Steuerrecht

Rechtswidrigkeit der Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts wegen Nichtigkeit des Kaufvertrags

Aktenzeichen  M 1 K 16.4356

Datum:
26.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayNatSchG BayNatSchG Art. 39
BGB BGB § 311b Abs. 1
BGB BGB § 125
BGB BGB § 139

 

Leitsatz

1 Die Geltendmachung eines behördlichen Vorkaufsrechts setzt den Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Drittkäufer voraus (ebenso BayVGH BeckRS 2016, 44109). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Beurkundungspflichtig nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB sind nicht nur die Veräußerungs- und die Erwerbspflicht, sondern alle Abreden, aus denen sich nach dem Willen beider Seiten das schuldrechtliche Geschäft zusammensetzt. Dies kann auch die Vereinbarung einer Lieferung von Brennholz auf Lebenszeit sein, wenn sich den Umständen entnehmen lässt, dass die Vertragsparteien diese Abrede zum integralen Bestandteil ihres Rechtsgeschäfts machen wollten. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 23. August 2016 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.
Die Klage ist zulässig. Die einmonatige Frist für die Erhebung der Klage nach Bekanntgabe des angefochtenen Bescheids gemäß § 74 VwGO ist gewahrt. In den Behördenakten findet sich keine Postzustellungsurkunde über die Zustellung des streitgegenständlichen Bescheides an den Kläger, so dass der genaue Zeitpunkt der Zustellung nicht bekannt ist. Das Landratsamt hatte sich zwar für eine Bekanntgabe mittels Zustellung entschlossen (Art. 41 Abs. 5 BayVwVfG, Art. 2 Abs. 3 VwZVG). Nach Art. 9 VwZVG wurde der Zustellungsmangel jedoch geheilt. Dem Schreiben des Klägerbevollmächtigten an das Landratsamt vom 26. August 2016 ist nämlich zu entnehmen, dass der Bescheid spätestens zu diesem Datum in den Händen des Klägers war. Nimmt man dieses Datum als Zustellungszeitpunkt, so ist die am Montag, den … September 2016 erhobene Klage fristgerecht Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 23. August 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Allerdings ist der Bescheid über die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts nicht deswegen rechtswidrig, weil er nicht innerhalb der Zwei-Monats-Frist des Art. 39 Abs. 7 Satz 1 BayNatSchG bekanntgegeben worden wäre. Zwar wurde der vollständige notarielle Kaufvertrag dem Landratsamt vom Notariat bereits am 16. Juni 2016 übersandt. Voraussetzung für den Anlauf der Zwei-Monats-Frist ist aber unter anderem, dass bei einem wie hier nach § 2 des Grundstückverkehrsgesetzes genehmigungspflichtigen Kaufvertrag diese Genehmigung erteilt und dies der zuständigen Behörde auch mitgeteilt worden ist (BayVGH, U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.2015 – juris Rn. 29 mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung). Diese Mitteilung erfolgte an das Landratsamt in Gestalt der unteren Naturschutzbehörde am 29. Juni 2016, so dass die Ausübung des Vorkaufsrechts am 26. August 2016 fristgerecht war.
2. Der Bescheid ist aber rechtswidrig, weil er das Vorkaufsrecht nach Art. 39 BayNatSchG bezüglich eines Grundstückkaufvertrages ausübt, der wegen Verstoßes gegen das Beurkundungserfordernis des § 311b BGB gemäß §§ 125, 139 BGB insgesamt nichtig ist.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Geltendmachung eines Vorkaufsrechts den Abschluss eines rechtsgültigen und vollwirksamen Kaufvertrags zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Drittkäufer voraussetzt; ein nichtiger Kaufvertrag bildet keine Grundlage für die Ausübung des Vorkaufsrechts (so schon BGH, U.v. 9.1.1960 – V ZR 103/58 – juris, Rn. 11; siehe auch BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 14 ZB 15.2071 – juris und BayVGH, B.v. 24.8.2011 – 14 ZB 09.2714 – juris). Eine gleichwohl vorgenommene Ausübung des Vorkaufsrechts ist rechtswidrig und verletzt die aus dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG fließende Verfügungsfreiheit eines Eigentümers darüber, an wen er sein Grundstück verkaufen möchte (zu diesem Recht siehe etwa VG Regensburg, U.v. 29.9.1992 – RO 11 K 91.0599 – juris).
Die Nichtigkeit des Kaufvertrags vom 1. Juni 2016 über das Grundstück des Klägers ergibt sich aus § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung. Nach § 311 Abs. 1 Satz 2 BGB wird ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen. Nach § 125 Satz 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, nichtig. Nach § 139 BGB ist, wenn ein Teil eines Rechtsgeschäftes nichtig ist, das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Der Formzwang nach § 311b Abs. 1 BGB ergreift im Sinne des Vollständigkeitsgrundsatzes den ganzen Vertrag als die Erklärung beider Vertragsteile (Gehrlein in BeckOK BGB, Stand 15.6.2017, § 311b Rn. 20 mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung). Beurkundungspflichtig sind nicht nur die Veräußerungs- und Erwerbspflicht, sondern alle Abreden, aus denen sich nach dem Willen beider Seiten das schuldrechtliche Geschäft zusammensetzt. Das Formgebot gilt umfassend und unterscheidet nicht zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen (Gehrlein aaO.).
Vorliegend ist die vom Kläger und den Beigeladenen zu 1 und 2 getroffene Vereinbarung über die Brennholzlieferung an den Kläger nach dem erkennbaren Willen der Vertragsparteien integraler Bestandteil ihres Rechtsgeschäftes über den Verkauf des Grundstücks und hätte damit gemäß § 311b BGB beurkundet werden müssen. Die Vereinbarung ist Teil der Gegenleistung der Käufer und betrifft sogar deren Hauptleistungspflicht aus dem Kaufvertrag. Der Beigeladene zu 2 hat nachvollziehbar dargelegt, dass das Grundstück ohne diese zur beurkundeten Kaufpreisabrede tretende weitere Gegenleistung nach wirtschaftlicher Betrachtung nicht erlangbar gewesen wäre. Die Vertragsparteien haben in der schriftlichen Vereinbarung außerdem explizit einen Bezug zum Verkauf des Grundstücks hergestellt. Warum die Vertragsparteien diese Nebenabrede in dem nur zwei Tage später folgenden Beurkundungstermin trotz Belehrung der Notarin nicht erwähnt haben, kann dahinstehen. Denn allein aus diesem Unterlassen kann nicht geschlossen werden, dass die Vertragsparteien an dieser Vereinbarung nicht mehr hätten festhalten wollen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die dem Gericht vorgelegte schriftliche Vereinbarung vom 30. Juni 2016 nicht ernsthaft gewollt gewesen oder im Gegensatz zu ihrer Datierung tatsächlich erst im Nachhinein getroffen worden wäre. Es ist nachvollziehbar, wenn sich der bereits im vorgerückten Alter befindliche Kläger die Versorgung seiner Wohnung mit Wärme durch die Abrede einer – womöglich aus dem zu verkaufenden Waldgrundstück zu erfüllenden – Verpflichtung der Käufer über entsprechende Brennholzlieferungen sichern möchte, und diese Sicherung bereits im Vorfeld des notariellen Kaufvertragsschlusses durch eine Vereinbarung festhalten wollte. Die gemäß § 311b BGB beurkundungspflichtige Abrede ist in Ermangelung dieser Form gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. Der Formmangel ist auch nicht ex nunc über § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB durch Auflassung und die Eintragung der Auflassung in das Grundbuch geheilt worden. Das Gericht hat sich durch Einsichtnahme in das Grundbuch davon überzeugt, dass dort noch immer der Kläger als Grundstückseigentümer eingetragen ist. Die Nichtigkeit der Abrede ergreift den gesamten Kaufvertrag, da, wie ausgeführt, der Vertrag nicht ohne diese Abrede geschlossen worden wäre, § 139 BGB.
Als Unterlegener trägt der Beklagte die Kosten des Verfahrens, § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladenen keine eigenen Sachanträge gestellt und sich damit nicht in das Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO begeben haben, entspricht es der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, § 162 Abs. 3 VwGO.


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