Steuerrecht

Zwangsgeldandrohung wegen illegaler Abfallablagerung

Aktenzeichen  M 28 K 19.4035

Datum:
17.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20245
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 31 Abs. 3 S. 2, Art.35 S.1, Art. 38 Abs. 1 S. 1
VwGO § 43, § 101 Abs. 2
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO. Vorliegend war die Einzelrichterin zur Entscheidung berufen, da mit Beschluss vom 10. August 2020 eine Übertragung auf den Einzelrichter erfolgt ist.
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrem auf richterlichen Hinweis erfolgten umgestellten Klageantrag auch gegen die im Bescheid vom 15. Juli 2019 enthaltene Fälligkeitsmitteilung in Bezug auf die im Bescheid vom 12. April 2019 angedrohten Zwangsgelder.
In Bezug auf diese Fälligkeitsmitteilung ist die Feststellungsklage, § 43 VwGO, der statthafte Rechtsbehelf: Die grundsätzlich subsidiäre Feststellungsklage hat hier nicht hinter der Anfechtungsklage zurückzutreten, da die Fälligkeitsmitteilung kein Verwaltungsakt, sondern nur die Mitteilung eines Bedingungseintritts (ohne Regelungscharakter) ist: Denn nach Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG liegt bereits in der Androhung eines bestimmten Zwangsgeldes ein nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 VwZVG vollstreckbarer, aber aufschiebend bedingter Leistungsbescheid. Kommt der Verpflichtete der mit der Grundverfügung auferlegten Verpflichtung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nicht bis zum Ablauf der Erfüllungsfrist nach, so tritt die Bedingung ein und wird das angedrohte Zwangsgeld kraft Gesetzes zur Zahlung fällig, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG.
Die Mitteilung der Zwangsgeldfälligkeit stellt daher keinen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar, da es mit Bedingungseintritt entsteht und fällig wird, es hierzu also keiner weiteren Maßnahme der Behörde bedarf, sondern lediglich eine behördliche Information über den nach deren Auffassung erfolgten Bedingungseintritt und kann folglich auch nicht mit der Anfechtungsklage angegriffen werden. Statthaft ist insoweit die Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl. BayVerfGH, E. v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 und BayVGH, B.v. 27.9.2010 – 1 CS 10.1389 – jeweils juris). Die Klägerin hat ihren Klageantrag entsprechend dem gerichtlichen Hinweis auf eine Feststellungsklage umgestellt, die Klage war daher insoweit statthaft.
II.
Die Klage gegen die in Ziffer 2. und 3. des Bescheids vom 15. Juli 2019 verfügte erneute Zwangsgeldandrohungen ist als Anfechtungsklage zulässig:
Die erneuten Zwangsgeldandrohungen stellen Leistungsbescheide im Sinne des Art. 23 Abs. 1 VwZVG dar, gegen den die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft ist, da die Androhung eines Zwangsmittels mit jenen förmlichen Rechtsbehelfen angegriffen werden kann, die gegen den Grundverwaltungsakt, der mittels Zwang durchgesetzt werden soll, statthaft sind, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VwZVG. Dieser ist im vorliegenden Fall die Anordnung der Stilllegung einer immissionsschutzrechtlichen Anlage, die als Verwaltungsakt gemäß Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist.
III.
Die Feststellungsklage gegen die Fälligkeitsmitteilung ist jedoch unbegründet: Die Zwangsgeldforderung wird erst fällig, wenn „die Pflicht nicht erfüllt wird“ (vgl. Art. 31 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG), vorliegend hat die Klägerin aber ihre Verpflichtungen aus dem Bescheid vom 12. April 2019 nicht innerhalb der gesetzten Frist von vier Wochen ab Bestandskraft erfüllt:
1.) Dies gilt zum einen in Bezug auf die in Ziffer 1.2 des Bescheids verfügte Beseitigungsanordnung:
Auf dem Grundstück der Klägerin lagerten nach Ablauf der im Bescheid gesetzten Erfüllungsfrist von vier Wochen nach Bestandskraft noch immer Abfälle. Dies ergibt sich aus den dem Bescheid beigefügten und im Verfahren vorgelegten Lichtbildern. Auf diesen ist zu erkennen, dass sich auf dem Betriebsgrundstück der Klägerin noch immer Bauschutt befindet (Lichtbilder Nrn. 8,9,10,12,16,17 und 20). Die Klägerin war aber laut Ziffer 1.2 Nr. 7 des Bescheids vom 12. April 2019 verpflichtet, das Gelände vom Bauschutt (inkl. Kabel) zu befreien.
Insbesondere hat die Klägerin diesbezüglich auch selber eingeräumt, dass sie Teile des gelagerten Abfalls nicht vom Grundstück entfernt hat: So hat sie im Schriftsatz vom 8. August 2019 vortragen lassen, dass sich auf den Lichtbildern Nr. 8,9,10,12,16 und 20 vereinzelte Schuttreste sichtbar seien, die von ihr nach Räumung des Stellplatzes Anfang September 2019 beseitigt würden.
Bei diesen Schuttresten handelt es sich angesichts der vorgelegten Lichtbilder jedenfalls (sofern dies überhaupt beachtlich wäre) auch nicht um eine gänzlich unbedeutende Menge an Abfall. Die Klägerin hat demnach gegen die in Ziffer 1.2 (Nr. 7: „Bauschutt gemischt“) verfügte Beseitigungsanordnung verstoßen, so dass der Beklagte ausweislich der in Ziffer 2. des Bescheids vom 12. April 2019 verfügten Zwangsgeldandrohung ein Zwangsgeld von 1.000 Euro fällig stellen durfte.
2.) Die Klägerin hat weiter gegen das in Ziffer 1.1 des Bescheids vom 19. April 2019 verfügte Verbot, Abfälle zum Zwecke der Lagerung auf das Betriebsgrundstück zu verbringen, verstoßen. Der Beklagte konnte daher ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro fällig stellen (Ziffer 2. des Bescheids vom 12. April 2019):
a) Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im Schriftsatz vom 8. August 2019 vorgetragen, dass die Klägerin einen Container auf dem Stellplatz abgestellt habe, nachdem ein LKW der Klägerin ausgefallen sei und zunächst habe repariert werden müssen. Auch wenn diese „Zwischenlagerung“ des Containers, welcher ausweislich des Lichtbildes Nr. 6 mit Schuttresten (und damit mit Abfall im Sinne der Ziffer 1.1 Nr. 7 des Bescheids „Bauschutt gemischt“) gefüllt ist, möglicherweise wirtschaftlich sinnvoll sein mag, so verstößt es jedoch gegen Ziffer 1.1 des Bescheids vom 12. April 2019.
b) Auch aus den Lichtbildern Nrn. 11, 15, 17 und 19 gibt sich, dass die Klägerin gegen ihre Verpflichtung aus Ziffer 1.1 des Bescheids vom 19. April 2019 verstoßen hat: Auf diesen Fotos sind Gegenstände (wie z.B. eine alte Schubkarre, Schutt, eine Küchenspüle etc.) die eindeutig als Abfälle Sinne von Ziffer 1.2 des Bescheids zu bewerten sind, zu erkennen. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, diese Gegenstände seien nicht von ihr, sondern von Nachbarn auf dem Grundstück entsorgt worden.
Die Klägerin ist aber auch verpflichtet, dafür zu sorgen, dass keine Abfälle von Dritten auf ihrem Grundstück gelagert werden. Dies ergibt sich aus der entsprechenden Formulierung in Ziffer 1.1 des Bescheids: „Hierzu dürfen ab Unanfechtbarkeit dieses Bescheids keine Abfälle zum Zwecke der Lagerung auf das Betriebsgelände verbracht werden.“. Diese Formulierung im Passiv schließt auch die Verbringung von Abfällen durch Dritte mit ein. Die Klägerin ist als Verfügungsberechtigte des von ihr angemieteten Grundstücks grundsätzlich dafür verantwortlich, dass das Grundstück nicht als Lagerplatz für Abfälle in Anspruch genommen wird. Eine solche Verpflichtung und damit einhergehend eine entsprechende Zwangsgeldfälligstellung mag möglicherweise im besonderen Einzelfall an der Verhältnismäßigkeit scheitern, dafür ist vorliegend aber nichts ersichtlich. Dies insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass es ausweislich der vorgelegten Lichtbilder nicht nur um ganz unerhebliche Abfallmengen handelt.
Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass sie in irgendeiner Weise Schutzvorkehrungen hiergegen getroffen habe, wie z.B. entsprechende Hinweis-, Verbotsschilder, Absperrungen oder ähnliches, obwohl sie ganz offensichtlich von der Abfallverbringung durch Dritte auf ihr Grundstück gewusst hat. Die bloße Anzeige der illegalen Müllentsorgung Dritter bei der Polizei reicht hierfür nicht aus. Die Klägerin hat überdies vorgetragen, dass sie einen Müllcontainer auf ihrem Grundstück aufgestellt habe (Schriftsatz vom 8. August 2019, Lichtbild Nr. 18), welcher nach Auffassung des Gerichts aber wohl eher zum Abladen des Abfalls einlädt als dass er davon abhält. Jedenfalls hat die Klägerin keine geeigneten und ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um die Abfallentsorgung auf ihrem Grundstück wirksam zu unterbinden.
IV.
Die Klage gegen die (erneute) Zwangsgeldandrohung in Ziffer 1 und 2. des Bescheids vom 15. Juli 2019 ist ebenfalls unbegründet: Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der Androhung finden sich nicht. Nur klarstellend wird darauf hingewiesen, dass vorliegend nur die „Rechtsverletzungen durch die Androhung selbst“ (Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG) und nicht etwa die Frage, ob und in welchem Umfang der Betroffene gegen die Anordnung verstoßen hat, zu prüfen sind.
a) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen waren durchgehend bis zur Entscheidung des Gerichts gegeben (Art. 18 bis 22 VwZVG), insbesondere besteht ein vollstreckbarer Grundverwaltungsakt, Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG: Der der Zwangsgeldandrohung zugrunde liegende Verwaltungsakt im Bescheid vom 12.4.2019, nämlich die Stilllegung der immissionsschutzrechtlichen Anlage auf dem von der Klägerin angemieteten Betriebsgelände, ist durch Fristablauf unanfechtbar geworden und erfüllt damit die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG. Keine Voraussetzung ist hingegen, dass der zu vollstreckende Grundverwaltungsakt rechtmäßig ist (BVerwG, B.v. 25.9.2008 – 7 C 5/08 – juris Rn. 12).
b) Auch die besonderen Voraussetzungen für die Androhung erneuter Zwangsgelder im Sinne der Art. 31, 36 und 37 VwZVG sind erfüllt:
aa) Die Höhe der Zwangsgelder ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Höhe der angedrohten Zwangsgelder aus den Ziffern 1. und 2. des Bescheids vom 15.7.2019 von je 2.000 Euro liegt im von Art. 31 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 VwZVG vorgegebenen Rahmen von 15 Euro bis 50.000 Euro. Bei der Festlegung der Höhe des Zwangsgeldes hat die Behörde innerhalb ihres Entscheidungsspielraums die Umstände des Einzelfalls sowie die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen, Art. 31 Abs. 2 Satz 2, Satz 4 VwZVG. Die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses muss dabei nicht begründet werden (VGH München, 16.09.2010 – 1 CS 10.1803, juris). Nachdem die zunächst angedrohten Zwangsgelder in Höhe von je 1.000 Euro offensichtlich nicht den nötigen Nachdruck verleihen konnte, um die Klägerin zur vollständigen Einhaltung ihrer Verpflichtungen aus dem Bescheid vom 12.4.2019 anzuhalten, ist die Erhöhung des Zwangsgeldes auf einen Betrag von je 2.000 Euro angemessen.
bb) Einwendungen gegen die gesetzte Frist sind weder (substantiiert) dargelegt worden noch erscheint die Einhaltung der Verpflichtung, keine weiteren Abfälle auf die Flurgrundstücke Nr. 1681 und Nr. 1682 der Gemarkung G* … zu verbringen und den Müll auf dem betreffenden Gelände innerhalb von vier Wochen zu entfernen, unzumutbar. Die vierwöchige Frist zur Beseitigung der Abfälle als Fälligkeitsbedingung der Zwangsgelder ist angemessen. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist sowohl mit Festlegung der Höhe als auch der Frist der Zwangsgelder Genüge getan worden.
cc) Schließlich verstößt die getroffene Regelung auch nicht gegen Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG: Hiernach ist eine erneute Androhung eines Zwangsmittels erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Dies ist vorliegend der Fall (siehe oben unter Ziffer 2.). Die Betreibung des zunächst angedrohten Zwangsgeldes ist demgegenüber nicht Voraussetzung für die Androhung eines erneuten Zwangsgeldes, denn die Beugewirkung des Zwangsgeldes tritt bereits mit dessen Androhung ein (BayVGH, B.v. 12.1.2012 – 10 ZB 10.2439 – juris; VG Augsburg, U.v. 19.8.2016 – Au 5 K 16.665 – juris). Im Übrigen dürfen Zwangsgelder gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG solange und so oft angewendet werden, bis die durchzusetzende Verpflichtung erfüllt ist.
Nach alldem war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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