Steuerrecht

Verlust aus der Auflösung einer Firma

Aktenzeichen  11 K 1450/17

Datum:
19.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 37841
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 3c Abs. 2, § 17 Abs. 4, § 20 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2, § 135 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen. 
1.Die Klage wird abgewiesen. 

Gründe

1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Im Streitfall ist über einen Auflösungsverlust in Höhe von … € hinaus kein höherer Auflösungsverlust der Besteuerung zugrunde zu legen.
a. Dem Kläger, der innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der GmbH zu mindestens 1% beteiligt war, entstand ein Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 1, Abs. 4 i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung.
b. Auf den Veräußerungsverlust hat das FA zu Recht das Teileinkünfteverfahren gemäß § 3c Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG angewandt.
Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG sind 40% des gemeinen Werts i.S. von § 17 Abs. 2, Abs. 4 EStG steuerfrei. Die hiermit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zu 60% abzuziehen.
Nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG dürfen Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen oder mit Vergütungen nach § 3 Nr. 40a EStG in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zu 60% abgezogen werden. Entsprechendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen sind. § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG, der durch das JStG 2010 vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I 2010, 1768) neu eingefügt wurde, bestimmt, dass für die Anwendung des Satzes 1 die Absicht zur Erzielung von Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen im Sinne des § 3 Nr. 40 EStG oder § 3 Nr. 40a EStG ausreichend ist. Gemäß § 52 Abs. 8a Satz 3 EStG ist § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2011 anzuwenden.
Die Absicht zur Erzielung von Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen im Sinne des § 3 Nr. 40 EStG ist eine innere Tatsache, die anhand von äußeren Umständen, die als Indizien heranzuziehen sind, zu beurteilen ist. Der Kläger beteiligte sich an der GmbH mit zwei Geschäftsanteilen im Nennbetrag von jeweils … € und … €, die er durch notariellen Vertrag vom 23. Mai 2012 für … € und durch notariellen Vertrag vom 10. August 2012 für … € erwarb. Der entgeltliche Erwerb der beiden GmbH-Geschäftsanteile im Jahr 2012 ist ein Indiz dafür, dass der Kläger nicht mit einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft im Jahr 2013 rechnete. Es ist weiter ein Indiz dafür, dass sich der Kläger im Jahr 2012 in der Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Erfolg und auf einen Liquidationserlös an der GmbH beteiligt hat. Aus § 3 Abs. 3 des Anteilskauf- und Übertragungsvertrages vom 10. August 2012 ergibt sich, dass bei Abschluss des Vertrages Maßnahmen geplant waren, die im Rahmen einer vernünftigen kaufmännischen Beurteilung vorgenommen werden und dazu dienen sollten, das EBIT zu verbessern. Dazu gehörten Restrukturierungsmaßnahmen bezüglich der Standorte in K. und in F. sowie die Veräußerung der Firma Y Hardware Service GmbH. Deshalb war beim Kläger bei Erwerb der GmbH-Geschäftsanteile im Jahr 2012 auch die Absicht vorhanden, mit der Beteiligung, die sich im Privatvermögen des Klägers befand, Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu erzielen.
Das Vorhandensein der Absicht zur Erzielung von Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen im Sinne des § 3 Nr. 40 EStG ist lediglich eine Bedingung, die zu irgendeinem Zeitpunkt während des Bestehens der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft vorgelegen haben muss. Nicht erforderlich ist nach der gesetzlichen Konzeption, dass die Absicht im eigentlichen Besteuerungszeitraum bestanden hat (vgl. Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts – FG – vom 6. September 2013 3 K 230/13, EFG 2014, 118 und nachfolgend BFH-Urteil vom 2. September 2014 IX R 43/13, BStBl II 2015, 257). Der Auflösungsverlust ist deshalb nicht in voller Höhe, sondern nur im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens zu berücksichtigen. Es kann grundsätzlich nur ein Abzug von 60% und nicht 100% im Jahr der Entstehung des Auflösungsverlustes erfolgen.
c. Die Vorschrift des § 3c Abs. 2 EStG ist auch nicht verfassungswidrig (vgl. BFH-Urteil vom 2. September 2014 IX R 43/13, BStBl II 2015, 257).
Nach Auffassung des BFH, der die Voraussetzungen einer Vorlage des § 3c Abs. 2 EStG in der Fassung des JStG 2010 an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 GG verneint hat, überschreitet die Regelung des § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG nicht die Grenzen, die für verfassungsrechtlich zulässige Typisierungen entwickelt worden sind. Der BFH führt insoweit aus, dass der Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen daran gehindert sei, die Höhe des tatsächlich steuerfreien Veräußerungspreises unter Einschränkung des objektiven Nettoprinzips unbeachtet zu lassen, da eine solche Beeinträchtigung nicht unverhältnismäßig und durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei. Ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks 17/2249, 50) diene der eingefügte § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG der Praktikabilität und der Vereinfachung, da die Regelung verhindern solle, dass aufgrund der in § 3c Abs. 2 EStG verankerten veranlagungszeitraumunabhängigen Begrenzung eine laufende rückwirkende Anpassung vorgenommen werden müsse, wenn in späteren Jahren Einnahmen anfallen würden. Das Teilabzugsverbot solle nach dem Willen des Gesetzgebers und der gesetzlichen Systematik nur einen unselbständigen „Baustein“ innerhalb des gesamten Regelungswerks zum Teileinkünfteverfahren bilden. Darüber hinaus entfalle durch § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG die schwierige Abgrenzung, ob und zu welchem Zeitpunkt eine Beteiligung endgültig einnahmelos sei. Der Gesetzgeber habe im Bereich des Steuerrechts einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Das BVerfG erkenne in ständiger Rechtsprechung Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.a; BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210, beginnend ab C.I.2.b; BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2010, 1563, 1565). Dabei sei zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssten, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen (BFH-Urteil vom 2. September 2014 IX R 43/13, BStBl II 2015, 257).
Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat vor dem Hintergrund des weitreichenden Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers im Bereich des Steuerrechts und in Kenntnis der teilweise abweichenden Meinungen in der steuerrechtlichen Literatur (Levedag, in: Schmidt, Kommentar zum EStG, § 3c Rz. 11; Binneweis, GmbH-Rundschau 15/2012, Seite 870) vollumfänglich an (ebenso Urteil des FG Baden-Württemberg vom 27. April 2016 7 K 1221/14, juris).
d. Nach alledem ist über einen Auflösungsverlust in Höhe von … € hinaus kein höherer Betrag anzusetzen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob das FA zu Recht diesen Betrag im Streitjahr als Verlust aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG erfasst hat. Ein Beweis darüber, dass mit Auszahlungen auf Ansprüche von Gesellschaftern bereits im Jahr 2013 nicht zu rechnen war, war nicht zu erheben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.


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