Steuerrecht

Keine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung

Aktenzeichen  3 K 742/19

Datum:
27.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2022, 75
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
UStG § 3a Abs. 2, § 14c Abs. 1

 

Leitsatz

1. In den Fällen des § 14c Abs. 1 UStG wirkt eine Rechnungsberichtigung erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung ohne Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung. (Rn. 41)
2. Eine Berichtigung des Steuerbetrags nach § 14c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG setzt neben der Berichtigung des unrichtigen Steuerausweises grundsätzlich voraus, dass der Unternehmer die vereinnahmte Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger zurückgezahlt hat. (Rn. 48)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Streitig ist dem Grunde nach, ob der Kläger einheitliche sonstige Leistungen an nicht in der Europäischen Union ansässige ausländische Unternehmer erbracht hat, welche wegen deren Ansässigkeit im Ausland in Deutschland nicht steuerbar sind oder ob der Kläger mehrere, umsatzsteuerrechtlich selbständig zu würdigende Leistungen erbrachte, die zu einem Teil in Deutschland steuerbar sind. Streitig ist weiter, ob der Kläger die nach seiner Auffassung mit unrichtigem Steuerausweis erstellten Rechnungen in den Streitjahren zutreffend berichtigt hat und in welchem Besteuerungszeitraum eine Erstattung der nach Auffassung des Klägers zu hoch angemeldeten und erklärten Umsatzsteuern möglich ist.
Der Kläger erbrachte in den Streitjahren im Rahmen seines Unternehmens Leistungen an ausländische Abnehmer – die durchweg in A ansässig waren -, welche ihre Arbeitnehmer zu Messen in Deutschland entsendeten. Diese Leistungen werden vom Kläger und dem Beklagten (dem Finanzamt Starnberg; im Folgenden: FA) als „Rund um Sorglos-Pakete“ bezeichnet.
Der Kläger erbrachte seine Leistungen im Wesentlichen wie folgt:
„Der Kläger war selbst kein Veranstalter von Messen, sondern organisierte speziell nach Kundenwunsch abgestimmte Messebesuche sowie die Teilnahme Unternehmen aus A an Fachmessen beispielsweise mit eigenem Firmenstand. Bei den Leistungsempfängern, die diese Leistungen des Klägers nachfragten, handelte es sich ausschließlich um Unternehmen aus A, die wiederum ausgewählte Mitarbeiter zu Informations- und Fortbildungszwecken bzw. als Aussteller zu Fachmessen in Deutschland entsendeten. Je nach Wunsch des jeweiligen Unternehmens konnten diese zur Ermöglichung eines Messebesuchs in Deutschland ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Leistungen wie Transfer vom und zum Flughafen, Hotelübernachtungen, Bewirtungen während der Messe bzw. anschließend in Restaurants durch Reservierungen beim Kläger buchen. Ein zentrales Leistungselement des Klägers war dabei, die von den Unternehmen entsandten Mitarbeiter, welche selbst weder über Deutsch- noch Englischkenntnisse in Wort und Schrift verfügten, während der Fachmessen insbesondere mit Übersetzungsleistungen aktiv zu begleiten. Sobald die Unternehmen dem Kläger mitteilten, wie viele Mitarbeiter an der jeweiligen Messe teilnehmen sollten, kaufte dieser entsprechende Hotelkontingente ein. Auch die Eintrittsberechtigungen zu den Fachmessen kaufte der Kläger vorab und organisierte die Beförderungen der Messeteilnehmer während ihres Aufenthalts in Deutschland. Dafür beauftragte der Kläger auf eigene Rechnung Omnibusunternehmen als Subunterunternehmer, die je nach Anzahl der zu befördernden Personen entsprechende Fahrzeuge wie Kleinbusse oder größere Reisebusse jeweils mit Fahrer bereitstellten. Die Leistung des Klägers begann am jeweiligen Ankunftsflughafen in Deutschland, wo er die Messeteilnehmer in Empfang nahm. Die Teilnehmer wurden dann mit Bussen zur Messe, ins Hotel und – je nach Kundenwunsch – abends in ein Restaurant gefahren. Weiterhin kümmerte sich der Kläger um die Verpflegung der Kunden, was während der Messe durch den Einkauf eines Caterings oder mit Lunchpaketen erfolgte. Die Verpflegung wurde dabei jeweils durch einen beauftragten Subunternehmer erbracht. Am Ende eines Messetags fand die Verpflegung zumeist in einem Restaurant statt, was der Kläger bereits im Vorfeld organisierte und plante. Sämtliche Leistungen kaufte der Kläger von anderen Unternehmern im eigenen Namen und auf eigene Rechnung und er berechnete diese im Anschluss in einer Summe an die Unternehmen in A. Je nach Bedarf beauftragte der Kläger auch andere Unternehmer, die Begleitung der Kunden sowie das Dolmetschen zu übernehmen.“
In seiner Umsatzsteuererklärung für 2010 vom 24. Februar 2012 (Frühleerung) – der das FA zustimmte – errechnete der Kläger eine Umsatzsteuer von €. Als Besteuerungsgrundlagen erklärte er Umsätze zum Regelsteuersatz in Höhe von €, sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Höhe von €, Umsätze zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von €, steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug in Höhe von € sowie abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von €.
Für die Umsatzsteuer 2011 schätzte das FA mangels Erklärungsabgabe die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Steuer mit Bescheid vom 2. Juli 2013 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf € fest. In seiner Umsatzsteuerjahreserklärung für 2011 vom 5. Juli 2013 errechnete der Kläger eine negative Steuer von €. Als Besteuerungsgrundlagen erklärte er Umsätze zum Regelsteuersatz in Höhe von €, Umsätze zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von € sowie abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von €. In einem Begleitschreiben zur Steuererklärung war ausgeführt, dass die Umsätze an die chinesischen Abnehmer bislang als steuerpflichtig behandelt und erklärt wurden. Die Umsätze seien jedoch als einheitliche Leistungen „Reisepakete“ nach Einführung des neuen § 3a Abs. 2 UStG nicht mehr steuerbar und die Rechnungen entsprechend berichtigt worden.
Das FA stimmte dieser Steuererklärung zu und setzte die Umsatzsteuer für 2011 mit Änderungsbescheid vom 24. Juli 2013 unter Beibehaltung des Vorbehalts der Nachprüfung auf den negativen Betrag von € herab.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers waren seit ihrer Übernahme des Mandats im Jahr 2013 der Auffassung, dass es sich bei den jeweils erbrachten „Rundum-Sorglos-Paketen“ zur optimalen Inanspruchnahme von Messebesuchen um einheitlich zu würdigende Leistungen handelte, die nicht künstlich aufgespalten werden dürften. In diesem Zusammenhang wurden die Rechnungen für das Streitjahr 2010 berichtigt und Umsatzsteuer wurde gegenüber den Leistungsempfängern nicht mehr ausgewiesen. Mit Schreiben vom 20. November 2013 beantragte der steuerliche Vertreter des Klägers deshalb beim FA nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) die Herabsetzung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2010 um €, weil der Leistungsort verschiedener Leistungen wegen einer Gesetzesänderung des § 3a UStG zu Unrecht von ihm im Inland bestimmt worden sei und weil die entsprechenden Rechnungen berichtigt worden seien.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2013 teilte das FA dem Kläger mit, dass es keine Änderungsmöglichkeit sehe.
Die Rechtsauffassung zur einheitlichen Leistung sollte im Gesamtverfahren mit der beantragten Änderung der Umsatzsteuer für Vor- und Folgejahre weiter geprüft werden. Da der Kläger seine Rechtsauffassung des Bestehens einer einheitlichen im Drittland steuerbaren Leistung entgegen der Rechtsauffassung des FA beibehielt, erfolgte eine Meldung zur Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Prüfungszeitraum des 1. bis zum 4. Quartal 2014. Die Prüferin folgte der Auffassung des FA (Bericht vom 10. Dezember 2015) und ermittelte für das Jahr 2014 die steuerpflichtigen und nicht steuerbaren Umsätze mangels vollständiger Ausgangsrechnungen pauschal anhand der Buchungsvermerke in den vorliegenden Erlös- und Aufwandskonten. Das FA wertete den Prüfungsbericht aus und übernahm aus Vereinfachungsgründen das Aufteilungsverhältnis auch für die Vorjahre 2009 bis 2013.
Mit Bescheiden vom 5. April 2016 – jeweils unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung – wurde die Umsatzsteuer für 2010 auf den negativen Betrag von € herabgesetzt und die Umsatzsteuer für 2011 auf den negativen Betrag von € heraufgesetzt.
Dagegen war der Einspruch vom 12. April 2016 gerichtet.
Mit Schreiben jeweils vom 1. Februar 2019 drohte das FA dem Kläger unter Darlegung seiner Rechtsauffassung die beabsichtigte Erhöhung der Umsatzsteuer für 2010 und 2011 (Verböserung) an.
Mit Einspruchsentscheidungen jeweils vom 26. Februar 2019, jeweils unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung, erhöhte das FA die Umsatzsteuer für 2010 auf € und für 2011 auf €.
Mit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändertem Bescheid vom 27. Juli 2021 setzte das FA die Umsatzsteuer für 2010 auf € herauf, weil die Rechnungen des Klägers vom 12. April 2010 und vom 2. August 2010 bisher unversteuert geblieben seien.
Dagegen ist die Klage vom 26. März 2019 gerichtet.
Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass er gegenüber seinen ausländischen Abnehmern einheitliche Leistungen erbringe. Der wirtschaftliche Zweck der Leistungen des Klägers bestehe für seine Abnehmer in der optimalen Inanspruchnahme der Leistung „Besuch einer Fachmesse“. Er erbringe eine aktive Begleitung der Messeteilnehmer insbesondere durch Dolmetscherleistungen, weil diese weder über Deutsch- noch Englischkenntnisse in Wort und Schrift verfügten. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), der sich der Bundesfinanzhof (BFH) angeschlossen habe, sei in der Regel jede Lieferung und jede sonstige Leistung als eigenständige Leistung zu betrachten. Der EuGH habe jedoch auch festgestellt, dass ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstelle, im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden dürfe. Danach liege dann eine einheitliche Leistung vor, wenn zwei oder mehr Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden seien, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bildeten, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Um zu bestimmen, ob der Steuerpflichtige mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringe, sei das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen sei. Übertragen auf den Streitfall könne der Durchschnittsverbraucher für den vom Kläger erbrachten Umsatz nur ein ausländischer Unternehmer sein, der seine Mitarbeiter zu Informations- und Fortbildungszwecken oder selbst als Aussteller auf Fachmessen nach Deutschland entsende. Der wirtschaftliche Zweck des fraglichen Umsatzes bestehe hier aus Verbrauchersicht in der optimalen Inanspruchnahme der Hauptleistung „Besuch einer Fachmesse“.
Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger anfangs noch im Streitjahr 2010 seine Leistungen in Einzelkomponenten aufgeteilt und gesondert berechnet habe, da dies sowohl nach Änderung der Rechtslage zum 1. Januar 2010 mit Einführung des Empfängerortsprinzips und im Zusammenhang mit dem Wechsel des Steuerberaters in 2013 durch Berichtigung sämtlicher Rechnungen richtiggestellt worden sei.
Da Unternehmer aus A in Deutschland wegen fehlender Gegenseitigkeit nicht am Vorsteuervergütungsverfahren teilnehmen dürfen bzw. nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt seien, habe hier auch von Anfang an keine Gefährdung des Steueraufkommens bestanden, sodass es im Ergebnis auch nicht auf das Vorliegen einer berichtigten Rechnung ankomme.
Zu dem weiteren Vorbringen des Klägers wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf die Akten verwiesen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß), den Bescheid über Umsatzsteuer für 2010 vom 27. Juli 2021 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2010 um € auf den negativen Betrag von € herabgesetzt wird, den Bescheid über Umsatzsteuer für 2011 vom 5. April 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2019 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2011 auf den negativen Betrag von € herabgesetzt wird;
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt das FA im Wesentlichen vor, dass die erbrachten Leistungen des Klägers keine einheitlichen Leistungen „Reise-Paket“ darstellten. Die Einzelkomponenten erfüllten jeweils einen eigenen Zweck für den Leistungsempfänger. Die Übernachtungs-, Transport- und Verpflegungsleistungen seien Hauptleistungen der „Reise“ und stellten keinesfalls untergeordnete Nebenleistungen zum Zweck der optimalen Nutzung von Organisations-, Reisebegleitungs- und Übersetzungsleistungen des Klägers dar.
Zudem schulde der Kläger die in den ursprünglichen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer jedenfalls nach § 14c UStG. Sollte hier eine Berichtigung gemäß § 14c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG überhaupt in Betracht kommen, so wäre eine solche jedoch erst in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Rechnungsberichtigung gegenüber den Leistungsempfängern erfolgt sei und ein unter Umständen zu viel erhaltener Betrag an die Leistungsempfänger zurückerstattet worden sei. Dies könne für die Jahre 2010 bzw. 2011 aber nicht festgestellt werden. Es erscheine im Gegenteil sogar ausgeschlossen, dass die Rechnungskorrekturen bereits in den Jahren 2010 bzw. 2011 erfolgt seien, da der Kläger die streitgegenständlichen Umsätze andernfalls wohl kaum noch in seinen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für das Jahr 2011 (und auch 2012) zunächst als steuerpflichtig angemeldet hätte. Unabhängig davon treffe die Feststellungslast hinsichtlich des Zeitpunkts der Berichtigungen den Kläger. In den Streitjahren sei eine Berichtigung der nach § 14c UStG geschuldeten Steuer vor dem genannten Hintergrund folglich nicht möglich.
Eine Berichtigung gegenüber dem Leistungsempfänger, wie sie § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG verlange, setze nach der Rechtsprechung zudem den Zugang der Berichtigung bei diesem voraus, dies sei im Streitfall aber nicht nachgewiesen. Selbst wenn der Zugang der Berichtigungserklärungen gegenüber den Leistungsempfängern hier in den Streitjahren nachgewiesen wäre, scheide eine Erstattung wegen ungerechtfertigter Bereicherung des Klägers als Leistungserbringer aus. Habe der Rechnungsempfänger die vereinbarte Gegenleistung – d.h. den gesamten Rechnungsbetrag einschließlich des Steuerbetrags bzw. des Steuermehrbetrags i.S. des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG an den Rechnungsaussteller gezahlt -, so könne dieser den entsprechenden Betrag als Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt erst dann „berichtigen“, wenn er zuvor den Mehrbetrag dem Rechnungsempfänger zurückgewährt habe.
Die Frage, ob der Kläger eine einheitliche Gesamtleistung erbracht habe, sei im vorliegenden Rechtsstreit deshalb nicht mehr entscheidungserheblich und könne dementsprechend dahinstehen.
Zu dem weiteren Vorbringen des FA wird auf die eingereichten Stellungnahmen nebst Anlagen verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 26. Februar 2021 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass er davon ausgehe, dass die Rechnungsberichtigungen im Zeitraum ab Mitte April bis Ende Mai/Anfang Juni 2013 durch den Kläger erfolgt sein müssten.
Mit richterlichem Hinweis vom 30. August 2021 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass es sich bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Klägers bei den ursprünglichen Rechnungen somit um Rechnungen mit einem unrichtigen Steuerausweis handeln würde. Es sei weiter davon auszugehen, dass eine Berichtigung der ursprünglich mit Steuerausweis erstellten Rechnungen des Klägers erst (frühestens) im Jahr 2013 erfolgt sei, jedenfalls aber nicht in den Streitjahren. In diesem Zusammenhang sei nun höchstrichterlich entschieden, dass einer Rechnungsberichtigung i.S. des § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Ausstellung der ursprünglichen Rechnung zukomme. Wie sich aus der Verweisung in § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG auf § 17 Abs. 1 UStG ergebe, wirke die Rechnungsberichtigung erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung ohne Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung. Weiter wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass es die Berichtigung eines Steuerbetrags nach § 14c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung grundsätzlich ferner voraussetze, dass der Rechnungsaussteller die vereinnahmte und abgeführte Steuer an den Leistungsempfänger zurückgezahlt hat. Ist dies nicht geschehen, sei das FA berechtigt, die Erstattung der zu Unrecht erhobenen Umsatzsteuer zu verweigern.
Daraufhin teilte der Kläger mit Schriftsatz vom 30. September 2021 mit, dass die Klage nicht zurückgenommen werde, er verzichte aber auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der Kläger weist zudem noch mal auf das Nichtvorliegen der sogenannten Gegenseitigkeit hin, Unternehmern aus A sei in Deutschland eine Vorsteuervergütung grundsätzlich untersagt. Aus diesem Grund würden mit Auftraggebern aus A immer Bruttopreisvereinbarungen getroffen und der Kläger sei nicht ungerechtfertigt bereichert. Da im vorliegenden Fall mangels Gegenseitigkeit unter keinen Umständen eine Gefährdung des Steueraufkommens bejaht werden könne, sei – selbst bei einer nicht durchgeführten Berichtigung des Steuerbetrags – zur Gewährleistung des sogenannten Neutralitätsgrundsatzes auf der Unternehmerebene die Umsatzsteuer an den Kläger zu erstatten.
Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2021 teilte das FA mit, dass es gleichfalls auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichte.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Die Klage bleibt schon deshalb ohne Erfolg, weil die Rechnungen des Klägers an seine Leistungsempfänger aus A frühestens im Jahr 2013 und damit nach Ablauf der Streitjahre berichtigt worden sind und weil eine Erstattung der vom Kläger gezahlten Umsatzsteuer wegen einer (möglichen) ungerechtfertigten Bereicherung des Klägers als Leistungserbringer ausscheidet.
1. Im Streitfall kann die Rechtsfrage, ob die vom Kläger in den Streitjahren erbrachten sonstigen Leistungen an seine Leistungsempfänger aus A als einheitliche Leistungen wegen des Leistungsorts im Ausland und der deshalb bestehenden Anwendbarkeit des § 3a Abs. 2 UStG in Deutschland nicht steuerbar sind, dahingestellt bleiben, denn der Kläger hat die ursprünglich mit Ausweis deutscher Umsatzsteuer erstellten Rechnungen an seine Abnehmer erst nach Ablauf der Streitjahre berichtigt. Eine Rückwirkung auf den Zeitraum der Leistungsausführung kommt diesen Rechnungsberichtigungen nicht zu.
a) Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig und ergibt sich aus den Akten, dass der Kläger seine Leistungen in den Streitjahren an seine Kunden aus A zunächst durchweg mit Rechnungen mit ausgewiesener deutscher Umsatzsteuer abgerechnet hatte.
Erst im Jahr 2013 war dem zu diesem Zeitpunkt neu mandatierten Steuerberater des Klägers (dem jetzigen Prozessbevollmächtigten) aufgefallen, dass die vom Kläger erbrachten sonstige Leistungen an Unternehmer in A unter Umständen nach dem seit dem 1. Januar 2010 geltenden (neuen) § 3a Abs. 2 UStG als einheitliche Leistungen in Deutschland nicht steuerbar sein könnten. Bei Unterstellung der Richtigkeit dieser Rechtsansicht hätte es sich dann aber bei den ursprünglich erstellten Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer um Rechnungen mit einem unrichtigen Steuerausweis gehandelt, bei denen der Kläger als Rechnungsaussteller die Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG schulden würde, denn die Abrechnung einer im Ausland steuerbaren Leistung führt zum unrichtigen Steuerausweis (vgl. nur Leipold in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 14c, Rz. 62, m.w.N. auf die Rechtsprechung des BFH und EuGH). Diese Rechtsfolge wäre allerdings durch eine Berichtigung sämtlicher Rechnungen zu vermeiden und der Kläger hat vorliegend auch solche berichtigten Rechnungen vorgelegt. Dabei ergibt es sich nun aus dem eigenen Vortrag des Klägers, dass solche Rechnungsberichtigungen erst ab dem Zeitpunkt Mitte April bis Ende Mai/Anfang Juni 2013 erfolgten.
Auf Grund dieses Zeitpunkts der Berichtigungen kann es im Streitfall dahingestellt bleiben,
– ob der Kläger den Zugang der berichtigten Rechnungen bei den Rechnungsempfängern nachweisen kann und muss und
– ob die berichtigten Rechnungen eine ausreichende Bezugnahme auf die ursprünglichen Rechnungen enthalten (§ 31 Abs. 5 Satz 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung-UStDV), denn einer Rechnungsberichtigung kommt beim Vorliegen des § 14c Abs. 1 UStG nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Rückwirkung zu (nachfolgend Tz. II.2.b). Das bedeutet, dass die umsatzsteuerlichen Rechtsfolgen aus einer solchen Rechnungsberichtigung erst im Besteuerungszeitraum der Durchführung der Berichtigung – und nicht dem Zeitpunkt der Ausführung der abgerechneten Leistungen und der Erstellung der ursprünglichen Rechnungen – geltend gemacht werden können. Auf diese Rechtsfolge wurde der Kläger zuletzt mit richterlichem Hinweis vom 30. August 2021 hingewiesen. Das Klagebegehren bleibt deshalb schon aus diesem Grund ohne Erfolg, ohne dass es auf die vorgenannten Rechtsfragen, die hier noch vor der Prüfung des Vorliegens einer einheitlichen Leistung zu klären wären, ankommt. Diese fehlende Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung bei Rechnungen nach § 14c Abs. 1 UStG beruht auf folgenden Erwägungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung:
b) Berichtigt in Fällen des § 14c Abs. 1 UStG der Rechnungsaussteller den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden (§ 14c Abs. 1 Satz 2 UStG).
aa) Eine Rechnung kann gemäß § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG i.V.m. § 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b UStDV berichtigt werden, wenn Angaben in der Rechnung unzutreffend sind. Zur Berichtigung müssen die fehlenden oder unzutreffenden Angaben durch ein Dokument, das spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezogen ist, übermittelt werden; es gelten die gleichen Anforderungen an Form und Inhalt wie in § 14 des Gesetzes (§ 31 Abs. 5 Sätze 2 und 3 UStDV).
Die vorgenannten Bestimmungen, die im Wesentlichen klarstellenden Charakter haben, beruhen unionsrechtlich auf Art. 219 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL), der vorsieht, dass jedes Dokument und jede Mitteilung, das/die die ursprüngliche Rechnung ändert und spezifisch und eindeutig auf diese bezogen ist, einer Rechnung gleichgestellt ist.
Die Berichtigung des Steuerbetrags muss durch den Leistenden gegenüber dem Leistungsempfänger erfolgen. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass dem Leistungsempfänger eine hinreichend bestimmte, schriftliche Berichtigung der Rechnung zugeht (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 V R 27/05, BStBl II 2008, 438, Rz. 34). Die Rückgabe der ursprünglichen Rechnung ist nicht erforderlich (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1992 V R 48/90, BStBl II 1993, 251, Rz. 10 ff. und vom 19. September 1996 V R 41/94, BStBl II 1999, 249, Rz. 21). Auch muss keine zivilrechtlich richtige Rechnung erteilt, sondern nur der Steuerbetrag berichtigt werden (BFH-Urteil vom 25. Februar 1993 V R 112/91, BStBl II 1993, 643, Rz. 23).
bb) Wie sich aus der Verweisung in § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG auf § 17 Abs. 1 UStG ergibt, wirkt die Rechnungsberichtigung in diesem Fall erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung ohne Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2016 XI R 43/14, UR 2017, 237, Rz. 36 und Beschluss vom 31. Mai 2017 V B 5/17, BFH/NV 2017, 1202, Rz. 7; vgl. auch Finanzgericht München, Urteil vom 27. Mai 2020 3 K 654/18, EFG 2020, 1451, Rz. 39 und 41).
Nach der Rechtsprechung des BFH wäre jede andere Auslegung mit dem Normzweck des § 14c UStG und des Art. 203 MwStSystRL, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch einen unzutreffenden Steuerausweis in Rechnungen entgegenzuwirken (BFH-Urteile vom 25. September 2013 XI R 41/12, BStBl II 2014, 135, Rz. 12 f. und vom 16. Mai 2018, XI R 28/16, UR 2018, 1663, Rz. 37, m.w.N.), nicht zu vereinbaren (vgl. nur BFH-Urteil vom 12. Oktober 2016 XI R 43/14, UR 2017, 237, Rz. 36, m.w.N. auf die Rechtsprechung des BFH).
Das Unionsrecht steht einer solchen nationalen Regelung grundsätzlich nicht entgegen (EuGH-Urteile vom 18. Juni 2009, C-566/07 Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, BFH/NV 2009, 1371, Rz. 39 ff. und vom 11. April 2013, C-138/12 Rusedespred, ECLI:EU:C:2013:233, UR 2013, 432, Rz. 28 und 31). Der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des EuGH einer Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug unter bestimmten Voraussetzungen Rückwirkung zukommen kann (EuGH-Urteile vom 15. September 2016 C-518/14, Senatex, ECLI:EU:C:2016:691, UR 2016, 800 und vom 15. September 2016 C-516/14, Barlis 06 – Investimentos Imobiliarios e Turisticos, ECLI:EU:C:2016:690, UR 2016, 795), führt deshalb in Bezug auf § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG zu keiner anderen Beurteilung (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2016 XI R 43/14, UR 2017, 237, Rz. 37).
cc) Die Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG setzt dabei weder voraus, dass aufgrund der Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis tatsächlich ein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen wurde, noch, dass eine konkrete Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, da § 14c UStG abstrakte Gefährdungstatbestände formuliert, deren Verwirklichung nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht einmal davon abhängt, ob der Empfänger überhaupt Unternehmer bzw. zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (BFH-Beschluss vom 31. Mai 2017 V B 5/17, BFH/NV 2017, 1202 und EuGH-Urteil vom 18. Juni 2009 C-566/07, Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, UR 2009, 647, Rz. 28 ff.).
Ebenso wenig steht entgegen, dass die Leistungsempfänger im Ausland (hier A) ansässig und die an diese ausgeführten Leistungen unter Umständen nicht in Deutschland steuerbar waren. Art. 203 MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass die Mehrwertsteuer in dem Mitgliedstaat geschuldet wird, dessen Mehrwertsteuer in der Rechnung ausgewiesen ist, selbst wenn der fragliche Vorgang in diesem Mitgliedstaat (hier Deutschland) nicht steuerpflichtig war. Der Ort der in Rechnung gestellten Leistungen ist für die Entstehung der Steuerschuld nach Art. 203 MwStSystRL, die ausschließlich geschuldet wird, weil die Mehrwertsteuer in der Rechnung ausgewiesen ist, unerheblich (vgl. EuGH-Urteil vom 18. Juni 2009 C-566/07, Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, UR 2009, 647 und BFH-Urteil vom 31. Mai 2017 V B 5/17, BFH/NV 2017, 1202, Rz. 4, m.w.N.).
dd) Bei Übertragung dieser Rechtsprechung auf den Streitfall wirken die Rechnungsberichtigungen erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung, das ist hier (frühestens) das Jahr 2013.
2. Die Klage ist vorliegend auch deshalb unbegründet, weil der Kläger die in den ursprünglichen Rechnungen ausgewiesene (berechnete) deutsche Umsatzsteuer nicht an seine Leistungsempfänger zurückbezahlt hat.
Eine Berichtigung des Steuerbetrags nach § 14c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG setzt, neben der Berichtigung des unrichtigen Steuerausweises grundsätzlich voraus, dass der Unternehmer die vereinnahmte Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger zurückgezahlt hat (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2016 XI R 43/14, MwStR 2017, 283 und Finanzgericht München, Urteil vom 27. Mai 2020 3 K 654/18, EFG 2020, 1451, Rz. 49).
Nach der Rechtsprechung des EuGH und BFH ist es einem Mitgliedstaat unionsrechtlich nicht verwehrt, die Berichtigung der Mehrwertsteuer auch davon abhängig zu machen, dass der Aussteller der fraglichen Rechnung dem Leistungsempfänger die zu Unrecht gezahlte Steuer zurückzahlt, wenn die Erstattung zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führen würde (EuGH-Urteil vom 18. Juni 2009 C-566/07, Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, UR 2009, 647 und BFH-Urteil vom 16. Mai 2018 XI R 28/16, MwStR 2018, 835).
Zu einer solchen ungerechtfertigten Bereicherung des Klägers käme es im Streitfall. Der Kläger hatte in seinen ursprünglichen Rechnungen – die dem Gericht zusammen mit den berichtigten Rechnungen vorgelegt wurden – den Rechnungsbetrag in das Entgelt für die Leistung und die darauf erhobene Umsatzsteuer aufgeteilt; insoweit handelte es sich hier entgegen der Auffassung des Klägers um keine „Bruttopreisabreden“. Maßgeblich zur Beurteilung einer möglichen ungerechtfertigten Bereicherung ist, ob die zwischen dem Aussteller der Rechnung und dem Empfänger der Dienstleistungen geschlossenen Verträge als Vergütung für die Dienstleistungen Festbeträge oder um gegebenenfalls anfallende Steuern erhöhte Grundbeträge vorsahen (EuGH-Urteil vom 18. Juni 2009 C-566/07, Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, UR 2009, 39). Ausweislich der vorliegenden Rechnungen haben die Parteien bei der Festlegung des Preises der sonstigen Leistungen des Klägers keine Festpreise, sondern eine Regelung in Bezug auf die Mehrwertsteuer getroffen, so dass hier kein Fall einer „Bruttopreisabrede“ vorliegt.
In den vorgelegten berichtigten Rechnungen hat der Kläger durchweg aus dem ursprünglichen berechneten Endpreis (zusammengesetzt aus dem Entgelt und deutscher Umsatzsteuer) einen gleichhohen Endpreis ohne Steuer „berichtigt“, indem er schlicht die Steuer auf Null gesetzt hatte. So sah zum Beispiel die vom Kläger vorgenommene Berichtigung einer Rechnung an den Abnehmer B wie folgt aus:
Originalrechnung: Net € 5.882,35
VAT 19,00% € 1.117,65 Gross € 7.000.00
Berichtigung: Net € 7.000,00
VAT 0,00% € 0,00 Gross € 7.000.00
Ohne Rückzahlung des Steuerbetrags an die Leistungsempfänger führt diese Berichtigung zur Überzeugung des Gerichts zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Klägers, eine umsatzsteuerrechtlich zu berücksichtigende Rechnungsberichtigung scheidet hier deshalb auch aus diesem Grund aus.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
4. Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.


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