Steuerrecht

Kein Delegiertenamt nach Zulassungsverzicht

Aktenzeichen  S 38 KA 5047/19

Datum:
22.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 23405
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
ZÄ-ZV § 28 Abs. 1 S. 1, S. 2
KZVB § 30 Abs. 2 lit. c

 

Leitsatz

1. Durch Verzicht auf Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit endet nach § 30 Abs. 2 lit. c der Satzung der KZVB zugleich das Delegiertenamt und das Amt in einem Ausschuss.
2. Die Feststellung nach § 28 Abs. 1 S. 1 ZÄ-ZV durch Verwaltungsakt ist deklaratorisch (vgl. BSG, Urteil vom 08.05.1996, Az 6 RKa 16/95). Hintergrund für die „Auslauffrist“ ist die Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung.
3. Die Feststellung eines früheren Zeitpunktes, als in § 28 Abs. 1 S. 1 ZÄ-ZV geregelt, ist nach § 28 Abs. 1 S. 2 ZÄ-ZV zulässig. Diese besitzt rechtsbegründende, rechtsaufhebende bzw. rechtsgestaltende Wirkung und ist deshalb als konstitutiv anzusehen.
4. Handelt es sich um eine ständige Verwaltungspraxis, bei den Rechtswirkungen des Verzichts auf den vom Vertragszahnarzt angegebenen Zeitpunkt abzustellen, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn auf einen Nachweis der Unzumutbarkeit verzichtet wird, da den Individualinteressen des Vertragszahnarztes Rechnung getragen wird.
Der Verzicht auf Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit hat den Verlust des passiven Wahlrechtes und damit eines Delegiertenamtes zur Folge. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage – es handelt sich um eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG – ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gegenstand des Verfahrens ist der Verlust des Delegiertenamtes der Klägerin in der Vertreterversammlung und im Ausschuss „Steuer und Haftung“. Nach §§ 3 Abs. 3, 6 Abs. 2 S. 1, 9 der Satzung der KZVB besitzen Mitglieder der KZVB, unter anderen zugelassene Vertragszahnärzte, aber auch bei Vertragszahnärzten angestellte Zahnärzte (§ 3 Abs. 1 lit. a, c) das aktive und passive Wahlrecht. Werden sie in unmittelbarer und geheimer Wahl in die Vertreterversammlung gewählt, beträgt die Wahlperiode grundsätzlich sechs Jahre (§ 9 der Satzung der KZVB). Nach § 30 Abs. 1, 2c erlischt das Ehrenamt vorzeitig durch Verlust der Mitgliedschaft in der KZVB. Somit ist der Status als Delegierter und Mitglied im Ausschuss „Steuer und Haftung“ von der Mitgliedschaft in der KZVB abhängig.
Die Klägerin ist mit ihrer Zulassung Mitglied der KZVB nach § 3 Abs. 1 lit. a der Satzung der KZVB geworden und wurde auch zur Delegierten in der Vertreterversammlung und zum Ausschussmitglied gewählt. Zum 01.02.2018 wurde sie bei ihrer Praxisnachfolgerin mit einer Wochenarbeitszeit von 12 Stunden angestellt. Auch damit besitzt sie das aktive und passive Wahlrecht nach §§ 3 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 6 Abs. 2 der Satzung der KZVB. Durch Verzicht auf Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit endet nach § 30 Abs. 2 lit. c der Satzung der KZVB das Delegiertenamt und das Amt im Ausschuss. Die Klägerin hat auf ihre Zulassung verzichtet. Dieser Zulassungsverzicht hätte keine Auswirkung auf das Delegiertenamt und auf das Amt im Ausschuss, wenn der Zulassungsstatus nahtlos in den Angestelltenstatus mit mindestens zehn Wochenstunden übergegangen wäre.
Maßgeblich ist deshalb, wann die Klägerin die Mitgliedschaft verloren hat. Wie die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt hat, kommen grundsätzlich mehrere Daten infrage. Zu unterscheiden ist zwischen der Wirksamkeit der Verzichtserklärung und den Rechtswirkungen der Verzichtserklärung. Diese Daten werden immer zeitlich auseinanderfallen. Bei der Verzichtserklärung handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit dem Zugang beim Zulassungsausschuss wirksam wird (BSG, SozR 5503 Art. 2 § 6 Nummer 1). Wegen dem statusrechtlichen Charakter und dem Rückwirkungsverbot können die Rechtswirkungen der Verzichtserklärung nicht vor Wirksamkeit der Verzichtserklärung liegen, wohl aber nachher. Die Verzichtserklärung vom 30.12.2017 ist dem Zulassungsausschuss am 08.01.2018 zugegangen, d. h. die Verzichtserklärung wurde am 08.01.2018 wirksam.
Rechtswirkungen der Verzichtserklärung werden grundsätzlich nach § 28 Abs. 1 S. 1 ZÄ-ZV mit dem Ende des auf den Zugang der Verzichtserklärung des Vertragszahnarztes beim Zulassungsausschuss folgenden Kalendervierteljahres wirksam. Diese Feststellung über das Ende der Zulassung hat lediglich deklaratorischen Charakter, da sie automatisch der gesetzlichen Regelung des § 28 Abs. 1 S. 1 ZÄ-ZV zu entnehmen ist (BSG, Urteil vom 08.05.1996, Az. 6 RKa 16/95). Hintergrund hierfür ist die Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung, nicht Individualinteressen des zugelassenen Vertragszahnarztes. Davon kann aber nach § 28 Abs. 1 S. 2 ZÄ-ZV abgewichen werden, wenn der Vertragszahnarzt nachweist, dass für ihn die weitere Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit für die gesamte Dauer oder einen Teil der Frist unzumutbar ist.
Während die Feststellung nach § 28 Abs. 1 S. 1 ZÄ-ZV als deklaratorisch anzusehen ist, kommt einer Feststellung über das Ende der Zulassung zu einem früheren Zeitpunkt rechtsbegründende, rechtsaufhebende bzw. rechtsgestaltende Wirkung zu. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist dann diese Feststellung, da abweichend von der gesetzlichen Regelung, konstitutiv. Die Feststellung im Bescheid vom 17.01.2018, wonach die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit zum 17.01.2018 endet, ist daher nicht deklaratorisch, sondern konstitutiv. Da keine Anfechtung erfolgte, ist er nach § 77 SGG bestandskräftig geworden.
Dass es ständige Verwaltungspraxis ist, die Frist entsprechend dem Wunsch des verzichtenden Vertragszahnarztes abzukürzen, ohne den Nachweis der Unzumutbarkeit zu fordern, ist rechtlich unbedenklich, werden doch Individualinteressen des verzichtenden Vertragszahnarztes nicht tangiert; ganz im Gegenteil wird seinen Interessen Rechnung getragen. Dadurch, dass die Klägerin in ihrer Verzichtserklärung als Beendigungszeitpunkt den 31.12.2017 genannt hat, dieser Termin aber wegen der unzulässigen Rückwirkung in statusrechtlichen Angelegenheiten nicht möglich war, hat sie aber zum Ausdruck gebracht, frühestmöglich ihre vertragszahnärztliche Tätigkeit beenden zu wollen. Dies ist nach Auffassung des Gerichts der Zeitpunkt der Entscheidung des Zulassungsausschusses, also der 17.01.2018.
Für eine Beendigung zu einem späteren Zeitpunkt, vor allem erst zum 31.03.2018 gibt es keinerlei Anhaltspunkte, zumal die Klägerin bereits zum 01.02.2018 bei ihrer Praxisnachfolgerin angestellt und die Anstellung von dieser am 21.11.2017 beantragt wurde. Dass das Verzichtsformular mehrdeutig sein soll, kann ebenfalls nicht nachvollzogen werden. Zwar findet sich in dem Verzichtsformular zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verzichts der Klammerzusatz „in der Regel zum Monatsende bzw. vorzugsweise Quartalsende“ sowie der Hinweis auf § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 ZÄ-ZV. Jedoch hat die Klägerin ausdrücklich den 31.12.2017 als Termin genannt, an dem der Verzicht wirksam werden soll. Daran muss sich die Klägerin festhalten lassen.
Die Entscheidung des Zulassungsausschusses vom 17.01.2018 ist auch nicht nichtig, wie die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausführt. Nach § 40 SGB X ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Des Weiteren sind in § 40 Abs. 2 SGB X weitere Fallgestaltungen genannt, in denen ein Verwaltungsakt als nichtig angesehen wird. Auch dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Folge der Beendigung der vertragszahnärztlichen Zulassung zum 17.01.2018 ist, dass damit auch die Ehrenämter erlöschen, also das Delegiertenamt in der Vertreterversammlung und im Ausschuss „Steuer und Haftung“ (§ 30 Abs. 1, 2c der Satzung der KZVB). Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind somit als materiell rechtmäßig anzusehen.
Soweit die Klägerin geltend machen lässt, die Anwesenheit der Dres. D. und E. im Termin der Widerspruchsstelle sei rechtswidrig nicht zugelassen worden, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Denn eine Vertretungsbefugnis durch die Dres. D. und E. nach § 73 Abs. 2 SGG besteht nicht. Auch liegen die Voraussetzungen nach § 73 Abs. 7 SGG nicht vor. Danach können Beteiligte mit Beiständen erscheinen. Voraussetzung ist allerdings, dass dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. In dem dem Gerichtsverfahren vorausgegangenen Verwaltungsaktverfahren ging es ebenfalls ausschließlich um die rechtliche Fragestellung der Beendigung der vertragszahnärztlichen Zulassung (Vorfrage) und damit zusammenhängend der Beendigung von Ehrenämtern. Nachdem die Klägerin durch eine Rechtsanwältin vertreten ist, bestand für die Anwesenheit der Dres. D. und E. in der Sitzung der Widerspruchsstelle weder ein Bedürfnis, noch war deren Anwesenheit als sachdienlich anzusehen.
Aus den genannten Gründen war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO.


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