Steuerrecht

Widerruf der Erlaubnis, Versicherungsmakler, Unzuverlässigkeit, Ungeordnete Vermögensverhältnisse, Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen, Eintragungen im Schuldnerverzeichnis

Aktenzeichen  M 16 K 19.4052

Datum:
21.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44459
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
GewO § 34d

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags ab-wenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in glei-cher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der Klagefrist von einem Monat gemäß § 74 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erhoben. Die Klage ist aber nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Rechtsgrundlage für den Widerruf der Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 Gewerbeord nung (GewO), gewerbsmäßig als Versicherungsmakler den Abschluss von Versicherungsverträgen zu vermitteln, ist Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) i.V.m. § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 GewO. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt zu versagen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Gemäß § 34d Abs. 5 Satz 1 GewO ist eine Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO unter anderem dann zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt (Nummer 1) oder wenn der Antragsteller in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebt (Nummer 2).
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheidserlasses (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 22 C 16.1107 – juris Rn. 8).
a) Die Widerrufsvoraussetzung des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG, dass die Beklagte aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen gemäß § 34d Abs. 5 GewO berechtigt wäre, dem Kläger die Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO zu versagen, liegt vor. Der Kläger ist gewerberechtlich unzuverlässig i.S.d. § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GewO. Unabhängig davon lebt der Kläger in ungeordneten Vermögensverhältnissen i.S.d. § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GewO.
aa) Die Beklagte ist zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klä gers i.S.d. § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GewO ausgegangen.
Hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Versicherungsmaklers gelten grundsätzlich die gleichen Maßstäbe wie bei allen anderen Gewerbetreibenden. Als gewerberechtlich unzuverlässig erweist sich unter anderem derjenige, der seinen öffentlichrechtlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten nicht nachkommt (vgl. OVG NW, B.v. 8.5.2017 – 4 A 1026.15 – juris Rn. 7). Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen (vgl. BVerwG, B.v. 16.2.1998 – 1 B 26.98 – juris Rn. 4).
Auf die Ursachen für entstandene Zahlungsrückstände und die Nichterfüllung von Erklärungspflichten kommt es nicht an, da sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nach objektiven Kriterien bestimmt. Daher ist es grundsätzlich unerheblich, ob den Gewerbetreibenden hinsichtlich der Umstände, derentwegen ihm eine negative Prognose hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit seines künftigen gewerblichen Verhaltens ausgestellt werden muss, ein Verschuldensvorwurf trifft oder ihm „mildernde Umstände“ zur Seite stehen (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17.79 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 8.5.2015 – 22 C 15.760 – juris Rn. 20).
Vielmehr muss im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Diese – durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung begründete – Erwartung ist der eigentliche Grund, den wirtschaftlich leistungsunfähigen Gewerbetreibenden als unzuverlässig zu bewerten (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146.80 – juris Rn. 15). Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146.80 – juris Rn. 15). Ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept setzt grundsätzlich voraus, dass mit den Gläubigern eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen und ein Tilgungsplan auch effektiv eingehalten wird (vgl. BayVGH, B.v. 8.7.2013 – 22 C 13.1163 – juris Rn. 10).
Nach diesen Maßstäben rechtfertigt sich die negative Prognose hinsichtlich der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers aus den im Zeitpunkt des Bescheidserlasses vorliegenden Tatsachen. So hatte der Kläger – trotz der nach seiner Anhörung erfolgten Abgabe der Steuererklärungen und der daraus resultierenden Reduzierung der Steuerschuld – im Zeitpunkt des Bescheidserlasses noch erhebliche Steuerrückstände beim Finanzamt, ohne dass er nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitete. Die von der Klägerbevollmächtigten in der Klagebegründung in Bezug genommene Rückzahlungsvereinbarung mit dem Finanzamt erfolgte erst nach Bescheidserlass.
Soweit die Klägerbevollmächtigte ausführt, die Steuerschulden seien auf die Erkrankung des Klägers und nicht auf Nachlässigkeit oder fehlenden Leistungswillen zurückzuführen, vermag dies an der negativen Zuverlässigkeitsprognose nichts zu ändern. Auf die Ursachen für entstandene Zahlungsrückstände oder gar auf ein Verschulden hierfür kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Kläger trotz anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit seine Tätigkeit als Versicherungsmakler nicht aufgegeben hat, obwohl dies im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs von ihm erwartet werden musste.
bb) Auch ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger in ungeord neten Vermögensverhältnissen i.S.d. § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GewO lebt.
Gemäß § 34d Abs. 5 Satz 3 GewO liegen ungeordnete Vermögensverhältnisse in der Regel vor, wenn der Antragsteller in das Schuldnerverzeichnis nach § 882b der Zivilprozessordnung (ZPO) eingetragen ist. Nach den Ermittlungen der Beklagten bestanden hinsichtlich des Klägers im Zeitpunkt des Bescheidserlasses sechs Eintragungen im Schuldnerverzeichnis. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Eintragungen seitens des Finanzamts veranlasst wurden oder den Eintragungen Schulden bei weiteren Gläubigern zugrunde liegen. Umstände, die die Regelvermutung des § 34d Abs. 5 Satz 3 GewO widerlegen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
b) Ohne den Widerruf der Erlaubnis wäre das öffentliche Interesse i.S.d. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG gefährdet.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügt es nicht, dass der Widerruf im öffentlichen Interesse liegt, vielmehr ist es erforderlich, dass der Widerruf zur Abwehr einer Gefährdung des öffentlichen Interesses, also zur Beseitigung oder Verhinderung eines sonst drohenden Schadens für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.1993 – 1 B 112.93 – juris Rn. 6). Die Erlaubnis nach § 34d GewO betrifft ein Vertrauensgewerbe, bei dem hohe Anforderungen an die Zuverlässigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Erlaubnisinhabers zu stellen sind, um nicht das öffentliche Interesse zu gefährden (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 22 C 16.1107 – juris Rn. 13 zur Maklererlaubnis nach § 34c GewO). Durch die Fernhaltung unzuverlässiger Versicherungsmakler aus dem Gewerbe sollen wichtige Gemeinschaftsgüter geschützt werden: Nach § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GewO ist die Versicherungsmaklererlaubnis zwingend zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Diese Vorschrift dient vornehmlich dem Schutz der Versicherungskunden vor wirtschaftlichen Schäden, die erhebliche Größenordnungen erreichen können. Das Merkmal der Unzuverlässigkeit setzt voraus, dass der Versicherungsmakler nach dem Gesamtbild seines Verhaltens wahrscheinlich zukünftig seinen Pflichten nicht nachkommen wird. Ist dies zu erwarten, sind die durch § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GewO geschützten Rechtsgüter gerade wegen der Unzuverlässigkeit des Versicherungsmaklers gefährdet. Dann ist die Entziehung der gewerberechtlichen Erlaubnis auch zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich. Somit indiziert die Unzuverlässigkeit eines Versicherungsmaklers die konkrete Gefährdung wichtiger Gemeinschaftsgüter und erfordert damit die Entziehung der gewerberechtlichen Erlaubnis, so dass aus dem Fehlen erforderlicher Eignungsvoraussetzungen die Gefährdung des öffentlichen Interesses gefolgert werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.1993 – 1 B 112.93 – juris Rn. 6 zur Maklererlaubnis nach § 34c GewO).
c) Die Ermessensausübung im streitgegenständlichen Bescheid weist keine Rechts fehler auf, § 114 Abs. 1 VwGO. Auch erscheint der Widerruf der Erlaubnis nicht unverhältnismäßig.
Die Beklagte ist in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass das vom Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Grundgesetz geschützte private Interesse des Klägers an der Fortführung seiner Versicherungsmaklertätigkeit hinter dem Interesse des Allgemeinwohls, insbesondere dem Schutz der Versicherungskunden vor Vermögensgefährdungen, zurückzutreten hat.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers in Bezug auf die Corona-Pandemie, zumal sowohl die Rückstände beim Finanzamt als auch die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis aus der Zeit vor der Corona-Pandemie stammen.
d) Die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 i.V.m. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG ist ge wahrt. Dabei handelt es sich um eine Entscheidungsfrist, die erst mit Kenntnis der den Widerruf verfügenden Behördenmitarbeiter von allen entscheidungserheblichen Umständen zu laufen beginnt. Für den Widerruf waren insbesondere die Mitteilung des Finanzamts vom 4. Dezember 2018, die Abfrage des Schuldnerverzeichnisses vom 22. Januar 2019 und die auf die Anhörung vom 22. Januar 2019 hin erfolgten Stellungnahmen des Klägers vom … März 2019, *. April 2019, … Mai 2019 und … Mai 2019 von Bedeutung. Der streitgegenständliche Bescheid vom 25. Juni 2019 wurde daher fristgerecht erlassen.
2. Soweit die Bevollmächtigte des Klägers in ihrer Klagebegründung hilfsweise einen Antrag auf Wiedergestattung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO stellt und ausführt, aufgrund dieses Antrags sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nachträglich seine Zuverlässigkeit nachgewiesen habe, ist darauf hinzuweisen, dass es für die (Wieder-)Erteilung einer Erlaubnis als Versicherungsmakler nach § 34d Abs. 1 GewO eines Antrags bei der hierfür zuständigen Behörde, nämlich der Beklagten, bedarf. Ein solcher Antrag wurde bei der Beklagten bislang noch nicht gestellt. Der an das Gericht adressierte Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten kann nicht als neuer Antrag gewertet werden, ein solcher wäre vielmehr an die Beklagte zu richten.
3. Hinsichtlich der auf Art. 52 BayVwVfG beruhenden Anordnung zur Rückgabe der Erlaubnisurkunde bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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