Strafrecht

2 WD 3/21

Aktenzeichen  2 WD 3/21

Datum:
6.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:061021U2WD3.21.0
Spruchkörper:
2. Wehrdienstsenat

Verfahrensgang

vorgehend Truppendienstgericht Süd, 13. November 2019, Az: S 5 VL 2/17, Urteil

Tenor

Auf die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das Urteil der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 13. November 2019 im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme geändert.
Dem früheren Soldaten wird der Dienstgrad aberkannt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem früheren Soldaten auferlegt, der auch die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

Tatbestand

1
Das disziplinargerichtliche Berufungsverfahren betrifft eine unerlaubte Abwesenheit vom Dienst während einer Berufsförderungsmaßnahme.
2
1. Der 1984 geborene frühere Soldat leistete ab April 2007 Grundwehrdienst und freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst und wurde im April 2008 Zeitsoldat. Zuletzt wurde er 2012 zum Oberfeldwebel befördert. Seine Dienstzeit endete mit Ablauf des 31. März 2015.
3
Das Karrierecenter der Bundeswehr … genehmigte mit Bescheid vom 7. Mai 2014 seine Teilnahme an der Bildungsmaßnahme “arbeitsplatzorientierte Ausbildung zum Einsatzleiter/Objektleiter” in dem Zeitraum vom 8. Mai bis zum 31. Oktober 2014 bei der … Sicherheits- und Dienstleistungs-GmbH in … und stellte ihn dafür vom militärischen Dienst frei. Auf Antrag des früheren Soldaten änderte es die Förderung mit Bescheid vom 16. Juni 2014 (1. Neufassung) dahingehend, dass die gleiche Bildungsmaßnahme im selben Zeitraum nunmehr bei der Firma … Security … in … durchgeführt werden sollte.
4
Mit Bescheid vom 16. Februar 2015 widerrief es die Förderung, weil der frühere Soldat dieser Bildungsmaßnahme vom 1. August bis 31. Oktober 2014 unentschuldigt ferngeblieben sei.
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2. Im sachgleichen Strafverfahren verhängte das Amtsgericht … gegen den früheren Soldaten mit rechtskräftigem Urteil vom 13. April 2016 wegen eigenmächtiger Abwesenheit eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 60 €. Ein Zentralregisterauszug vom 3. Februar 2020 verweist auf weitere amtsgerichtliche Entscheidungen aus den Jahren 2016 bis 2019, mit denen gegen den früheren Soldaten wegen Vermögensstraftaten und Straßenverkehrsdelikten Strafen verhängt wurden.
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3. Das Truppendienstgericht hat den früheren Soldaten in dem am 13. Juli 2016 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren aufgrund der am 25. Januar 2017 eingegangenen Anschuldigungsschrift mit Urteil vom 13. November 2019 in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten der Reserve herabgesetzt. Der frühere Soldat sei nach den rechtskräftigen und bindenden Feststellungen des Amtsgerichts … für die Zeit vom 1. August bis einschließlich 30. Oktober 2014 ohne Entschuldigung nicht zum Dienst erschienen. Obwohl er gewusst habe, dass seine Freistellung wegen des selbst herbeigeführten Endes der Bildungsmaßnahme nur bis zum 31. Juli 2014 angedauert habe, habe er am 1. August 2014 seinen militärischen Dienst nicht angetreten, sondern sei bis zum 31. Oktober 2014 ferngeblieben. Er habe in der amtsgerichtlichen Hauptverhandlung die eigenmächtige Abwesenheit eingeräumt.
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Indem er den Abbruch seiner Ausbildungsmaßnahme bei der Firma … nicht entsprechend der Meldeverpflichtung nach dem Bescheid (bzw. dessen Neufassung) des Karrierecenters der Bundeswehr unverzüglich seiner Einheit angezeigt habe, sich am 1. August 2014 nicht zur Aufnahme des Dienstes in seiner Einheit gemeldet habe und dieser bis einschließlich 31. Oktober 2014 unerlaubt ferngeblieben sei, habe er in mehrfacher Hinsicht vorsätzlich gegen seine Pflicht zum treuen Dienen verstoßen. Im Schwerpunkt habe er seine Kernpflicht zur Dienstleistung verletzt, wobei Samstage, Sonntage sowie ein Feiertag nicht einzubeziehen seien. Ferner habe er sich nach § 15 Abs. 1 WStG strafbar gemacht. Schließlich habe er Weisungen seines nächsten Disziplinarvorgesetzten, nämlich die ihm bekannte Meldeverpflichtung gegenüber diesem, missachtet. Damit einher gehe ein Verstoß gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht, die er zudem durch Missachtung der Meldeverpflichtung gegenüber dem Berufsförderungsdienst verletzt habe.
8
Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei bei einem längeren Fernbleiben von einer Berufsförderungsmaßnahme am Ende der Dienstzeit eine Dienstgradherabsetzung. Auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen seien erschwerend die Dauer des sich auf – ohne die Wochenenden und den Feiertag – 65 Tage erstreckenden unerlaubten Fernbleibens, die strafrechtlichen Verurteilungen nach dem Dienstvergehen, die Vorgesetztenstellung, die eigennützigen Beweggründe und die nur durch- bis unterdurchschnittlichen Leistungen des früheren Soldaten zu berücksichtigen. Zu seinen Gunsten sprächen in geringem Umfang seine Geständigkeit im Strafprozess und mit erheblichem Gewicht die Überlänge des zweidreiviertel Jahre langen erstinstanzlichen Verfahrens. Bei einer Gesamtwürdigung sei eine Herabsetzung in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten der Reserve angemessen.
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4. Mit ihrer maßnahmebeschränkten Berufung verfolgt die Wehrdisziplinaranwaltschaft das Ziel der Verhängung der Höchstmaßnahme. Auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen sei erschwerend zu berücksichtigen, dass der frühere Soldat – weil die Wochenenden und der Feiertag einzubeziehen seien – 92 Tage und damit extrem lange unerlaubt abwesend gewesen sei. Zudem seien zu seinen Lasten sämtliche im Zentralregister eingetragenen Strafen zu berücksichtigen. Aufgrund dieser gewichtigen Umstände sei das Vertrauen des Dienstherrn in den früheren Soldaten zerstört, so dass eine etwaige Verfahrensüberlänge nicht mildernd zu berücksichtigen sei.
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5. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Person des früheren Soldaten, zur Anschuldigung und zur Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf die im Berufungsverfahren eingeführten Unterlagen sowie auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung, über die gemäß § 124 WDO in Abwesenheit des früheren Soldaten verhandelt werden konnte, ist zulässig und begründet. Ihm ist der Dienstgrad abzuerkennen.
12
1. Aufgrund der verfahrensfehlerfreien Tat- und Schuldfeststellungen des Truppendienstgerichts steht für den Senat bindend fest, dass der frühere Soldat den am 1. August 2014 erfolgten Abbruch seiner Berufsförderungsmaßnahme bei der Firma … nicht entsprechend seiner Meldeverpflichtung nach dem Bescheid vom 7. Mai 2014 (bzw. dessen 1. Neufassung vom 16. Juni 2014) des Karrierecenters der Bundeswehr … unverzüglich bei seiner Einheit anzeigte und sich am 1. August 2014 nicht zur Aufnahme des Dienstes in seiner Einheit meldete, sondern dieser bis einschließlich 31. Oktober 2014 fernblieb. Weiter steht für den Senat bindend fest, dass der frühere Soldat durch das vom Truppendienstgericht festgestellte unerlaubte Fernbleiben vom Dienst an 65 Werktagen und durch die Missachtung der Meldeverpflichtung gegen seine Pflichten zum treuen Dienen (§ 7 SG) und zum innerdienstlichen Wohlverhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verletzt hat. Zusätzlich hat er durch die Missachtung der Meldeverpflichtung gegenüber dem Berufsförderungsdienst gegen seine innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verstoßen.
13
Denn bei einer – wie hier – auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung hat der Senat seiner Entscheidung gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 327 StPO grundsätzlich die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden. Die Bindungswirkung entfällt zwar ausnahmsweise, wenn die erstinstanzliche Entscheidung an schweren Verfahrensmängeln im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2, § 121 Abs. 2 WDO leidet, was bei unzureichenden oder widersprüchlichen Feststellungen zur Tat- und Schuldfrage der Fall sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2020 – 2 WD 4.20 – juris Rn. 17 m.w.N.). Das Truppendienstgericht hat aber in seinem Urteil für die Maßnahmebemessung hinreichende und widerspruchsfreie Feststellungen zu den disziplinarrechtlichen Verfehlungen des früheren Soldaten getroffen.
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Infolge der maßnahmebeschränkten Berufung hat der Senat insbesondere nicht zu prüfen, ob der frühere Soldat – wie vom Truppendienstgericht bindend festgestellt wurde – nur an 65 Tagen dem Dienst unerlaubt fernblieb oder – wie die Wehrdisziplinaranwaltschaft meint – an 92 Tagen (zur Einbeziehung von Wochenenden in die Abwesenheitsdauer siehe BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2019 – 2 WD 19.18 – BVerwGE 166, 189 Rn. 23) eigenmächtig abwesend war. Diese Frage ist aus den nachstehenden Gründen ohnehin nicht bemessungsrelevant.
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2. Bei Art und Maß der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen. Insoweit legt der Senat ein zweistufiges Prüfungsschema zugrunde:
16
a) Auf der ersten Stufe bestimmt er zwecks Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle und im Interesse der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die betreffende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen.
17
In Fällen des vorsätzlichen unerlaubten Fernbleibens eines Soldaten von der Truppe ist dies bei einer kürzeren unerlaubten Abwesenheit grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung, gegebenenfalls bis in den Mannschaftsdienstgrad; bei länger dauernder, wiederholter eigenmächtiger Abwesenheit oder Fahnenflucht wiegt das Dienstvergehen so schwer, dass es regelmäßig die Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder den Ausspruch der sonst gebotenen Höchstmaßnahme indiziert. Dabei hat der Senat zur Abgrenzung einer kürzeren von einer längeren Abwesenheit den Zeitraum herangezogen, der durch den jährlich zustehenden Urlaubszeitraum von 30 Tagen nach § 1 Satz 1 Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung i.V.m. § 5 Abs. 1 EUrlV abgedeckt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2020 – 2 WD 4.20 – juris Rn. 21 f. m.w.N.).
18
Bei einem längeren oder wiederholten Fernbleiben während einer Berufsförderungsmaßnahme am Ende der Dienstzeit lässt es der Senat demgegenüber grundsätzlich bei der Dienstgradherabsetzung bewenden, weil die dienstlichen Nachteile regelmäßig geringer sind als diejenigen, die für die Truppe durch das eigenmächtige Fernbleiben eines in der aktiven Dienstleistung stehenden Soldaten ausgelöst werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2020 – 2 WD 16.19 – juris Rn. 14 m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn der Soldat einer Berufsförderungsmaßnahme kurz vor Ende seiner Dienstzeit, an die sich bis zum Dienstzeitende noch eine weitere mehrmonatige Berufsförderungsmaßnahme anschließt, dem Dienst länger – wie hier – oder wiederholt unerlaubt fernbleibt.
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b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe angesetzten Regelmaßnahme gebieten. Liegt angesichts der be- und entlastenden Umstände kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach “oben” bzw. nach “unten” zu modifizieren. Danach ist hier ein Übergang zur Höchstmaßnahme geboten.
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aa) Es liegen mehrere erschwerende Umstände von erheblichem Gewicht vor:
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(1) Zum einen ist der frühere Soldat nicht nur länger, sondern mit 65 Tagen einen extrem langen Zeitraum während der Berufsförderungsmaßnahme dem Dienst unerlaubt ferngeblieben (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Januar 2018 – 2 WD 11.17 – juris Rn. 34 zu 84 Tagen und vom 3. Dezember 2020 – 2 WD 4.20 – juris Rn. 26 zu 73 Tagen). Der 65-tägige Abwesenheitszeitraum war mehr als doppelt so lang wie der jährlich zustehende Urlaubszeitraum von 30 Tagen. Da bereits eine unerlaubte Abwesenheitsdauer von 30 Werktagen während einer Berufsförderungsmaßnahme den Ansatz der Regelmaßnahme einer Dienstgradherabsetzung rechtfertigt, ist die darüber hinausgehende unerlaubte Abwesenheitsdauer auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen erschwerend zu berücksichtigen.
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(2) Zudem hatte der frühere Soldat als Oberfeldwebel eine Vorgesetztenstellung inne (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Nach § 10 SG war er damit zu vorbildlicher Pflichterfüllung verpflichtet. Wer in dieser Stellung eine Pflichtverletzung begeht, gibt ein schlechtes Vorbild ab, was das Gewicht seines Dienstvergehens erhöht (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2020 – 2 WD 20.19 – juris Rn. 40 m.w.N.). Nicht erforderlich ist, dass es der frühere Soldat innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es genügt das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrads (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 2021 – 2 WD 7.20 – NVwZ-RR 2021, 770 Rn. 40 m.w.N.).
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(3) Ferner spricht gegen den früheren Soldaten, dass er sich nach seiner rechtskräftigen Verurteilung im sachgleichen Strafverfahren und nach Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens erneut und wiederholt strafbar gemacht hat. So verhängte das Amtsgericht … gegen ihn wegen des fahrlässigen Anordnens und Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tatzeitpunkt 23. August 2018) am 4. Dezember 2018 und wegen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tatzeitpunkt 16. November 2018) am 15. April 2019 Geldstrafen. Das Amtsgericht … verhängte gegen ihn wegen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tatzeitpunkt 18. Dezember 2018) am 2. September 2019 eine weitere Geldstrafe. Ferner verhängte das Amtsgericht … gegen ihn am 14. Oktober 2019 wegen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Betrug (Tatzeitpunkt 29. März 2019) eine neunmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung. Dadurch hat sich der frühere Soldat als unempfindlich gegenüber pflichtenmahnenden Einwirkungen strafrechtlicher Art und eines laufenden Disziplinarverfahrens erwiesen, was gravierende Persönlichkeitsmängel offenbart (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. September 2021 – 2 WD 11.21 – Rn. 46).
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Offenbleiben kann, ob zu Lasten des früheren Soldaten zudem die weiteren im Zentralregister eingetragenen Strafen zu berücksichtigen sind oder ob diese – weil die Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 3 WDO zum Neubeginn der Tilgungsfristen dem Wortlaut nach nur für Disziplinarmaßnahmen und nicht für Strafen gilt – gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 WDO im Disziplinarbuch zu tilgen wären und daher ein Verwertungsverbot nach § 8 Abs. 7 Halbs. 1 WDO besteht.
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bb) Zugunsten des früheren Soldaten sprechen demgegenüber nur wenige Umstände. So hat er sich in der amtsgerichtlichen Hauptverhandlung im sachgleichen Strafverfahren geständig gezeigt. Dem Geständnis kommt aber wegen der eindeutigen Beweislage nur ein geringes Gewicht zu. Zudem zeigte der frühere Soldat laut Dienstzeugnis aus dem Jahr 2015 sehr häufig großes Engagement und Einsatzwillen und erfüllte Aufträge mit ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein. Allerdings bewegten sich seine dienstlichen Leistungen nach den Angaben seines früheren Disziplinarvorgesetzten, Major …, im unteren Drittel der Vergleichsgruppe; auch benötigte er diesem zufolge ab und an “einen Schuss vor den Bug”.
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cc) Im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung ist wegen des deutlichen Überwiegens der erschwerenden Umstände objektiv von einer Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem früheren Soldaten und seinem Dienstherrn auszugehen, so dass ein Übergang zur Höchstmaßnahme geboten ist. Diese besteht für den früheren Soldaten, der Angehöriger der Reserve ist und wegen der ihm vollständig ausgezahlten Übergangsgebührnisse und der ihm ebenfalls voll ausgezahlten Übergangsbeihilfe nicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 WDO als Soldat im Ruhestand gilt, nach § 58 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 WDO in der Aberkennung des Dienstgrads.
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dd) Ist – wie hier – wegen einer Zerstörung des Vertrauensverhältnisses die Höchstmaßnahme zu verhängen, kann auch eine etwaige verfassungs- und konventionswidrige Überlänge des Disziplinarverfahrens nicht maßnahmemildernd wirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 2 WD 4.20 – juris Rn. 58 m.w.N.). Dies gilt unabhängig davon, ob die Höchstmaßnahme bereits Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist oder – wie hier – erst nach einer Gesamtwürdigung der Bemessungskriterien auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen geboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2020 – 2 WD 16.19 – juris Rn. 20 m.w.N.).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 und § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO.


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