Steuerrecht

(Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG)

Aktenzeichen  II R 21/19 (II R 56/15), II R 21/19, II R 56/15

Datum:
21.8.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2019:U.210819.IIR21.19.0
Normen:
§ 6a GrEStG 1997 vom 25.07.2014
§ 1 Abs 3 Nr 4 GrEStG 1997
§ 17 Abs 3 GrEStG 1997
§ 1 Abs 1 Nr 1 UmwG
§ 1 Abs 1 Nr 2 UmwG
§ 1 Abs 1 Nr 3 UmwG
§ 17 Abs 3 S 1 Nr 1 GrEStG 1997
§ 17 Abs 3 S 1 Nr 2 GrEStG 1997
Art 107 Abs 1 AEUV
Spruchkörper:
2. Senat

Leitsatz

1. § 6a GrEStG gilt für alle Rechtsträger i.S. des GrEStG, die wirtschaftlich tätig sind .
2. Die Vorschrift erfasst auch den Fall, dass eine abhängige Gesellschaft durch Abspaltung aus einer anderen abhängigen Gesellschaft neu entsteht .
3. Die in § 6a Satz 4 GrEStG genannten Fristen müssen nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können .
4. Bei der Abspaltung zur Neugründung muss das herrschende Unternehmen fünf Jahre nach der Abspaltung zu mindestens 95 % an der abgespaltenen abhängigen Gesellschaft beteiligt bleiben (Nachbehaltensfrist). Die Vorbehaltensfrist muss in Bezug auf die neu gegründete, abhängige Gesellschaft nicht eingehalten werden, weil sie aufgrund der Abspaltung nicht eingehalten werden kann .
5. Führt die Umwandlung zu einem fiktiven Grundstückserwerb i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG, geht die Zuständigkeit für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG als speziellere Regelung für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG der Anwendung des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG vor .

Verfahrensgang

vorgehend FG Düsseldorf, 4. November 2015, Az: 7 K 1553/15 GE, Urteilvorgehend BFH, 18. Juli 2017, Az: II R 56/15, Beschluss

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 04.11.2015 – 7 K 1553/15 GE wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Der Tenor des Urteils des Finanzgerichts Düsseldorf vom 04.11.2015 – 7 K 1553/15 GE wird nach § 107 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung dahingehend berichtigt, dass nicht nur der Änderungsbescheid vom 07.09.2015, sondern zugleich der angefochtene Bescheid vom 05.12.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.04.2015 aufgehoben wird.

Tatbestand

I.
1
Bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) handelt es sich um eine durch Abspaltung von der A-GmbH neugegründete Kapitalgesellschaft mit Sitz in Österreich. Sie wurde am 23.07.2014 in das österreichische Firmenbuch eingetragen. Sämtliche Anteile an der A-GmbH hielt seit mehr als fünf Jahren vor dem Abspaltungsvorgang die ebenfalls in Österreich ansässige AG. Die Anteile an der Klägerin hält nach der Abspaltung ebenfalls zu 100 % die AG. Die A-GmbH hielt 100 % der Anteile an einer in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässigen GmbH (B-GmbH), die wiederum 100 % der Anteile an einer weiteren in Deutschland ansässigen GmbH (C-GmbH) hielt. Sowohl die B-GmbH als auch die C-GmbH verfügen über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte in verschiedenen Gemeinden in Deutschland. Durch die Abspaltung sind die Anteile der A-GmbH an der B-GmbH auf die neugegründete Klägerin übergegangen.
2
Am 04.08.2014 zeigte die Klägerin einen steuerbaren Vorgang der Abspaltung i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) bei dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) an und beantragte die Anwendung des § 6a GrEStG. Das FA stellte mit Bescheid vom 05.12.2014 die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer gemäß § 17 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG gesondert fest, ohne die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG zu berücksichtigen. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 22.04.2015 als unbegründet zurück. Die Abspaltung nach österreichischem Recht entspreche zwar einer Abspaltung nach deutschem Umwandlungsgesetz (UmwG). Die Klägerin erfülle jedoch nicht die nach § 6a Satz 4 GrEStG erforderliche Vorbehaltensfrist.
3
Die Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) ist die AG als herrschendes Unternehmen zwar nicht an der Abspaltung beteiligt gewesen. Ausreichend sei jedoch, dass daran ausschließlich von der AG abhängige Gesellschaften beteiligt gewesen seien. Die Nichteinhaltung der Vorbehaltensfrist in Bezug auf die neu gegründete Klägerin sei unerheblich. Aus dem Zweck des Gesetzes folge, dass bei einer Umwandlung durch Neugründung einer Gesellschaft die Vorschrift einschränkend ausgelegt werden müsse. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 142 veröffentlicht.
4
Dagegen richtet sich die Revision des FA. Es rügt die Anwendung des § 6a GrEStG. Umwandlungsvorgänge wie der im Streitfall, bei dem die abhängige Gesellschaft durch den Umwandlungsvorgang neu entstehe, seien vom Zweck der Norm nicht erfasst.
5
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
7
Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Es stellt keinen Antrag.
8
Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 18.07.2017 – II R 56/15 im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen vom 30.05.2017 – II R 62/14 (BFHE 257, 381, BStBl II 2017, 916) ausgesetzt. Das Verfahren wird nach Ergehen des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im Verfahren A-Brauerei vom 19.12.2018 – C-374/17 (EU:C:2018:1024) fortgeführt.


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