Steuerrecht

Verfahren wegen Befangenheitsgesuch

Aktenzeichen  8 U 1449/19

Datum:
22.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 33375
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 42 Abs. 1

 

Leitsatz

Das Befangenheitsgesuch kann grundsätzlich nicht damit begründet werden, dass eine richterliche Entscheidung rechtlich fehlerhaft sei, es sei denn, es werden Gründe dargetan die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf Voreingenommenheit des Richters oder auf Willkür beruht. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

26 O 8167/18 2019-02-21 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 23.07.2019 gegen den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, die Richterin am Oberlandesgericht … und den Richter am Oberlandesgericht … wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Mit Schriftsatz vom 23.07.2019 lehnte der Kläger sämtliche Richter des 8. Senats, die den am 11.07.2019 ergangenen Hinweisbeschluss unterzeichnet haben, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er begründet die Ablehnung damit, dass der Senat offensichtlich das rechtliche Gehör des Klägers verletzen wolle, da er nicht mündlich verhandeln wolle, obwohl eine mündliche Verhandlung geboten sei. Zudem habe der Senat in „gegen § 321 a ZPO verstoßender Weise“ Beweisangebote der Klagepartei nicht berücksichtigt, ohne diese näher zu benennen. Die Auffassung, die Sache habe keine grundsätzliche Bedeutung sei völlig abwegig. Diese Auffassung lasse sich nur durch eine Befangenheit der entscheidenden Richter(in) erklären. Der Senat habe zudem die Anforderungen an substantiierten Vortrag überspannt. Es bestünde auch der Anschein einer persönlichen Nähe zweier Mitglieder des Senats, Richterin am Oberlandesgericht … und Richter am Oberlandesgericht …, zu den Mitarbeitern der Beklagten … bzw. … Die drei abgelehnten Richter haben hierzu dienstliche Äußerungen abgegeben, zu welchen den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 9.8.2019 mitgeteilt, dass sie zu den dienstlichen Äußerungen keine Anmerkung habe, der Kläger hat sich dazu nicht mehr geäußert.
II.
Das Befangenheitsgesuch ist nicht begründet.
1) Die Besorgnis der Befangenheit ist dann gegeben, wenn vom Standpunkt des Ablehnenden aus die Unparteilichkeit des Richters nicht gewährleistet ist. Für eine solche Besorgnis müssen Gründe vorliegen, die aus Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei bei Würdigung aller Umstände berechtigten Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 42 Rn. 9). Besondere persönliche Beziehungen des Richters zu einem Verfahrensbeteiligten können geeignet sein, ein solches Misstrauen eines Verfahrensbeteiligten in die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 24. April 2013 – RiZ 4/12, juris Rn. 28; Beschluss vom 15. März 2011 – II ZR 237/09, WM 2011, 812 Rn. 2; Beschluss vom 15. März 2011 – II ZR 244/09, NJW-RR 2011, 648 Rn. 2). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Zunächst ist festzustellen, dass sich der abgelehnte Richter grundsätzlich nicht einer Ausforschung solcher Umstände stellen muss, bezüglich derer ein substanziierter Ablehnungsgrund schon nicht dargetan ist (BGH, NJW 2011, 1358, beckonline). Es kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen der Klagepartei eine Behauptung „ins Blaue hinein“ darstellt und lediglich der Ausforschung dient, wofür vorliegend spricht, dass klägerseits keine konkreten Tatsachen zu einer mutmaßlichen besonderen persönlichen Beziehung der entscheidenden Richter des Senats zu Mitarbeitern der Beklagten vorgetragen werden, und auch die Besorgnis der Befangenheit der beiden abgelehnten Richter … und … ausschließlich mit der bloßen Namensübereinstimmung begründet wird. Sämtliche abgelehnten Richter haben jedoch in ihren dienstlichen Stellungnahmen geäußert, keine besonderen persönlichen Beziehungen zur Beklagten bzw. deren Angestellten zu unterhalten. Es bestehen daher keine Anhaltspunkte, die ein Misstrauen der Klagepartei in die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter rechtfertigen könnten.
2) §§ 42 ff. ZPO dienen nicht der Rechtmäßigkeits- bzw. Fehlerkontrolle von Zwischenentscheidungen (vgl. Thomas/Putzo, 40. Aufl., § 42 Rn. 17). Prüfungsmaßstab bei Ablehnungsanträgen ist vielmehr nur, ob ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Einer Partei ungünstige Ausführungen im Rahmen der richterlichen Begründungspflicht rechtfertigen daher eine Besorgnis der Befangenheit nicht; auf die Richtigkeit der Rechtsauffassung kommt es dabei grundsätzlich nicht an. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf Voreingenommenheit des Richters oder auf Willkür beruht (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 42 Rn. 28).
Für letzteres ist vorliegend nichts ersichtlich.
Der Hinweis vom 11.07.2019, mit dem das Ablehnungsgesuch begründet wird, entspricht nach Form und Inhalt in jeder Hinsicht § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Er dient gerade dazu, dem Kläger rechtliches Gehör zu gewähren, ihm zu ermöglichen, auf die vom Gericht für erheblich gehaltenen Gesichtspunkte gezielt einzugehen und um so sicherzustellen, dass bei einer nachfolgenden Entscheidung die sachlichen Einwendungen des Klägers gewürdigt werden.
Auch ergibt sich aufgrund des Umfangs des Hinweisbeschlusses vom 11.07.2019 kein Anhaltspunkt dafür, dass die abgelehnten Richter das rechtliche Gehör des Klägers willkürlich verletzen wollten, wie der Kläger rügt. Gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO soll das Berufungsgericht eine Berufung, die schon auf Grund der Aktenlage unter Berücksichtigung zulässiger neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, unverzüglich zurückweisen, wenn eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist und die weiteren Voraussetzungen gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen. Die Aussichtslosigkeit der Berufung muss nicht auf der Hand liegen, vielmehr darf sie Ergebnis „vorgängiger gründlicher Prüfung“ sein (BT-Drs. 17/6406, S. 9). Der sorgfältig begründete Beschluss vom 11.07.2019 zeugt davon, dass sich die abgelehnten Richter mit den aufgeworfenen Rechtsfragen, auch hinsichtlich der Berücksichtigung etwaigen neuen/verspäteten Berufungsvortrags, umfassend auseinandergesetzt haben und zu der – vorläufigen – Rechtsauffassung gelangt sind, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
Dass eine der anerkannten Fallgruppen oder eine vergleichbare Konstellation vorliegt, die vorliegend ausnahmsweise die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO gebieten würde, liegt nicht auf der Hand, willkürlich ist deren Verneinung mithin nicht. Der klägerseits erhobene Vorwurf, der Senat wolle offensichtlich „durch Rechtsbeugung“ das rechtliche Gehör des Klägers verletzen, ist völlig unangemessen.
Soweit der Kläger desweiteren überspannte Anforderungen an die Substantiierung rügt, ist dies eine Rechtsfrage. Anhaltspunkte für Willkür oder unsachliche Gesichtspunkte bei der Rechtsanwendung sind nicht ersichtlich.
Gleiches gilt im Hinblick auf eine etwaige Hinweispflicht nach § 139 ZPO, abgesehen davon, dass der Kläger mit der Berufungsbegründung Gelegenheit hatte, seine Einwände gegen das Urteil des Landgerichts, auch im Hinblick auf die seiner Meinung nach überspannten Anforderungen an die Substantiierung darzustellen, und ihm im Rahmen der Stellungnahmefrist Gelegenheit gegeben wurde, sich zu der geäußerten Rechtsauffassung des Senats zu äußern. Anhaltspunkte für sachfremdes oder willkürliches Verhalten des Senats sind insoweit nicht ersichtlich.
Auch die Einschätzung der Sache als nicht von grundsätzlicher Bedeutung im Hinweisbeschluss ist nicht willkürlich oder von ersichtlich sachfremden Erwägungen getragen.
Insgesamt besteht mithin kein Grund, der ein Misstrauen in die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter rechtfertigen würde.
Der Befangenheitsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.
III.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 3 ZPO) liegen nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass die Sache grundsätzliche Bedeutung haben könnte, oder dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre, sind dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen und auch sonst nicht ersichtlich.


Ähnliche Artikel

Steuererklärung für Rentner

Grundsätzlich ist man als Rentner zur Steuererklärung verpflichtet, wenn der Grundfreibetrag überschritten wird. Es gibt allerdings Ausnahmen und Freibeträge, die diesen erhöhen.
Mehr lesen

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben