar erwächst, abgegolten, § 2 Abs. 1 FBS. Zur Bestimmung des Vorteils dienen der einkommens- oder körperschaftsteuerpflichtige Gewinn und steuerbare Umsatz innerhalb eines Kalenderjahres, § 2 Abs. 2 FBS.
a) Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Satzung wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
b) Der Kläger ist als selbständig tätige natürliche Person Beitragsschuldner. Der Kläger unterfällt als ehemaliger Verpächter einer Schank- und Speisewirtschaft der selbständig tätigen natürlichen Person im Sinne des § 1 Abs. 1 FBS. Dabei ist der Begriff der selbständigen Tätigkeit des Fremdenverkehrsbeitragsrechts nicht mit dem des Steuerrechts gleichzusetzen. Er ist nicht beschränkt auf Gewerbetreibende und Freiberufler, sondern kann auch nicht gewerbsmäßige Tätigkeiten umfassen, die steuerrechtlich der privaten Vermögensverwaltung zuzurechnen sind. Der Begriff der selbständig tätigen Person dient damit im Wesentlichen nur der Abschichtung gegenüber unselbständiger Tätigkeit von Arbeitnehmern (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BayVGH, U. v. 27.03.2003 – 4 B 98.2772). Es werden folglich auch nichtgewerbsmäßige Tätigkeiten erfasst, sofern sie einer nachhaltigen Einnahmenwirtschaft dienen (BayVGH, U.v. 5.12.2006 – 4 B 05.3119). Die Veräußerung des Anwesens stellte vorliegend den Schlusspunkt der selbständigen Tätigkeit des Klägers im fremdenverkehrsrechtlichen Sinne dar.
c) Dem Kläger erwuchsen durch den Verkauf der Immobilie auch Vorteile aus dem Fremdenverkehr. Ausschlaggebend ist insoweit, dass der Kläger als örtlicher Unternehmer unmittelbar oder – wie hier im Fall der Verpachtung und Veräußerung eines auch auf den Fremdenverkehr ausgerichteten Betriebs – mittelbar Nutzen aus dem von der Gemeinde geförderten Tourismus ziehen konnte, d.h. eine Verdienstmöglichkeit bestand, unabhängig von der konkreter Ertrags- (Gewinn-)situation im Einzelfall. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass ohne den Fremdenverkehr das wirtschaftliche Ergebnis (noch) schlechter gewesen wäre (vgl. Engelbrecht in Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, Stand: Dezember 2014, Art. 6 Rn. 31 m.w.N.).
Auch der Verkauf einer Immobilie kann nach einer auf Art. 6 KAG beruhenden Satzung beitragspflichtig sein. Voraussetzung ist, dass sich im Verkaufserlös Vorteile aus dem Fremdenverkehr realisieren, da der Beitragscharakter eine Gegenleistung für die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe verlangt. Dabei wird von der Rechtsprechung auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt, wobei sich jedoch einzelne Fallgruppen erkennen lassen, in denen dem Verkäufer einer Immobilie aus dem Fremdenverkehr mittelbare Vorteile erwachsen. So können sich beispielsweise im Falle der Betriebsaufgabe im Veräußerungserlös Vorteile aus dem Fremdenverkehr realisieren, die bis dahin als Abschreibungen nicht beim Fremdenverkehrsbeitrag berücksichtigt werden konnten (vgl. dazu BayVGH U.v. 10.10.2005 – 4 BV 04.1306).
Einkommensteuerrechtlich definieren sich Gewinneinkünfte als solche aus Gewerbebetrieb und aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, §§ 4 bis 7k und 13a EStG i.V.m. § 15 bzw. § 18 EStG). Im Rahmen der gewerblichen Einkünfte fallen hierunter nicht nur die „laufenden“ Gewinne bezogen auf das jeweilige Wirtschaftsjahr; zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auch Gewinne, die bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs erzielt werden. Für „Freiberufler“ gilt diese Vorschrift nach Maßgabe des § 18 Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG entsprechend.
In einer insoweit grundlegenden Entscheidung vom 1. Dezember 2000 – 4 ZB 99.961 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass auch bei der Bemessung des Fremdenverkehrsbeitrags derjenige einkommensteuerpflichtige Gewinn zu berücksichtigen ist, der durch den Verkauf eines Hotels als Veräußerungsgewinn im Sinne von § 16 EStG erzielt wurde. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob das Hotel weiterbetrieben wird oder nicht, sofern sich im Verkauf die Vorteile aus dem Fremdenverkehr realisieren. In dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall wurde das Veräußerungsobjekt als Tourismusbetrieb weitergeführt. Ob der streitgegenständliche Fall, in dem die Immobilie umgebaut wurde und die rein private Nutzungsmöglichkeit im Raum stand, mit diesem Fall vergleichbar ist, ist nicht entscheidungserheblich. Denn jedenfalls haben sich zumindest auch in einer durch die Veräußerung erfolgten Betriebsaufgabe die Vorteile aus dem Fremdenverkehr realisiert, die bis dahin als Abschreibungen nicht beim Fremdenverkehrsbeitrag berücksichtigt werden konnten. Denn infolge der jährlichen Absetzung für Abnutzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als periodengerechte Verteilung des Aufwands bzw. Berücksichtigung des Wertverzehrs bei mehrjährig nutzbaren Wirtschaftsgütern können sich stille Reserven als unversteuerte Gewinne bilden. Diese werden beim Ausscheiden des Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen realisiert. § 16 EStG dient im Ansatz dazu, die Versteuerung stiller Reserven sicherzustellen. Zeitliche Gewinnverschiebungen ändern nichts daran, dass der Gewinn aus Geschäften mit Fremden erwächst, so dass die fremdenverkehrsbeitragsrechtliche Einbeziehung auch des Betriebsaufgabegewinns gerechtfertigt ist (BayVGH, B.v. 24.-1.2005 – 4 ZB 04.2044).
Im streitgegenständlichen Fall hat der Kläger die Verpachtung der Gaststätte allerdings nicht gewerbsmäßig betrieben, so dass durch den Verkauf des Anwesens folglich kein Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 EStG erzielt wurde. Bei dem im Einkommenssteuerbescheid für 2017 ausgewiesenen Betrag in Höhe von 22.016 Euro handelt es sich vielmehr um sonstige Einkünfte im Sinne von §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EstG („Spekulationsgewinne aus privaten Immobiliengeschäften“). Es ist aber sachlich gerechtfertigt, auch nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG einkommensteuerrechlich relevante Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften als Veräußerungsgewinn im fremdenverkehrsrechtlichen Sinne bei der Bemessung des durch den Fremdenverkehr vermittelten Vorteils nach § 2 Abs. 2 FBS zu berücksichtigen.
So geht der Begriff des selbständig Tätigen im Fremdenverkehrsbeitragsrechts weiter als im Steuerrecht. Es werden auch nichtgewerbsmäßige Tätigkeiten erfasst, sofern sie einer nachhaltigen Einnahmenwirtschaft dienen, so dass auch die so erwirtschafteten Einnahmen Gewinne im fremdenverkehrsrechtlichen Sinne darstellen.
Nach diesen Grundsätzen gelten nach ständiger Rechtsprechung insbesondere einkommensteuerrechtliche Überschusseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung jedenfalls immer dann als „Vermietungsgewinne“ im fremdenverkehrsbeitragsrechtlichen Sinne, wenn Gebäude oder Räume vermietet werden, die – wie vorliegend eine Gaststätte – unmittelbar einem Fremdenverkehrsbetrieb zu dienen bestimmt sind. Die Absicht einer nachhaltigen Einnahmenwirtschaft wird in den Fällen der §§ 22 Nr. 2, 23 EStG fingiert. Abweichend vom Grundsatz der Nichtsteuerbarkeit privater Vermögensvorgänge ist es Sinn und Zweck dieser Vorschriften, innerhalb einer Spekulationsfrist realisierte Wertmehrungen aus verhältnismäßig kurzfristigen Wertdurchgängen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen – insbesondere bei Immobiliengeschäften – zu erfassen. Der Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegt generell der Gedanke zu Grunde, dass der An- und Verkauf von (nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzten) Immobilien innerhalb der dort genannten Frist von zehn Jahren eine gewisse Nähe zur Gewerblichkeit indiziert und dies die (einkommensteuerrechtliche) Besteuerung legitimiert. Auch die Gewinnermittlung gemäß § 23 Abs. 3 EStG lässt die Nähe zum gewerblichen Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG erkennen. Diese gesetzgeberische Wertung, private Spekulationsgewinne nach Maßgabe der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1, Abs. 3 EStG einkommensteuerrechtlich zu erfassen, lässt sich auf das Fremdenverkehrsbeitragsrecht übertragen und steht auch im Übrigen im Einklang mit dessen Prinzipien (VG München, U.v.29.10.2015, Az.: M 10 K 15.2764).
d) Der Fremdenverkehrsbeitrag wurde korrekt ermittelt. Die Beklagte hat zur Bestimmung des Vorteils im Sinne von § 2 Abs. 2 FBS den vom Kläger genannten Veräußerungsgewinn in Höhe von 22.016 Euro zugrunde gelegt. Gemäß § 3 FBS errechnet sich der Betrag, indem der Gewinn mit dem Vorteilssatz und mit dem Beitragssatz multipliziert wird. Nach § 3 Abs. 4.1 beträgt der Beitragssatz acht v.H. Gegen den zugrunde gelegten Vorteilssatz von 65 v.H. wurde nichts vorgetragen und ist auch nichts ersichtlich.
2. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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