Steuerrecht

Umsatzbesteuerung eines “räuberischen” Aktionärs; Anforderungen an die Entscheidungsgründe eines finanzgerichtlichen Urteils

Aktenzeichen  XI B 69/20

Datum:
23.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:B.230321.XIB69.20.0
Normen:
§ 1 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 2005
§ 10 UStG 2005
§ 13 UStG 2005
§ 16 UStG 2005
§ 76 Abs 1 S 1 FGO
§ 96 FGO
§ 105 Abs 2 Nr 5 FGO
§ 115 Abs 2 Nr 3 FGO
§ 119 Nr 6 FGO
UStG VZ 2007
UStG VZ 2008
UStG VZ 2009
Spruchkörper:
11. Senat

Leitsatz

NV: Ist aus dem Inhalt des klageabweisenden finanzgerichtlichen Urteils, das keine explizite Aussage enthält, dass die Höhe der festgesetzten Steuer nicht zu beanstanden ist, eindeutig zu schließen, dass das Gericht auch die im Klageverfahren “unstreitige” Höhe der festgesetzten Steuer von Amts wegen tatsächlich und rechtlich überprüft hat, liegt ein Verfahrensfehler (“fehlende Urteilsbegründung”) nicht vor.

Verfahrensgang

vorgehend FG Köln, 26. August 2020, Az: 9 K 602/16, Urteil

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26.08.2020 – 9 K 602/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, hielt Anteile an einer Vielzahl von börsennotierten AGs.
2
Die Klägerin erhob (neben anderen Anteilseignern) gegen mehrere Hauptversammlungsbeschlüsse von AGs, an denen sie beteiligt war, Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklagen, die in den Jahren 2007 bis 2009 (Streitjahre) durch Abschluss von Vergleichen einvernehmlich beendet wurden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurde dabei –neben einer Erhöhung des Umtauschwerts bzw. Vereinbarung einer Ausgleichszahlung– zwischen der Klägerin und den AGs u.a. jeweils vereinbart, dass die AG die Kosten des jeweiligen Verfahrens trägt. Zugleich wurde einvernehmlich ein sehr hoher Streitwert, Vergleichswert bzw. Vergleichsmehrwert vereinbart. Die die Klägerin vertretenden Prozessbevollmächtigten leiteten 50 % bis 80 % der nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bei Ansatz dieser Werte angefallenen Rechtsanwaltsgebühren an die Klägerin weiter.
3
Die Klägerin verbuchte die an sie weitergeleiteten Beträge in ihrer Buchführung als Ertrag, zog daraus jedoch keine umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen.
4
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) ging nach Durchführung einer Außenprüfung in den Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden für die Streitjahre vom 10.10.2013 davon aus, dass insoweit ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch vorliege. Die Klägerin habe eine ihr zustehende Rechtsposition aufgegeben und dafür den überhöhten Anteil der Rechtsanwaltsgebühren als Entgelt erhalten. Da die Klägerin zuvor keine Umsatzsteuererklärung abgegeben hatte, schätzte das FA die Höhe der Umsätze anhand des sich ergebenden Gewinns.
5
Das Einspruchsverfahren der Klägerin ruhte zunächst im Hinblick auf das vom Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin angestrengte Klageverfahren 13 K 3023/13. Nach dem Ergehen des Urteils des FG Köln vom 11.06.2015 – 13 K 3023/13 (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2015, 1540) setzte das FA die Umsatzsteuer wegen einiger Doppelerfassungen niedriger fest und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück.
6
Das FG Köln wies mit seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 26.08.2020 – 9 K 602/16 auch die Klage der Klägerin ab und ließ die Revision nicht zu. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide seien rechtmäßig. Das FA sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin als Unternehmerin umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen gegen Entgelt erbracht habe. Es sah den Abschluss der gerichtlichen Vergleiche als Leistung der Klägerin gegenüber den jeweiligen AGs. Der verbrauchsfähige Vorteil der AGs liege nicht nur im Wegfall eines für sie lästigen Klageverfahrens, sondern auch im Wegfall der durch den Suspensiveffekt der Klage eingetretenen Blockade von Umstrukturierungsmaßnahmen. Durch die Leistung der Klägerin könnten diese im Handelsregister eingetragen werden und dadurch Wirksamkeit erlangen. Hierfür seien die AGs bereit gewesen, die Kosten des Verfahrens zu tragen sowie einvernehmlich hohe Gebührenwerte zu bestimmen. Durch die Weiterleitung der Kosten durch die Prozessbevollmächtigten habe die Klägerin diesen Vorteil auch erhalten. Für die Einstufung als (nicht umsatzsteuerbare) Schadensersatzleistung sei kein Raum, da die Klägerin bereits nicht aufgezeigt habe, worin der ihr zu ersetzende Schaden liegen solle. Ebenso wenig liege ein nicht steuerbarer Gesellschafterbeitrag vor, da die Gegenleistung der Klägerin nicht in einer Beteiligung am allgemeinen Gewinn und Verlust der Gesellschaft bestanden habe. Auf den Umstand, ob die Klägerin als “räuberische Aktionärin” gehandelt habe und die erhobenen Klagen rechtsmissbräuchlich gewesen seien, komme es insoweit nicht an. Ebenso unerheblich sei, ob ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr vorliege. Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden habe, dass der Handel mit illegalen Betäubungsmitteln nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei, sei der vorliegende Sachverhalt damit nicht vergleichbar. Diese Leistung habe die Klägerin als Unternehmerin erbracht. Ausführungen zur Höhe der festgesetzten Steuer enthält das Urteil des FG nicht.
7
Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Divergenz sowie wegen Verfahrensmängeln zuzulassen.


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