Steuerrecht

Festlegung des Hauptwohnsitzes

Aktenzeichen  B 1 K 15.250

Datum:
19.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
MeldeG MeldeG Art. 10, Art. 15 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Bei der Festlegung des Hauptwohnsitzes handelt es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Hauptwohnung ist die vorwiegend benutzte Wohnung, im Zweifelsfall dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen liegt. (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei der Festlegung des Hauptwohnsitzes ist eine Prognoseentscheidung, wo die vorwiegend genutzte Wohnung im Folgejahr liegt, erforderlich. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Entscheidungsgründe:
1. Über den Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden. Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört, eine Zustimmung ist nicht erforderlich.
2. Die Klage ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Die Klage ist als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO zulässig. Bei der Festlegung des Hauptwohnsitzes handelt es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt (vgl. BayVGH, Urt. v. 09.12.1988 – 5 B 87.04031 – juris) i. S. v. Art. 35 S. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG). Mit seinem Klageantrag hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, die gerichtliche Aufhebung dieser Maßnahme zu begehren (vgl. § 88 VwGO).
Die Klage ist jedoch unbegründet, da sich der angefochtene Verwaltungsakt als rechtmäßig erweist und den Kläger somit nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
a. Rechtsgrundlage für die Feststellung des Hauptwohnsitzes ist Art. 10 Abs. 1 S. 1 und 2 des im vorliegenden Fall noch anwendbaren Meldegesetzes (MeldeG) vom 8.12.2006 (GVBl. 2006, S. 990). Hiernach ist die Meldebehörde berechtigt, das Melderegister zu berichtigen. Dies geschieht durch Bescheid gegenüber dem Betroffenen (BayVGH, Urt. v. 09.12.1988 – 5 B 87.04031 – juris).
Der Bescheid erweist sich als rechtmäßig, da die Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage erfüllt sind. Nach Art. 10 Abs. 1 S. 1 MeldeG hat die Behörde das Melderegister zu berichtigen (gebundene Entscheidung). Nach Art. 10 Abs. 1 S. 2 MeldeG gilt dies insbesondere, wenn der Einwohner seiner Verpflichtung nach Art. 15 Abs. 4 MeldeG, d. h. der Mitteilung, welche Wohnung die Hauptwohnung ist, nicht nachkommt.
Die Beklagte hat hier zutreffend die Wohnung des Klägers in Bayreuth als Hauptwohnung qualifiziert und – nachdem der Kläger eine abweichende Angabe machte – durch Verwaltungsakt festgestellt.
aa. Nach Art. 15 Abs. 1 MeldeG ist, wenn ein Einwohner im Inland mehrere Wohnungen hat, eine dieser Wohnungen seine Hauptwohnung. Gem. Art. 15 Abs. 2 S. 1 MeldeG ist Hauptwohnung die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners. In Zweifelsfällen – und nur in diesen – ist nach Art. 15 Abs. 2 S. 5 MeldeG die vorwiegend benutzte Wohnung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners liegt. Diese Zweifelsregelung kommt mithin nur zur Anwendung, wenn eine quantitative zeitliche Bestimmung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt (vgl. nur BVerwG, Urt.v. 15.10.1991 – 1 C 24.90 – juris Rn. 12ff; BayVGH, Urt.v. 16.01.2015 – 5 B 14.1254; Urt.v. 9.12.1988 – 5 B 87.4031 – VGH n. F. 42, 72/73f.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.04.1992 – 1 S 2186/91).
Dies ist hier jedoch der Fall. Insbesondere die berufliche Tätigkeit des Klägers, dessen Arbeitgeber sich in Bayreuth befindet, führt dazu, dass es sich bei der Wohnung des Klägers in der … in Bayreuth um die vorwiegend benutzte Wohnung i. S. v. Art. 15 Abs. 2 S. 1 MeldeG handelt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist insoweit die Behördenentscheidung (vgl. VG Augsburg, Urt. v. 22.01.2013 – Au 1 K 12.1117, Rn. 40 -juris). Denn die Behörde hat zur Festlegung des Hauptwohnsitzes eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen, wo die vorwiegend genutzte Wohnung sich im Folgejahr nach den zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses erkennbaren (und vom Einwohner plausibel dargelegten) Umständen liegt. Schon aus diesem Grund kommt es auf die einzelnen, (erst) im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, vorgelegten Unterlagen – ungeachtet ihres Beweiswerts – nicht an.
Entscheidend ist daher, ob sich die von der Beklagten getroffene Prognoseentscheidung für den Zeitraum des folgenden Jahres auf der Grundlage der bis dahin durch den Kläger vorgelegten Unterlagen und gemachten Angaben als rechtmäßig erweist. Im vorliegenden Fall führen aber auch die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen (vgl. dazu VG Bayreuth, U.v. 19.05.2009, Az. B 1 K 09.27 Rn. 25 – juris; Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rn. 53) zu keinem anderen Ergebnis (s. u.).
bb. Die Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 15.10.1991 – 1 C 24/90 = NJW 1992, 1121 – juris) stellt zur Bestimmung der vorwiegend benutzten Wohnung nicht auf die Benutzung der Wohnung selbst ab, sondern vielmehr auf den Aufenthalt am Ort der Wohnung. Welche Wohnung i. d. S. als „vorwiegend benutzt“ anzusehen ist, wird aufgrund rein quantitativer Kriterien festgelegt. Die Berechnung erfolgt dabei „taggenau“ – einzelne Tage sind nicht stundenweise dem einen oder dem anderen Ort zuzurechnen. Ebenso wenig erfolgt eine qualitative Betrachtung (etwa die Berücksichtigung familiärer oder sonstiger privater Belange, vgl. VG Augsburg, Urt. v. 22. Januar 2013 Rn. 31 f. – juris, m. w. N.).
Im behördlichen Verfahren hat der Kläger angegeben, dass er sich nur Montag bis Freitag (ausgenommen Feiertage, Gleittage und Urlaub sowie Dienstreisen) in Bayreuth aufhalte. Rechtlich nicht zu beanstanden ist damit die von der Beklagten getroffene Prognose, dass er sich im Folgejahr überwiegend in Bayreuth aufhalten werde. Insbesondere sind, entgegen der Auffassung des Klägers, die Montage, an denen er am Morgen von … direkt zu seiner Arbeitsstelle nach fährt, nicht dem Ort … zuzurechnen. Dasselbe gilt für Tage unter der Woche, an denen der Kläger „ca. 1-2 mal werktags zum Nächtigen“ nach … fährt (vgl. das – zudem erst im Gerichtsverfahren vorgelegte – Schreiben des Klägers, Bl. 40 d. GA). Diese Tage sind allesamt, da sie (weit) überwiegend in Bayreuth verbracht werden, dem dortigen Wohnsitz zuzurechnen. Das vom Kläger angegebene Verhältnis des Aufenthalts … zu Bayreuth (4 zu 3 Tage) ist daher keine plausible Prognose, dass sich der Kläger überwiegend in … aufhalten werde, sondern die (unzutreffende) Rechtsauffassung des Klägers.
Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren keine Nachweise erbracht, die einen vorwiegenden Aufenthalt in … plausibel erscheinen lassen. Weder eine bloße Auflistung mit dem unbelegten Verhältnis der Wochentage noch ein Stundenzettel des Arbeitgebers mit handschriftlichen Ergänzungen „BT“ oder „…“ sind geeignet, eine Prognose des vom Kläger begehrten Inhalts zu bewirken. Nach dem maßgeblichen Erkenntnisstand der Behörde bei Erlass der streitgegenständlichen Verfügung ist diese mithin zutreffend davon ausgegangen, dass die vorwiegend benutzte Wohnung des Klägers i. S. v. Art. 15 Abs. 2 S. 1 MeldeG die in Bayreuth ist.
cc. Darüber hinaus zeigt die mit Schreiben vom 16.11.2015 vorgelegte Aufstellung (Bl. 45 d. GA), dass es sich bei der Wohnung in Bayreuth im Vergleich zu … auch nach den eigenen Angaben des Klägers um die vorwiegend benutzte Wohnung handelt (49,6% zu 44,7%). Daraus ergibt sich, dass die im Bescheid getroffene Prognose der tatsächlichen Entwicklung entspricht. Der Hinweis des Klägers (Schreiben vom 11.02.2015), dass er sich „weder in Bayreuth noch in … vorwiegend (mehr als 163 Tage/Jahr)“ aufhalte, erschließt sich nicht. Da er sich nach eigenem Bekunden bei einem Vergleich der Wohnorte die meiste Zeit im Bayreuth aufhielt, ist dies gerade die „vorwiegend benutzte“ Wohnung i. S. v. Art. 15 Abs. 2 S. 1 MeldeG, also die Hauptwohnung.
dd. Unabhängig davon, dass hier der entscheidungserhebliche Zeitpunkt der des Bescheidserlasses ist (s. o.), sind die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen ungeeignet, einen vorwiegenden Aufenthalt in … zu nachzuweisen. Es handelt sich bei diesen um Auflistungen, die den Aufenthaltsort nicht belegen können (so etwa die unleserlich unterschriebene Reisekostenabrechnung, Bl. 20 d. GA, auf der der Ort der Dienstreise fehlt). Auch die vorgelegten Arbeitszeitkonten (Bl. 46 bis 57 d. GA) sind nicht geeignet, eine vorwiegende Benutzung der Wohnung in … zu belegen, da sich aus ihnen nicht der Aufenthaltsort des Klägers ergibt, wenn dieser nicht in den Räumlichkeiten seines Arbeitgebers tätig war. Unerheblich ist ferner die vorgelegte Einteilung als Fußball-Schiedsrichter (Bl. 26 bis 29 d. GA), da die Einsatztage an Wochenenden oder Feiertagen liegen, also Zeiträumen, die seitens der Beklagten ohnehin dem Wohnsitz …zugerechnet worden sind.
Da im hiesigen Fall eine quantitative Bestimmung der vorwiegenden Nutzung möglich ist, kommt die Zweifelsfallregelung in Art. 15 Abs. 2 S. 5 MeldeG nicht zur Anwendung. Daher kommt es auf den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Klägers nicht an.
Nur ergänzend sei angeführt, dass sich auch nach dem zum 1.11.2015 in Kraft getretenen Bundesmeldegesetz (BMG) keine andere Entscheidung ergäbe.
Der Kläger hat deswegen entgegen Art. 15 Abs. 4 S. 1 MeldeG … als Hauptwohnung angegeben, weswegen die Beklagte nach Art. 10 Abs. 1 S. 1, 2 MeldeG zur Berichtigung des Melderegisters durch feststellenden Verwaltungsakt nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet war.
3. Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 84 Abs. 1 S. 3, 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und § 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist der angefochtene Gerichtsbescheid zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht erster Instanz. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in den § 3 und § 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Gerichtsbescheids sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung nur zuzulassen ist,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Anstelle der Zulassung der Berufung können die Beteiligten nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mündliche Verhandlung beantragen.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Dem Antrag eines Beteiligten sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird gem. § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

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