Steuerrecht

Erkennung als anschaffungsnahe Herstellungskosten oder sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen

Aktenzeichen  3 K 1215/19

Datum:
15.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26830
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 255 Abs. 2 S. 1
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1a, § 9 Abs. 1 S. 1, § 21 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Bei der Prüfung, ob die Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen zu anschaffungsnahen Herstellungskosten iSv § 6 I Nr. 1a S. 1 EStG führen, ist bei einem aus mehreren Einheiten bestehenden Gebäude dann auf das Gebäude insgesamt abzustellen, wenn das Gesamtgebäude nicht in unterschiedlicher Weise genutzt wird und somit nicht in verschiedene Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist.
2. Hierbei kommt es nicht auf die frühere Nutzung durch den Veräußerer oder die ursprünglich vom Kläger beabsichtigte Nutzung der ehemaligen Praxisräume zu fremdbetrieblichen Zwecken an, sondern entscheidend ist, dass nach der Änderung der Zweckbestimmung für das Nebenhaus alle Gebäudeteile zur Wohnvermietung genutzt werden und und der Steuerpflichtige tatsächlich nie eine gewerbliche Vermietung oder gewerbliche Nutzung vorgenommen hat.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 06.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.08.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Das Finanzamt hat zutreffend die Aufwendungen für Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten bei der erworbenen Immobilie als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG behandelt und damit lediglich im Rahmen der AfA berücksichtigt.
1. Aufwendungen, die durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 EStG), sind dann nicht als Werbungskosten sofort abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen der AfA zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1, 4 und 5 EStG).
a) Welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB. Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22.09.2009 IX R 21/08, BFH/NV 2010, 846).
b) Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15% der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten). Diese Aufwendungen erhöhen die AfA-Bemessungsgrundlage (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG), sie sind nicht als Werbungskosten sofort abziehbar. Nicht zu diesen Aufwendungen gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG die Aufwendungen für Erweiterungen i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen.
c) Der Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG ist gesetzlich nicht definiert und bedarf daher der Auslegung. Hierunter sind bauliche Maßnahmen zu verstehen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Zu den Aufwendungen i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören daher insbesondere Aufwendungen für die Instandsetzung oder Erneuerung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen, der Fußbodenbeläge, der Fenster und der Dacheindeckung, die – ohne die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG – vom Grundsatz her als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 14.06.2016 IX R 22/15, BStBl. II 2016, 999 Rn. 15 und IX R 25/14, BStBl. II 2016, 992).
d) Hierzu gehören grundsätzlich auch sogenannte Schönheitsreparaturen wie das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper, der Innen- und Außentüren sowie der Fenster, wenn sie innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden und die hierfür angefallenen Aufwendungen – gegebenenfalls zusammen mit weiteren Aufwendungen für bauliche Maßnahmen – ohne Umsatzsteuer 15% der Anschaffungskosten übersteigen (vgl. zum Begriff der Schönheitsreparaturen § 28 Abs. 4 Satz 3 der Zweiten Berechnungsverordnung; Palandt/Weidenkaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl., § 535 Rz 41). Denn auch Schönheitsreparaturen in diesem Sinne sind bauliche Maßnahmen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes beseitigt werden.
e) Zu den Aufwendungen i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören darüber hinaus auch Kosten für eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung des Gebäudes i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB, wenn sie im Rahmen einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit dem Erwerb des Gebäudes anfallen (BFH-Urteil vom 14.06.2016 IX R 25/14, BStBl. II 2016, 992, Rn. 20).
f) Die Zurechnung von anschaffungsnahen Aufwendungen zu den Herstellungskosten bedeutet allerdings nicht, dass es in diesen Jahren überhaupt keinen sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwand geben könnte. Aufwendungen, die mit den Umbau-, Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen nicht im Zusammenhang stehen, können als sofort abzugsfähige Werbungskosten zu berücksichtigen sein. Hierunter fallen insbesondere Erhaltungsaufwendungen, die jährlich üblicherweise anfallen und daher nach Satz 2 der Vorschrift ausdrücklich nicht zu den Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen gehören. Zu den jährlich üblicherweise anfallenden Erhaltungsaufwendungen in diesem Sinne gehören insbesondere Aufwendungen für regelmäßige Wartungsarbeiten wie laufende Heizungs- oder Aufzugswartungen, Beseitigung von Rohrverstopfungen und -verkalkungen oder Ablesekosten (BFH-Urteil vom 14.06.2016 IX R 22/15, BStBl. II 2016, 999, Rn. 24).
g) Bei der Prüfung, ob die Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen zu anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG führen, ist bei einem aus mehreren Einheiten bestehenden Gebäude dann auf das Gebäude insgesamt abzustellen, wenn das Gesamtgebäude nicht in unterschiedlicher Weise genutzt wird und somit nicht in verschiedene Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist (Umkehrschluss aus BFH-Urteil vom 25.09.2007 IX R 28/07, BStBl. II 2008, 218; Schmidt/Kulosa, EStG 39. Auflage, § 6 Rz 382 f; Blümich/Ehmcke, § 6 EStG Rz 427). Andererseits ist bei einem aus mehreren Einheiten bestehenden Gebäude nicht auf das gesamte Gebäude, sondern auf den jeweiligen selbständigen Gebäudeteil abzustellen, wenn das Gesamtgebäude in unterschiedlicher Weise genutzt wird und daher in verschiedene Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist (BFH-Urteil vom 14.06.2016 IX R 25/14, BStBl. II 2016, 992, Rn. 24). Maßgeblich ist insoweit, ob zwischen den Gebäudeteilen ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang besteht (BFH-Urteil vom 14.06.2016 IX R 22/15, BStBl. II 2016, 999, Rn. 25).
2. Nach diesen Grundsätzen ist der Senat der Auffassung, dass die Aufwendungen für Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten bei der erworbenen Immobilie im Streitfall als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu qualifizieren und damit lediglich im Rahmen der AfA zu berücksichtigen sind.
a) Im Streitfall hat der Kläger mit notariellem Kaufvertrag vom 19.04.2013 ein mit „Gebäudeund Freifläche“ bezeichnetes Grundstück in O, S. 44 erworben. Eine Aufteilung des Grundstücks oder des Kaufpreises in ein „Haupt-„und ein „Nebenhaus“ wurde im notariellen Vertrag nicht vorgenommen. Die Aufteilung des Kaufpreises auf die beiden Haushälften wurde wohl durch die Firma Immobilien T vorgenommen. Das Haus wird in beiden Teilen nach Abschluss der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen für Vermietung zu fremden Wohnzwecken und damit in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang genutzt. Damit ist auf das gesamte Gebäude und nicht Gebäudeteile abzustellen. Die Aufwendungen sind dem Kläger ausschließlich für die Vermietung zu fremden Wohnzwecken entstanden, nicht aber – auch nicht teilweise – für eine geplante gewerbliche Tätigkeit.
b) Der Senat verkennt nicht, dass das Haus früher in der rechten Haushälfte für Einkünfte aus Gewerbebetrieb genutzt wurde, die Firma Immobilien T des A T eine solche Nutzung in einem Expose auch dargestellt hat und der Kläger versucht hat, die rechte Haushälfte gewerblich zu vermieten.
Es kommt aber nach der Überzeugung des Senats nicht auf die frühere Nutzung durch den Veräußerer oder die ursprünglich vom Kläger beabsichtigte Nutzung der ehemaligen Praxisräume zu fremdbetrieblichen Zwecken an. Entscheidend ist, dass nach der Änderung der Zweckbestimmung für das Nebenhaus alle Gebäudeteile zur Wohnvermietung genutzt werden und diese Nutzungsänderung innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes erfolgt. Dies gilt jedenfalls, wenn – wie im Streitfall – die geltend gemachten Aufwendungen nicht für eine fremd betriebliche Nutzung, sondern zur Ermöglichung der Nutzung zur Vermietung als Wohnung entstanden sind und der Steuerpflichtige tatsächlich nie eine gewerbliche Vermietung oder gewerbliche Nutzung vorgenommen hat. Das Nebenhaus wird ab Mai/Juni 2014 als vermietete Wohnung genutzt, vorher fand keine Nutzung durch den Kläger statt.
c) Die vom Kläger im Anschluss an den Erwerb durchgeführten Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten führten zu Kosten, die über 15% der Anschaffungskosten liegen. Die Berechnung der anschaffungsnahen Herstellungskosten durch das Finanzamt wurde von der Klägerseite nicht beanstandet. Die Berechnung lässt Fehler auch nicht erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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