Steuerrecht

Widerruf einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis

Aktenzeichen  M 16 K 16.3746

Datum:
4.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GastG GastG § 15 Abs. 2
GastG GastG § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Gewerberechtlich unzuverlässig ist, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß betreiben wird, wobei die Beurteilung Prognosecharakter hat; auf ein Verschulden oder einen Charaktermangel des Gewerbetreibenden kommt es insoweit nicht an. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Steuerschulden lassen auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden schließen, weil sie Ausfluss mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sind. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines gaststättenrechtlichen Widerrufsbescheids ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses (wie BayVGH BeckRS 2012, 58271). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Umstand, dass der Gewerbetreibende wegen des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis möglicherweise Sozialhilfe in Anspruch nehmen muss, führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit des Widerrufs. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid vom 18. Juli 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides, der das Gericht folgt, wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend wird ausgeführt:
Rechtsgrundlage für den Widerruf der streitgegenständlichen Gaststättenerlaubnis ist § 15 Abs. 2 GastG. Es sind nachträglich, d.h. nach Erteilung der Gaststättenerlaubnis, Tatsachen eingetreten, die die Versagung der erteilten Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen würden. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG ist eine gaststättenrechtliche Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller, sprich die Klägerin, die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.
Unzuverlässig ist, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß betreiben wird. Die Beurteilung hat Prognosecharakter. Ihr müssen Tatsachen zugrunde liegen, insbesondere auch früheres oder aktuelles Verhalten, die eine Beurteilung ermöglichen, ob der Gewerbetreibende willens und in der Lage ist, in Zukunft seine beruflichen Pflichten zu erfüllen. Auf ein Verschulden oder einen Charaktermangel des Gewerbetreibenden kommt es insoweit nicht an. Steuerschulden lassen auf die Unzuverlässigkeit schließen, weil sie Ausfluss mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sind (vgl. Marcks, in Landmann/Rohmer, GewO; § 35 GewO, Rz 49, 51). Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses (vgl. BayVGH, B.v. 1.10.2012 – 22 ZB 12.787 – juris Rn 16).
Gemessen an diesen Maßgaben ist der Widerruf der Gaststättenerlaubnis rechtmäßig. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin war bei Erlass des Widerrufsbescheids angesichts der Steuerrückstände seit Jahren nicht in einem Maße gegeben, um ihren finanziellen Verpflichtungen gerecht werden zu können. Die bloße Aussage, sie bemühe sich, die Schulden abzubauen und die ab und an erfolgenden Zahlungen auf die Steuerschuld, stellen zudem kein tragfähiges und nachvollziehbares Konzept zum Schuldenabbau dar. Umstände, die eine positive Prognose in Bezug auf die gewerberechtliche Zuverlässigkeit des Klägerin rechtfertigen könnten, insbesondere für eine Besserung ihrer wirtschaftlichen Situation oder die Existenz eines erfolgversprechenden Sanierungskonzepts, bestanden damit nicht.
Soweit die Klägerin vorbringt, mit dem Widerruf der Gaststättenerlaubnis werde ihr die Existenzgrundlage entzogen, muss sie sich darauf verweisen lassen, dass dies die zwangsläufige Folge des Widerrufsverfahrens aufgrund ihrer persönlichen Unzuverlässigkeit ist. Es bleibt ihr unbenommen, ihren Lebensunterhalt nicht mehr durch eine selbstständige, sondern durch eine abhängige Beschäftigung zu sichern (vgl. BayVGH vom 1. Oktober 2012, 22 ZB 12.787, juris, Rz 21). Der Umstand, dass die Klägerin möglicherweise Sozialhilfe in Anspruch nehmen muss, führt zudem nicht zur Unverhältnismäßigkeit des Widerrufs (vgl. Hoffmann u.a. in Praxis der Kommunalverwaltung, Band K 2 a Bund, Stand Dezember 2016, § 35 GewO, Rn. 1.3).
Rechtsgrundlage für die Untersagung des weiteren Betriebs der Gaststätte ist § 31 GastG in Verbindung mit § 15 Abs. 2 Gewerbeordnung (GewO). Nach dieser Vorschrift kann bei Gewerbebetrieben, die den Vorschriften des Gaststättengesetzes unterliegen, und zu deren Ausübung eine Erlaubnis erforderlich ist, bei Nichtvorliegen dieser Erlaubnis die Fortsetzung des Betriebs verhindert werden. Die Untersagung des weiteren Betriebs ist eine Folge des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis. Nach dem Widerruf der Gaststättenerlaubnis ist der Weiterbetrieb des Lokals nicht mehr von einer entsprechenden Erlaubnis gedeckt. Im Falle der fehlenden Zuverlässigkeit ist der Weiterbetrieb nicht nur formell, sondern auch materiell rechtswidrig und daher zwingend zu untersagen, jegliche andere Entscheidung wäre im vorliegenden Einzelfall ermessensfehlerhaft. Es ist von einem intendierten Entschließungsermessen der Behörde auszugehen (NdsOVG, B.v. 10.2.2014 – 7 ME 105/13 – juris Rn. 27) Mildere Mittel standen nicht zur Verfügung. Die Betriebsuntersagung ist Konsequenz des Widerrufs. Die Behörde hat von ihrem Auswahlermessen nach § 15 Abs. 2 GewO dahingehend Gebrauch gemacht, dass sie noch die Durchführung ggf. erforderlicher Abwicklungsgeschäfte in einem Zeitraum von vier 4 Wochen gestattet hat.
Die Zwangsmittelandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gleiches gilt für die Kostenentscheidung und die Festlegung der Gebühr.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 ff. ZPO.


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