Steuerrecht

Keine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer

Aktenzeichen  M 10 K 16.3953

Datum:
1.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 121309
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 3, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 46 Abs. 2 Nr. 1
BayKAG Art. 3 Abs. 3

 

Leitsatz

Art. 3 Abs. 3 BayKAG unterscheidet nicht zwischen deinigen Einkünften, die der Einkommensteuer unterliegen und solchen, die von der Einkommenssteuer ausgenommen sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 18. März 2016 und der Widerspruchsbescheid der Regierung … … vom 4. August 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Anspruchsgrundlage ist Art. 3 Abs. 3 Satz 2 bis 8 KAG. Auch wenn der Wortlaut dies nicht klar erkennen lässt, handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruch auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer (vgl. BayVGH, U.v. 12.11.2014 – 4 BV 13.1239 – juris). Eine Umsetzung in eine kommunale Satzung ist nicht erforderlich (Schieder/Happ, KAG, Stand: Juni 2016, Art. 3 Rn. 27ff). Es handelt sich nach dem Wortlaut („wird nicht erhoben“) um eine gebundene Entscheidung.
2. Die Voraussetzungen des Anspruchs liegen nicht vor. Denn nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 bis 8 KAG in der ab 1. Januar 2015 geltenden Fassung kommt es darauf an, dass die Summe der positiven Einkünfte des Steuerpflichtigen nach § 2 Abs. 1, 2 und 5a des Einkommensteuergesetzes (EStG) im vorletzten Jahr vor Entstehen der Steuerpflicht 29.000 EUR nicht überschritten hat. Unstreitig hat die Klägerin beim Europäischen Patentamt im maßgeblichen Jahr 2013 mehr als 29.000 EUR verdient. Entgegen der Ansicht der Klägerseite handelt es sich hierbei um positive Einkünfte im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 KAG.
a. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 KAG verweist zur Berechnung der Summe positiver Einkünfte auf § 2 Abs. 1, 2 und 5a EStG. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zählen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, wie die Klägerin sie beim Europäischen Patentamt als Gehalt verdient hat, zu den positiven Einkünften. Der Wortlaut des Kommunalabgabenrechts unterscheidet dabei nicht zwischen denjenigen Einkünften, die der Einkommensteuer unterliegen und denjenigen, die – wie das Gehalt der Klägerin beim Europäischen Patentamt – von der Einkommensteuer ausgenommen sind. Auf § 3 EStG verweist das KAG nicht, zumal das einkommensteuerbefreite Gehalt der Klägerin von dieser Norm nicht erfasst ist.
b. Es ist auch kein Grund ersichtlich, die Anspruchsgrundlage im Sinne einer teleologischen Reduktion dahingehend einzuschränken, dass nur der Einkommensteuer unterliegende Gehälter zum positiven Einkommen zu zählen sind. Abgesehen von der klaren Abfassung des Wortlauts entspräche eine solche Einschränkung auch weder dem Sinn und Zweck der Befreiung noch dem Sinn und Zweck der Zweitwohnungsteuer. Die Zweitwohnungsteuer richtet sich als Aufwandsteuer nach der Verwendung des Einkommens. Aufwandsteuern sind Steuern auf die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (vgl. BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C-5/13 – juris Rn. 12; BVerwG, U.v. 27.10.2004 – 10 C-2/04 – juris Rn. 21; BayVGH, U.v. 27.6.2013 – 4 B 13.592 – juris Rn. 16).
Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf neben der Hauptwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung finanzieller Mittel erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt (vgl. BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C-5/13 – juris Rn. 12).
Mit der Befreiungsmöglichkeit verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, für Personen mit geringer finanzieller Leistungsfähigkeit eine Härtefallregelung einzufügen. Danach stützt sich das Gesetz zugunsten der Geringverdiener auf das Sozialstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. Bayerischer Landtag, Drs. 15/10637). Unter diesen Zweck fallen jedoch nicht Arbeitnehmer wie die Klägerin, die hohe Einkommen verdienen, ohne Einkommensteuer zu bezahlen. Vielmehr spricht die Begründung des Gesetzesentwurfs von der Entlastung der „Geringverdiener“.
2. Ein anderes Ergebnis gebietet auch nicht das vorrangig anwendbare Immunitätenprotokoll. Denn nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 PPI sind die erfassten Gehälter nur von der Einkommensteuer befreit, nicht aber von kommunalen Steuern wie der Zweitwohnungsteuer.
3. Der Zweitwohnungsteuerbescheid und der Widerspruchsbescheid sind somit rechtmäßig ergangen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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