Steuerrecht

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 5. November 2014  VIII R 29/11 -Steuerfreie Einnahmen aus der Aufnahme von Pflegepersonen in den eigenen Haushalt)

Aktenzeichen  VIII R 27/11

Datum:
5.11.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 3 Nr 11 EStG 2002
§ 18 Abs 1 Nr 3 EStG 2002
§ 33 SGB 8
§ 34 SGB 8
Spruchkörper:
8. Senat

Leitsatz

1. NV: Leistungen, die aus öffentlichen Mitteln der Jugendhilfe für die Aufnahme von Pflegepersonen in einen Haushalt über Tag und Nacht als Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII gewährt werden, sind auch dann eine steuerfreie Beihilfe zur Erziehung i.S.d. § 3 Nr. 11 EStG, wenn die Betreuung über privatrechtliche Institutionen durch Verträge mit den Erziehungstellen abgewickelt und im Rahmen dieser Vertragsbeziehungen die öffentlichen Mittel von den Institutionen an die Erzieher –wie im Streitfall für die Aufnahme eines Pflegekindes– ausgezahlt werden.
2. NV: Die Auffassung, bei einer Betreuung von bis zu fünf Kindern sei die Pflege regelmäßig nicht als erwerbsmäßig anzusehen, und diene deshalb unmittelbar der Förderung der Erziehung i.S. des § 3 Nr. 11 EStG (BMF-Schreiben vom 7. Februar 1990 IV B 1-S 2121- 5/90, BStBl I 1990, 109 zur Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII), ist nicht zu beanstanden.
3. NV: Privathaushalte der Erzieher sind keine Einrichtungen i.S. des § 34 SGB VIII, für die keine steuerfreien Beihilfen i.S. des § 3 Nr. 11 EStG in Betracht kommen.
4. NV: Sonstige betreute Wohnformen i.S. des § 34 SGB VIII sind nur gegeben, wenn sie als Einrichtung einen institutionalisierten Rahmen für die Betreuung bieten; dazu gehören nicht lediglich angemietete Wohnungen oder die bloße Überlassung von Wohnraum wie z.B. eines Zimmers im Haushalt der betreuenden Person.

Verfahrensgang

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 31. Mai 2011, Az: 13 K 144/11, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 31. Mai 2011  13 K 144/11 sowie der Einkommensteueränderungsbescheid des Beklagten für 2003 vom 14. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2010 aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kläger und Revisionskläger (Kläger) Beträge zu versteuern haben, die die Klägerin für die Aufnahme von Pflegekindern in ihren Haushalt erhalten hat.
2
Die Kläger sind Eheleute und haben im Dezember 2003 zwei Pflegekinder in ihren Haushalt aufgenommen.
3
Grundlage der Haushaltsaufnahme waren mit dem Verbund sozialtherapeutischer Einrichtungen e.V. (VSE) geschlossene Erziehungsstellenverträge. Danach hatte die Klägerin als VSE-Erziehungsstelle jeweils eine Pflegeperson in den Haushalt aufzunehmen, zu versorgen und zu betreuen.
4
Für die vertraglich zu erbringenden Leistungen standen der Klägerin im Streitjahr pauschal pro Kind und Monat ein Pflegegeld von 432 €, jeweils eine Pauschale für Sonderaufwendungen im Einzelfall von 67 € und für Fortbildung von 26 € sowie ein Honorar von 1.832 € zu. Mit den vereinbarten Zahlungen sollten alle vertraglichen Ansprüche der Klägerin erfüllt sein; weitergehende Ansprüche setzten einen Antrag an den VSE sowie dessen schriftliche Genehmigung voraus.
5
Nach der Leistungsbeschreibung der VSE für Erziehungsstellen ist eine Familie eine Erziehungsstelle, in der eine Fachkraft (entsprechend §§ 72, 72a des Achten Buches Sozialgesetzbuch –SGB VIII–) im Sinne der Betriebserlaubnis nach §§ 45 ff. SGB VIII im Auftrag der VSE in der Regel zwei Kinder in den Haushalt über Tag und Nacht –in Ausübung einer selbständigen Tätigkeit– aufnimmt, versorgt und betreut.
6
Nachdem die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr keine Angaben zu den Einnahmen aus der Betreuungstätigkeit gemacht und erklärungsgemäß veranlagt worden waren, erhielt der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) aufgrund einer Kontrollmitteilung eines anderen Finanzamtes Kenntnis über die Zahlung von Honorarleistungen an die Klägerin in Höhe von 3.063,40 € für die Betreuung von Pflegekindern im Jahr 2003.
7
Diese Zahlungen erfasste das FA durch Einkommensteueränderungsbescheid vom 14. April 2008 gemäß § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung als steuerpflichtige Einnahmen i.S. des § 18 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Auf den dagegen erhobenen Einspruch minderte es den Betrag unter Bezugnahme auf § 3 Nr. 26 EStG um 1.848 € und setzte als Gewinn aus selbständiger Arbeit einen Betrag von 1.215 € an.
8
Im Übrigen wies es den Einspruch, mit dem im Wesentlichen die Steuerfreiheit der Zahlungen nach § 3 Nr. 11 EStG geltend gemacht wurde, als unbegründet zurück.
9
Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 31. Mai 2011  13 K 144/11 als unbegründet ab. Die erfassten Erziehungsgelder seien entgegen der Auffassung der Kläger nicht nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei, weil sie Vergütungscharakter aufwiesen und damit nicht ausschließlich zur Erziehung bestimmt seien.
10
Ausweislich der Erziehungsstellenverträge mit der Klägerin und der eigenen Leistungsbeschreibung des VSE handele es sich bei den Erziehungsstellen um ein Angebot gemäß § 34 SGB VIII. Pflegesatzzahlungen an Betreiber von Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift seien aber nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) keine Beihilfen zur Förderung der Erziehung i.S. des § 3 Nr. 11 EStG, so dass auch für deren Weiterleitung an Dritte nichts anderes gelten könne.
11
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 3 Nr. 11 EStG und § 3c Abs. 1 EStG.
12
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil der Vorinstanz und den Einkommensteueränderungsbescheid des FA für 2003 vom 14. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2010 aufzuheben, hilfsweise, die Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von ./. 3.029,78 € der Besteuerung zugrunde zu legen.
13
Das FA beantragt im Wesentlichen aus den Gründen des finanzgerichtlichen Urteils, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.


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