Steuerrecht

Ersparte Abschlussgebühr für Bausparvertrag ist kein sozialversicherungspflichtiges Einkommen

Aktenzeichen  L 7 R 5077/16

Datum:
26.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 106946
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SvEV § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG § 8 Abs. 2 S. 1, § 19 Abs. 1, § 38 Abs. 1 S. 1, S. 3
SGB V § 226 Abs. 1 S. 1
SGB IV § 14, § 17
SGG § 160 Abs. 2, § 197a

 

Leitsatz

1. Zur Beurteilung von ersparten Abschlussgebühren für Bausparverträge als sozialversicherungspflichtiges Einkommen.
2 Eine ersparte Abschlussgebühr ist kein von einem Dritten gewährter Arbeitslohn im Sinne von § 38 Abs. 1 S. 3 EStG, wenn die Gebührenfreiheit auch die Angehörigen (Ehegatten und Kinder) wie auch zahlreiche weitere Personengruppen, wie zB die Arbeitnehmer von Waren- und Einkaufsgenossenschaften erfasst. Damit fehlt es offenkundig am Entlohnungscharakter des eingeräumten Rabatts.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 7 R 6014/11 2013-01-16 GeB SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 16. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 198,72 Euro.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 15.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2011, soweit damit Sozialversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1 nachgefordert werden.
Das SG Bayreuth hat der Anfechtungsklage insoweit zu Recht stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten können hinsichtlich der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Beigeladenen zu 1 keinen Bestand haben und sind vom SG insoweit zu Recht aufgehoben worden.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der von der Bausparkasse geübte Verzicht auf eine Abschlussgebühr zugunsten der Mitarbeiter der Klägerin keinen geldwerten Vorteil darstellt, der zur sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht führt.
Nach § 28 p Abs. 1 Satz 1 und 5 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Sie setzen insoweit auch Beiträge durch Verwaltungsakt fest.
Bemessungsgrundlage für die Höhe der Beiträge abhängig Beschäftigter ist in der Kranken-, Pflege-, Rentensowie Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten, § 226 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) § 75 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch i. V. m. § 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch.
Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Damit sind alle Einnahmen erfasst, die „aus einer Beschäftigung“ dem Versicherungspflichtigen zufließen. Es genügt ein ursächlicher Zusammenhang. Ob die Einnahmen vom Arbeitgeber selbst oder durch einen Dritten geleistet werden ist unerheblich.
Nach § 1 S. 1 ArEV bzw. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SvEV sind dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, soweit sie lohnsteuerfrei sind.
Der Gebührenvorteil war keine Gegenleistung der Klägerin für die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter. Eine Lohnsteuerpflicht nach § 38 Abs. 1 S. 1 EStG lag damit nicht vor. Dies wird von den Beteiligten auch nicht in Abrede gestellt. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Ersparnis einer Abschlussgebühr nicht von der Klägerin selbst als Arbeitgeberin erbracht wurde.
Die Erhebung der Lohnsteuer erfolgt nach § 38 EStG bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit durch Abzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer), soweit der Arbeitslohn von einem Arbeitgeber gezahlt wird. Der Lohnsteuer unterliegt auch der im Rahmen des Dienstverhältnisses von einem Dritten gewährte Arbeitslohn, wenn der Arbeitgeber weiß oder erkennen kann, dass derartige Vergütungen erbracht werden; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn Arbeitgeber und Dritter verbundene Unternehmen im Sinne von § 15 des Aktiengesetzes sind, § 38 Abs. 1 S. 3 EStG.
Dabei kommt es heute auf die Rechtsänderung ab dem 20.12.2003, die den von einem Dritten gewährten Arbeitslohn nur dann der Lohnsteuer unterwirft, wenn der Arbeitgeber weiß oder erkennen kann, dass derartige Vergütungen erbracht werden, nicht mehr maßgeblich an. Denn bei dem hier in Rede stehenden geldwerten Vorteil (Verzicht auf die Abschlussgebühr) handelt es sich schon nicht um (von einem Dritten gewährten) Arbeitslohn im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG. Damit ist nicht entscheidend, ob die Klägerin von dem Gebührenverzicht der Bausparkasse wusste oder wissen konnte.
Der Gebührenvorteil war keine Gegenleistung der Klägerin für die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter. Eine Lohnsteuerpflicht nach § 38 Abs. 1 S. 1 EStG lag damit nicht vor (vgl. BayLSG Urteil vom 30.03.2010, Az. L 5 R 946/08, Urteil vom 24.09.2015, Az L 14 R 438/15).
Die Bausparkasse ist auch nicht als Dritte in der Form in die Zahlung von Arbeitslohn durch die Klägerin eingeschaltet, dass ein Lohnsteuerabzug nach § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG erfolgen müsste. Auch hier genügt allein eine enge wirtschaftliche und auch tatsächliche Verpflichtung eines Konzernverbundes wie hier der genossenschaftliche Finanzverbund nicht, um eine „echte“ Lohnzahlung durch Dritte zu begründen.
Rechtsgrund des Verzichts der Bausparkasse auf Abschlussgebühren waren eigenwirtschaftliche Interessen der Bausparkasse. Ob diese in dem Motiv lagen, mit den Mitarbeitern der Klägerin Kunden zu gewinnen, bei denen das Risiko einer unterdurchschnittlichen Besparung oder gar Stornierung der Verträge sehr gering waren (so in der Begründung bei BayLSG Urteil vom 30.03.2010, Az. L 5 R 946/08) oder in sonstigen ggf. aus dem Prestige der Bausparkasse liegenden Gründen resultierte, muss hier abschließend nicht beurteilt waren. Offensichtlich wollte die Bausparkasse mit dem Verzicht aber keine Interessen der Klägerin wahrnehmen.
Zu Recht verweist das SG in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des BFH, der in seiner Entscheidung vom 18.10.2012, VI R 64/11, feststellt, dass Arbeitslohn im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht bereits deshalb vorliegt, weil der Arbeitgeber an der Verschaffung der Rabattgewährung mitgewirkt hat. Dies gelte erst recht, so der BFH in der genannten Entscheidung, wenn der Arbeitgeber von der Rabattgewährung nur Kenntnis hatte oder diese hätte erkennen können.
Arbeitslohn kann, wie der BFH in der zitierten Entscheidung ausführt, ausnahmsweise auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn die Zuwendung ein Entgelt für eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt. In diesem Fall muss sich die Zuwendung des Dritten für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellen. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nicht allein nach dem Empfängerkreis der Drittzuwendung, sondern auch nach deren Rechtsgrund und damit nicht zuletzt danach, ob der Dritte den Vorteil aus eigenwirtschaftlichem Interesse oder im Interesse des Arbeitgebers gewährt (vgl. BFH, a.a.O.).
Ausgehend davon kann im vorliegenden Fall der Verzicht der Bausparkasse auf Erhebung der Abschlussgebühr zugunsten der Mitarbeiter der Klägerin nicht als von einem Dritten gewährter Arbeitslohn im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG gewertet werden. Denn die Gebührenfreiheit stellte sich für die Beschäftigten nicht als Frucht ihrer Arbeit für die Klägerin dar.
Das lag zum einen daran, dass nicht nur die Mitarbeiter der Klägerin in den Genuss der Gebührenfreiheit kamen, sondern auch ihre Angehörigen (Ehegatten und Kinder) wie auch zahlreiche weitere Personengruppen, wie z.B. die Arbeitnehmer von Waren- und Einkaufsgenossenschaften. Damit fehlte es offenkundig am Entlohnungscharakter des eingeräumten Rabatts. Es spricht nichts dafür, dass der von der Bausparkasse zugunsten der Beschäftigten der Klägerin eingeräumte Gebührenvorteil eine für die Klägerin erbrachte Arbeitsleistung entgelten sollte. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat in diesem Zusammenhang zu Recht auf die Entscheidung des BFH vom 10.04.2014, VI R 62/11, hingewiesen, dessen Leitsatz lautet: „Werden Rabatte beim Abschluss von Versicherungsverträgen sowohl Arbeitnehmern von Geschäftspartnern als auch einem weiteren Personenkreis (Angehörige der gesamten Versicherungsbranche, Arbeitnehmer weiterer Unternehmen) eingeräumt, so liegt hierin kein Arbeitslohn.“
Zum anderen ist die Bausparkasse hier erkennbar nicht im Interesse der Klägerin tätig geworden. Wie das SG zutreffend darlegt, hat die Bausparkasse vielmehr aus eigenwirtschaftlichem Interesse auf die Erhebung der Abschlussgebühr bei bestimmten Personengruppen, darunter die Mitarbeiter der Klägerin, verzichtet. Sie erschließt sich auf diese Weise einen leicht zugänglichen und aufgrund des geringen Betreuungsbedarfs auch attraktiven Kundenkreis.
Der erkennende Senat vermag keinen Grund zu erkennen, von der überzeugenden Rechtsprechung des BFH zu § 38 EStG für das Sozialrecht abzuweichen. Die vom BFH vorgenommene Auslegung des in § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG enthaltenen Tatbestandsmerkmals „von einem Dritten gewährter Arbeitslohn“ entspricht zwar in der Tat nicht dem weiter gefassten sozialversicherungsrechtlichen Begriff des Arbeitsentgelts, wie er in § 14 SGB IV definiert ist. Die Beklagte hat allerdings mehrfach selbst darauf hingewiesen, dass zwischen dem Steuerrecht und dem Sozialversicherungsrecht kein völliger „Gleichklang“ herrscht, auch nicht in den Begrifflichkeiten.
Der weite sozialversicherungsrechtliche Arbeitsentgeltbegriff des § 14 SGB IV wird seinerseits eingeschränkt durch die auf § 17 SGB IV beruhende Sozialversicherungsentgeltverordnung, die in ihrem § 1 unter Bezugnahme auf einkommensteuerrechtliche (und andere) Vorschriften regelt, welche Einnahmen im Einzelnen nicht dem Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV zuzurechnen sind. Zu diesen Einnahmen gehören nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SvEV einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, soweit sie lohnsteuerfrei sind. Ob eine einmalige Einnahme – wie hier der Gebührenvorteil der Beschäftigten der Klägerin – (beitragspflichtiges) Arbeitsentgelt darstellt, richtet sich also auch nach den einkommensteuerrechtlichen Regelungen, hier speziell nach der Vorschrift des § 38 EStG, der die Erhebung der Lohnsteuer regelt.
Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des BFH zu § 38 EStG, der die finanzbehördliche Praxis folgt, ist der hier streitgegenständliche Verzicht der Bausparkasse auf die Abschlussgebühr zugunsten der Mitarbeiter der Klägerin kein von einem Dritten gewährter Arbeitslohn und damit lohnsteuerfrei. Infolgedessen handelt es sich nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SvEV auch nicht um sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt.
Wie § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ausdrücklich zu entnehmen ist, soll die Sozialversicherungsentgeltverordnung u.a. der Vereinfachung des Beitragseinzugs dienen. Es soll eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sichergestellt werden (§ 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vor diesem Hintergrund hält der Senat eine von der Rechtsprechung des BFH und der finanzbehördlichen Praxis abweichende sozialversicherungsrechtliche Auslegung steuerrechtlicher Vorschriften, die sich an im Sozialversicherungsrecht enthaltenen Legaldefinitionen orientiert, nicht für sinnvoll (vgl. in diesem Sinne auch BayLSG Urteil vom 30.03.2010, L 5 R 946/08 und BayLSG Urteil vom 24.09.2015, L 14 R 438/15, hierzu Beschluss des BSG vom 20.06.2016, B 12 R 12/16 B Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde).
Die Berufung der Beklagten war im Ergebnis daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO Die Revision wird im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von Sozial- und Steuerrecht (z.B. Urteile vom 07.05.2014, B 12 R 18/21 R, und Urteile vom 17.12.2014, B 12 KR 19/12 R und 20/12 R) zugelassen, § 160 Abs. 2 SGG.
Die Höhe des nach § 197a SGG i.V.m. §§ 52, 47 GKG festgesetzten Streitwerts entspricht der Gesamthöhe der in diesem Berufungsverfahren streitigen Betragsnachforderung betreffend den Beigeladenen zu 1), also 198,72 Euro.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben