Steuerrecht

Steuerliche Behandlung von Einbringung

Aktenzeichen  6 K 1311/18

Datum:
20.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 50867
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
KStG § 27, § 28, § 38
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
UmwStG § 1 Abs. 5 Nr. 4, § 20 Abs. 2 S. 2
HGB § 272 Abs. 2 Nr. 4

 

Leitsatz

Bei einer Einbringung nach § 20 Abs. 1 UmwStG (Sacheinlage) entspricht der Wertansatz der eingebrachten Wirtschaftsgüter in der Regel nicht dem Nennwert der ausgegebenen Anteile (Stimpel in Rödder/Herlinghaus/Neumann, Körperschaftsteuergesetz, 1. Auflage 2015, § 27 Rn 53). Soweit der übersteigende Wertansatz von der aufnehmenden Kapitalgesellschaft in die Kapitalrücklagen eingestellt wird, kommt es zu einem Zugang beim steuerlichen Einlagekonto im Wirtschaftsjahr der Sacheinlage (BMF v. 4.6.2003 – IV A 2 – S. 2836 – 2/03, BStBl. I 2003, 366 Rz. 6 u. 27). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 18. Januar 2010 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb einer physiotherapeutischen Praxis und die Zusammenarbeit mit anderen Gesellschaften zum Zweck eines medizinischen Laborbetriebs. Das Stammkapital betrug zum Zeitpunkt der Gründung der Klägerin 25.000 €. In der Eröffnungsbilanz zum 18. Januar 2010 stand diesem Stammkapital auf der Aktivseite ein Bankguthaben in Höhe von 25.000 € gegenüber. Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Klägerin war in den Streitjahren 2010 bis 2012 Frau S. S war zudem bis zum 30. März 2010 Gesellschafterin der … L. … GbR, (nachfolgend: L. GbR) zu 25%. Mit notariellem Vertrag vom 25. März 2010 brachte S ihre Beteiligung in Höhe von 25% an der L. GbR in die Klägerin ein. Das Stammkapital der Klägerin wurde um 100,00 € auf 25.100,00 € erhöht.
Die Regelungen des notariellen Vertrags vom 25. März 2010 lauten auszugsweise wie folgt:
„I. Einbringung/Sacheinbringung
1. Frau S erbringt ihre Einlage in der Weise, dass sie ihre GbR-Beteiligung in Höhe von 25% an der … L. … GbR mit allen Aktiva und Passiva gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten unter Fortführung der steuerlichen Buchwerte in die A. … GmbH einbringt. Hinsichtlich der Werthaltigkeit der Beteiligung an der … L. … GbR incl. des Kapitalerhöhungsbetrags von EUR 100,- wird auf die Anlage 1 (Jahresabschluss der … Labor .. GbR) verwiesen. …
2. Die Einbringung erfolgt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG zum Buchwert mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1.4.2010, 0.00 Uhr, (im folgenden auch Einbringungszeitpunkt) gemäß den Modalitäten unter Abschnitt II. gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. …
II. Weitere Einbringungsmodalitäten
1. Der Einbringung wird zunächst der steuerliche Jahresabschluss der … L. … GbR zum 31.12.2008, der der Anlage 1 zu entnehmen ist, zugrunde gelegt. … Der Saldo zwischen dem Wert des eingebrachten Vermögens und dem Kapitalerhöhungsbetrag in Höhe von EUR 100,- wird bei der GmbH in die Kapitalrücklage eingestellt.
2. Maßgebliche Grundlage der Einbringung ist im Übrigen die noch aufzustellende Einbringungsbilanz zum Einbringungszeitpunkt. …“
Auf den notariellen Vertrag vom 25. März 2010 einschließlich Anlage wird verwiesen.
Am 5. April 2012 reichte die Klägerin die Steuererklärungen 2010 einschließlich Jahresabschluss zum 31. Dezember 2010 bei dem Beklagten, dem Finanzamt (FA) ein. In der Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz – KStG -) erklärte die Klägerin in der Zeile 5 beim Steuerlichen Einlagekonto einen Betrag in Höhe von 0 €. In der Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember 2010 wurde eine Kapitalrücklage in Höhe von 1.073.611,72 € angegeben. Der erzielte Jahresfehlbetrag betrug 46.654,30 €. Im Anlagevermögen wies die Bilanz eine Finanzanlage in Höhe von 6.250,- € aus, im Umlaufvermögen eine Forderung in Höhe von 1.009.872 €. Die Finanzanlage beruhte auf einer GmbH-Beteiligung.
In der Erläuterung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2010 wurde u.a. folgendes ausgeführt:
„1. Gesellschaftsrechtliche Situation

Mit Urkunde der Notare … URNr. … vom 25.03.2010 wurde das Stammkapital erhöht um € 100,- auf € 25.100,-…
3. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände
Die Gesellschafterin/Geschäftsführerin Frau S war bis 30.03.2010 Gesellschafterin der … L. GbR. Mit Vertrag Nr. … des Notars … in … vom 25.03.2010 brachte Frau S gemäß § 20 UmwStG den vorgenannten Gesellschaftsanteil ein in die A. … GmbH. Zu diesem Zeitpunkt bezifferte sich das Eigenkapital der Frau S in der Labor..,. GbR lt. Bilanz auf € 1.073.711,72. Hiervon wurde ein Anteil von € 100,- verwandt zur Erhöhung des Stammkapitals gemäß Ziff. 1.“
Das FA veranlagte erklärungsgemäß und stellte das steuerliche Einlagekonto zum 31. Dezember 2010 mit Bescheid vom 11. Mai 2012 mit 0 € fest. Nach Eintritt der Bestandskraft wurde der Bescheid zum 31. Dezember 2010 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG mit Bescheiden vom 29. Oktober 2012 und vom 5. August 2014 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geändert. Das steuerliche Einlagekonto wurde weiterhin mit 0 € festgestellt.
Mit nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheiden zum 31. Dezember 2011 und zum 31. Dezember 2012 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG, jeweils vom 5. August 2014, wurde das steuerliche Einlagekonto ebenfalls mit 0 € festgestellt. Die Feststellungsbescheide zum 31. Dezember 2011 und zum 31. Dezember 2012 stehen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Gegen die Feststellungsbescheide zum 31. Dezember 2010, 31. Dezember 2011 und 31. Dezember 2012 vom 5. August 2014 erhob die Klägerin Einspruch. Mit Schreiben vom 4. Februar 2015 beantragte die Klägerin die Berichtigung des Bescheids zum 31. Dezember 2010 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG gemäß § 129 AO. Das steuerliche Einlagekonto sei mit diesem Bescheid mit 0 € festgestellt worden. Im Zusammenhang mit den eingereichten Anlagen hätte der Betrag jedoch offensichtlich mit 1.073.611,72 € festgestellt werden müssen. Den Antrag auf Berichtigung lehnte das FA mit Bescheid vom 9. Februar 2015 ab. Hiergegen legte die Klägerin ebenfalls Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 4. April 2018 verwarf das FA den Einspruch gegen den Bescheid zum 31. Dezember 2010 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG als unzulässig. Die übrigen Einsprüche wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Der Feststellungsbescheid vom 31. Dezember 2010 sei offenbar unrichtig. Die Unrichtigkeit ergebe sich aus der Nichterfassung des Betrags von 1.073.611,72 € im steuerlichen Einlagekonto, da dieser wie im Einbringungsvertrag vorgesehen und daraufhin im Jahresabschluss dokumentiert, in die Rücklagen der Klägerin eingestellt worden sei und damit im steuerlichen Einlagekonto hätte erfasst werden müssen. Es handle sich um eine „ähnliche“ offenbare Unrichtigkeit im Sinne des Tatbestands des § 129 Abs. 1 AO, da es sich um einen dem Schreib- oder Rechenfehler ähnlichen mechanischen Fehler handele. Die Unrichtigkeit sei auch offenbar gewesen, da der Fehler „durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist“ und „bei Offenlegung des Sachverhalts für einen unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als Unrichtigkeit erkannt werden konnte“. Unter Heranziehung des Einbringungsvertrags vom 25. März 2010 und des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2010 inklusive beiliegender detaillierter Dokumentation des Sachverhalts, die als Anlage zum Erklärungsformular an das FA übersendet worden sei, sei die Unrichtigkeit des Feststellungsbescheids klar erkennbar. Diese Dokumente stellten unmissverständlich dar, dass mit Wirkung zum 1. April 2010 der ursprüngliche Anteil von S von 25% an der L. GbR, im Rahmen einer Erhöhung des Stammkapitals der Klägerin um 100 €, in die Klägerin eingebracht und der darüber hinausgehende Saldo von 1.073.611,72 € in die Kapitalrücklagen eingestellt worden sei. Im Erklärungsformular sei dann versehentlich das steuerliche Einlagekonto mit „0“ ausgewiesen worden. Dieser Fehler sei vom FA gemäß § 129 AO fehlerhaft übernommen worden. Dies werde auch dadurch unterstrichen, dass der Bescheid nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sei. Dies zeige, dass auch dem zuständigen Finanzbeamten, welcher den Fall damals bearbeitet habe, der Sachverhalt klar gewesen sei und folglich keine weiteren Rechtsauffassungen in Betracht gezogen worden seien. Fragen zu den eingereichten Steuererklärungen 2010 seien vom FA nicht gestellt worden.
Zwar könnten sich Kapitalrücklagen eines Unternehmens auch in anderer Weise verändern oder ergeben als nur durch die hier beschriebene Sacheinbringung. Die Klägerin sei aber erst im Jahr 2010 gegründet worden und habe zudem im Jahr 2010 ihr erstes Jahresergebnis mit einem Jahresfehlbetrag von rund 46.650 € ausgewiesen. Eine Umwandlung von Gewinnvorträgen sowie Altfälle im Sinne eines Übergangs auf das neue Körperschaftsteuerrecht seien folglich hier ausgeschlossen. Aufgrund der mitgelieferten Unterlagen (Einbringungsvertrag und Jahresabschluss samt Dokumentation) habe gerade kein Fehler in der Tatsachenwürdigung oder der Rechtsanwendung bestanden, da es bei der vorliegenden Sachlage keine andere korrekte Möglichkeit gebe, die Einlage in die Kapitalrücklagen anders zu berücksichtigen als im steuerlichen Einlagekonto.
Es bestehe ein berechtigtes Interesse der Klägerin hinsichtlich der Berichtigung, da im Falle einer späteren Auskehrung steuerbare Einkünfte beim Anteilseigner vorlägen. Darüber hinaus werde auf die Urteile des Finanzgerichts (FG) Köln vom 7. April 2016 13 K 37/15, EFG 2016, 980 und vom 6. März 2012 13 K 1250/10, EFG 2014, 417, des FG Münster vom 13. Oktober 2017 13 K 3113/16 F, EFG 2018, 11 und des FG Berlin-Brandenburg vom 13. Oktober 2016 10 K 10320/15, EFG 2017, 231 verwiesen. In diesen dem Streitfall vergleichbaren Fällen sei zugunsten eines Berichtigungsanspruchs entschieden worden.
Auf den Schriftsatz der Klägerin vom 26. Juli 2018 einschließlich Anlagen wird verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
1. das Finanzamt unter Änderung des Bescheids vom 5. August 2014 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 KStG in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4 . April 2018 zu verpflichten, das steuerliche Einlagekonto zum 31. Dezember 2010 in Höhe von 1.073.611,72 € festzustellen und sodann unter Änderung der Feststellungsbescheide vom 5. August 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. April 2018 die sich hieraus ergebenden Folgeänderungen bei den Feststellungen zum 31. Dezember 2011 und zum 31. Dezember 2012 vorzunehmen,
2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es vollumfänglich auf die Einspruchsentscheidung vom 4. April 2018. Auf den Schriftsatz des FA vom 8. August 2018 wird verwiesen.
Auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
Aus einem handschriftlichen Vermerk eines Sachbearbeiters des FA auf Blatt 6 des Jahresabschlusses der Klägerin zum 31. Dezember 2010 in der Bilanzakte ergibt sich, dass die Klägerin laut einer Mitteilung vom 19. Oktober 2012 Einkünfte aus der Beteiligung an der L. GbR in Höhe von 1.500 € bezog.
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Die Voraussetzungen einer Berichtigung des Bescheids zum 31. Dezember 2010 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG nach § 129 AO liegen nicht vor. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO).
a) Die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO setzt grundsätzlich voraus, dass die offenbare Unrichtigkeit in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 16. September 2015 IX R 37/14, BStBl II 2015, 1040, Rz 17). Da die Unrichtigkeit aber nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn das FA offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (z.B. BFH-Urteil vom 03. Mai 2017 X R 4/16, BFH/NV 2017, 1415, Rz 13, m.w.N.).
Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden (BFH-Urteil vom 26. Mai 2020 IX R 30/19, DStR 2020, 2247, Rz 30, 31).
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Unrichtigkeit dann offenbar, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, s. z.B. BFH-Urteile vom 4. Juni 2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801, Rz 13 und vom 26. Oktober 2016 X R 1/14, BFH/NV 2017, 257, Rz 17). Auf die Erkennbarkeit für den zuständigen Bearbeiter des Finanzamts kommt es demgegenüber nicht an (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2016 X R 1/14, BFH/NV 2017, 257). Da eine objektivierte Sicht zugrunde gelegt wird, ist bei dem (fiktiven) unvoreingenommenen Dritten zunächst der Akteninhalt – Steuererklärung, deren Anlagen sowie die Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr – als bekannt vorauszusetzen. Dies findet seine Begründung darin, dass eine Anknüpfung an aktenkundige Umstände bei objektiver Betrachtungsweise regelmäßig besonders nahe liegt (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2016 X R 1/14, BFH/NV 2017, 257).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FA die Voraussetzungen einer Änderung nach § 129 AO wegen einer offenbaren Unrichtigkeit zu Recht verneint. Im Streitfall besteht die ernsthafte Möglichkeit einer mangelnden Sachverhaltsaufklärung und der unzutreffenden Anwendung der Rechtsnormen des § 20 Umwandlungsteuergesetz in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UmwStG) und des § 27 KStG.
aa) Der zuständige Sachbearbeiter des FA hat im Streitfall nicht geprüft, ob die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbringung der GbR-Beteiligung von S in die Klägerin zu Buchwerten gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG im Streitfall vorlagen.
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG hat die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem gemeinen Wert anzusetzen; für die Bewertung von Pensionsrückstellungen gilt § 6a des Einkommensteuergesetzes. Abweichend von Satz 1 kann das übernommene Betriebsvermögen auf Antrag einheitlich mit dem Buchwert oder einem höheren Wert, höchstens jedoch mit dem Wert im Sinne des Satzes 1, angesetzt werden, soweit
1. sichergestellt ist, dass es später bei der übernehmenden Körperschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegt,
2. die Passivposten des eingebrachten Betriebsvermögens die Aktivposten nicht übersteigen; dabei ist das Eigenkapital nicht zu berücksichtigen,
3. Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.
Danach hat die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Nur ausnahmsweise kommt bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG eine Bewertung des übernommenen Vermögens zum Buchwert oder einem Zwischenwert in Betracht. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Bewertungsausnahme nicht vor oder ist schon kein abweichender Bewertungsantrag gestellt, so greift zwingend der in Satz 1 verankerte Bewertungsgrundsatz und ist der gemeine Wert auf den Zeitpunkt der Sacheinlage zu ermitteln (Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rn. 240).
Nach dem notariellen Vertrag vom 25. März 2010 sollte die Einbringung der GbR-Beteiligung von S im Streitfall gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG zum Buchwert erfolgen. Aus den Akten ist indes nicht ersichtlich, dass von Seiten des zuständigen Sachbearbeiters des FA geprüft worden wäre, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG gegeben sind. Dies war nicht offensichtlich, da in der Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember 2010 im Anlagevermögen eine Beteiligung an einer L. GbR nicht aktiviert war und aus der bloßen Aktivierung einer Forderung weder korrekte Einlagebuchungen noch die tatsächliche Erbringung einer Einlage offensichtlich hervorgeht. Nähere Erläuterungen im Jahresabschluss fehlen.
bb) Der zuständige Sachbearbeiter des FA hat im Streitfall ferner nicht geprüft, in welcher Höhe infolge des Einbringungsvorgangs ggf. ein Zugang beim steuerlichen Einlagekonto der Klägerin zu erfassen gewesen wäre. Der zutreffende Wert ergibt sich – anders als die Klägerin meint – auch nicht aus den dem FA vorliegenden Akten.
(1) Nach § 1 Abs. 5 Nr. 4 UmwStG ist Buchwert der Wert, der sich nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung in einer für den steuerlichen Übertragungsstichtag aufzustellenden Steuerbilanz ergibt oder ergäbe. Bei der Einbringung eines Mitunternehmeranteils ist hinsichtlich des Buchwerts auf das Kapital des betroffenen Mitunternehmers in der Gesamthandsbilanz zzgl. eines positiven bzw. abzgl. eines negativen Ergänzungskapitals sowie unter Berücksichtigung eines Kapitals aus einer Sonderbilanz abzustellen (Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, § 20 UmwStG Rn. 360).
Das steuerliche Einlagekonto ist ein steuerliches Konto außerhalb der handelsrechtlichen Buchführung (Bauschatz in Gosch, Körperschaftsteuergesetz, 4. Auflage, § 27 Rn. 40). Es kommt zu einer Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos, soweit im Wirtschaftsjahr entsprechende Einlagen geleistet worden sind. Maßgebend ist, ob eine Leistung des Gesellschafters nach den Wertungen des Steuerrechts als Einlage zu qualifizieren ist. Es besteht insoweit eine Abkoppelung von der Handelsbilanz, in der die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen in der Bilanzposition „Kapitalrücklage“ (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) abgebildet werden (Stimpel in Rödder/Herlinghaus/Neumann, Körperschaftsteuergesetz, 1. Auflage 2015, § 27 Rn. 52; Bauschatz in Gosch, Körperschaftsteuergesetz, 4. Auflage, § 27 Rn. 40).
Bei einer Einbringung nach § 20 Abs. 1 UmwStG (Sacheinlage) entspricht der Wertansatz der eingebrachten Wirtschaftsgüter – wie im Streitfall – in der Regel nicht dem Nennwert der ausgegebenen Anteile (Stimpel in Rödder/Herlinghaus/Neumann, Körperschaftsteuergesetz, 1. Auflage 2015, § 27 Rn 53). Soweit der übersteigende Wertansatz von der aufnehmenden Kapitalgesellschaft in die Kapitalrücklagen eingestellt wird, kommt es zu einem Zugang beim steuerlichen Einlagekonto im Wirtschaftsjahr der Sacheinlage (BMF v. 4.6.2003 – IV A 2 – S. 2836 – 2/03, BStBl. I 2003, 366 Rz. 6 u. 27).
(2) Im Streitfall war dem notariellen Einbringungsvertrag vom 25. März 2010 lediglich der Jahresabschluss der L. GbR zum 31. Dezember 2008 beigefügt. Nach dem Einbringungsvertrag sollte im Übrigen „die noch aufzustellende Einbringungsbilanz zum Einbringungszeitpunkt (1. April 2010)“ maßgeblich sein (II.2. des Einbringungsvertrags). Diese befindet sich jedoch nicht in den Akten und wurde vom FA nicht angefordert.
Nach den Umständen des Streitfalls ist mithin bei der Feststellung des steuerlichen Einlagekontos kein mechanischer Fehler unterlaufen. Im Rahmen der Feststellung des steuerlichen Einlagekontos hätte vielmehr insbesondere der Sachverhalt weiter aufgeklärt werden müssen. Auch eine unzutreffende Anwendung von § 20 UmwStG und § 27 KStG ist im Streitfall nicht auszuschließen. Der Streitfall unterscheidet sich insoweit wesentlich von den Sachverhalten, die den von der Klägerin zitierten Entscheidungen der Finanzgerichte (Urteile des FG Köln vom 7. April 2016 13 K 37/15, EFG 2016, 980 und vom 6. März 2012 13 K 1250/10, EFG 2014, 417, des FG Münster vom 13. Oktober 2017 13 K 3113/16 F, EFG 2018, 11 und des FG Berlin-Brandenburg vom 13. Oktober 2016 10 K 10320/15, EFG 2017, 231) zugrunde liegen.
2. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Dezember 2010 ist auch nicht nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 172 ff. AO zu ändern. Insbesondere liegen die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide zugunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern, soweit nachträglich Tatsachen oder Beweismittel bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekanntwerden.
Vorliegend trifft den steuerlichen Berater der Klägerin ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen, da er in der Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Dezember 2010 den Wert 0 € angegeben hat.
3. Den Einspruch gegen den nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid vom 5. August 2014 über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum
31. Dezember 2010 hat das FA zu Recht als unzulässig verworfen. Der Bescheid vom 11. Mai 2012 über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Dezember 2010 war bereits bestandskräftig und konnte gemäß § 351 Abs. 1 AO nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung nach § 175 AO reichte.
4. Da der Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Dezember 2010 Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt ist (§ 27 Abs. 2 Satz 2 KStG), sind auch die Bescheide über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Dezember 2011 und 2012 nicht zu beanstanden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
6. Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.


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