Steuerrecht

Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer wegen Betreibens einer Photovoltaikanlage

Aktenzeichen  RO 5 K 16.1990

Datum:
2.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
IHKG IHKG § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 3 S. 3
GewStG GewStG § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Die Mitgliedschaft einer natürlichen Person in der Industrie- und Handelskammer wird von § 2 Abs. 1 IHKG ausschließlich daran geknüpft, dass diese Person durch Gewerbesteuermessbescheid zur Gewerbesteuer veranlagt wird. Auf die Eintragung im Handelsregister, einen kaufmännischen Gewerbebetrieb oder das Vorhandensein von Beschäftigten kommt es nicht an. Unerheblich ist auch, ob es tatsächlich zum Erlass eines Gewerbesteuerbescheids und zur Zahlung von Gewerbesteuer gekommen ist oder ob Freibeträge dies ausschließen. (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Entscheidung der Steuerbehörden über die Veranlagung zur Gewerbesteuer kommt Tatbestandswirkung zu. Die Industrie- und Handelskammern können daher nicht in eine eigene materielle Prüfung der Gewerbesteuerpflicht eintreten. Auf das subjektive Motiv für die gewerbliche Tätigkeit kommt es ebenfalls nicht an. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Tatbestandswirkung des Gewerbesteuermessbescheids gilt auch für die Entscheidung darüber, ob die gesetzliche Grenze der Beitragsfreiheit überschritten ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 6.12.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger war in den Jahren von 2012 bis 2014 Mitglied bei der Beklagten (1.), die in dem Bescheid zu Recht von einer beitragspflichtigen Mitgliedschaft ausging (2.) und den Beitrag auch der Höhe nach zutreffend ermittelte (3).
1. Die Pflichtmitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten resultiert daraus, dass er aufgrund des Betriebs der Photovoltaikanlage im Kammerbezirk der Beklagten zur Gewerbesteuer veranlagt wurde.
Gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) gehören zur Industrie- und Handelskammer, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, die im Bezirk der Industrie- und Handelskammer eine Betriebsstätte unterhalten. Auf eine Eintragung im Handelsregister, einen kaufmännisch eingerichteten Gewerbebetrieb oder das Vorhandensein von Beschäftigten kommt es demgegenüber nicht an.
Der Kläger betreibt die Photovoltaikanlage in …, mithin im Kammerbezirk der Beklagten.
Er wurde für die Jahre 2012 bis 2014 auch zur Gewerbesteuer veranlagt, da er jährlich vom Finanzamt … Gewerbesteuermessbescheide erhielt, in denen jeweils ein positiver Gewerbeertrag ausgewiesen wurde. Aufgrund der Einspeisung des erzeugten Stroms in das allgemeine Stromnetz geht die Finanzverwaltung von einer gewerblichen Tätigkeit aus, die der nachhaltigen Erzielung von Gewinnen dient und die gewerbesteuerrechtliche Ermittlung eines Gewerbeertrags erforderlich macht. Zwar mag die Frage einer Veranlagung zur Gewerbesteuer im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein, wenn, etwa durch Sonderabschreibungen in der Anfangszeit, einzelne Verlustjahre vorliegen bzw. es sich beim Betrieb einer Photovoltaikanlage steuerrechtlich um eine sogenannte Liebhaberei handeln würde. Wenn aber, wie hier, in den relevanten Jahren jeweils positive Gewerbeerträge in den Gewerbesteuermessbescheiden festgestellt sind, besteht an der Veranlagung zur Gewerbesteuer im Sinne des § 2 Abs. 1 IHKG kein Zweifel.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass es zu keinem Erlass eines Gewerbesteuerbescheids durch die gewerbesteuerberechtigte Gemeinde und folglich auch nicht zur Zahlung von Gewerbesteuer gekommen ist. In den drei relevanten Gewerbesteuermessbescheiden wurde jeweils nach Feststellung des Gewerbeertrags ein gewerbesteuerrechtlicher Freibetrag in Höhe von 24.500 € gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) in Abzug gebracht, sodass schließlich jeweils ein Gewerbesteuermessbetrag von Null Euro ausgewiesen wurde, weswegen keine Gewerbesteuer zu zahlen war. Für die Mitgliedschaft in der IHK kommt es aber nicht darauf an, ob ein positiver Gewerbesteuermessbetrag nach Anwendung des Freibetrags festgestellt wird und ein Gewerbesteuerbescheid ergeht, sondern ausschließlich darauf, dass aufgrund positiver Gewerbeerträge überhaupt ein Gewerbesteuermessbescheid erlassen wird, da darin die Veranlagung zur Gewerbesteuer zu sehen ist. Dies zeigt schließlich auch die Regelung des § 3 Abs. 3 Satz 3 IHKG, wonach bei Gewerbeerträgen von weniger als 5.200 € unter bestimmten Voraussetzungen eine beitragsfreie Mitgliedschaft vorliegt. Damit geht der Gesetzgeber offenkundig davon aus, dass selbst bei Gewerbeerträgen von weniger als 5.200 € eine Mitgliedschaft vorliegen kann und nicht erst bei Gewerbeerträgen, die über dem gewerbesteuerrechtlichen Freibetrag von 24.500 € liegen.
Den Entscheidungen der Steuerbehörden über die Veranlagung zur Gewerbesteuer kommt insoweit Tatbestandswirkung zu. Die Industrie- und Handelskammern sind an die Festsetzung der Finanzverwaltung gebunden und können nicht in eine eigene materielle Prüfung der Gewerbesteuerpflicht eintreten (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 2.3.2017 Az. 10 K 4888/16 m.w.N.). Daran anknüpfend kann auch das Verwaltungsgericht bei Prüfung der Kammerzugehörigkeit die Feststellungen der Finanzbehörden nicht infrage stellen, sondern ist in gleicher Weise daran gebunden. Ein Beitragsbescheid der IHK kann demnach grundsätzlich nicht erfolgreich mit der Auffassung angegriffen werden, dass es sich bei einer bestimmten Tätigkeit nicht um einen Gewerbebetrieb handele. Dies müsste auf Ebene der steuerrechtlichen Veranlagung bei den Finanzbehörden eingewendet und ggf. einer finanzgerichtlichen Kontrolle unterzogen werden. Solange dies unterbleibt und, wie hier, die Gewerbesteuermessbescheide bereits bestandskräftig sind, müssen diese uneingeschränkt beachtet werden, sodass an der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten kein Zweifel besteht.
Schließlich kann es für die Mitgliedschaft bei der IHK auch nicht auf das subjektive Motiv für den Betrieb eines Gewerbes ankommen. Dass die Investition vom Kläger zu seiner Altersvorsorge getätigt wurde, ändert nichts am Vorhandensein eines Gewerbeertrags und kann daher zu keinem anderen Ergebnis führen. Auch der Vergleich des Klägers mit anderen Investitionen ist in diesem Zusammenhang nicht weiterführend. Ebenso kann es nicht darauf ankommen, ob der Gewerbetreibende die Mitgliedschaft bei der Beklagten subjektiv vorteilhaft empfindet oder nicht bzw. Leistungen der Beklagten in Anspruch nimmt oder nicht.
2. Die Beklagte hat den Kläger infolge seiner Mitgliedschaft auch zu Recht zu einem Beitrag für die Jahre 2012 bis 2014 herangezogen.
Nach § 2 Abs. 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Zwar sind natürliche Personen, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz 5.200 € nicht übersteigt. Dies ist beim Kläger jedoch nicht der Fall. Die Gewerbeerträge liegen in den drei Jahren jeweils über 5.200 € (2012: 15.500 €, 2013: 5.800 €, 2014: 6.900 €). Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertrat, dass hinsichtlich der Höhe des Gewerbeertrags noch ein fiktiver Unternehmerlohn in Abzug gebracht werden müsste, kann dies schon im Grundsatz keine Berücksichtigung finden. Denn die Tatbestandswirkung der Gewerbesteuermessbescheide gilt nicht nur bei Beurteilung der Frage, ob eine Mitgliedschaft vorliegt, sondern ist in gleicher Weise relevant bei der Entscheidung, ob die gesetzliche Grenze der Beitragsfreiheit überschritten ist. Auch hier ist es der Beklagten verwehrt, in eine eigene betriebswirtschaftliche oder steuerrechtliche Ermittlung des Gewerbeertrags einzutreten. Der Kläger hätte etwaige Abzugsposten auch insoweit im steuerrechtlichen Verfahren zur Einkommens- und Gewerbesteuerveranlagung geltend machen müssen.
Auch die Regelung des § 3 Abs. 3 Satz 4 IHKG, wonach natürliche Personen unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder teilweise vom Beitrag zu befreien sind, ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden. Denn die Befreiung greift, selbst bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen, höchstens für die ersten vier Jahre einschließlich des Jahres der Betriebseröffnung, wobei in den ersten beiden Jahren eine komplette Befreiung erfolgt, in den weiteren beiden Jahren hingegen nur noch eine Befreiung von der zu erhebenden Umlage (dazu vgl. 3.). Der Kläger betreibt die Anlage aber nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung schon seit 2008, sodass bereits für 2012 keine Beitragsbefreiung mehr in Betracht kommt.
3. Die Beiträge für die Jahre 2012 bis 2014 sind auch in ihrer Höhe zutreffend ermittelt.
Gemäß § Abs. 3 Satz 1 IHKG erheben die Industrie- und Handelskammern Grundbeiträge und Umlagen. In der Beitragsordnung vom 21.4.2004 der Beklagten sind die Einzelheiten der Erhebung geregelt. Nach § 1 Abs. 3 der Beitragsordnung setzt die Vollversammlung jährlich in der Wirtschaftssatzung die Grundbeiträge und den Hebesatz der Umlage fest.
Der Grundbeitrag ist ordnungsgemäß berechnet. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 4 Beitragsordnung i.V.m. Ziffer II 2.1 Buchst. a) der für das jeweilige Kalenderjahr maßgeblichen Wirtschaftssatzung der Beklagten beträgt der Grundbeitrag für Kammerzugehörige, die nicht im Handelsregister eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb nicht erfordert, im Falle eines Gewerbeertrags bis einschließlich 24.600 € einen Beitrag von 46 € in 2012, 30 € in 2013 und 25 € in 2014, sodass der im Bescheid festgesetzte Grundbeitrag für die drei Jahre von insgesamt 101 € richtig ist.
Auch die Umlage für 2012 in Höhe von 0,34 € ist korrekt ermittelt. Gemäß § 7 Abs. 1 Beitragsordnung ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag, vorliegend der im Gewerbesteuermessbescheid festgehaltene Betrag von 15.500 €. Von dieser Bemessungsgrundlage wurde gemäß § 3 Abs. 3 Satz 7 IHKG i.V.m. § 7 Abs. 2 Beitragsordnung zutreffend ein Freibetrag von 15.340 Euro abgezogen. Der verbliebene Betrag von 160 € wurde nach Maßgabe der Regelung in Ziffer II 4. der Wirtschaftssatzung für 2012 mit einem Hebesatz von 0,21 Prozent multipliziert, was 0,34 € ergibt.
Wie in § 1 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. der Beitragsordnung zum Ausdruck kommt, handelt es sich bei den Beiträgen um öffentliche Abgaben. Wenn, wie hier, der Beitragserhebungstatbestand erfüllt ist, muss die Beklagte den Beitrag erheben. Sie hat insbesondere keine Befugnis, abseits der für die Beitragserhebung maßgeblichen Rechtsgrundlagen im konkreten Einzelfall aus Gründen der Kulanz einen niedrigeren oder gar keinen Beitrag zu erheben.
Sonstige Einwände gegen die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheids wurden nicht geltend gemacht und drängen sich dem Gericht auch nicht auf.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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