Steuerrecht

Vollstreckung von Zwangsgeldbescheiden der Kommunalverwaltung durch Finanzämter

Aktenzeichen  10 V 707/16

Datum:
30.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
AO AO § 258
FGO FGO § 33 Abs. 1 Nr. 2
FGO FGO § 114 Abs. 1 S. 2
ZPO ZPO § 920 Abs. 2
BayVwZVG BayVwZVG Art. 21a

 

Leitsatz

Gründe

Finanzgericht München
Az.: 10 V 707/16
Beschluss
In der Streitsache
[… ASt]
Antragsteller
gegen
Finanzamt [… M-Stadt]
Antragsgegner
wegen Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Einstellung der Vollstreckung
hat der 10. Senat des Finanzgerichts München durch … ohne mündliche Verhandlung
am 30. März 2016 beschlossen:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 128 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung).
Gründe:
I.
Am 14. Dezember 2015 richtete das Landratsamt [… G-Kreis] (Landratsamt) ein Vollstreckungsersuchen an den Antragsgegner (Finanzamt) und ersuchte darum, zwei Zwangsgeldbescheide vom 7. November 2014 (BV-Nr. 2014-[… 555] für die Häuser [… M-Weg 32 und 34]; BV-Nr. 2014-[…666] für das Haus [… M-Weg 35]) nebst Kostenrechnungen (KN [… 5551] und KN [… 6661]) über jeweils einen Betrag in Höhe von 2.103,45 € gegen den Antragsteller zu vollstrecken. Die Anordnung der Zwangsgelder war damit begründet worden, dass der Antragsteller die Auskunftsverpflichtung aus Tz. II der zwei (sofort vollziehbaren) Verwaltungsakte vom 12. August 2014 nicht erfüllt habe. Darauf übersandte das Finanzamt dem Antragsteller mit Schreiben vom 15. Januar 2016 eine Vollstreckungsankündigung und forderte ihn auf, den rückständigen Gesamtbetrag in Höhe von 4.206,90 € binnen fünf Tagen an die Finanzkasse zu entrichten.
Mit Schreiben vom 21. Januar 2016 an das Finanzamt widersprach der Antragsteller der Vollstreckung. Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 4. März 2016 (zugestellt am 8. März 2016) pfändete das Finanzamt bei der Drittschuldnerin [. M-Bank] alle Ansprüche, Forderungen und Rechte des Antragstellers aus der bestehenden Geschäftsverbindung, insbesondere dessen Girokonto.
Am 17. Februar 2016 richtete das Landratsamt ein weiteres Vollstreckungsersuchen an das Finanzamt und ersuchte darum, weitere zwei Zwangsgeldbescheide vom 28. Dezember 2015 (BV-Nr. 2014-555 und BV-Nr. 2014-666) nebst Kostenrechnungen in Höhe von jeweils 5.153,45 € gegen den Antragsteller zu vollstrecken. Die Anordnung der Zwangsgelder war wiederum damit begründet worden, dass der Antragsteller die Auskunftsverpflichtung aus Tz. II der zwei (sofort vollziehbaren) Verwaltungsakte vom 12. August 2014 – trotz der bereits angeordneten Zwangsgelder – nicht erfüllt habe. Die beiden dem Vollstreckungsersuchen vom 17. Februar 2016 beigefügten zwei Aufstellungen wiesen nun Rückstände des Antragstellers beim Landratsamt zum einen von 10.527,90 € (Az.: VE-[. NN1/16] für die Zwangsgeldbescheide vom 28. Dezember 2015 nebst Nebenleistungen) und zum anderen von 6.120,70 € (Az-[… NN2/16] für die Zwangsgeldbescheide vom 7. November 2014 nebst Nebenleistungen) aus. Darauf übersandte das Finanzamt dem Antragsteller mit Schreiben vom 4. März 2016 eine Vollstreckungsankündigung und forderte ihn auf, den rückständigen Gesamtbetrag in Höhe von 16.648,60 € binnen fünf Tagen an die Finanzkasse zu entrichten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2016 hat das Finanzamt den Einspruch des Antragstellers vom 21. Januar 2016 gegen die Vollstreckungsankündigung vom 15. Januar 2016 als unzulässig verworfen.
Mit Schreiben vom 10. März 2016 hat der Antragsteller das Finanzgericht um vorläufigen Rechtsschutz gegen die aufgrund des Vollstreckungsersuchens vom 17. Februar 2016 über einen Gesamtbetrag von 16.648,60 € drohenden Vollstreckungsmaßnahmen ersucht. Zur Begründung seines Antrages trägt der Antragsteller vor, dass er bereits mit Schreiben vom 21. Januar 2016 Widerspruch in dieser Angelegenheit eingelegt habe. Die angekündigte Vollstreckung sei rechtswidrig. Das Landratsamt habe mit Bescheid vom 20. Mai 2008 entschieden, dass die Nutzung des Untergeschosses der Häuser M-Weg 32 und 34 zu Wohnzwecken geduldet werde. Außerdem hätten seine Rechtsanwälte dem Untersagungsbescheid vom 12. August 2014 betreffend die Häuser M-Weg 32 und 34 mit einer Klage widersprochen. Zudem hätten seine Rechtsanwälte bereits mit Schreiben vom 27. März 2015 beim Verwaltungsgericht München einstweiligen Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) begehrt, um Vollstreckungsmaßnahmen des Landratsamtes zu verhindern. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass er auf eine Mahnung des Landratsamtes vom 1. Oktober 2014 bereits einen Betrag von 1.235,80 € an das Landratsamt bezahlt und das Landratsamt trotzdem weiterhin eine Summe von 4.261,60 € von ihm zur Zahlung fordere. Außerdem sei beim Verwaltungsgericht München einstweiliger Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO begehrt worden, um die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe gegen die baurechtlichen Verfügungen herzustellen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
das Finanzamt im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig die Vollstreckung einzustellen und bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen einstweilen aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Das Finanzamt ist der Auffassung, dass eine einstweilige Einstellung der Vollstreckung gemäß § 258 Abgabenordnung (AO) im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nicht in Betracht
käme. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig, da der Antragsteller keinen Anordnungsgrund für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz dargelegt habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze und die vorgelegten Akten Bezug genommen.
II.
1. Der Finanzrechtsweg ist nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) eröffnet. Das Finanzamt als Landesfinanzbehörde leistet Vollstreckungshilfe nach den Vorschriften der AO.
2. Der Antrag ist unzulässig.
a) Ausgehend von dem erkennbaren Rechtsschutzziel, schnellstmöglichen Rechtsschutz gegen angekündigte und bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen vom Finanzgericht zu erreichen, legt der beschließende Senat den Antrag des Antragstellers nach dem, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und zudem in seinem wohlverstandenen Interesse liegt (Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 14. Mai 2014 XI R 56/10, BFH/NV 2015, 169), dahin aus, dass er vorläufigen Rechtsschutz gegen angekündigte und bereits durchgeführte Verfolgungsmaßnahmen des Finanzamts durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO begehrt.
Die Formulierung des Antragstellers, dass er eine Klage erhebt, kann nicht so verstanden werden, dass er eine ohne vorheriges außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren eine unzulässige Verpflichtungsklage auf Einstellung der Zwangsvollstreckung erhoben hat. Das Einspruchsverfahren mit der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2016 betraf nämlich nicht die Ablehnung eines Vollstreckungsaufschubes i. S. des § 258 AO sondern die Vollstreckungsankündigung.
b) Begehrt ein Antragsteller, die Vollstreckung einstweilen einzustellen, zu beschränken oder eine bestimmte Vollstreckungsmaßnahme aufzuheben, so ist die einstweilige Anordnung der nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO in Form der sog. Regelungsanordnung der richtige Rechtsbehelf (BFH-Beschlüsse vom 26. Juni 1990 VII B 161/89, BFH/NV 1991, 393; vom 15. Januar 2003 V S 17/02, BFH/NV 2003, 738). Im Streitfall verfolgt der Antragsteller dieses Ziel, denn er will zum einen die Einstellung der angekündigten Zwangsvollstreckung aufgrund des Vollstreckungsersuchens vom 17. Februar 2016 und zum anderen die Aufhebung der Pfändung und Einziehungsverfügung vom 4. März 2016 bei der M-Bank erreichen.
c) Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist aber, dass der Antragsteller den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) schlüssig darlegt und deren Voraussetzungen glaubhaft macht (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung ).
aa) Nach diesem Maßstab kann der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz auf eine einstweilige Anordnung schon deshalb keinen Erfolg haben, weil ein Anordnungsgrund nicht dargetan worden ist. Eine Regelungsanordnung darf nur erlassen werden (§ 114 Abs.1 Satz 2 FGO), um wesentliche Nachteile, drohende Gewalt oder ähnlich schwerwiegende Folgen von dem Antragsteller abzuwenden. Der geltend gemachte Grund muss so schwerwiegend sein, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung unabweisbar ist. Das bedeutet, dass die den Anordnungsgrund rechtfertigenden Umstände über die Nachteile hinausgehen müssen, die im Regelfall bei einer Vollstreckung zu erwarten sind. Umstände, wie eine zur Bezahlung von Steuern oder Rückzahlung von erhaltenen Leistungen notwendige Kreditaufnahme oder eine Einschränkung des gewohnten Lebensstandards sind für sich allein keine Anordnungsgründe (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. März 1989 VII B 221/88, BFH/NV 1989, 794; vom 4. April 1989 VII B 35/85, BFH/NV 1989, 714; vom 10. August 1993 VII B 262/92, BFH/NV 1994, 719 m. w. N.). Nach diesem Maßstab kann der beschließende Senat nicht erkennen, welche wesentlichen Nachteile dem Antragsteller drohen, die eine einstweilige Anordnung rechtfertigen würden.
bb) Im Übrigen kann der beschließende Senat aufgrund der vorgelegten Schreiben der Rechtsanwälte des Antragstellers in dem Verwaltungsrechtsstreit mit Ausführungen zu § 123 VwGO und § 80 Abs. 5 VwGO aus dem Jahr 2015 nicht erkennen, wie sich daraus ein Anordnungsanspruch ableiten soll. Einwendungen gegen zu vollstreckende Titel sind nämlich gemäß § 256 AO nicht in dem Vollstreckungsverfahren geltend zu machen. Im Übrigen haben Rechtsbehelfe gegen Zwangsgeldbescheide gemäß Art. 21a Bayerisches Verwaltungs-zustellungs- und Vollstreckungsgesetz (BayVwZVG) keine aufschiebende Wirkung und für die beiden Bescheide vom 12. August 2014 und die darin jeweils in Tz. II angeordnete Auskunftsverpflichtung wurde die sofortige Vollziehbarkeit gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet.
d) Aus den vom Finanzamt vorgelegten beiden Rückstandsaufstellungen vom 17. Februar 2016 (insbesondere VE-[… NN2/16]: KN 5551 über 2.103,45 € und KN 6661 über 2.103,45 €) ist jedoch ersichtlich, dass die Vollstreckungsankündigung vom 4. März 2016 über einen Betrag von 16.648,60 € auch Forderungen beinhaltet, für die vom Finanzamt bereits die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 4. März 2016 ausgebracht wurde. Dieser Umstand allein führt aber, da im Streitfall kein Anordnungsgrund geltend gemacht wurde, nicht zum Erlass einer einstweiligen Anordnung.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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