Steuerrecht

Geschäftsveräußerung bei Erwerb eines vom Veräußerer zunächst gepachteten und teilweise untervermieteten Grundstücks

Aktenzeichen  XI R 8/19

Datum:
24.2.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.240221.XIR8.19.0
Normen:
§ 1 Abs 1a UStG 2005
§ 2 Abs 1 S 1 UStG 2005
§ 4 Nr 9 Buchst a UStG 2005
§ 9 Abs 1 UStG 2005
§ 13b Abs 2 Nr 3 UStG 2005
§ 13b Abs 5 S 1 Halbs 1 UStG 2005
§ 15 Abs 1 S 1 Nr 4 S 1 UStG 2005
§ 15a Abs 1 UStG 2005
§ 15a Abs 5 UStG 2005
§ 15a Abs 10 UStG 2005
Art 19 EGRL 112/2006
Art 5 Abs 8 EWGRL 388/77
UStG VZ 2010
UStG VZ 2011
UStG VZ 2012
UStG VZ 2013
Spruchkörper:
11. Senat

Leitsatz

Eine (partielle) Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG liegt vor, soweit der Erwerber das zunächst vom Veräußerer gepachtete –teilweise eigenbetrieblich genutzte und teilweise untervermietete– Grundstück nach dem Erwerb weiterhin teilweise vermietet.

Verfahrensgang

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 27. März 2019, Az: 2 K 2167/17, Urteil

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 27.03.2019 – 2 K 2167/17 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.
1
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb in den Jahren 2010 bis 2013 (Streitjahre) eine Fahrzeugaufbereitung und erbrachte Haus- und Gartenserviceleistungen.
2
Er erwarb durch Grundstückskaufvertrag vom 30.12.2010 das Grundstück …-Straße in X (Grundstück) von der … GmbH (A). Der Kaufpreis betrug … €. Die Besitzübergabe erfolgte noch am selben Tag. Auf dem ca. 14 594 m² großen –mit drei Lagerhallen und einem sog. Sozialgebäude bebauten– Grundstück, das der Kläger rund zweieinhalb Jahre zuvor bereits von A gepachtet hatte, befand sich u.a. auch sein Betriebssitz. Der Kläger hatte das gepachtete Grundstück, soweit keine Nutzung durch ihn selbst erfolgte, untervermietet. Im Kaufvertrag verzichtete A gemäß § 9 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG; es wurde festgehalten, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schulde.
3
Für das Jahr 2010 erklärte der Kläger u.a. eine den Grundstückserwerb betreffende Steuerschuld in Höhe von … € (§ 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG) und machte zugleich abziehbare Vorsteuerbeträge aus Leistungen i.S. des § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG in derselben Höhe geltend (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG). Steuerfreie Umsätze –wie etwa aus Vermietung– erklärte er nicht. Die Steueranmeldung für 2010 stand nach § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
4
In der Umsatzsteuererklärung für 2011 teilte der Kläger die Vorsteuern, die er nicht schon direkt seinen steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen aus Gewerbebetrieb zugeordnet und in voller Höhe zum Abzug gebracht hatte, nach dem Verhältnis seiner steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätze auf. Außerdem berichtigte er nach § 15a Abs. 1 UStG die im Jahr 2010 abgezogenen Vorsteuern aus dem Grundstückserwerb im Umfang der steuerfreien Vermietung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) ist dem zunächst gefolgt.
5
Der Kläger ging bei seiner Umsatzsteuererklärung für 2012, die er nach einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch das FA abgegeben hatte, in gleicher Weise vor. Das FA setzte dieser Erklärung folgend die Umsatzsteuer für 2012 mit Bescheid vom 18.04.2016 fest und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
6
Auch für das Jahr 2013 ging der Kläger entsprechend vor. Das FA folgte zunächst auch der Umsatzsteuererklärung für 2013; die Festsetzung stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
7
Im Rahmen einer die Streitjahre umfassenden Außenprüfung stellte die Prüferin fest, dass der Kläger das zunächst gepachtete und untervermietete Grundstück im Zeitpunkt des Erwerbs zu 65,9 % für steuerpflichtige Umsätze und zu 34,1 % für den Vorsteuerabzug ausschließende steuerfreie Vermietungsumsätze verwendet habe. Die auf den Grundstückskaufpreis vom Kläger als Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG geschuldete Umsatzsteuer in Höhe von … € sei daher im Jahr 2010 nur anteilig als Vorsteuer abzuziehen; der bislang berücksichtigte Vorsteuerabzug in Höhe von … € sei um … € zu mindern. Für die das Jahr 2011 betreffende Vorsteuerkorrektur sei ein anderer Berichtigungsbetrag anzusetzen; für die Besteuerungszeiträume 2012 und 2013 sei der Anteil der steuerpflichtigen Vermietung jeweils unbekannt, so dass von den Berichtigungsbeträgen, die der Kläger erklärt habe, weiter auszugehen sei. Außerdem nahm die Prüferin wegen Unsicherheiten im Bargeldverkehr und ungeklärten Geldzuflüssen über das private Bankkonto des Klägers Hinzuschätzungen zu den steuerpflichtigen Umsätzen mit umsatzsteuerrechtlicher Auswirkung für die Jahre 2011, 2012 und 2013 vor, die nicht im Streit stehen.
8
Das FA setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre mit den angefochtenen Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden vom 17.03.2016 dementsprechend fest.
9
Im Einspruchsverfahren machte der Kläger erstmals geltend, dass es sich bei dem Erwerb des Grundstücks um eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG handele. Das gesamte Grundstück sei vor dem Erwerb an ihn, den Kläger, vermietet bzw. verpachtet gewesen. Er habe die Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit der A nach dem Grundstückserwerb fortgeführt. Für den Grundstückserwerb werde weder Umsatzsteuer geschuldet noch komme ein Vorsteuerabzug in Betracht; eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs in den Folgejahren entfalle.
10
Die Einsprüche hatten keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 28.06.2017).
11
Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 1943 veröffentlichtem Urteil vom 27.03.2019 – 2 K 2167/17 ab. Bei der Lieferung des Grundstücks handele es sich nicht, auch nicht teilweise, um eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG.
12
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er bringt im Wesentlichen vor, das FG gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass der Erwerb des streitgegenständlichen Grundstücks kein umsatzsteuerfreier Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 1a UStG sei. Zwar sei der zwischen ihm, dem Kläger, und A ursprünglich bestehende Mietvertrag durch den Übergang des Eigentums am Grundstück erloschen. Er habe die Vermietungstätigkeit der A jedoch mit anderen Mietern fortgeführt. Die Änderung bei der Vermietung des Grundstücks sei unschädlich. Die Eigentumsübertragung habe es jedenfalls ermöglicht, die Vermietung des Grundstücks fortzuführen.
13
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung vom 28.06.2017 aufzuheben und die Umsatzsteueränderungsbescheide vom 17.03.2016 dahingehend zu ändern, dass die festgesetzte Umsatzsteuer um … € (2010), … € (2011), … € (2012) bzw. … € (2013) herabgesetzt wird.
14
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
15
Es bringt im Kern vor, dass die Lieferung eines Grundstücks ohne Übergang eines Miet- oder Pachtvertrags nicht zu einer Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG führe. Im Streitfall sei lediglich ein Grundstück übertragen worden.


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