Steuerrecht

Nichtannahme einer mangels hinreichender Substantiierung unzulässigen Verfassungsbeschwerde – hier: unzureichende Rüge der Entscheidung in der Sache bei bloßer Entscheidung über Nichtzulassung der Revision im finanzgerichtlichen Verfahren – Qualifikation von Einkünften einer Anwaltskanzlei aus Insolvenzverwaltung

Aktenzeichen  1 BvR 448/09

Datum:
25.3.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20100325.1bvr044809
Normen:
Art 3 Abs 1 GG
§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG
§ 90 Abs 1 BVerfGG
§ 92 BVerfGG
§ 18 Abs 1 Nr 1 EStG
§ 18 Abs 1 Nr 3 EStG
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO
Spruchkörper:
1. Senat 1. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend BFH, 14. Juli 2008, Az: VIII B 179/07, Beschluss

Gründe

1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Gewerbesteuerpflicht einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die Insolvenzverwaltungen
durchführt.
I.
2
Die Beschwerdeführerin zu 1) – im Folgenden die Beschwerdeführerin – ist eine Rechtsanwaltskanzlei in der Rechtsform einer
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Der Beschwerdeführer zu 2) – im Folgenden der Beschwerdeführer – ist Gesellschafter
der Beschwerdeführerin.
3
Die Beschwerdeführerin erzielte im Streitjahr 2004 überwiegend Einnahmen aus Tätigkeiten als Insolvenzverwalter und Verwalter
im Gesamtvollstreckungsverfahren. Sie beschäftigte etwa 180 Mitarbeiter, darunter Rechtsanwälte, eine Diplom-Ökonomin, Steuerberater,
Rechtsanwaltsfachangestellte, Assessoren und Buchhalter. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Beschwerdeführerin
Einkünfte aus Gewerbebetrieb und nicht aus freiberuflicher Tätigkeit erzielt habe, und erließ entsprechende Gewerbesteuermessbescheide.
Die Beschwerdeführerin legte dagegen erfolglos Einspruch ein.
4
Die von der Beschwerdeführerin erhobene Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte unter anderem
aus, eine insolvenzverwaltende Tätigkeit sei vermögensverwaltend im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und keine freiberufliche
Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die der Art nach selbständige vermögensverwaltende Tätigkeit der Beschwerdeführerin
sei unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ein Gewerbebetrieb. Es gehöre zu den Wesensmerkmalen der selbständigen Tätigkeit,
dass sie in ihrem Kernbereich auf der eigenen persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers beruhe. Nehme die Tätigkeit einen
Umfang an, der die selbständige Beschäftigung mehrerer Angestellter erfordere und würden diesen Angestellten nicht nur untergeordnete
vorbereitende oder mechanische Arbeiten übertragen, so beruhe die Tätigkeit nicht mehr im Wesentlichen auf der persönlichen
Arbeitskraft des Berufsträgers und sei deshalb als eine gewerbliche einzuordnen.
5
Die von der Beschwerdeführerin gegen die Entscheidung des Finanzgerichts erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesfinanzhof
als unbegründet zurück. Der Bundesfinanzhof führte aus, dass den aufgeworfenen Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung
zukomme. Sie seien höchstrichterlich geklärt und damit nicht mehr klärungsbedürftig. Die Tätigkeit von Konkursverwaltern,
Zwangsverwaltern oder Insolvenzverwaltern sei nach ständiger Rechtsprechung eine vermögensverwaltende Tätigkeit im Sinne des
§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und keine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
II.
6
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Zum einen würden sie zu Unrecht
ungleich im Verhältnis zu solchen (Groß-) Kanzleien behandelt, die über mehrere angestellte Berufsträger verfügten und sich
beispielsweise auf das Gebiet der Sanierung spezialisiert hätten. Zum anderen liege eine nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung
mit den übrigen Gewerbetreibenden vor. Schließlich folge eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG daraus, dass ihre Gewinne durch
den Anfall von Gewerbesteuer reduziert würden, während beispielsweise Gewinne einer beratenden Großkanzlei aus Rechtsanwälten
oder von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern nicht mit Gewerbesteuer belastet würden. Sie würden daher unter Verstoß gegen
das Willkürverbot mit den Gesellschaftern einer gewerblich tätigen Gesellschaft gleichgestellt.
III.
7
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfG liegen
nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig.
8
Hinsichtlich des Beschwerdeführers ist die Verfassungsbeschwerde mangels Beschwer unzulässig (1). Hinsichtlich der Verfassungsbeschwerde
der Beschwerdeführerin fehlt es an einer hinreichend substantiierten Auseinandersetzung (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG)
mit den für die zurückweisende Entscheidung des Bundesfinanzhofs tragenden Gesichtspunkten (2).
9
1. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers ist mangels Beschwer im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG unzulässig. Der Beschwerdeführer
ist nicht am gerichtlichen Ausgangsverfahren beteiligt gewesen. Die angegriffene Entscheidung des Bundesfinanzhofs, die gemäß
§ 110 FGO grundsätzlich nur die Beteiligten bindet, beeinträchtigt ihn auch nicht mittelbar, da der Gewerbesteuermessbescheid
für die Einkünftequalifikation des Beschwerdeführers keine Bindungswirkung entfaltet (vgl. Selder, in: Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz,
7. Aufl. 2009, § 35b Rn. 2).
10
2. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin ist nicht hinreichend substantiiert begründet (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92
BVerfGG). Der Bundesfinanzhof hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach
§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO vor allem mangels Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen zurückgewiesen. Über die Frage,
ob die Einkünfte der Beschwerdeführerin als Insolvenzverwalter aufgrund der Beschäftigung einer Vielzahl von fachlichen Mitarbeitern
in der Sache als gewerblich oder freiberuflich einzustufen waren, hat der Bundesfinanzhof nicht entschieden. In seinem Beschluss
ging es allein darum, ob diese Frage noch grundsätzliche Bedeutung hatte oder bereits durch die bisherige Rechtsprechung geklärt
war. Dass die Anwendung des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO und damit die Versagung der Zulassung unter Verkennung der gerügten Grundrechte
erfolgt ist, trägt die Beschwerdeführerin nicht vor. Sie behauptet gerade nicht, dass der Bundesfinanzhof unter Verletzung
des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes und in willkürlicher Weise die Klärungsbedürftigkeit und damit die grundsätzliche
Bedeutung der Sache verneint habe. Stattdessen beschränkt sich der Vortrag der Beschwerdeführerin – im Wesentlichen unter
teils wörtlicher Wiederholung ihres Vortrags aus ihrer Nichtzulassungsbeschwerdeschrift – darauf, die Entscheidung in der
Sache, also die Einstufung ihrer Einkünfte als gewerblich, als verfassungswidrig zu bezeichnen und daraus den Grundrechtsverstoß
herzuleiten.
11
Im Übrigen betrifft die Frage, ob die Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Einzelnen als Gewerbebetrieb oder als freiberufliche
Tätigkeit einzuordnen ist, in erster Linie die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts sowie die Auslegung des einfachen
Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall. Diese sind aber allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und
der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Nur bei einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch
die Gerichte kann das Bundesverfassungsgericht auf die Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (stRspr, vgl. bereits BVerfGE
1, 418 und 18, 85 ). Solche Verfassungsrechtsverstöße lässt das in erster Linie auf Verletzungen des allgemeinen
Gleichheitssatzes zielende Vorbringen der Beschwerdeführer auf der Grundlage der Feststellungen des Finanzgerichts auch nicht
erkennen.
12
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
13
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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