Steuerrecht

Widerruf einer Maklererlaubnis wegen wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit

Aktenzeichen  22 C 16.1107

Datum:
8.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2017, 102315
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 114 Abs. 1 Satz 1
BayVwVfG BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
GewO GewO § 34c Abs. 2 Nr. 1 und 2

 

Leitsatz

1. Die Missachtung steuerrechtlicher Erklärungspflichten über Jahre hinweg und die Nichtabführung von Steuern, zumal trotz eines gewährten Zahlungsaufschubs, sind geeignet, Zweifel an der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit (§ 34c Abs. 2 Nr. 1 GewO) zu wecken. (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine aufgelaufene Steuerschuld in Höhe von 10.000 € sowie elf Eintragungen im Schuldnerverzeichnis in den letzten 5 Jahren indizieren, dass die Vermögensverhältnisse eines Maklers ungeordnet sind (§ 34c Abs. 2 Nr. 2 GewO). (redaktioneller Leitsatz)
3. Es kommt im Rahmen der gewerberechtlichen Zuverlässigkeitsprognose nicht darauf an, ob der Makler seine wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit zu vertreten hat. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 15.1517 2016-03-29 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für eine beim Bayerischen Verwaltungsgericht München noch anhängige Anfechtungsklage gegen einen Bescheid des Landratsamts W.-Sch. vom 18. März 2015, mit dem seine Erlaubnis nach § 34c GewO widerrufen und unter Androhung eines Zwangsgelds die Rückgabe der Erlaubnisurkunde binnen zwei Wochen ab Unanfechtbarkeit des Bescheids angeordnet worden war.
Das Verwaltungsgericht hat die begehrte Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 29. März 2016 versagt, weil die Klage keine hinreichende Erfolgsaussicht habe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, der geltend macht, die Klage habe hinreichende Erfolgsaussicht.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO); das Verwaltungsgericht hat dies richtig entschieden.
1. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass die dem Kläger erteilte Erlaubnis nach § 34c GewO (nachfolgend kurz: Maklererlaubnis) dann gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG widerrufen werden könne, wenn nachträglich eingetretene Tatsachen die Behörde berechtigen würden, die Erlaubnis nicht zu erteilen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Ein zwingender Versagungsgrund im Erlaubniserteilungsverfahren bestehe gemäß § 34c Abs. 2 GewO u.a. dann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Antragsteller oder eine mit der Leitung des Betriebs oder einer Zweigniederlassung beauftragte Person die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze (Nr. 1) oder der Antragsteller in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebe (Nr. 2). Eine auf solchen Gründen beruhende Unzuverlässigkeit des Klägers hat das Verwaltungsgericht – dem Landratsamt folgend – deswegen angenommen, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses Steuerrückstände in Höhe von mehr als 10.000 € gehabt habe, eine mit dem Finanzamt abgeschlossene Ratenzahlungsvereinbarung nicht eingehalten habe und weil es zu seinen Vermögensverhältnissen mehrere Eintragungen im Schuldnerverzeichnis gegeben habe. Diese Tatsachen hätten in einem Erlaubnisverfahren zur Versagung der Maklererlaubnis geführt; das öffentliche Interesse wäre gefährdet, wenn die Maklererlaubnis jetzt nicht widerrufen würde. Insoweit habe das Landratsamt zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit zu den sogenannten Vertrauensgewerben gehöre, bei denen in besonderem Maß auf die Einhaltung gesetzlicher Verpflichtungen geachtet werden müsse. Das Landratsamt habe sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Vor allem sei die Widerrufsentscheidung nicht deswegen unverhältnismäßig, weil der Kläger im Rahmen seiner derzeit ausgeübten Tätigkeit nicht über Kundengelder verfügen könne.
2. Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts werden durch das Beschwerdevorbringen nicht erschüttert; auch unabhängig vom Beschwerdevortrag kann der Anfechtungsklage des Klägers keine hinreichende Erfolgsaussicht bescheinigt werden.
2.1. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Gewerbeerlaubnis ist der Zeitpunkt des Bescheidserlasses, vorliegend am 18. März 2015 (BayVGH, B.v. 2.6.2014 – 22 C 14.738 – juris Rn. 16). Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger den – von ihm nicht angegriffenen – Feststellungen im strittigen Bescheid zufolge mehr als 10.000 € Steuerschulden beim Finanzamt. Er hatte einen mit dem Finanzamt am 29. April 2014 vereinbarten Vollstreckungsaufschub bis zum 15. Januar 2015, also fast neun Monate lang, ergebnislos verstreichen lassen; selbst bis zum Bescheidserlass war eine Zahlung nicht eingegangen. Zudem hatte der Kläger seit 2009 keine Steuererklärungen mehr abgegeben. Im Schuldnerverzeichnis gab es zum Kläger elf Eintragungen, vorgenommen im Zeitraum seit dem Juni 2013. Diese Missachtung steuerrechtlicher Erklärungspflichten über Jahre hinweg und die Nichtabführung von Steuern, zumal trotz eines gewährten Zahlungsaufschubs, sind geeignet, Zweifel an der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit (34c Abs. 2 Nr. 1 GewO) zu wecken; die aufgelaufene Steuerschuld sowie die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis indizieren überdies, dass die Vermögensverhältnisse des Klägers ungeordnet sind (34c Abs. 2 Nr. 2 GewO); bezüglich beidem ist eine alsbaldige Besserung nicht verlässlich erkennbar.
2.2. Der Kläger macht in der Beschwerde (Schriftsatz vom 19.5.2016) geltend, er sei in die vom Landratsamt festgestellte schwierige finanzielle Lage dadurch geraten, dass ihm sein früherer Arbeitgeber (ein großes Versicherungsunternehmen) unberechtigt gekündigt habe und ihm immer noch mindestens 30.000 € schulde, um die der Kläger derzeit prozessiere; das Landgericht München I habe dem Kläger mit Beschluss vom 4. April 2016 Prozesskostenhilfe für diesen Rechtsstreit bewilligt (Schriftsatz vom 19.5.2016, S. 2 oben). Insoweit ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Gründe für die Umstände, aufgrund derer die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit gerechtfertigt ist, gerade in Fällen der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit unerheblich für die anzustellende Prognose sind, ob der Gewerbetreibende künftig zuverlässig oder unzuverlässig ist. Es kommt entscheidend darauf an, ob erkennbar ist, dass und wie die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit künftig in einem hinnehmbaren Zeitraum beendet und damit Gefahren für andere Gewerbetreibende, Kunden, die öffentliche Hand, andere Stellen und die Rechtsordnung insgesamt abgewendet werden können. Für diese Prognose sind die Gründe, die zur wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit geführt haben, nicht entscheidend; maßgeblich sind allein die Aussichten für deren Beendigung (BayVGH, B.v. 20.5.2016 – 22 ZB 16.253 – juris Rn.9). Auf die Frage, ob dem Kläger zu Recht oder zu Unrecht der Arbeitsplatz gekündigt wurde, kommt es somit nicht an.
2.3. Insoweit kommt zwar in Betracht, dass die wirtschaftliche Notlage des Klägers behoben werden und damit ein Teil der Unzuverlässigkeitsgründe entfallen könnten, wenn der Kläger die nach seiner Aussage bestehende Forderung gegen seinen früheren Arbeitgeber in Höhe von 30.000 € wird realisieren können. Allerdings ist zum Einen bereits nicht erkennbar, dass eine solche Möglichkeit zur Schuldentilgung bereits im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses (18.3.2015) bestanden hätte. Der Kläger hat weder in der Klageschrift noch in der Beschwerdebegründung dergleichen angegeben, und die erwähnte Prozesskostenhilfe für den Rechtsstreit des Klägers gegen den früheren Arbeitgeber wurde nach dem Vortrag des Klägers jedenfalls erst mehr als ein Jahr nach Erlass des vorliegend streitigen Bescheids gewährt. Zum Andern ist weiterhin ungewiss, ob der Kläger die Forderung in Höhe von 30.000 € alsbald wird realisieren können.
2.4. Der Kläger macht mit der Beschwerde auch geltend (Schriftsatz vom 19.5.2016, S. 2 Mitte), er habe beim neuen Arbeitgeber durch intensive Arbeit die Voraussetzungen geschaffen, um seine Verbindlichkeiten größtenteils abzubauen; er habe seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Fiskus schon fast getilgt und erwarte zudem in den nächsten sechs Monaten gute Vertragsabschlüsse, eine günstige Einkommenslage und damit eine baldige Tilgung der restlichen Verbindlichkeiten. Dieser Vortrag ist allerdings für die Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung und somit für die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage ohne Belang, weil nicht erkennbar ist, dass diese Umstände – sofern der Vortrag überhaupt den Tatsachen entspricht – schon im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (Erlass des streitgegenständlichen Bescheids) vorgelegen haben; jedenfalls hinsichtlich der Steuerrückstände in Höhe von gut 10.000 € ist im angefochtenen Bescheid der Stichtag 17. März 2015 angegeben.
2.5. Der Kläger bezeichnet den Einwand des Landratsamts im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, wonach er nach eigener Aussage (in zwei Erklärungen vom 19.4.2016) die Maklererlaubnis schon jahrelang nicht mehr benötigt habe, als Missverständnis. Tatsächlich sei er entgegen der Ansicht des Landratsamts gerade jetzt, seit April 2013, als Angestellter auf die Maklererlaubnis angewiesen – im Gegensatz zu seiner früheren Beschäftigung als „gebundener Vermittler“ bei dem großen Versicherungsunternehmen (Schriftsatz vom 19.5.2016, S. 2 Mitte). Hierauf kommt es für die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids gleichfalls nicht an; die Erklärungen des Klägers vom 19. April 2016 haben den Bescheid vom 18. März 2015 im maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses nicht beeinflussen können. Entscheidend ist das Bestehen von Versagungsgründen im Sinn von § 34c Abs. 2 GewO.
2.6. Bezüglich der – für den Widerruf der Maklererlaubnis neben dem „Unzuverlässigkeitsgrund“ zusätzlich erforderlichen – Tatbestandsvoraussetzung der Gefährdung des öffentlichen Interesses (vgl. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG) hat das Landratsamt darauf hingewiesen, dass bei einer Erlaubnis nach § 34c GewO, die ein „Vertrauensgewerbe“ betrifft, hohe Anforderungen an die Zuverlässigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Erlaubnisinhabers zu stellen seien, um nicht das öffentliche Interesse zu gefährden. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 2.6.2014 – 22 C 14.738 – juris). Dieser hat im genannten Beschluss (Rn. 21) ausgeführt: „Der Beklagte hat auch zutreffend eine Gefährdung des öffentlichen Interesses bei Unterlassen des Widerrufs darin erblickt, dass die Tätigkeit als Makler mit Bezug zum Vermögen der Kunden zu den sog. Vertrauensgewerben gehört und hierbei in besonderem Maße auf die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen geachtet werden muss“. Der Kläger hat zwar in einem (dem Landratsamt in Kopie vorgelegten) Schreiben an die Industrie- und Handelskammer (IHK) vom 2. März 2015 (Bl. 65 der Behördenakte) darauf hingewiesen, dass er in seiner jetzigen Beschäftigung persönlichen Kundenkontakt nur noch als Angestellter habe. Diese Änderung gegenüber der früheren Beschäftigung kann allerdings die Gefährdung von Kundenvermögen nicht entscheidungserheblich verringern und nicht dazu führen, die Tätigkeit des Kläger nicht mehr als „Vertrauensgewerbe“ (mit den entsprechend hohen Anforderungen an die gewerberechtliche Zuverlässigkeit) anzusehen. Denn der Kläger ist nach eigenem Vortrag in dem genannten Schreiben an die … in einer Maklergesellschaft beschäftigt und benötigt hierfür die Erlaubnis als Versicherungsvermittler und als Finanzanlagenvermittler; somit ist der Umgang mit dem Vermögen von Kunden weiterhin Gegenstand der beruflichen Betätigung des Klägers, auch wenn dieser – wie er der … vorgeschlagen hat – von den Erlaubnissen nicht „auf eigene Rechnung“ Gebrauch machen sollte.
2.7. Die Ausführungen zur Ermessensausübung des Landratsamts sind im angefochtenen Bescheid zwar knapp, erscheinen aber ausreichend. Der Vortrag des Klägers im oben genannten Schreiben an die IHK wird zwar im strittigen Bescheid nicht erwähnt. Allerdings handelt es sich bei den in dieser Stellungnahme gegenüber der … vorgetragenen Umständen zu einem Teil nur um nicht belegte Behauptungen des Klägers und zum andern Teil um Absichtserklärungen. Außerdem geht der Kläger in diesem Schreiben in keiner Weise auf die beim Finanzamt bestehende erhebliche Steuerschuld ein, der das Landratsamt bei seiner Widerrufsentscheidung erkennbar erhebliches Gewicht beigemessen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.


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