Steuerrecht

Feststellungslast des Finanzamt für das Vorliegen der Voraussetzungen von Scheingeschäften

Aktenzeichen  3 K 1983/17

Datum:
28.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2021, 235
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
UStG § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Das Finanzamt trägt die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen von Scheingeschäften, wenn die Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte nach § 41 Abs. 2 AO vom Finanzamt geltend gemacht wird.
2. Bloße „Ungewöhnlichkeiten“ bei Anbahnung der Geschäftsbeziehungen und Ausführung der Leistungen stellen keinen ausreichenden Nachweis für das Vorliegen von Scheingeschäften dar.

Tenor

1. Die Umsatzsteuer für 2007 wird unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 21. Mai 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2017 um € herabgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe

I.
Das Verfahren ist im zweiten Rechtszug.
Streitig ist, ob die Klägerin bei den innergemeinschaftlichen Lieferungen von drei Kraftfahrzeugen an ihren slowakischen Abnehmer ein Scheingeschäft ausgeführt hat.
Die Klägerin ist eine in ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die unter der Nr. in das Handelsregister des Amtsgerichts eingetragen ist. Der Gegenstand ihrer unternehmerischen Tätigkeit ist der Im- und Export von und Handel mit Waren aller Art, Fuhrparkmanagement und Vermietung, Unternehmensberatung sowie Leasing und Finanzierung. Ihr Geschäftsführer ist Herr .
Im Streitjahr 2007 verkaufte sie folgende Kraftfahrzeuge an die Firma N s.r.o., eine GmbH nach dem Recht der Slowakischen Republik, mit Sitz in der Slowakischen Republik:
Für die beiden ersten Fahrzeuge lagen neben einer Bestellung durch die N s.r.o. schriftliche Kaufverträge mit der N s.r.o. vor, für den Volvo S. 80 wurde nur eine Rechnung ausgestellt.
Der Klägerin lagen ein Handelsregisterauszug der Firma N s.r.o. vor wie auch eine bestätigte Abfrage ihrer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr. SK). Geschäftsführer der N s.r.o. war der in Ungarn ansässige N. Auf ihrem Briefpapier gab die N s.r.o. eine Telefon- und eine Telefaxnummer mit jeweils ungarischer Vorwahl an. Die Bezahlung der Kaufpreise erfolgte teilweise bar und teilweise unbar und die ersten beiden Lieferungen wurden teilweise nicht durch die N s.r.o., sondern durch dritte Personen bezahlt. Die Klägerin nahm für die drei Fahrzeuglieferungen die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch.
In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2007 vom 16. Juni 2008 (Frühleerung) errechnete die Klägerin eine Umsatzsteuer von €. Als Besteuerungsgrundlagen erklärte sie unter anderem steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz in Höhe von € und steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an Abnehmer mit USt-IdNr. in Höhe von €.
Nach der Durchführung einer mit Prüfungsanordnung vom 11. Februar 2008 am 14. Februar 2008 begonnenen Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte der Beklagte (nachfolgend: FA) die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung der drei Kraftfahrzeuge.
Nach dem Ergehen des Prüfungsberichts am 30. Dezember 2013 erhöhte das FA unter Übernahme der Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung die steuerpflichtigen Umsätze für 2007 um insgesamt € (aus einem Bruttoentgelt von insgesamt €) und setzte die Umsatzsteuer für 2007 mit Bescheid vom 21. Mai 2014 auf € fest, was eine Erhöhung der festgesetzten Umsatzsteuer um € zur Folge hatte.
Die bei der Prüfung ebenfalls nicht als steuerfrei anerkannte Lieferung von vier Winterreifen an die N s.r.o. mit Rechnung vom 26. April 2007 für netto € zuzüglich € Umsatzsteuer (brutto €), ist nicht mehr streitig.
Das FA versagte die Steuerfreiheit der drei Kraftfahrzeuglieferungen zunächst deshalb, weil die Voraussetzungen des Buch- und Belegnachweises nicht vorlägen und ließ auch eine Berufung auf den Gutglaubensschutz durch die Klägerin nicht zu, weil diese nicht gutgläubig gehandelt habe. Der Belegnachweis läge deshalb nicht vor, weil bei Prüfungsbeginn weder eine Empfangsbestätigung des Abnehmers, eine Versicherung des Abnehmers den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern noch für den Volvo S. 80 eine Vollmacht zur Abholung vorgelegen hätte. Bei den dazu nachgereichten Unterlagen sei davon auszugehen, dass diese nachträglich erstellt worden seien. Diese Nachweise seien aber grundsätzlich zeitnah bei Ausführung des Umsatzes zu führen. Zudem fehle es beim Belegnachweis an der Angabe des jeweiligen Monats des Erhalts der drei Fahrzeuge.
Der Buch- und Belegnachweis durch die Klägerin sei auch deshalb nicht ordnungsgemäß, weil es sich bei der Firma N s.r.o. um eine Scheinfirma handele, die nicht der tatsächliche Abnehmer der betreffenden Fahrzeuge gewesen sei; der Buchnachweis sei insoweit falsch. So habe die N s.r.o. am statuarischen Firmensitz keine eigenen Geschäftsräume und dort zu keinem Zeitpunkt eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt; bei der Anschrift der N s.r.o. in der Slowakei handele es sich um die Anschrift eines Buchhaltungsbüros, das lediglich Post entgegengenommen und diese weiter nach Ungarn geleitet habe. Die N s.r.o. habe auch über keinen aktiven Telefon- oder Faxanschluss und über keinen Lagerplatz für Fahrzeuge verfügt. Ihr alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter N sei als ungarischer Staatsangehöriger in Budapest in Ungarn wohnhaft gewesen. Allein am Briefkopf der N s.r.o. sei erkennbar, dass sie an ihrem Sitz in der Slowakei keine Geschäftstätigkeit ausübe, da sie dort nur eine ungarische Telefon- und Faxverbindung angegeben habe. Der Geschäftsführer der Klägerin habe keinen persönlichen, schriftlichen oder telefonischen Kontakt mit dem Geschäftsführer der N s.r.o. gehabt, die Abwicklung der Verkäufe sei über die ungarischen Autohändler L. K und Z. K erfolgt; auch die Zahlung der Kaufpreise sei nicht durch die N s.r.o. geleistet worden. Da die Klägerin all dies hätte erkennen können, könne ihr auch kein Vertrauensschutz gewährt werden.
Gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 21. Mai 2014 war der Einspruch vom 6. Juni 2014 gerichtet, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2017 als unbegründet zurückwies.
Dagegen ist die Klage vom 9. August 2017 gerichtet.
In der mündlichen Verhandlung beim Finanzgericht München am 18. Oktober 2018 sagte der Zeuge S aus Ungarn aus, dass er die drei Fahrzeuge als Fahrer mit einem Autotransporter bei der Klägerin abgeholt und an die Adresse der N s.r.o. in der Slowakei verbracht habe.
Mit Urteil vom 10. Oktober 2018 wies der 3. Senat des Finanzgerichts München (EFG 2019, 383) die Klage unter Zulassung der Revision im Wesentlichen aus folgenden Gründen als unbegründet ab:
Die Lieferungen seien nicht nach § 6a UStG steuerfrei. Im Streitfall lägen zwar für alle drei Fahrzeuge die für die Steuerfreiheit nach § 6a UStG erforderlichen Belege zur Dokumentation einer Beförderung durch den Abnehmer (Abhollieferung) gemäß § 17a Abs. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) durch die N s.r.o. vor. Tatsächlich seien die Fahrzeuge aber durch einen beauftragten selbständigen Spediteur befördert worden; es habe sich nicht um eine Abhol-, sondern um eine Versendungslieferung gehandelt. Das Gericht ging somit von einer Steuerpflicht aufgrund eines fehlenden Belegnachweises nach § 10 Abs. 1 UStDV aus, obwohl der einvernommene Zeuge S ausgesagt hatte, dass er die Fahrzeuge zum angegebenen Bestimmungsort in der Slowakischen Republik befördert habe.
Zudem ging das Gericht von einem fehlenden Buchnachweis aus, da es sich bei der Firma N s.r.o. um eine Scheinfirma gehandelt habe, so dass sich aus der Aufzeichnung der USt-IdNr. dieser Firma nicht deren Unternehmereigenschaft ergeben habe. Diese Feststellungen würden durch die Zeugenaussage des S nicht in Frage gestellt. Denn der Zeuge habe keinen Hinweis auf Geschäftsräume oder Ähnliches dieser Firma gesehen. Die Versagung der Steuerfreiheit aufgrund eines Scheinsitzes der Abnehmerfirma werde nicht durch die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur „Briefkastenadresse“ bei der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ausgeschlossen. Diese Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug sei jedenfalls dann nicht auf die Adresse und den Sitz des Unternehmens des Empfängers einer innergemeinschaftlichen Lieferung übertragbar, wenn es sich bei diesem – wie im Streitfall – um ein Scheinunternehmen gehandelt habe.
Auch die Voraussetzungen für einen Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG lägen nicht vor. Es fehle bereits an einem Belegnachweis der erforderlichen Art. Zudem sei die Klägerin nicht gutgläubig gewesen. Die Klägerin sei vor Abwicklung der Lieferungen von den in Ungarn ansässigen ihr bekannten Herren K gefragt worden, „ob sie für den genannten Dr. S drei Autos besorgen könnte“. Die Klägerin habe zugesagt und auf die weitere Frage der Herren K, ob der Kauf über eine slowakische Firma abgewickelt werden könne, geäußert, „dass ihr dies nichts ausmache, sofern sämtliche erforderlichen Bestätigungen und Nachweise vorliegen würden“. Die Klägerin habe gewusst, dass die N s.r.o. nur „zwischengeschaltet“ werden sollte. Auf einem Schreiben der Klägerin vom 22. Februar 2007 an Herrn Z. K finde sich ein ausdrücklich so bezeichnetes „Angebot“ für den hier streitigen Volvo mit dem handschriftlichen Zusatz „Herr K hat am 23. Februar 2007 telefonisch bestellt“. Die Bestellung sei erkennbar nicht durch die N s.r.o. erfolgt. Auf einem Auszug eines Bankkontos der Klägerin bei der D. Bank vom 16. April 2007 (zehn Tage vor Abholung des Mercedes) über einen Geldeingang finde sich der handschriftliche Vermerk „K Anzahlung“, obwohl hier laut Belegnachweis eine Bestellung dieses Fahrzeugs der slowakischen Firma N s.r.o. vom 1. Februar 2007 vorgelegen habe. Aus einer „Info an die Buchhaltung“ der Klägerin vom 8. Mai 2007 über den Verkauf des Mercedes SL AMG Roadster sowie den Volvo CX 90 D 5 sei ersichtlich gewesen, dass von den insgesamt sechs Teilzahlungen für die zwei Kfz nur eine als Barzahlung der N s.r.o. erfasst worden sei. Die übrigen Zahlungen von über 200.000 € seien durch die genannten ungarischen Beteiligten sowie (unbar) durch eine im Übrigen bei den streitgegenständlichen Lieferungen unbekannte M Limited (109.994 €) erfolgt. Der Kaufpreis sei durch Dritte und nicht durch die Firma N s.r.o. bezahlt worden. Dies sei ungewöhnlich, da die Käuferin N s.r.o. damit noch vor Lieferung der Ware ihren Abnehmer aus dem angeblichen Folgegeschäft offengelegt habe.
Nach Einlegung der Revision (V R 38/18, BStBl II 2020, 112) hob der BFH das Urteil des Finanzgerichts München mit Urteil vom 26. September 2019 auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück an das Finanzgericht München, weil das Finanzgericht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen zu Unrecht verneint habe. Die Sache sei nicht spruchreif, da unklar sei, wer nach dem der jeweiligen Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis Abnehmer gewesen sei. Das Finanzgericht sei nicht der Frage nachgegangen, ob es sich hierbei um Scheingeschäfte gehandelt habe, die Lieferbeziehungen zu anderen Abnehmern verdecken sollten.
Zur Begründung führt der BFH weiter an, dass dann, wenn aufgrund einer Beweiserhebung feststehe, dass die gelieferten Fahrzeuge zum Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet versendet wurden, dies nicht durch die Annahme eines fehlenden Belegnachweises in Abrede gestellt werden könne. Der sich aus der USt-IdNr. ergebende Nachweis der Unternehmereigenschaft des Abnehmers könne nicht durch die bloße Annahme einer Briefkastenanschrift widerlegt werden.
Für Scheingeschäfte zwischen der Klägerin und der Firma N s.r.o., die tatsächlich gewollte Rechtsgeschäfte zwischen der Klägerin und Käufern in Ungarn verdecken sollten, könnten dabei im Streitfall die Umstände der Geschäftsanbahnung und der Kaufpreiszahlung sprechen, aufgrund derer das Finanzgericht die Unternehmerstellung der Firma N s.r.o. und einen der Klägerin zu gewährenden Gutglaubensschutz verneint habe. Im Hinblick darauf, dass sich z.B. auf dem Schreiben der Klägerin an Herrn Z. K vom 22. Februar 2007 ein ausdrücklich so bezeichnetes „Angebot“ für den Volvo (XC 90) sowie der handschriftliche Zusatz „Herr K hat am 23.2.07 telefonisch bestellt“ fänden, läge ein Vertragsschluss zwischen der Klägerin und K und damit der Scheincharakter einer „Weiterlieferung“ an die Firma N s.r.o. nahe. Das Finanzgericht habe diese Umstände nicht im Hinblick auf die sich hieraus ergebenden Folgerungen für die Bestimmung der Person des Abnehmers gewürdigt.
Zur Begründung ihrer Klage im 2. Rechtszug trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass der BFH in seinem Urteil vom 26. September 2019 festgestellt habe, dass im Streitfall grundsätzlich steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen vorliegen würden. Nach dem BFH müsse das Finanzgericht nun nur noch der offengelassenen Frage nachgehen, ob ein Scheingeschäft im Sinne von § 41 der Abgabenordnung (AO) vorliege. Hierauf könne nach dem BFH insbesondere das Schreiben der Klägerin vom 22. Februar 2007 mit dem ausdrücklich so bezeichneten „Angebot“ für den Volvo an Herrn Z. K sowie der hierauf befindliche handschriftliche Zusatz „Herr K hat am 23. Februar 2007 telefonisch bestellt“ sprechen. Hierzu sei zunächst anzuführen, dass es allgemein bekannt sei, dass der Kfz-Handel über mehrere Länder und auch die Ausfuhr in einen europäischen Nachbarstaat mit sofort anschließender Wiedereinfuhr den Marktgegebenheiten und den Vorgaben der Kfz-Hersteller an ihre Markenhändler geschuldet sei, die beim Groß- und Einzelhandel und auch in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedliche Rabatte gewähren würden.
Zusammenfassend sei zum Verkauf der drei streitigen Fahrzeuge anzuführen, dass die Bezeichnung von Herrn K in dem Telefax bezüglich der geringfügigen Ausstattungsänderung des Pkw Volvo XC 90 allein der Tatsache geschuldet sei, dass Herr K als Vermittler die Ausstattung des Kraftfahrzeugs mit dem Endkunden (zu dem allein Herr K Kontakt gehabt habe) abgesprochen und dessen Wunsch direkt an den Erstlieferanten, die Klägerin, weitergegeben habe. Die Notiz auf dem Telefax durch die Mitarbeiterin der Klägerin Frau M. gebe lediglich wieder, dass Herr K im Auftrag des Endkunden sodann in dieser Ausstattungsvariante seine Freigabe erklärt habe und entsprechend das Fahrzeug für den Zwischenhändler und Vertragspartei der Klägerin, die N s.r.o., nunmehr so bestellt werden und der Kaufvertrag mit der N s.r.o. in dieser Ausstattungsvariante abgeschlossen und abgewickelt habe werden können. So könnte dies auch auf einer Bestellung eines Firmenfahrzeuges eines deutschen Unternehmens stehen, wenn der Arbeitnehmer seine gewünschte Ausstattung mit dem Autohaus abspreche. Der Kaufvertrag werde auch in diesem Fall mit dem Unternehmen und nicht mit dem Arbeitnehmer geschlossen, der jedoch die Ausstattung im Rahmen des ihm zugebilligten Budgets absprechen könnte.
Auch die sonstigen Unterlagen, insbesondere auch die Einbehaltung der Mehrwertsteuer als Kaution gegenüber der N s.r.o. sprächen eindeutig dafür, dass die Klägerin von einem Geschäft mit der N s.r.o. ausgegangen sei. Bei Herrn K wäre die Einbehaltung der Mehrwertsteuer nicht notwendig gewesen, da dieser bereits aus den Geschäftsbeziehungen bekannt und als einer der größten Autohändler auch bewährt gewesen sei. Die vereinbarte Lieferung der Kraftfahrzeuge durch die Klägerin sei vereinbarungsgemäß zu der Firma N s.r.o. in die Slowakei erfolgt. Dass es von Seiten der Käuferin mit deren Abnehmer zu einem verkürzten Zahlungsweg gekommen sei, sei durch die Klägerin nicht beabsichtigt gewesen, aber aufgrund der zweimaligen Wechselkursverluste auch nicht auffällig gewesen. Die Verträge seien von der Klägerin so durchgeführt worden, wie sie vereinbart worden seien. Somit sei zweifelsfrei belegt, dass ein Scheingeschäft nicht vorliege, sondern dass die Klägerin nach den vorliegenden Urkunden und Aussagen Kaufverträge mit der N s.r.o. abgeschlossen habe und hiervon auch ausgegangen sei.
Als Anlage zu ihrer Stellungnahme vom 10. August 2020 legte die Klägerin eine auf den 12. März 2020 datierte und unterschriebene so bezeichnete „Eidesstattliche Versicherung“ des Herrn Z. K vor, in der dieser versichert, dass er und sein verstorbener Vater bei dem Verkauf der Fahrzeuge an die N s.r.o. im Jahr 2007 nur als Vermittler tätig gewesen seien und nicht als Verkäufer.
Zu dem weiteren Vorbringen der Klägerin wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf die Akten verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer für 2007 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 21. Mai 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2017 um € herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt das FA vor, dass die Vereinbarung der Klägerin mit der N s.r.o. den Vertragsparteien einvernehmlich als Scheingeschäft gedient habe, um die tatsächlichen Rechtsgeschäfte zwischen der Klägerin und den Herren K zu verdecken. Für die Besteuerung der drei streitigen Fahrzeuge sei demnach gemäß § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft maßgeblich, bei dem die Klägerin mangels Erfüllung der Nachweispflichten keine Steuerfreiheit in Anspruch nehmen könnte. Dass die eigentlichen Rechtsgeschäfte zwischen der Klägerin und den Herren K zustande gekommen seien, ergebe sich schon daraus, dass die Herren K als Vermittler tätig gewesen sein sollen, ohne dass dafür aber eine vertragliche Vereinbarung oder eine Abrechnung über die Vermittlungsleistung vorgelegen habe. Auch habe die Klägerin sämtliche Absprachen ausschließlich und direkt mit den Herren K getroffen; nur diese Absprachen seien belegt und dies sei insbesondere aus den Vermerken der Mitarbeiterin der Klägerin ersichtlich. Allein die Umstände der Geschäftsanbahnung und der Kaufpreiszahlung seien derart auffallend, dass sie ausreichend belegen würden, dass ein Scheingeschäft zwischen der N s.r.o. und der Klägerin beabsichtigt gewesen sei. Auch die Barzahlungen durch die Herren K seien ein Beleg für das Vorliegen eines Scheingeschäftes, gleiches gelte für die teilweise direkte (abgekürzte) Zahlung des Kaufpreises durch den Endabnehmer der Fahrzeuge Dr. S direkt an die Klägerin. Ein solcher über mehrere Firmen gehender verkürzter Zahlungsweg sei äußerst unüblich.
Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens des FA wird auf die eingereichten Stellungnahmen verwiesen.
Daraufhin erwiderte die Klägerin, dass das vom FA behauptete Vorliegen eines Vermittlungsvertrages zwischen ihr und den Herren K unbelegt sei. Ob die Herren K eine Vermittlungsprovision vom Endabnehmer der Fahrzeuge erhalten haben, wisse sie nicht und dies sei auch nicht ihre Sache. Auch auf die Zahlung des Kaufpreises durch Dritte habe sie keinen Einfluss gehabt, entscheidend sei für sie allein die Zahlung des Kaufpreises gewesen.
II.
Die Klage ist begründet.
Das FA hat die Steuerfreiheit für die drei streitigen Kraftfahrzeuglieferungen zu Unrecht verneint. Sie sind als innergemeinschaftlichen Lieferungen steuerfrei. Das FA konnte das Vorliegen von Scheingeschäften nicht nachweisen und nicht zur Überzeugung des Gerichts belegen, dass die N s.r.o. nicht der Abnehmer der Fahrzeuge gewesen ist.
1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 6a UStG steuerfrei. Dabei setzt die Steuerfreiheit voraus, dass „der Unternehmer oder der Abnehmer … den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet“ hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Der Abnehmer muss „ein Unternehmer [sein], der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat“ (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UStG) oder „eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat“ (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStG). Bei „der Lieferung eines neuen Fahrzeuges [kann] auch jeder andere Erwerber“ sein (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c UStG). Zudem muss „der Erwerb des Gegenstands der Lieferung … beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung“ unterliegen (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).
Im Streitfall ist eine Versendung der drei Kraftfahrzeuge in die Slowakische Republik an die N s.r.o. nachgewiesen. Dies steht fest aufgrund des Urteils des BFH vom 26. September 2019 (V R 38/18, BStBl II 2020, 112) und an dessen rechtliche Beurteilung der festgestellten Tatsachen ist das erkennende Gericht gemäß § 126 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden.
Steht – wie im Streitfall – aufgrund einer durchgeführten Beweiserhebung fest, dass die gelieferten Fahrzeuge zum Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet versendet wurden, kann dies nicht durch die Annahme eines fehlenden Belegnachweises in Abrede gestellt werden (BFH-Urteil vom 26. September 2019 V R 38/18, BStBl II 2020, 112, Rz. 17). Der sich aus der USt-IdNr. der N s.r.o. ergebende Nachweis der Unternehmereigenschaft des Abnehmers kann nicht durch die bloße Annahme einer Briefkastenanschrift widerlegt werden (BFH-Urteil vom 26. September 2019 V R 38/18, a.a.O., Rz. 20 und 23).
2. Im Streitfall liegt zur Überzeugung des Gerichts bei keiner der drei streitigen Fahrzeuglieferungen ein Scheingeschäft im Sinne von § 41 Abs. 2 AO vor. Abnehmer der drei Fahrzeuge ist daher die N s.r.o. gewesen.
a) Gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 AO sind Scheingeschäfte und Scheinhandlungen für die Besteuerung unerheblich. Nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO ist dann das verdeckte Geschäft für die Besteuerung maßgeblich, wenn durch ein Scheingeschäft ein anderes Scheingeschäft verdeckt wird. § 41 Abs. 2 Satz 2 AO entspricht dabei § 117 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Ein Scheingeschäft ist gegeben, wenn die Vertragsparteien den Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, den Eintritt der Rechtsfolgen hingegen vermeiden wollen (BFH-Urteil vom 10. Februar 1988 X R 16/82, BStBl II 1988, 640, Rz. 23, m.w.N.). Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Vertragsparteien – offenkundig – die notwendigen Folgerungen aus einem Vertrag bewusst nicht gezogen haben (BFH-Urteil vom 7. November 2006 IX R 4/06, BStBl II 2007, 372, Rz. 11). Eine Scheinhandlung i.S. des § 41 Abs. 2 AO verlangt ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der Beteiligten in Verwirklichung eines Gesamtplans (BFH-Urteil vom 5. Dezember 1990 I R 5/88, BStBl II 1991, 308, Rz. 11), beide Teile müssen sich darüber einig sein, dass das Erklärte nicht gewollt ist (BFH-Urteil vom 28. April 1987 IX R 9/83, BFH/NV 1988, 151, Rz. 11).
b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 28/10, UR 2011, 779, Rz. 18; vom 23. September 2009 XI R 14/08, BStBl II 2010, 243, Rz. 23 f.; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BStBl II 2009, 876, Rz. 22). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, UR 2011, 779, Rz. 18).
Ein Scheingeschäft liegt dagegen bei der Abnehmerbestimmung von innergemeinschaftlichen Lieferungen vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäftes einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen. Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFH/NV 2011, 1448, Rz. 19, m.w.N.).
c) Vorliegend konnte das FA nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass die zwischen der N s.r.o. und der Klägerin über die streitgegenständlichen Fahrzeuge abgeschlossenen Kaufverträge Scheingeschäfte im Sinne des § 41 Abs. 2 AO gewesen sind und die tatsächlichen Rechtsgeschäfte zwischen der Klägerin und – wie es das FA vorträgt und wie es auch der BFH in seiner Entscheidung vom 26. September 2019 (V R 38/18) für möglich hält – den in Budapest ansässigen Herren K verdeckt haben. Dafür trägt das FA aber vorliegend die Feststellungslast, denn die Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte nach § 41 Abs. 2 AO und § 117 BGB wird hier vom FA behauptet (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BStBl II 2004, 622, Rz. 24 ff.; Niedersächsische Finanzgericht-Urteil vom 27. Juni 1991 II 177/90, EFG 92, 195, Rz. 24 und Bundesgerichtshof-BGH-Urteil vom 9. Juli 1999 V ZR 12/98, NJW 99, 3481, Rz. 12).
aa) Zur Begründung seiner Rechtsauffassung zum Vorliegen von Scheingeschäften zwischen der Klägerin und der N s.r.o., dass die eigentlichen Rechtsgeschäfte zum Verkauf der drei Fahrzeuge zwischen der Klägerin und den Herren K zustande gekommen seien, trägt das FA vor, dass sich dies neben den auffallenden Umständen der Geschäftsanbahnung, der Dokumentation der Geschäftsvorfälle in der Buchhaltung der Klägerin und der Kaufpreiszahlung schon daraus ergebe, dass die Herren K als Vermittler tätig gewesen sein sollen, ohne dass dafür aber eine vertragliche Vereinbarung oder eine Abrechnung über die Vermittlungsleistung vorgelegen habe. Auch habe die Klägerin sämtliche Absprachen ausschließlich und direkt mit den Herren K getroffen; nur diese Absprachen seien hier belegt.
bb) Dem FA ist zwar darin beizupflichten, dass die Umstände der Geschäftsanbahnung, die Vermittlerstellung der Herren K und der Kaufpreiszahlung bei allen drei Fahrzeuglieferungen durchaus ungewöhnlich waren; dies ist auch durch das Gericht in den Urteilsgründen des Urteils des 1. Rechtszugs ausführlich dargelegt worden. So ist zum Beispiel erst im Gerichtsverfahren bekannt geworden, dass keine Abhollieferungen vorlagen, so wie es Buch- und Belegnachweis zunächst aussagten, sondern dass die Fahrzeuge mittels Spedition in die Slowakei versendet wurden und damit Versendungslieferungen erfolgten. Auch die Modalitäten der Bezahlung der ersten beiden Lieferungen aus dem April 2007 sind ungewöhnlich, insbesondere weil hier neben Zahlungen durch die Abnehmerin N s.r.o. teilweise bare und unbare Zahlungen durch die angeblichen Vermittler der Verkäufe, die Herren K, durch den Endabnehmer selber (Dr. S) und durch eine dritte unbekannte Gesellschaft (M Limited) erfolgten. Auch die Vermerke in der Buchhaltung der Klägerin, wie „K hat bestellt“ und „K Anzahlung“ sind für sich gesehen jedenfalls ungewöhnlich, wenn man von einer Bestellung der Fahrzeuge durch die N s.r.o. ausgeht.
cc) Derartige „Ungewöhnlichkeiten“ und – lediglich mögliche, aber nicht nachgewiesene – Hintergründe stellen aber noch keinen ausreichenden Nachweis für das Vorliegen eines Scheingeschäftes zwischen der Klägerin und der N s.r.o. dar, denn es sind auch andere Gründe für diese Art der Abwicklung der Geschäfte denkbar, wie sie zum Beispiel von der Klägerin in ihrer Klagebegründung vorgebracht wurden. Genauso ist es hier möglich, dass die Einschaltung der N s.r.o. nur der Durchführung einer geplanten Umsatzsteuerhinterziehung durch Dritte in Ungarn und/oder in der Slowakei diente. Damit ist nicht nachgewiesen, dass, entgegen der vorliegenden Belege und Kaufverträge, die Herren K damals die eigentlichen Vertragspartner der Klägerin gewesen sind. Dabei ist es für das Gericht aufgrund der Gesamtumstände des Streitfalles unbeachtlich, dass nur für die ersten beiden Fahrzeuglieferungen schriftliche Kaufverträge vorgelegt werden konnten, da die Klägerin nachvollziehbar dargelegt hat, dass auch der Volvo S. 80 an die N s.r.o. verkauft worden ist.
Die Barzahlungen durch die Herren K sind allenfalls ein Indiz, aber kein ausreichender Nachweis für das Vorliegen eines Scheingeschäftes, gleiches gilt für die teilweise direkte (abgekürzte) Zahlung des Kaufpreises durch den Endabnehmer der Fahrzeuge Dr. S. Hierzu trägt das FA zwar weiter vor, dass Dr. S am 2. Dezember 2016 bestätigt habe, die Fahrzeuge von der Firma Auto KFt. – der Firma der Herren K – gekauft zu haben und deshalb der damit zusammenhängende verkürzte Zahlungsweg an die Klägerin äußerst unüblich sei. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass dies nur in Bezug auf den Volvo XC 90 gilt, denn Dr. S bestätigt mit Bestätigungen vom gleichen Tag hinsichtlich der anderen beiden Fahrzeuge, diese von der ungarischen Firma HU Kft. – mithin nicht von der Auto KFt. – gekauft zu haben. Im Übrigen reicht aber auch die „Unüblichkeit“ dieser einen Zahlung nicht als Nachweis zum Vorliegen eines Scheingeschäftes aus.
Außerdem steht hier nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der Klägerin und der Herrn K als Beteiligte in Verwirklichung eines Gesamtplans vorlag und dass sich beide Teile darüber einig waren, dass das Erklärte nicht gewollt war (vgl. nur BFH-Urteile vom 5. Dezember 1990 I R 5/88, BStBl II 1991, 308, Rz. 11 und vom 28. April 1987 IX R 9/83, BFH/NV 1988, 151, Rz. 11). Die hier von der Klägerin vorgelegte „Eidesstattliche Versicherung“ des Herrn Z. K vom 12. März 2010 spricht jedenfalls gegen eine solche Absprache, denn in dieser versichert Herr K, dass er und sein verstorbener Vater bei dem Verkauf der Fahrzeuge an die N s.r.o. im Jahr 2007 nur als Vermittler tätig waren und nicht als Verkäufer.
Dem stünde nicht entgegen, wenn und soweit Herr K gegenüber dem Endabnehmer Dr. S als Verkäufer aufgetreten wäre, weil er die streitgegenständlichen Kraftfahrzeuge von der Firma N s.r.o. oder einen Dritten angekauft hat.
dd) Bei der Gesamtwürdigung der Umstände des Sachverhalts der Veräußerung der drei Fahrzeuge spricht im Streitfall vielmehr einiges dafür, dass es allen Beteiligten gerade darauf ankam, dass die N s.r.o. Abnehmer der Lieferungen der Klägerin war, denn warum sollten sich die Beteiligten sonst die Mühe machen, einen Abnehmer in einem weiteren Mitgliedstaat einzuschalten.
Für eine tatsächliche Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und der N s.r.o. spricht auch, dass sich die Klägerin bei den ersten beiden Lieferungen vom 26. April 2007 von der N s.r.o. zusätzlich zunächst die Umsatzsteuer hat bezahlen lassen (Rechnung Nr. 265/2007 über 34.521,21 € und Nr. 263/2007 über 8.901,26 € jeweils vom 26. April 2007). Beim Vorliegen eines Scheingeschäftes hätte es dieses Aufwandes, der bei der N s.r.o. auch einige Liquidität abgezogen hat, nicht bedurft.
Da das FA keine weiteren Beweise für das Vorliegen eines Scheingeschäftes vorlegen konnte und sich auch nichts Weiteres aus den Akten ergibt, ist ihm daher bei einer Gesamtwürdigung der Indizien im Streitfall nicht zur Überzeugung des Gerichts der Nachweis des Vorliegens eines Scheingeschäftes gelungen. Ungewöhnliche Geschäftsabläufe und Vermutungen reichen hierfür allein nicht aus, vor allem weil hier die von der Klägerin dargestellten Hintergründe des Vorgehens, wie die Absprache der Ausstattungsmerkmale der Fahrzeuge mit dem Endabnehmer und abgekürzte Zahlungswege, durchaus einen nachvollziehbaren Hintergrund der Geschäftsabläufe möglich erscheinen lassen. Wird aber mit dem Geschäft ein bestimmter, wirtschaftlich vernünftiger Zweck verfolgt, so ist es i.d.R. kein Scheingeschäft (BFH-Urteile vom 10. Februar 1988 X R 16/82, BStBl II 1988, 640, Rz. 32 f. und vom 20. Januar 2009 IX R 34/07, BStBl II 2009, 532).
d) Im Streitfall sprechen die Umstände des feststehenden Sachverhalts eher dafür, dass die N s.r.o. lediglich der Strohmann eines Dritten war. Aber auch in diesem Fall verbleibt es bei der Steuerfreiheit der drei Fahrzeuglieferungen, vor allem weil nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen ist, dass die Klägerin um eine möglich Strohmanneigenschaft der N s.r.o. wusste.
Tritt jemand im Rechtsverkehr im eigenen Namen aber für Rechnung eines anderen auf, der aus welchen Gründen auch immer nicht selbst als berechtigter bzw. verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will, ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der „Strohmann“ aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet (BGH-Urteile vom 10. März 2010 VIII ZR 65/09, UR 2010, 627, Rz. 12 und vom 29. Oktober 1996 XI ZR 319/95, NJW-RR 1997, 238), dementsprechend sind auch dem sogenannten Strohmann die Leistungen zuzurechnen, die der sogenannte Hintermann berechtigterweise im Namen des Strohmanns tatsächlich ausgeführt hat (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BStBl II 2004, 622, Rz. 21, m.w.N.). Aus welchen Gründen der Hintermann im Verhältnis zum Dritten, dem Vertragspartner des Strohmanns und Leistungsempfängers, als Leistender nicht in Erscheinung treten will, ist für die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragspartnern regelmäßig ohne Bedeutung (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, a.a.O., Rz. 21).
Für das Vorliegen eines unter Umständen als Scheingeschäft anzusehenden „vorgeschobenen“ Strohmanngeschäftes (vgl. nur BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, a.a.O., Rz. 22, m.w.N.) liegen im Streitfall keine Anhaltspunkte vor, denn hier gilt das Gleiche wie oben bereits in Tz. II.2.c.bb. zum Scheingeschäft ausgeführte.
Allein aus dem Umstand, dass die Klägerin wusste, dass die N s.r.o. in der Slowakei nur für einen Weiterverkauf der streitgegenständlichen Fahrzeuge nach Ungarn „zwischengeschaltet“ werden sollte, kann nicht gefolgert werden, dass insoweit Scheingeschäfte vorlagen bzw. dass es sich bei der N s.r.o. um einen sogenannten vorgeschobenen Strohmann handelt, der selbst nicht verpflichtet sein sollte. Dies könnte allenfalls, wie vom Gericht im 1. Rechtszug in den Entscheidungsgründen dargelegt, im Rahmen der Prüfung eines Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als Indiz gegen die Gutgläubigkeit der Klägerin gewertet werden. Für die Annahme eines Scheingeschäftes, für die das Finanzamt die Feststellungslast trägt, reicht dies aber nicht aus.
e) Vorliegend ergibt sich auch kein anderes Ergebnis bei Anwendung der „Missbrauchsrechtsprechung“ des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), wonach die nationalen Behörden und Gerichte einem Steuerpflichtigen im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung das Recht auf Vorsteuerabzug, auf Mehrwertsteuerbefreiung oder auf Mehrwertsteuererstattung versagen müssen, auch wenn das nationale Recht keine Bestimmungen enthält, die eine solche Versagung vorsehen, sofern anhand objektiver Umstände nachgewiesen ist, dass dieser Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz, auf den er sich zur Begründung des betreffenden Rechts beruft, an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat (vgl. nur EuGH-Urteile vom 18. Dezember 2014 C-131/13, C-163/13 und C-164/13, Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti, ECLI:EU:C:2014:2455, UR 2015, 106; vom 22. November 2017 C-251/16, Cussens u.a., ECLI:EU:C:2017:881, UR 2018, 241 und vom 21. Februar 2006 C-255/02, Halifax u.a., ECLI:EU:C:2006:121, UR 2006, 232).
Im Streitfall fehlt es – genauso wie bei der Annahme eines Scheingeschäftes – auch an dahingehenden entsprechenden Nachweisen einer missbräuchlichen Praxis durch die Klägerin. So ist ihr gegenüber nie ein strafrechtlicher Vorwurf der Mitwirkung bei einer begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung erhoben worden und derartige Umstände sind auch nicht aus den Akten oder sonst zu ersehen. Es steht gleichfalls nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin um solche Umstände hätte wissen müssen. Dabei ist zugunsten der Klägerin auch zu berücksichtigen, dass im Streitjahr 2007 noch andere Rechtsgrundlagen galten und die EuGH-Rechtsprechung zum Missbrauch noch nicht so deutlich ausgeprägt war, wie sie es heute ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4. Es erscheint als sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a FGO).


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