Steuerrecht

Rechtsschutzbedürfnis im einstweiligen Rechtsschutzverfahren

Aktenzeichen  M 17 S 16.4302

Datum:
10.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Nach Aufhebung der Anordnung des Sofortvollzugs geht ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ins Leere. Da dem Antragsbegehren damit abgeholfen ist, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis (Parallelentscheidung VG München BeckRS 2016, 55047). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 10.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Untersagung ihrer gewerblichen Sammlung von Alttextilien aus privaten Haushaltungen im Landkreis …
Mit Schreiben vom 27. August 2012, beim Landratsamt … … … (Landratsamt) eingegangen am 29. August 2012, zeigte die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin (Firma … …) eine gewerbliche Sammlung für Altkleider und Altschuhe an. Dabei wurde angegeben, dass die Sammlung mittels Containern flächendeckend erfolge sowie maximal sieben Tonnen pro Monat gesammelt würden. Die Verwertung erfolge über die … … in … und die Müllheizkraftwerk … …. Ein Zertifikat für das Sammeln, Befördern, Handeln und Makeln von Abfällen der … vom …. Juni 2012 und eine Bestätigung der … … vom …. Juni 2012 über die Anlieferung von 900 t Alttextilien pro Jahr durch die Firma … … wurden vorgelegt.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2012 bat das Landratsamt um ergänzende Unterlagen, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die Frist des § 18 Abs. 1 KrWG erst mit vollständiger Vorlage der Unterlagen zu laufen beginne. Mit weiterem Schreiben vom 26. April 2016 bat das Landratsamt die Antragstellerin um Mitteilung bis 30. Mai 2016, ob sie die Anzeige aufrechterhalte. Ansonsten sei für eine abschließende Bearbeitung zwingend die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung darzulegen und eine aktuelle Auflistung der Containerstandorte für den Landkreis vorzulegen. Hierzu nahm die Antragstellerin mit Schreiben vom 23. Mai 2016 Stellung, ohne die geforderten Unterlagen vorzulegen.
Nach Anhörung der Antragstellerin mit Schreiben vom 22. Juli 2016 untersagte das Landratsamt der Antragstellerin mit Bescheid vom 8. September 2016, zugestellt am 12. September 2016, gewerbliche Sammlungen von Abfällen aus privaten Haushaltungen im Landkreis … … … durchzuführen. Die Sammlungen dieser Abfälle sind spätestens eine Woche nach Zustellung dieser Anordnung einzustellen. Für den Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sind die Sammlungen spätestens eine Woche nach Bestandskraft dieser Anordnung einzustellen (I.). Die sofortige Vollziehung wurde hinsichtlich Ziffer I. angeordnet (II.) sowie für den Fall, dass die Antragstellerin dieser Anordnung zuwider handelt, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,- € für jeden Fall der Zuwiderhandlung je Sammeltag angedroht (III.). Der Antragstellerin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt, wobei eine Gebühr von 500,- € und Auslagen in Höhe von 3,45 € festgesetzt wurden (IV.).
Die Antragstellerin sei ihrer Anzeigepflicht nach § 18 KrWG nur unvollständig nachgekommen. Da insbesondere die Verwertungswege nicht ausreichend dargelegt worden seien, habe nicht abschließend geprüft werden können, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG vorlägen, so dass die Voraussetzungen für eine Untersagungsverfügung erfüllt seien.
Ebenfalls am 8. September 2016 erging eine Kostenrechnung über 503,45 €.
Mit Schriftsatz vom 20. September 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am selben Tag, erhob die Antragstellerin gegen den Bescheid und die Kostenrechnung Klage (M 17 K 16.4301) und beantragte gleichzeitig,
die Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung vom 8. September 2016 anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Verletzung der Anzeigepflicht nicht vorliege, da die Anzeige bereits am …. August 2012 erfolgt sei. Auf diese Anzeige sei seitens des Antragsgegners mehr als drei Jahre keine weitere Korrespondenz erfolgt, insbesondere liege das Schreiben vom 17. Oktober 2012 der Antragstellerin nicht vor. Diese habe daher rechtmäßig nach Ablauf der Drei-Monats-Frist mit der Sammlung begonnen und diese Sammlung sei mehr als dreieinhalb Jahre ohne Beanstandung durchgeführt worden. Mit der Einreichung der Anzeige werde zwischen dem Träger der Sammlung und der Behörde ein Verfahrensrechtsverhältnis begründet, das die Behörde gemäß Art. 25 BayVwVfG dazu verpflichte, den Träger unverzüglich auf die Notwendigkeit ergänzender Angaben hinzuweisen und diesen über die zu erbringenden Nachweise zu beraten. Selbst wenn am 17. Oktober 2012 ein Schreiben versandt worden wäre, hätte es dem Antragsgegner oblegen, nachzuhaken. Auch sei der Anwendungsbereich des § 18 KrWG nicht eröffnet, der mit Abschluss des Anzeigeverfahrens durch Aufnahme der Sammlung ende. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut („angezeigte Sammlung“, „vor Durchführung“), der Stellung im Gesetz sowie der Überschrift („Anzeigeverfahren für Sammlungen“). Etwaige Auskünfte bzw. Anordnungen könnten somit nur noch über § 47 bzw. § 62 KrWG gefordert bzw. getroffen werden. Auch lägen Anhaltspunkte dafür, dass hier angesichts der Art der zu verwertenden Abfälle eine zwingende Untersagung wegen fehlender Schadlosigkeit der Verwertung in Betracht komme, nicht vor. Es sei nicht nachvollziehbar, was der Antragsgegner konkret vermisse und nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 2 Nr. 5 KrWG seien „Nachweise“ nicht erforderlich. Der Antragsgegner habe die Schadlosigkeit im Anzeigeverfahren nicht problematisiert. Zu einer Benennung der Standorte der Container sei die Antragstellerin ebenfalls nicht verpflichtet. Es bestehe ein Auskunftsverweigerungsrecht, da sich niemand selbst zu belasten brauche. So verweise § 47 Abs. 5 KrWG auf § 55 StPO. Das Anzeigeverfahren umfasse auch nur Art und Umfang der Sammlung, nicht jedoch die Standorte selbst. Die gegenteilige Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes dürfe, da verfassungswidrig und menschenverachtend, nicht zur Anwendung kommen. Selbst wenn die Antragstellerin ihre Anzeigepflichten unzureichend erfüllt hätte, käme der Erlass einer Untersagungsverfügung nur als ultima ratio in Betracht. Der Behörde stünden zur Durchsetzung der Anzeigepflicht eine Anordnungsbefugnis nach § 62 i. V. m. § 18 Abs. 2 KrWG sowie die Möglichkeit der Verhängung einer Geldbuße nach § 69 KrWG zur Verfügung. Dies sei nicht ernsthaft in Betracht gezogen worden. Eine zutreffende Verhältnismäßigkeitsprüfung und Ermessensentscheidung liege damit nicht vor. Auch die Zwangsgeldandrohung sei rechtswidrig, da diese „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ erfolgen solle, und die Kostenrechnung sei rechtswidrig, weil die Verfügung rechtswidrig sei.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Das Schreiben vom 17. Oktober 2012 sei nicht als unzustellbar zurückgekommen, so dass davon ausgegangen werden könne, dass es den Adressaten erreicht habe. Die Antragstellerin könne sich daher auch nicht darauf berufen, dass die Sammlung nach drei Monaten mangels Nachforderung weitere Angaben habe aufgenommen werden können. Außerdem seien die erforderlichen Angaben in § 18 Abs. 2 KrWG aufgeführt. Die Frist beginne erst bei Vorlage einer vollständigen Anzeige zu laufen, weil erst dann geprüft werden könne, ob die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG vorlägen. Die Antragstellerin sei auch der erneuten Gelegenheit zur Vervollständigung der Anzeige mit Schreiben vom 26. April 2016 nicht nachgekommen. Eine Anordnung gemäß § 62 KrWG sei überflüssig, da schon in § 18 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 4 und 5 KrWG die Darlegung der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung geregelt sei. Die Antragstellerin könne sich auch nicht auf das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen, weil es sich hier um ein verwaltungsrechtliches Verfahren handele und nicht um die Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit.
Die Antragstellerseite wiederholte und vertiefte mit Schreiben vom 13. und 27. Oktober 2016 ihr Vorbringen und führte insbesondere aus, dass eine Behörde grundsätzlich beweisen müsse, dass und zu welchem Zeitpunkt amtliche Schreiben einem Bürger tatsächlich zugegangen seien. Wenn der Antragsgegner bei der Zustellung mit einfachem Brief nicht einmal den Versand vermerke, genüge dies nicht dem Nachweis durch Beweis des ersten Anscheins, wenn sie keine Tatsachen vortrage, aus denen nach allgemeiner Lebenserfahrung geschlossen werden könne, dass der Empfänger den Bescheid tatsächlich erhalten haben müsse. Die Antragstellerin habe daher rechtmäßig nach Ablauf der Frist von drei Monaten nach der Anzeigeerstattung mit der Sammlung begonnen. Im Übrigen hätte es dem Antragsgegner oblegen, nochmals ein Schreiben zu versenden, nachdem das erste Schreiben ohne Resonanz geblieben sei.
In der mündlichen Verhandlung am 10. November 2016 hob der Antragsgegner Nr. II sowie Satz 2 der Nr. III des Bescheids vom 8. September 2016 auf.
Die Klage der Antragstellerin wurde mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 16.4301 sowie auf die vorgelegte Behördenakte und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2016 verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
II.
Der Antrag auf „Aussetzung der sofortigen Vollziehung“, d. h. der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 8. September 2016 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO (vgl. § 88 VwGO), ist bereits unzulässig.
Da der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. II des streitgegenständlichen Bescheids aufgehoben hat, geht der Antrag der Antragstellerin ins Leere. Ihrem Begehren wurde insoweit abgeholfen, so dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung des Gerichts entfallen ist.
Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Streitwert bemisst sich nach § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nrn. 1.5 und 2.4.2 des Streitwertkatalogs.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben