Steuerrecht

Melderecht, Abmeldung von Amts wegen, Berichtigungsanspruch, Zwangsräumung

Aktenzeichen  M 13 K 20.5589

Datum:
17.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26830
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BMG § 6
BMG § 12 S. 1
Verordnung (EU) 2016/679 Art. 16

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage kann entschieden werden, obwohl die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Die Klägerin wurde zudem bei der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen, dass im Falle ihres Ausbleibens auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann.
Die Klägerin begehrt bei verständiger Würdigung ihres Rechtsschutzbegehrens (§ 88 VwGO), dass die Beklagte ihre Abmeldung von Amts wegen zum … Mai 2019 rückgängig macht, indem sie die Wohnung in der F. Allee …, Stockwerk 1, … M. rückwirkend wieder als ihre Meldeadresse in das Melderegister einträgt.
Die so verstandene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist statthaft als allgemeine Leistungsklage, weil weder eine Anfechtungs- noch eine Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zu erheben war.
Die von der Beklagten am … Oktober 2019 rückwirkend zum … Mai 2019 vorgenommene Abmeldung der Klägerin ist nicht als ein mit der Anfechtungsklage (ggfs. im Verbund mit einer Leistungsklage auf Vollzugsfolgenbeseitigung) anzugreifender Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG zu qualifizieren. Eine von der Meldebehörde nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BMG vorgenommene Berichtigung des Melderegisters stellt per se keinen Verwaltungsakt dar, weil eine solche zumindest nicht auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Im Melderegister sollen nur die tatsächlichen Verhältnisse abgebildet werden. Rechtliche Folgen etwa für das Kommunalwahlrecht oder die Bürgerbeteiligung stellen sich für den Betroffenen lediglich mittelbar ein. Die Berichtigung als solche ist vielmehr als tatsächliches Verwaltungshandeln zu qualifizieren (Realakt; vgl. Süßmuth in Süßmuth, Bundesmeldegesetz, 31. EL Dezember 2013, § 12 Rn. 12; Gamp in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, Teil V Rn. 38; VG München, U.v. 23.1.2018 – M 13 K 17.1793 – juris und beck-online) Soweit teilweise die Ansicht vertreten wird, dass eine Abmeldung von Amts wegen stets die verbindliche Feststellung in Form eines Verwaltungsakts enthalte, dass der Betroffene im Zuständigkeitsbereich der Behörde keine Wohnung habe, die er zum Wohnen in Anspruch nehme (z.B. Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, Teil V: MeldePass- und Ausweisrecht, Nr. 5 Rechtsschutz, Rn. 40), wird dabei – wie auch hinsichtlich einer verbindlichen Feststellung des Hauptwohnsitzes durch eine Meldebehörde (ebenda) – übersehen, dass in der jeweils in Bezug genommenen Rechtsprechung Fälle entschieden wurden, in denen von den Behörden Bescheide, die Gegenstand der jeweiligen verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren waren, also Verwaltungsakte gesondert erlassen wurden (Abmeldung von Amts wegen: VGH Kassel, B.v. 27.8.2009 – 7 A 1884/09 – BeckRS 2009, 39305; Feststellung des Hauptwohnsitzes: VGH Mannheim, U.v. 21.7.1986 – 1 S 3060/85 – NJW 1987, 209).
An dieser Beurteilung ändert es nichts, dass der Klägerin anlässlich einer Vorsprache bei der Beklagten die Änderung des Melderegisters nachträglich mitgeteilt wurde. Denn eine bloße Mitteilung der Meldebehörde an den Betroffenen über eine vollzogene Berichtigung stellt als solche ebenfalls nur schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln dar (vgl. Süßmuth in Süßmuth, Bundesmeldegesetz, Dezember 2013, § 12 Rn. 12).
Ein Verwaltungsakt ist auch nicht darin zu sehen, dass die Beklagte es mit dem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 6. Dezember 2019 der Sache nach abgelehnt hat, die im Streit stehende Fortschreibung des Melderegisters wieder rückgängig zu machen. Die bloße Ablehnung eines geforderten schlichten Verhaltungshandelns ist im Allgemeinen nicht als verbindliche Feststellung des Nichtbestehens des geltend gemachten Anspruchs anzusehen (vgl. Pietzcker/Marsch in Schoch/Schneider, VwGO, Februar 2021, § 42 Rn. 156). Auch wenn man es hier anders sehen wollte, wäre die (dann als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthafte) Klage jedoch zulässig. Insbesondere wäre die Klagefrist eingehalten worden, da die Klage mangels einer Belehrung über die für einen Rechtsbehelf geltende Frist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO nicht innerhalb eines Monats, sondern lediglich innerhalb eines Jahres zu erheben gewesen wäre.
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil die Klägerin im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 15.10.1991 – NJW 1992, 1121, 1123) keinen Anspruch auf die begehrte Änderung des Melderegisters hat.
Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Berichtigung des Melderegisters ist gemäß § 12 Satz 1 des Bundesmeldegesetzes (BMG) die Bestimmung des Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO). Danach hat die betroffene Person das Recht, von dem Träger der Meldebehörde als verantwortlicher Stelle i.S.d. Art. 4 Nr. 7 der Verordnung unverzüglich die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen.
Ein Anspruch auf Berichtigung des Melderegisters besteht damit (wie bisher) unter zwei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen. Es muss zum einen ein Datum im Melderegister unvollständig oder unrichtig eingetragen sein. Hinzukommen muss, dass der Anspruch darauf gerichtet ist, anstelle des unrichtigen Datums das richtige, das heißt das den melderechtlichen Vorschriften entsprechende Datum einzutragen (vgl. BVerwG, U.v. 30.9.2015 – 6 C 38/14 – NJW 2016, 99 Rn. 10).
Diese Anspruchsvoraussetzungen sind nicht gegeben. Die Abmeldung der Klägerin zum 29. Mai 2019 hat nicht zu einer Unrichtigkeit des Melderegisters geführt. Die Beklagte hat das Melderegister vielmehr rechtmäßig von Amts wegen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BMG fortgeschrieben.
Die allgemeine Meldepflicht nach § 17 Abs. 1 und 2 BMG knüpft an den tatsächlichen Vorgang des Bezugs oder Auszugs aus einer Wohnung an. Das Beziehen der Wohnung setzt nach allgemeinem Sprachgebrauch die Inanspruchnahme der Wohnung in der Weise voraus, dass dort ständig oder jedenfalls für vorübergehende Zeit die Angelegenheiten des täglichen Lebens wie Aufhalten, Essen und Schlafen verrichtet werden (vgl. Süßmuth in Süßmuth, Bundesmeldegesetz, Juni 2014, § 17 Rn. 10). Ein Auszug liegt vor, wenn diese Inanspruchnahme endet. Unerheblich ist dabei, ob die betroffene Person die Räume mit eigenen oder fremden Einrichtungsgegenständen benutzt, ob sie berechtigt oder unberechtigt dort wohnt und ob die Räume aus eigenem Entschluss oder unfreiwillig bezogen oder verlassen worden sind (vgl. OVG Münster, B.v. 24.4.1981 – 18 B 549/91 – NJW 1981, 2211). Mietet jemand lediglich eine Wohnung, ohne sie tatsächlich zu benutzen, so hat er die Wohnung nicht bezogen. Auch ein Wohnungseigentümer wird nur dann meldepflichtig, wenn er die Wohnung tatsächlich benutzt (vgl. Süßmuth in Süßmuth, Bundesmeldegesetz, Juni 2014, § 17 Rn. 10). Denn die personenordnungsrechtliche Zielsetzung des Meldewesens ist gemäß § 2 Abs. 1 BMG die möglichst lückenlose Registrierung der im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Meldebehörde tatsächlich wohnhaften Personen, um deren Identität und deren Wohnungen feststellen und nachweisen zu können (vgl. Gamp in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, Teil V Rn. 4). Diese Zweckbestimmung wäre beeinträchtigt, würden im Melderegister die tatsächliche und rechtliche Betrachtungsweise nicht konsequent auseinandergehalten oder bloße Nutzungsabsichten wiedergegeben werden.
Von diesen Grundsätzen ausgehend begegnet die im Streit stehende Abmeldung der Klägerin keinen rechtlichen Bedenken und liegt eine Unrichtigkeit des Melderegisters nicht vor. Die Klägerin hat die Wohnung in der F. Allee … unstreitig am … Mai 2019 aufgrund einer Zwangsräumung verlassen. Dies stellt einen Auszug gemäß § 17 Abs. 2 BMG dar. Die Klägerin ist seitdem auch nicht wieder in ihre frühere Wohnung eingezogen. Sie trägt vielmehr selbst vor, dass die Wohnung dem Anschein nach anderweitig vermietet worden sei.
Ob die Klägerin, wie sie meint, nach Privatrecht weiterhin zur Nutzung der Wohnung berechtigt und zu Unrecht zu deren Räumung verurteilt worden ist, wirkt sich auf die melderechtliche Bewertung ebenso wenig aus wie ihr Wunsch, die Wohnung zu einem nicht absehbaren Zeitpunkt in der Zukunft wieder beziehen zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kostenentscheidung ist nach Maßgabe des § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO vorläufig vollstreckbar


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