Steuerrecht

Straßenausbaubeitrag, Vorauszahlung, Artzuschlag, Überwiegende gewerbliche Nutzung (verneint)

Aktenzeichen  B 4 K 19.10

Datum:
19.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51662
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 1 S. 1
KAG Art. 5 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 14. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 3. Dezember 2018 wird aufgehoben, soweit eine höhere Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag als 1.444,13 EUR festgesetzt worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Bescheid der Beklagten vom 14.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 03.12.2018 aufzuheben, soweit eine höhere Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag als 1.444,13 EUR festgesetzt worden ist. In dem diesen Betrag übersteigenden Umfang ist die Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt. Im Umfang von 19,33 EUR ist die Klage abzuweisen, weil der Bescheid insoweit rechtmäßig ist.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG kann die Beklagte auf Grund einer besonderen Abgabesatzung zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen sollen gemäß dem zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses geltenden Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG solche Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a KAG zu erheben sind (Art. 19 Abs. 7 Satz 1 KAG). Für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, können gemäß Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG Vorauszahlungen auf den Beitrag verlangt werden, wenn mit der Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung der Einrichtung begonnen worden ist.
Demgemäß war die Beklagte auf Grund ihrer Ausbaubeitragssatzung vom 14.01.2002 (ABS) dem Grunde nach berechtigt, für die Erneuerung der Teileinrichtungen der Ortsdurchfahrt der Bundesstraße … nach Maßnahmenbeginn Vorauszahlungen auf den Straßenausbaubeitrag zu verlangen.
Gemäß Art. 5 Abs. 2 Sätze 1 und 2 KAG, § 8 Abs. 2 ABS wird in einem Abrechnungsgebiet mit unterschiedlicher baulicher oder sonstiger Nutzung der umlagefähige Aufwand auf die beitragspflichtigen Grundstücke nach den Grundstücksflächen, vervielfacht mit einem von der zulässigen Geschosszahl abhängigen Nutzungsfaktor, verteilt. Für Grundstücke, die überwiegend gewerblich genutzt werden oder genutzt werden dürfen, ist gemäß § 8 Abs. 10 ABS der Nutzungsfaktor um 50% zu erhöhen. Von einem „Überwiegen“ der gewerblichen Nutzung ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen, wenn ein Grundstück zu mehr als 50% in dieser Weise genutzt wird (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, § 18, Rn. 63).
Lässt die Gebietsstruktur – wie im streitgegenständlichen Abrechnungsgebiet – sowohl eine überwiegend gewerbliche als auch eine überwiegende Wohnnutzung zu, bleiben bei dem Geschossflächenvergleich, auf Grund dessen zu bestimmen ist, ob ein Grundstück überwiegend gewerblich genutzt wird oder genutzt werden darf, solche Geschossflächen außer Betracht, deren frühere Nutzung im Zeitpunkt des Bescheidserlasses endgültig aufgegeben worden ist, ohne dass eine neue Nutzung eingesetzt hat (BayVGH, Urteil vom 08.03.2001 – 6 B 98.2837, juris Rn. 19; Beschluss vom 04.11.2014 – 6 CS 14.1469, juris Rn. 16; Beschluss vom 18.05.2016 – 6 ZB 15.2785, juris Rn. 23).
Auf dieser Grundlage gelangt die Kammer nach Durchführung der mündlichen Verhandlung zu der Ansicht, dass das Grundstück des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt nicht überwiegend gewerblich genutzt und damit zu Unrecht ein Gewerbezuschlag erhoben wurde.
Es kann offenbleiben, ob für die Bestimmung der Nutzungsverhältnisse auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Vorauszahlungsbescheides (so OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.10.2003, juris, Rn. 9; Driehaus, a.a.O., § 21, Rn. 27) oder auf den Erlass der letzten Behördenentscheidung (so BayVGH, Urteil vom 01.06.2011, Az. 6 BV 10.2467, juris, Rn. 32) abzustellen ist, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich zwischen dem Erlass des Ausgangsbescheids vom 14.04.2015 und dem Erlass des Widerspruchsbescheids vom 03.12.2018 an der Nutzung des klägerischen Grundstücks etwas Relevantes geändert hat.
Nachdem die Beklagte es versäumt hat, zeitgerecht Feststellungen vor Ort zu treffen – zumindest nach Vorlage der Widerspruchsbegründung hätte sich ein einvernehmlicher Besichtigungstermin mit dem Kläger wohl finden lassen – konnte sich die Kammer über die Nutzungsverhältnisse im Jahr 2015 nur anhand der Aktenlage und der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung eine Überzeugung bilden.
Die Widerspruchsbehörde ist in ihrer Entscheidung von einer maßgeblichen Gesamtgeschossfläche des Grundstücks von 333,39 qm mit einem gewerblichen Anteil von 180,80 qm (= 54,23%) ausgegangen, also einem nur geringfügigen Überwiegen der gewerblichen Geschossflächen. Dem hat die Beklagte nicht widersprochen. Der Wegfall einer gewerblichen Nutzfläche von nur 15 qm führt damit bereits zu einem Unterschreiten der 50%-Schwelle.
Hinsichtlich der beiden Garagen mit einer Fläche von 29,70 qm hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass diese noch nie gewerblich genutzt worden seien. In dem bei den Akten befindlichen Baugenehmigungsplan für die Nutzungsänderung 2008 sind die Garagen als „bestehende Garagen“ ohne den Zusatz „privat“ oder „gewerblich“ eingetragen, so dass sich aus dem Plan keine Schlussfolgerung in die eine oder andere Richtung ziehen lässt. Da weder bei dem Betrieb einer Tankstelle, noch bei dem Betrieb einer SB-Waschhalle oder einem Stehcafé Garagen für die Kunden benötigt werden, ist die Aussage des Klägers, er und seine Ehefrau hätten die Garagen für ihre privaten Fahrzeuge benutzt, nicht von der Hand zu weisen. Die Vermutung, die Garagen könnten als Lager für den gewerblichen Reifenhandel des Klägers genutzt worden sein, hat sich nicht bestätigt, da der Kläger nachvollziehbar angibt, die von seinen Kunden bestellten Reifen seien von der Firma immer direkt an die Kundenadressen geliefert worden; er habe nie Reifen auf Lager gehabt. Das über den Garagen angebrachte Schild „…“ diene laut seiner Aussage lediglich als Werbung für die Reifenfirma, bei der er beschäftigt sei.
Die Kammer ist nach alledem zu der Ansicht gelangt, dass die Garagen der privaten Nutzung zuzurechnen sind. Das führt zu einer Reduzierung des gewerblichen Anteils an den Geschossflächen auf 151,10 qm (= 45,32%) und zum Überwiegen der privaten Nutzung.
Für die streitgegenständliche Entscheidung kommt es folglich nicht mehr darauf an, ob die SB-Waschhalle mit einer Fläche von 42,47 qm zum maßgeblichen Zeitpunkt noch in Betrieb war. Es spricht jedoch Vieles dafür, dass dieser Raum 2015 bereits ausschließlich privat genutzt wurde. Der Kläger hat hierzu ausgeführt, dass er zum Zeitpunkt der Errichtung des Stehcafés im Jahr 2008 noch die Vorstellung gehabt habe, die SB-Waschhalle weiter gewerblich nutzen zu können. Es habe sich um einen Selbstwaschplatz mit Dampfstrahler gehandelt. Damals habe das Stehcafé auch als Treff für Motorradfahrer gedient. Mangels Kundschaft sei die Waschhalle aber ca. 2009 letztmalig in Betrieb gewesen. Im maßgeblichen Zeitraum 2015 habe er die Halle als Garage für seine beiden eigenen Motorräder sowie zur Lagerung von Gartenmöbeln und zur Überwinterung der Balkonpflanzen genutzt.
Diese Angaben erscheinen der Kammer glaubhaft. Zwar trifft es zu, dass der Kläger in seinem Internetauftritt für das Stehcafé „…“ immer noch die SB-Waschhalle aufgeführt hat und sich über dem Hallentor auch noch das entsprechende Schild befindet. Hinsichtlich der Werbeschilder gab der Kläger an, er habe sie beibehalten, weil er den Charakter der Tankstelle für das Stehcafé aufrechterhalten wollte. Dies lässt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Fotos anschaulich nachvollziehen.
Wie die Widerspruchsbehörde zu Recht ausgeführt hat, kommt es auf die Eintragung der SB-Waschhalle im Gewerberegister nicht an, da die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse maßgebend sind. Die vom Kläger vorgelegten Gewinnermittlungen 2014 und 2015 für das Stehcafé (Bistro und Shop) können zwar nicht als Beweis, aber doch als Indiz dafür herangezogen werden, dass eine gewerbliche Nutzung der SB-Waschhalle nicht erfolgt ist. Die geringen Energie- und Wasserkosten für das Stehcafé und das Fehlen jeglicher Betriebsausgaben für Reinigungsmittel u. ä. lassen nicht auf den zusätzlichen Betrieb einer Waschhalle schließen.
Somit entfällt der Nutzungszuschlag für das Grundstück des Klägers. Die der Beitragsabrechnung zugrunde zu legende Fläche reduziert sich um 356,20 qm. Der Beitragssatz erhöht sich laut Vergleichsberechnung der Beklagten geringfügig von 2,00 EUR/qm auf 2,0271 EUR/qm. Für das Grundstück des Klägers beträgt der Ausbaubeitrag nun 1,444,13 EUR (statt wie vom Kläger anerkannt 1.424,80 EUR).
Damit war dem Klageantrag bis auf einen geringfügigen Betrag von 19,33 EUR stattzugeben.
2. Die Beklagte hat als weit überwiegend unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Das geringfügige Unterliegen des Klägers fällt für die Entscheidung über die Kostentragungspflicht nicht ins Gewicht (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Die Vollstreckungsentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.


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