Aktenzeichen XI R 21/17
§ 27 Abs 19 UStG 2005
§ 133 BGB
§ 157 BGB
Leitsatz
1. Hat ein Bauträger aufgrund der rechtsirrigen Annahme seiner Steuerschuld als Leistungsempfänger von ihm bezogene Bauleistungen nach § 13b UStG versteuert, kann er das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung geltend machen, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder die Möglichkeit für eine Aufrechnung durch das FA besteht (Anschluss an das BFH-Urteil vom 27. September 2018 V R 49/17, BStBl II 2019, 109; entgegen BMF-Schreiben vom 26. Juli 2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a) .
2. Sind Bauunternehmer und Leistungsempfänger bei einem vor Erlass des BFH-Urteils vom 22. August 2013 V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) abgeschlossenen und durchgeführten Bauvertrag übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers ausgegangen und hat der Bauträger die auf die erbrachten Leistungen des Bauunternehmers entfallende Umsatzsteuer an das FA abgeführt, steht dem Bauunternehmer aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags zu, wenn der Bauträger Erstattung der Steuer verlangt und deshalb für den Bauunternehmer die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen (Anschluss an das BGH-Urteil vom 17. Mai 2018 VII ZR 157/17, HFR 2018, 661) .
Verfahrensgang
vorgehend FG Düsseldorf, 28. April 2017, Az: 1 K 2634/15 U, Urteil
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 28. April 2017 1 K 2634/15 U wird zum Streitjahr 2010 als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 28. April 2017 1 K 2634/15 U wird für die Jahre 2009 und 2011 mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, dass aus verfahrensrechtlichen Gründen das angefochtene Urteil für die Jahre 2009 und 2011 aufgehoben wird und die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2009 und 2011 vom 14. Februar 2018 dahingehend geändert werden, dass die Umsatzsteuer für das Jahr 2009 um … € und für das Jahr 2011 um … € herabgesetzt wird.
3. Unter Aufhebung der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils werden die Kosten des gesamten Verfahrens dem Beklagten auferlegt.
Tatbestand
I.
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Änderung eines Umsatzsteuerbescheids, mit dem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) für die Jahre 2009 bis 2011 (Streitjahre) gegenüber dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) u.a. zu Unrecht Umsatzsteuer für Bauleistungen gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes in der in den jeweiligen Streitjahren geltenden Fassung (UStG) festgesetzt hat, in direkter oder entsprechender Anwendung des § 17 UStG oder nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verweigert werden darf.
2
Der Kläger ist selbständiger Malermeister. Daneben vermietet er in seinem Alleineigentum stehende Wohnungen. Er führt insoweit steuerfreie Umsätze i.S. des § 4 Nr. 12 UStG aus.
3
In den Streitjahren ließ der Kläger an seinen vermieteten Immobilien diverse Instandhaltungsarbeiten durchführen, die im Revisionsverfahren nach einer teilweisen Erledigungserklärung der Beteiligten, dem Erlass von Änderungsbescheiden und der Anpassung der Anträge noch hinsichtlich im Einzelnen näher bezeichneter Leistungen streitig sind.
4
Der Kläger ging zunächst –in Übereinstimmung mit der Finanzverwaltung (Abschn. 182a Abs. 11 der Umsatzsteuer-Richtlinien und Abschn. 13b.1 Abs. 11 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses)– davon aus, dass er für die genannten Leistungen aufgrund seiner Tätigkeit als selbständiger Malermeister auch dann als Steuerschuldner gemäß § 13b UStG anzusehen sei, wenn er die Handwerkerleistungen für sein Vermietungsunternehmen bezogen habe, weil die Werkleistungen aus seiner Tätigkeit als selbständiger Malermeister mehr als 10 % seiner insgesamt erzielten Umsätze ausmachten. In den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2009 bis 2011, die gemäß § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) als Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung wirkten, meldete er daher auch die für sein Vermietungsunternehmen bezogenen Leistungen als solche an, für welche er die Umsatzsteuer gemäß § 13b UStG schulde. Außerdem waren den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre jeweils als Anlage zur Anlage V Einzelaufstellungen der Erhaltungsaufwendungen beigefügt, aus denen sich der jeweilige Rechnungsbetrag, der Name des leistenden Handwerkers sowie ggf. die Anwendung des § 13b UStG ergab.
5
Nach Durchführung einer Außenprüfung beim Kläger und einem sich daran anschließenden Rechtsbehelfsverfahren wegen vorliegend nicht mehr streitiger Punkte erließ das FA am 25. April 2014 auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützte Abhilfebescheide, in denen die vom Kläger gemäß § 13b UStG angemeldete Umsatzsteuer weiterhin enthalten war.
6
Hiergegen erhob der Kläger erneut Einspruch und beantragte unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128), die Umsatzsteuer 2009 bis 2011 um die zu Unrecht nach § 13b UStG abgeführten Beträge für die Leistungsbezüge im Zusammenhang mit den Vermietungsumsätzen herabzusetzen.
7
Mit Schreiben vom 12. Juni 2014 und 23. Januar 2015 bat das FA, zuletzt entsprechend dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 31. Juli 2014 (BStBl I 2014, 1073), um nähere Angaben zu den begehrten Änderungen.
8
Nachdem der Kläger die erbetenen Auskünfte unter Hinweis auf die dem FA vorliegenden Steuererklärungen nicht erteilt hatte, lehnte das FA mit Einspruchsentscheidung vom 7. August 2015 den Antrag ab.
9
Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1217 veröffentlichten Urteil vom 28. April 2017 1 K 2634/15 U statt.
10
Im Laufe des Revisionsverfahrens hat das FA unter dem 14. Februar 2018 Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für die Streitjahre 2009 und 2011 erlassen, mit denen es dem Begehren des Klägers teilweise (in Bezug auf hier nicht streitgegenständliche Umsätze) abgeholfen hat. Die Beteiligten haben insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
11
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Nach Erlass des BFH-Beschlusses vom 27. Januar 2016 V B 87/15 (BFHE 252, 187) sei es zumindest zweifelhaft, ob in entsprechender Anwendung des § 17 UStG die “Erstattung” der Umsatzsteuer erst dann bewilligt werden kann, wenn der Kläger die Umsatzsteuer an den Bauunternehmer gezahlt habe oder mit ihr aufgerechnet werden könne. Darauf sei es im BFH-Urteil vom 23. Februar 2017 V R 16, 24/16 (BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 62) nicht angekommen. Aus der Formulierung werde deutlich, dass der BFH seine Auffassung noch nicht aufgegeben habe. Außerdem sei der Grundsatz von Treu und Glauben zu berücksichtigen. Dieser stehe der Durchsetzbarkeit des “Erstattungsanspruchs” gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 AO entgegen. Die zwischen den Bauhandwerkern und dem Kläger geschlossenen Verträge seien lückenhaft. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung oder wegen Störung der Geschäftsgrundlage stehe den Bauunternehmern ein Anspruch gegen den Kläger auf Nachzahlung von Umsatzsteuer zu. Der vom FA zu erstattende Betrag sei daher sofort an die Bauunternehmer auszukehren. Der Bauträger habe daher an der Erstattung kein Eigeninteresse. Das Risiko des Forderungsausfalls habe der Leistende zu tragen. In Rz 57 des BFH-Urteils in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760 habe der BFH außerdem ausgeführt, dass das Interesse an der Ausnutzung von “windfall profits” nicht schutzwürdig sei. Dies müsse auch für den Kläger gelten. Das Verhalten, sich die Umsatzsteuer erstatten zu lassen und sich zu weigern, diese dem leistenden Unternehmer zu zahlen, sei treuwidrig. Müsse der Leistungsempfänger die Steuer entweder an den Leistenden oder das FA zahlen, könne die Einwilligung zur Abkürzung des Zahlungswegs unterstellt werden.
12
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
13
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision des FA betreffend das Jahr 2010 als unbegründet zurückzuweisen und für die Jahre 2009 und 2011 mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen, dass die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2009 und 2011 vom 14. Februar 2018 dahingehend geändert werden, dass die Umsatzsteuer für das Jahr 2009 um … € und für das Jahr 2011 um … € herabgesetzt wird.