Steuerrecht

Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen

Aktenzeichen  VI R 49/15

Datum:
14.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2016:U.141216.VIR49.15.0
Normen:
§ 33 Abs 1 EStG 2002
§ 33 Abs 2 EStG 2002
EStG VZ 2007
EStG VZ 2008
§ 137 Abs 1 FamFG
§ 623 Abs 1 ZPO
Spruchkörper:
6. Senat

Leitsatz

NV: Rechtsstreitigkeiten um den Kindesunterhalt und den nachehelichen Unterhalt des geschiedenen Ehegatten sind keine mit den Scheidungsverfahren im Zwangsverbund zu entscheidenden Scheidungsfolgesachen und damit in Zusammenhang stehende Kosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn den Steuerpflichtigen die Regelung des Kindesunterhalts und des Unterhalts des (geschiedenen) Ehegatten wie in einer bestehenden Ehe zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen war. Ebenso sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Streitigkeiten mit seiner (geschiedenen) Ehefrau über das Aufenthaltsbestimmungs- und das Besuchsrecht für das gemeinsame Kind keine außergewöhnlichen Belastungen

Verfahrensgang

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 23. Februar 2015, Az: 12 K 3232/09, Urteil

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 23. Februar 2015  12 K 3232/09 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind miteinander in jeweils zweiter Ehe verheiratet. Sie machten für die Streitjahre (2007 und 2008) Aufwendungen wegen verschiedener Rechtsangelegenheiten als außergewöhnliche Belastungen geltend. Den Streitigkeiten lagen im Wesentlichen folgende Sachverhalte zugrunde:
2
1. KindesunterhaltDie Klägerin hat mit ihrem Ehemann aus erster Ehe einen gemeinsamen Sohn. Da der Kindesvater nicht bereit war, Unterhalt zu leisten, strengte die Klägerin gegen ihn einen Rechtsstreit beim Amtsgericht (AG) –Familiengericht– X über die Höhe des Kindesunterhalts an. In zweiter Instanz entschied das Oberlandesgericht (OLG) A mit Urteil vom … . Nachdem diese Entscheidung vorlag, kam der Kindesvater seiner Zahlungsverpflichtung nach.
3
2. nachehelicher UnterhaltDer Kläger führte gegen seine geschiedene Ehefrau vor dem AG –Familiengericht– Y (Urteil vom …) und sodann vor dem OLG B (Urteil vom …) einen Rechtsstreit, mit dem er eine Reduzierung des von ihm zu leistenden nachehelichen Unterhalts begehrte.
4
3. Aufenthaltsbestimmungs- und BesuchsrechtDer Kläger beantragte beim AG –Familiengericht– Y die elterliche Sorge für seine Tochter künftig so auszugestalten, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes bei ihm sei. Das Verfahren endete mit einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau über die künftige Ausgestaltung des Umgangsrechts.
5
4. Verfahren hinsichtlich der Anlage UDie geschiedene Ehefrau des Klägers hatte sich geweigert, die Anlage U zur Einkommensteuererklärung des Klägers für das Jahr … zu unterzeichnen. Sie hatte die Anlage abgeändert und den Höchstbetrag von 13.805 € auf … € reduziert. Mit Anwaltsschreiben vom … wurde sie erfolgreich aufgefordert, die Anlage U mit dem ungekürzten Höchstbetrag zu unterzeichnen.
6
In der Einkommensteuererklärung für 2007 machten die Kläger Gerichts- und Anwaltskosten sowie Aufwendungen für Kopien, Schreibmaterial und Porto in Zusammenhang mit den vorgenannten Rechtsstreitigkeiten in Höhe von insgesamt 3.839,91 € sowie Fahrtkosten in Höhe von 133 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Für 2008 begehrten die Kläger den Abzug von Gerichts- und Anwaltskosten sowie damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen für Büromaterialien und Porto in Höhe von insgesamt 4.885,61 € sowie Fahrtkosten zu Anwalts- und Gerichtsterminen in Höhe von 203,80 €. Die Anwaltskosten im Jahr 2008 entfielen zu 334,15 € auch auf eine arbeitsrechtliche Beratung der Klägerin wegen einer juristischen Auseinandersetzung mit ihrem Arbeitgeber.
7
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) berücksichtigte von den geltend gemachten Beträgen für 2007 lediglich einzelne Fahrtkosten in Höhe von 67,20 € als außergewöhnliche Belastungen. Für das Jahr 2008 erkannte das FA die Anwaltskosten für die arbeitsrechtliche Beratung der Klägerin und damit zusammenhängende Fahrtkosten als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit an, die sich wegen des nicht ausgeschöpften Arbeitnehmerpauschbetrags aber nicht steuermindernd auswirkten. Außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte das FA im Hinblick auf die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten für 2008 nicht.
8
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage überwiegend statt. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) seien Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen habe. Im Streitfall hätten sich die Kläger auf die Zivilprozesse wegen Kindesunterhalt, nachehelichen Unterhalts, Aufenthaltsbestimmung und Besuchsrecht weder mutwillig noch leichtfertig eingelassen, sodass die hierfür angefallenen Anwalts- und Gerichtskosten als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen seien. Hinsichtlich der außergerichtlichen Beratung und Vertretung lägen demgegenüber keine Prozesskosten im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vor. Die hierfür angefallenen Aufwendungen seien nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. In Bezug auf die geltend gemachten Kosten für Kopien, Büro- und Schreibmaterialien sowie Porto und die Fahrtkosten fehle es an hinreichendem Vortrag und an entsprechenden Nachweisen.
9
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
10
Es beantragt,das Urteil des Hessischen FG vom 23. Februar 2015  12 K 3232/09 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
11
Die Kläger beantragen,die Revision zurückzuweisen.


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