Steuerrecht

Gewerbeuntersagung (erweitert), gewerberechtliche Unzuverlässigkeit, Geschäftsführer einer GmbH, Eintragungen im Schuldnerverzeichnis (Vollstreckungsportal), Nichtabgabe der Vermögensauskunft, Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen, Steuerrückstände

Aktenzeichen  M 16 K 18.6346

Datum:
22.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 55689
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1 S. 1
GewO § 35 Abs. 1 S. 2
GewO § 35 Abs. 7a

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags ab-wenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in glei-cher Höhe leistet.

Gründe

I. Das Gericht konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2020 auch ohne Anwesenheit des Klägers zur Sache verhandeln und entscheiden. Der Kläger wurde unter Beachtung von § 102 Abs. 1 und 2 VwGO ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen.
Dem Verlegungsgesuch des Klägerbevollmächtigten vom … September 2020, bei Gericht eingegangen am Freitag, den 18. September 2020, hat das Gericht nicht entsprochen, weil dieser keinen Verlegungsgrund glaubhaft gemacht hat (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 ZPO).
Zum einen genügt das mit dem Verlegungsantrag vorgelegte ärztliche Attest vom 17. September 2020, wonach der Kläger nicht verhandlungs- und vernehmungsfähig sei, nicht. Denn das Attest erlaubt dem Gericht nicht, die dargetane Verhandlungsunfähigkeit nachzuvollziehen. Es obliegt dem Kläger, die Hinderungsgründe, auf die er sich berufen will, möglichst rechtzeitig vor dem Termin schlüssig und substantiiert darzulegen, so dass das Gericht in die Lage versetzt wird, das Vorliegen eines erheblichen Grundes i.S.v. § 227 ZPO zu beurteilen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 8.11.2019 – 5 ZB 19.33789 – juris Rn. 15). Dies erfordert, dass das Gericht aus den Unterlagen Art, Schwere und das voraussichtliche Andauern der Erkrankung bis zum festgesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung entnehmen und so die Frage der Verhandlungsunfähigkeit selbst beurteilen kann. Gerade bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit (BayVGH, B.v. 22.7.2019 – 14 ZB 18.33117 – juris Rn. 7 ff. m.w.N.; OVG NRW, B.v. 11.8.2016 – 13 A 98/16 – juris 16 ff. m.w.N.). Die Aussage, dass der Kläger nach einer Corona-Erkrankung noch an „mehreren Folgeerscheinungen“ leide, genügt hierfür nicht.
Unabhängig von Vorstehendem bestand auch kein Verlegungsgrund, weil der Kläger rechtsanwaltlich vertreten war, der Klägerbevollmächtigte zur mündlichen Verhandlung erschien, das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet worden und auch nicht erforderlich war. Hat der Beteiligte einen Prozessbevollmächtigten‚ der ihn im Termin vertreten kann‚ ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör regelmäßig genügt‚ wenn dieser an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann (vgl. BVerwG, B.v. 4.8.1998 – 7 B 127.98 – juris Rn. 2 m.w.N.). Etwas Anderes ergibt sich nur dann, wenn besondere Gründe substantiiert vorgetragen werden, die die persönliche Anwesenheit eines Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur effektiven Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als erforderlich erscheinen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 31.5.1990 – 7 CB 31.89 – juris Rn. 9).
Solche besonderen Umstände wurden vorliegend weder vorgetragen noch sind sie ersichtlich. Insbesondere kam es angesichts des für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkts nicht entscheidungserheblich darauf an, wie sich die wirtschaftlichen Verhältnisse nach Wirksamwerden des streitgegenständlichen Bescheids entwickelten.
Hierauf wurde der Klägerbevollmächtigte sowohl telefonisch als auch mit Fax vom 21. September 2020 hingewiesen.
II. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 29. November 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger damit nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht die künftige selbstständige Ausübung des Gewerbes „Betrieb eines Planungsbüros“ im stehenden Gewerbe nach § 35 Abs. 7a Gewerbeordnung (GewO) i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO untersagt.
Die Ausübung eines Gewerbes ist gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Nach § 35 Abs. 7a Satz 1 GewO kann die Gewerbeuntersagung nicht nur gegen den Gewerbetreibenden selbst, sondern auch gegen Vertretungsberechtigte – wie hier den Kläger – oder mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragte Personen ausgesprochen werden, wenn gegen den Gewerbetreibenden selbst ein Untersagungsverfahren nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO eingeleitet wurde (BVerwG, U.v. 19.12.1995 – 1 C 3.93 – juris Rn. 19 ff.). Diese Voraussetzungen lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des angefochtenen Bescheids vor (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG).
1.1 Die Gewerbeuntersagung konnte gegen den Kläger als Vertretungsberechtigten der … GmbH gerichtet werden. § 35 Abs. 7a GewO gestattet es, einem in leitender Stellung abhängig Beschäftigten eines Gewerbebetriebs die Ausübung des Gewerbes zu untersagen, das seiner abhängigen Beschäftigung entspricht.
Die erforderliche Akzessorietät zwischen dem Untersagungsverfahren gegen die Gewerbetreibende und dem Untersagungsverfahren gegen den Kläger als Vertretungsberechtigten der Gewerbetreibenden ist im vorliegenden Fall gegeben. Gegen die … GmbH als Gewerbetreibende wurde von der Beklagten ein Untersagungsverfahren nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO eingeleitet, das mit Bescheid vom 28. November 2018 abgeschlossen wurde.
1.2 Die Beklagte ist auch zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers ausgegangen.
Maßstab für die Prüfung der Unzuverlässigkeit ist bei der Anwendung des § 35 Abs. 7a GewO kein anderer als im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 GewO. Unterschiede bestehen insoweit, als sich die Unzuverlässigkeit im Rahmen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO auf das ausgeübte Gewerbe bezieht, während sie in Anwendung des § 35 Abs. 7a GewO auf die künftige Gewerbeausübung in einem Gewerbe bezogen ist, das der bisherigen unselbständigen Tätigkeit entspricht. Unzuverlässig ist für eine künftige gewerbliche Betätigung der bisher unselbständig Tätige, wenn er nicht die Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft ein seiner bisherigen Tätigkeit entsprechendes Gewerbe ordnungsgemäß ausüben wird (BVerwG, U.v. 19.12.1995 – 1 C 3.93 – juris Rn. 31).
Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus einer mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus gewerbebezogenen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ergeben (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die insoweit erforderliche Prüfung ist derjenige der letzten Verwaltungsentscheidung. Für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit und der Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung kommt es folglich nicht darauf an, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens weiterentwickelt haben. Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Betroffenen zu schließen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 13 ff. m.w.N; BVerwG, B.v. 26.2.1997 – 1 B 34.97 – juris Rn. 8; BVerwG, U.v. 19.12.1995 – 1 C 3.93 – juris Rn. 31).
Daran gemessen bot der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des angefochtenen Bescheids nicht die Gewähr dafür, dass er in Zukunft ein Gewerbe ordnungsgemäß ausüben wird.
Nach den Feststellungen der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid, denen die Klagepartei nicht substantiiert entgegengetreten ist, hatte der Kläger mit Stand vom 28. November 2018 beim Kassen- und Steueramt der Beklagten persönliche Rückstände in Höhe von 550,32 Euro und war im Schuldnerverzeichnis fünf Mal mit dem Vermerk „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ eingetragen. Bereits diese Eintragungen belegen hinreichend, dass der Kläger vollstreckbare Forderungen nicht wie geschuldet sofort zahlen kann und zeigen darüber hinaus, dass der Kläger zur Erfüllung der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflichten, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, freiwillig nicht bereit ist und daher nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.8.2013 – 22 ZB 13.1419 – juris Rn. 19 m.w.N.). Davon abgesehen gehört es zur ordnungsgemäßen Gewerbeausübung, öffentlichrechtlichen Zahlungsund Erklärungspflichten von sich aus rechtzeitig nachzukommen und es nicht auf Vollstreckungsmaßnahmen ankommen zu lassen (vgl. OVG NW, B.v. 18.5.2020 – 4 A 1558/19 – juris Rn. 16 zur Beitreibung über Drittschuldner).
Nicht maßgeblich ist hierbei der Einwand des Klägerbevollmächtigten, dass hinsichtlich der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis nicht geprüft worden sei, ob und in welcher Höhe die zugrundeliegenden Forderungen noch bestünden. Die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis belegen, dass der Kläger in den jeweiligen Vollstreckungsverfahren nicht innerhalb der ihm vom Gerichtsvollzieher gesetzten Frist von zwei Wochen die maßgeblichen vollstreckbaren Forderungen beglichen und die Vermögensauskunft pflichtwidrig nicht abgegeben hat (§§ 802c, 802f Abs. 1 ZPO), andernfalls wäre es nicht zu den Eintragungen ins Schuldnerverzeichnis gekommen. Im Übrigen ist es nicht Sache der Behörde oder des Gerichts, sondern allein Sache des Klägers, die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zur Löschung zu bringen und nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Eintragungen nicht mehr vorliegen. Wie bereits ausgeführt, belegen die Eintragungen des Klägers im Schuldnerverzeichnis, jeweils mit dem Vermerk „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ ungeachtet der Höhe der diesen Eintragungen zugrunde liegenden Schulden, dass sogar vollstreckbare Forderungen nicht bezahlt werden können oder der Betreffende sie nicht zu zahlen bereit ist. Die pflichtwidrige Nichtabgabe der Vermögensauskunft zeigt darüber hinaus, dass der Kläger die Gläubiger – pflichtwidrig – über seine Vermögensverhältnisse im Unklaren lässt (vgl. zum Ganzen u.a. BayVGH, B.v. 21.9.2018 – 22 ZB 18.1043 – juris Rn. 11).
Zu Recht hat die Beklagte auch auf die Versäumnisse des Klägers als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der … GmbH Bezug genommen, bei der erhebliche Rückstände aufgelaufen sind. So bestanden im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des gegenständlichen Bescheids beim Finanzamt Steuerrückstände in Höhe von 6.708,31 Euro und öffentlichrechtliche Forderungen in Höhe von 72.414,80 Euro beim Kassen- und Steueramt der Beklagten. Ferner war auch die Gewerbetreibende mit zwei Einträgen im Schuldnerverzeichnis jeweils mit dem Vermerk „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ gelistet. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer im Handelsregister eingeGmbH gemäß §§ 6 Abs.
tragen und hatte als gesetzlicher Vertreter der
1, 35 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) deren steuerliche Pflichten zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den von ihr verwalteten Mitteln entrichtet werden, § 34 Abs. 1 Abgabenordnung – AO (vgl. zum Ganzen OVG NW, B.v. 28.8.2017 – 4 A 2232/15 – juris Rn. 5 ff. m.w.N.). Auch wenn der Kläger noch vor Bescheidserlass (offenbar durch Abgabe berichtigender Steuererklärungen) die Steuerrückstände der GmbH beträchtlich vermindern konnte, genügt dieses kurzfristige Wohlverhalten noch nicht für die Annahme einer positiven Prognose.
Entgegen der Ausführungen des Klägerbevollmächtigten lässt sich dem streitgegenständlichen Bescheid auch eindeutig entnehmen, dass insoweit Grundlage für die Beurteilung der gewerberechtlichen (Un-)Zuverlässigkeit des Klägers dessen Versäumnisse als Geschäftsführer der … GmbH waren und nicht seine Tätigkeiten im Zusammenhang mit anderen (im Bescheid lediglich am Rande erwähnten) Unternehmen. Hierauf wurde der Klägerbevollmächtigte auch schon mit E-Mail der Beklagten vom 19. November 2018 ausdrücklich hingewiesen.
Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, wird darauf hingewiesen, dass sich die wirtschaftliche Situation des Klägers bzw. der Gewerbetreibenden auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht maßgebend zu Gunsten des Klägers geändert hat. Nach Mitteilung der Beklagten bestanden nach wie vor (vorwiegend aus 2020) Rückstände der Gewerbetreibenden in Höhe von 47.590,55 Euro beim Finanzamt. Weiterhin war der Kläger mit vier Einträgen im Schuldnerverzeichnis jeweils mit dem Vermerk „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ eingetragen und die Gewerbetreibende mit einem Eintrag (ebenfalls mit dem Vermerk „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“). Dass der Klägerbevollmächtigte bei seiner Abfrage am 22. Dezember 2018 (und damit ebenfalls nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Bescheids) im Schuldnerverzeichnis keine Eintragungen gefunden hat, lässt sich schlicht darauf zurückführen, dass ausweislich der vorgelegten Anlagen K2 und K3 bei Angabe der Suchkriterien sowohl der Name des Klägers als auch der Name der Gewerbetreibenden nicht richtig bzw. nicht vollständig wiedergegeben wurden. Eine „Eintragung, die exakt den angegebenen Suchkriterien entspricht“, wurde daher nicht gefunden.
1.3 Die gegen den Kläger ausgesprochene Gewerbeuntersagung war auch erforderlich.
Die Rechtmäßigkeit einer Untersagungsverfügung setzt auch im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 7a GewO ihre Erforderlichkeit voraus. Diese Voraussetzung ist im Einklang mit den zu der vergleichbaren Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO entwickelten Grundsätzen erfüllt, wenn von dem Beschäftigten ein Ausweichen in eine entsprechende selbständige Tätigkeit zu erwarten ist. Die Erforderlichkeit einer Untersagung nach § 35 Abs. 7a GewO ist danach gegeben, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Vertreter das Gewerbe zukünftig selbständig ausübt. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass es für einen solchen Beschäftigten mit Rücksicht auf die gegen seinen Arbeitgeber gerichtete Gewerbeuntersagung naheliegt, sich als selbständiger Gewerbetreibender zu betätigen. Anhaltspunkte dafür, dass besondere Umstände der Aufnahme einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit durch den Kläger entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (BVerwG, U.v. 19.12.1995 – 1 C 3.93 – juris Rn. 32).
1.4 Die Ermessensausübung der Beklagten beim Erlass der Untersagungsverfügung ist nicht zu beanstanden.
Die Behörde muss ihr Ermessen erkennen und das Für und Wider eines Eingreifens sachgerecht unter Beachtung der Grundrechte abwägen. Anders als etwa bei ordnungsbehördlichen Maßnahmen zur Beseitigung rechtswidriger Zustände, bei denen das Einschreiten regelmäßig geboten ist, wenn keine besonderen Gegebenheiten vorliegen, muss hier nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit des Ausweichens auf die selbständige Gewerbeausübung entschieden werden. Insoweit gilt inhaltlich nichts Anderes als bei der erweiterten Gewerbeuntersagung. Der Verwaltungsentscheidung muss zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden können, dass das Ausweichen in die gewerbliche Betätigung so wahrscheinlich sei, dass deren Untersagung erfolgen solle (BVerwG, U.v. 19.12.1995 – 1 C 3.93 – juris Rn. 33).
Eine Ermessenserwägung dieser Art lässt sich der angefochtenen Untersagungsverfügung zumindest konkludent entnehmen.
1.5 Angesichts der Erforderlichkeit der Gewerbeuntersagung ist es zum Schutz des redlichen Geschäftsverkehrs vor unzuverlässigen Gewerbetreibenden auch nicht unverhältnismäßig, dem Kläger vorbeugend eine gewerbliche Betätigung zu untersagen.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen kann (BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5.94 – juris Rn. 8). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
2. Nach Vorstehendem ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte gemäß § 35 Abs. 7a Satz 3 GewO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO die Gewerbeuntersagung auf die Ausübung jeglicher selbständigen gewerblichen Tätigkeit sowie auf eine Tätigkeit des Klägers als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person erweitert hat. Die Voraussetzungen für den Erlass einer erweiterten Gewerbeuntersagung lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Untersagungsverfügung vor. Die Beklagte hat auch insoweit das ihr zustehende Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO).
2.1 Nach § 35 Abs. 7a Satz 3 GewO i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Gewerbeuntersagung auf die vorgenannten Tätigkeiten erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Vertretungsberechtigte oder die mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist. Insoweit müssen Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Betroffenen in Bezug auf die „Ausweichtätigkeit“ dartun („gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit“).
Diese sind bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen – wie hier – aber regelmäßig gegeben. Das Vorliegen geordneter Vermögensverhältnisse ist eine Zuverlässigkeitsvoraussetzung, die für jeden Gewerbebetrieb gilt und sich nicht auf eine bestimmte gewerbliche Tätigkeit beschränkt. Der Kläger hat Regeln verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Das rechtfertigt die Annahme der Beklagten, dass der Kläger ein entsprechendes Verhalten auch bei Ausübung eines anderen Gewerbes oder anderer gewerblicher Tätigkeiten an den Tag legen wird (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 27.8.2018 – 22 ZB 18.1562 – juris Rn. 22, 26, jeweils m.w.N.).
2.2 Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist auch erforderlich, weil eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Ausweichen des Klägers auf andere gewerbliche Tätigkeiten vorliegt.
Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Kläger sowohl für sich selbst als auch für die Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an der gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende bzw. – hier – eine Person i.S.d. § 35 Abs. 7a Satz 1 GewO das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 17 m.w.N.). Besondere Umstände im Einzelfall, die hier eine andere Bewertung hätten zulassen können, lagen nicht vor; dies hat die Beklagte zutreffend erkannt.
2.3 Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, § 114 Abs. 1 VwGO.
Ist ein Gewerbetreibender bzw. eine Person i.S.d. § 35 Abs. 7a Satz 1 GewO in Bezug auf andere gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 18 m.w.N.).
Dem genügen die Ermessenserwägungen der Beklagten, die in der einzelfallbezogenen Begründung der erweiterten Untersagungsverfügung im streitgegenständlichen Bescheid ihren Niederschlag gefunden haben.
2.4 Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung ist auch nicht unverhältnismäßig.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 12 Grundgesetz im Einklang steht. Sind die Voraussetzungen auch der erweiterten Gewerbeuntersagung erfüllt, kann die Untersagung grundsätzlich nicht hinsichtlich der Folgen unverhältnismäßig sein (BVerwG, B.v. 12.1.1993 – 1 B 1.93 – juris Rn. 5). Dies gilt entsprechend für Personen i.S.d. § 35 Abs. 7a Satz 1 GewO.
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
3. Den Anträgen des Klägerbevollmächtigten auf Gewährung einer Schriftsatzfrist in der mündlichen Verhandlung hat das Gericht nicht entsprochen, weil es zum einen auf die in der mündlichen Verhandlung übergebenen Informationen der Beklagten zu den aktuellen Rückständen und dem Fortbestehen der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis – wie bereits ausgeführt – nicht entscheidungserheblich ankam und zum anderen die zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhandenen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis schon Gegenstand der behördlichen Anhörung und des streitgegenständlichen Bescheids waren, so dass die Klagepartei ausreichend Zeit hatte, hierzu etwaig erforderliche Erkundigungen einzuholen und sich entsprechend zu erklären, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 283 ZPO. Die richterlichen Hinweise in der mündlichen Verhandlung, zu denen ebenfalls die Einräumung einer Schriftsatzfrist beantragt wurde, bestanden lediglich in der Wiedergabe der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum maßgeblichen Zeitpunkt in Gewerbeuntersagungsverfahren und zu den Anforderungen an die Bescheidsbegründung. Diese Hinweise des Gerichts erfolgten letztlich überobligatorisch, da es sich nicht um bis dahin nicht erörterte rechtliche oder tatsächliche oder sonstige überraschende Gesichtspunkte handelte. Vielmehr war von der anwaltlich vertretenen Klagepartei nach dem bisherigen Prozessverlauf (vgl. hierzu etwa auch die Klageerwiderung vom 24. Juni 2019) und in Anbetracht der insoweit bereits über Jahre bzw. Jahrzehnte konstanten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine entsprechende Kenntnis ohnehin zu erwarten. Es handelte sich folglich nicht um nach § 86 Abs. 3 VwGO gebotene Hinweise, die die Einräumung einer Schriftsatzfrist rechtfertigen würden, vgl. § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 139 Abs. 5 ZPO.
4. Schließlich bestehen gegen die dem Kläger eingeräumte Abwicklungsfrist von zehn Tagen nach Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung (Nr. 3 des Bescheidstenors) ebenso wenig Bedenken wie – angesichts der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des Klägers – gegen die Androhung des unmittelbaren Zwangs (Nr. 4 des Bescheidstenors). Auch die behördliche Kostenentscheidung der Beklagten (Nr. 5 des Bescheidstenors) ist nicht zu beanstanden.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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