Steuerrecht

Vorbeugender Rechtsschutz gegen künftige Vollstreckungsmaßnahmen nach Vollstreckungsankündigung aufgrund Vollstreckungsersuchen einer österreichischen Behörde

Aktenzeichen  6 K 1712/16

Datum:
24.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
FGO FGO § 40 Abs. 1 1. Alt
FGO FGO § 40 Abs. 1 2. Alt 1
FGO FGO § 40 Abs. 1 2. Alt 2
FGO FGO § 41

 

Leitsatz

Die allgemeine Leistungsklage in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage erfordert ein besonders intensives Rechtsschutzbedürfnis. Die Ankündigung der Vollstreckung begründet kein im Rahmen einer Feststellungsklage relevantes gegenwärtiges Rechtsverhältnis, wenn materielle Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch erhoben werden und ein zwischenstaatliches Abkommen ein Abwarten der um Vollstreckung ersuchten Stelle bis zur Entscheidung über die Einwendungen durch die ersuchenden Stelle vorsieht.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.
Bei Würdigung unter allen in Betracht kommenden Klagemöglichkeiten ist die vom Kläger erhobene Klage nicht zulässig. Insbesondere das für einen vorbeugenden Rechtschutz notwendige besondere Rechtsschutzbedürfnis bzw. Feststellungsinteresse ist nicht ersichtlich.
Der Kläger begehrt, den Beklagten zu verpflichten, Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des Vollstreckungsersuchens zu unterlassen und das Vollstreckungsverfahren einzustellen und, hilfsweise, festzustellen, dass die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen rechtswidrig ist. Hierbei stellt sich jeweils die Vorfrage, ob das Vollstreckungsersuchen vom 25.10.2016 eine Grundlage für die Vollstreckung durch das beklagte Finanzamt darstellt.
Dieses Begehren kann der Kläger nicht im Rahmen einer Verpflichtungsklage verfolgen.
Gemäß § 40 Abs. 1, 2. Alt. 1. HS FGO kann durch Klage die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden.
Vorliegend begehrt der Kläger jedoch nicht den Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern gerade die Unterlassung zukünftiger Vollstreckungsmaßnahmen, die nach § 118 AO den Charakter von Verwaltungsakten haben.
Der Kläger kann sein Anliegen auch nicht im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage erfolgreich geltend machen.
Nach § 40 Abs. 1, 2. Alt. 2. HS FGO kann durch Klage die Verurteilung zu einer anderen Leistung begehrt werden.
Mit der Leistungsklage kann ein – vorbeugendes – Unterlassen begehrt werden (vgl. Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 40 FGO, Rz. 27 m.w.N.). Dies gilt insbesondere für das Begehren, einen zukünftigen Verwaltungsakt zu unterlassen (vgl. Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 40 FGO, Rz. 28 m.w.N.).
Mit der vorbeugenden Unterlassungsklage kann der Kläger sein Begehren verfolgen.
Er begehrt, Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des Vollstreckungsersuchens (dauerhaft) zu unterlassen und das Vollstreckungsverfahren einzustellen, ohne dass bislang Vollstreckungsmaßnahmen vorgenommen und damit diesbezügliche Verwaltungsakte erlassen wurden.
Für einen solchen vorbeugenden Rechtsschutz ist angesichts des Rechtsschutzsystems der FGO ein besonders intensives Rechtsschutzinteresse Voraussetzung (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739 m.w.N.).
Geht es darum, eine behördliche Maßnahme abzuwehren, bietet die FGO dem Rechtssuchenden neben Einspruch und Anfechtungsklage einstweiligen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) bzw. einstweilige Anordnung (§ 114 FGO). Für eine Unterlassungsklage ist nur dann Raum, wenn das erstrebte Schutzziel mit diesen Rechtsbehelfen nicht erreicht werden kann, wenn also substantiiert und in sich schlüssig dargetan wird, durch ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln einer Behörde in den Rechten verletzt zu sein, und ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung unzumutbar ist, weil die Rechtsverletzung dann nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachen ist (BFH-Urteile vom 11.12.2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739; vom 27.10.1993 I R 25/92, BStBl II 1994, 210; vom 19. März 1998 VII R 73/97, BFH/NV 1999, 86).
Das besonders intensive Rechtsschutzbedürfnis liegt im Streitfall nicht vor.
Zwar konnte der Kläger mit der einstweiligen Anordnung sein erstrebtes Rechtschutzziel nicht erreichen. Dies hatte jedoch – wie sich aus dem Beschluss vom 20.02.2017 6 V 1713/16 ergibt – die Ursache darin, dass der Kläger als Antragsteller im dortigen Verfahren einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hatte.
Auch vorliegend hat der Kläger nicht dargelegt, welche irreparablen Nachteile ihm drohen, wenn er gegen Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts mit Einspruch, Klage und Aussetzungsantrag vorginge. Eine nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachende Rechtsverletzung im Zusammenhang mit bestimmten, künftig zu erwartenden Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts hat er nicht substantiiert und in sich schlüssig dargetan. Inwieweit dadurch nicht wiedergutzumachende Schäden zu erwarten wären, hat er nicht dargelegt.
Eine irreparable Rechtsverletzung ist angesichts von Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich eines Betrags von 395 € nicht ersichtlich.
Die vorbeugende Unterlassungsklage ist damit unzulässig.
Auch die vom Kläger hilfsweise erhobene Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen hat keinen Erfolg.
Durch Klage kann nach § 41 Abs. 1 FGO die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 41 Abs. 2 S. 1 FGO).
Rechtsverhältnis i.S.d. § 41 Abs. 1 FGO ist jede aus einem konkreten Sachverhalt resultierende, durch Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30.03.2011 XI R 12/08 BFH/NV 2011, 1346; vom 29.07.2003 VII R 39, 43/02, BStBl II 2003, 828). Es muss sich um ein eigenes abgabenrechtliches Verhältnis des Klägers zum Beklagten handeln, da nur hierfür der Finanzrechtsweg eröffnet ist (vgl. § 33 FGO).
Vorliegend kommt als maßgebliches Rechtsverhältnis allein ein “Vollstreckungsverhältnis” des Beklagten gegenüber dem Kläger im Rahmen der Vollstreckung als ersuchte Behörde in Frage.
Mit der Ankündigung der Vollstreckung ist jedoch ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis noch nicht begründet. Die Ankündigung der Vollstreckung ist eine aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach außen gerichtete Bekanntmachung einer verwaltungsinternen Maßnahme (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14.06.1988 VII B 15/88, BFH/NV 1989, 75 und vom 13.02.1997 VII S 35/96, BFH/NV 1997, 462) und zeitigt als solche noch keine Rechtswirkung gegenüber dem Kläger. Ein “gegenwärtiges” Rechtsverhältnis wird nach Auffassung des Gerichts erst bei unmittelbarem Bevorstehen von Vollstreckungsmaßnahmen bzw. deren Einleitung begründet.
Vorliegend ist das Finanzamt entsprechend Art. 9 Abs. 6 S. 1 und 2 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31.05.1988 (BGBl 1990 II S. 357) vorgegangen, wonach Einwendungen gegen das Bestehen, die Höhe oder die Vollstreckbarkeit des zu vollstreckenden Anspruchs von der zuständigen Stelle des ersuchenden Staats nach dessen Recht zu erledigen sind und, wenn diese bei der ersuchten Stelle erhoben werden, diese der ersuchenden Stelle zu übermitteln sind und deren Entscheidung abzuwarten ist. Diese ist noch nicht erfolgt. Damit steht eine Vollstreckung nicht unmittelbar bevor.
Hierin unterscheidet sich der Sachverhalt der vorliegenden Klage vom Streitfall, der den Urteilen des BFH vom 03.11.2010 VII R 21/10, BStBl II 2011, 401 und (im zweiten Rechtszug) des FG München vom 04.04.2012 6 K 434/11 sowie vom Streitfall, der dem Urteil des FG München vom 10.10.2013 10 K 2217/13 zugrunde lag.
Feststellungen über ein künftiges Rechtsverhältnis sind zulässig, wenn effektiver Rechtsschutz dies verlangt und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Feststellung hat (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 41 FGO, Rz. 6). Das berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung im Sinne des § 41 Abs. 1 FGO besteht bei einer Feststellungsklage, mit der künftigen nachteiligen Verwaltungsakten vorgebeugt werden soll, nur, wenn der Kläger besondere Gründe hat, die es rechtfertigen, die Verwaltungsakte nicht abzuwarten (BFH-Urteil vom 27.02.1973 VIII R 100/70, BStBl II 1973, 536).
Ein besonderes Feststellungsinteresse, das es rechtfertigt, die künftigen nachteiligen Verwaltungsakte nicht abzuwarten, ist vom Kläger weder vorgetragen noch sonst nach Aktenlage ersichtlich. Sein Vortrag beschränkt sich auf das Anführen weiterer, nicht hinzunehmender Kosten und wesentlicher Nachteile ohne weitere Einzelheiten zu nennen.
Auch bei Auslegung der Klage als Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1, 1. Alt. FGO) gegen die Ankündigung der Vollstreckung kann diese keinen Erfolg haben.
Die Vollstreckungsankündigung vom 03.11.2016 stellt keinen Verwaltungsakt dar. Die Ankündigung der Vollstreckung ist nach der Rechtsprechung des BFH kein Verwaltungsakt, sondern lediglich eine aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach außen gerichtete Bekanntmachung einer verwaltungsinternen Maßnahme (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14.06.1988 VII B 15/88, BFH/NV 1989, 75 und vom 13.02.1997 VII S 35/96, BFH/NV 1997, 462).
Daher ist es ohne Belang, ob das Schreiben der Klägervertreter vom 18.11.2016 und das ablehnende Schreiben des Finanzamts vom 21.11.2016 als erfolgloses Vorverfahren zu werten sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.


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