Steuerrecht

Zurechnung eines Grundstücks für Zwecke der Grundsteuer

Aktenzeichen  II R 44/17

Datum:
23.2.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.230221.IIR44.17.0
Normen:
§ 10 GrStG
§ 19 Abs 4 BewG
§ 22 Abs 2 BewG
§ 39 AO
§ 464 Abs 2 BGB
§ 118 Abs 2 FGO
§ 883 BGB
Spruchkörper:
2. Senat

Leitsatz

1. Für Zwecke der Grundsteuer ist das Grundstück gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ausnahmsweise dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen.
2. Grundstückseigentümer und Vorkaufsberechtigter können den Übergang von Nutzen und Lasten abweichend von den in dem ursprünglichen Kaufvertrag festgelegten Bedingungen auf einen späteren Zeitpunkt festlegen.

Verfahrensgang

vorgehend FG Köln, 20. September 2017, Az: 4 K 801/14, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 20.09.2017 – 4 K 801/14, die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 20.02.2014 sowie die Einheitswert- und Grundsteuermessbescheide auf den 01.01.2007 vom 11.11.2010 und vom 10.12.2010 aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die Grundstückseigentümerin (A) schloss am …01.2006 mit einer Grundbesitz GmbH & Co. KG (KG) einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über ein aus mehreren wirtschaftlichen Einheiten bestehendes Grundstück zu einem fest vereinbarten Kaufpreis. Der Übergang von Nutzen und Lasten auf die KG sollte nach dem Kaufvertrag zum …01.2006 erfolgen.
2
Der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) stand an dem Grundstück ein Vorkaufsrecht zu. Das Vorkaufsrecht wurde am …04.2006 ausgeübt. Am …07.2006 wurde zugunsten der Klägerin eine Eigentumsübertragungsvormerkung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 3 des Baugesetzbuchs eingetragen. Gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts klagte die KG erfolglos vor dem Verwaltungsgericht. Die Berufung wurde mit Urteil vom 19.04.2010 vom zuständigen Oberverwaltungsgericht abgewiesen, die Revision wurde nicht zugelassen.
3
Die Klägerin erwarb nachfolgend mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom …09.2010 das Grundstück. Als Tag des Übergangs von Besitz, Nutzen und Lasten wurde abweichend vom ursprünglich zwischen der A und der KG geschlossenen Kaufvertrag der …09.2010 vereinbart, da die KG bis zu diesem Datum im Besitz des Grundstücks gewesen sei.
4
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) hatte am 09.02.2007 Einheitswertbescheide und Grundsteuermessbescheide auf den 01.01.2007 gegenüber der KG erlassen. Nach Kenntnis von der rechtskräftigen Ausübung des Vorkaufsrechts rechnete das FA mit Einheitswertbescheiden vom 11.11.2010 (…) und vom 10.12.2010 (…) die wirtschaftlichen Einheiten der Klägerin zu und erließ jeweils entsprechende Grundsteuermessbescheide (Neuveranlagung auf den 01.01.2007).
5
Die Klägerin legte gegen die Bescheide jeweils Einspruch ein. Schuldner der Grundsteuer sei nach § 10 Abs. 1 des Grundsteuergesetzes (GrStG) derjenige, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet werde. Eine Zurechnung könne nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) dem wirtschaftlichen Eigentümer gegenüber erfolgen. Sie, die Klägerin, sei zum 01.01.2007 aber noch nicht wirtschaftliche Eigentümerin gewesen. Mit Einspruchsentscheidung vom 20.02.2014 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück. Es vertrat die Auffassung, dass mit der Ausübung des Vorkaufsrechts ein Kaufvertrag zwischen dem Veräußerer und dem Vorkaufsberechtigten –hier der Klägerin– zu den im (ersten) Vertrag abgeschlossenen Konditionen zustande gekommen sei. Die Klägerin als Vorkaufsberechtigte trete in alle kaufvertraglichen Verpflichtungen zwischen der A und der KG ein. Dies gelte auch für die Regelungen zum Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten zum …01.2006.
6
Die Klage, mit der die Klägerin weiterhin die Aufhebung der Bescheide begehrte, hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) hat das FA der Klägerin den Grundbesitz zu Recht (bereits) zum Stichtag 01.01.2007 nach § 22 Abs. 2 i.V.m. § 19 Abs. 3 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) zugerechnet. Zu diesem Zeitpunkt sei sie wirtschaftliche Eigentümerin gewesen. Ihr habe aufgrund der rechtskräftigen Ausübung des Vorkaufsrechts (rückwirkend) das Verwertungsrecht durch Nutzung oder Veräußerung des Grundbesitzes zugestanden. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 6 veröffentlicht.
7
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Sie habe im Zeitraum vom …01.2006 bis …09.2010 weder die Sachherrschaft über den Grundbesitz ausgeübt noch seien ihr die Erträge aus diesem Zeitraum zugeflossen. Auch die Chance der Wertsteigerung bzw. das Risiko der Wertminderung hätten ihr im vorbezeichneten Zeitraum nicht zugestanden. Bis zum …09.2010 habe sie den Grundbesitz nicht in Besitz genommen, diesen dementsprechend auch nicht wirtschaftlich nutzen können. Erst im ergänzenden Vertrag zur Abwicklung des Vorkaufsrechts sei klargestellt worden, dass Besitz, Nutzen und Lasten, Gefahren und Verkehrssicherungspflichten am …09.2010 auf sie, die Klägerin, übergegangen seien.
8
Die Klägerin beantragt,die Vorentscheidung aufzuheben und die Einheitswert- und Grundsteuermessbescheide auf den 01.01.2007 vom 11.11.2010 und vom 10.12.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.02.2014 aufzuheben.
9
Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
10
Das FG sei bei wertender Betrachtung der Gesamtumstände zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zum Stichtag 01.01.2007 wirtschaftliche Eigentümerin des Grundstücks gewesen sei. Aufgrund der rechtswirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts habe ihr das Risiko der laufenden Nutzung und die Chance etwaiger Wertsteigerungen rückwirkend ab dem …01.2006 zugestanden.
11
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.


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