Strafrecht

Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland, Gebrauch zu machen, aufgrund einmaligen Kokainkonsums

Aktenzeichen  AN 10 S 21.00765

Datum:
9.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41331
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1, Abs. 2
FeV § 46 Abs. 1, Abs. 5
FeV § 47 Abs. 2
Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. April 2021, mit dem ihm das Recht aberkannt wurde, von seiner polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen.
Der Antragsteller ist Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse B, ausgestellt durch eine polnische Behörde.
Durch Mitteilung des Polizeireviers … vom 23. Dezember 2020, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 5. Januar 2021, erhielt die Antragsgegnerin Kenntnis davon, dass der Antragsteller am 23. Dezember 2020 ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr unter dem Einfluss von Benzoylegonin (Kokainabbauprodukt) und Cannabis führte. Ein durchgeführter freiwilliger Drogenschnelltest ergab ein positives Ergebnis auf THC und Kokain. In einer Spontanäußerung hat der Antragsteller gegenüber der Polizei den Konsum von Kokain und Cannabis eingeräumt. Nach dem ärztlichen Befundbericht des … … vom 12. Januar 2021 wurde Benzoylegonin in einer Konzentration von 84,5 ng/ml sowie Tetrahydrocannabinol (THC) in einer Konzentration von ca. 14,2 ng/ml und THC-Carbonsäure in einer Konzentration von 69,7 ng/ml im Blut festgestellt.
Mit Schreiben vom 11. März 2021 erhielt der Antragsteller Gelegenheit, sich bis zum 26. März 2021 zur beabsichtigten Aberkennung des Rechts, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, zu äußern.
Mit Schreiben vom 18. März 2021 zeigte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers bei der Antragsgegnerin an und beantragte Akteneinsicht. Mit Schreiben vom 19. März 2021 wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers Akteneinsicht gewährt und die Stellungnahmefrist bis 30. März 2021 verlängert.
Am 15. April 2021 erließ die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Bescheid, mit welchem dem Antragsteller das Recht aberkannt wurde, von seiner polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen (Ziffer 1). Außerdem wurde der Antragsteller verpflichtet, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Woche nach Zustellung dieser Entscheidung, zur Eintragung der Aberkennung vorzulegen, andernfalls wurde ihm unmittelbarer Zwang angedroht (Ziffer 2). Weiterhin wurde die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 angeordnet (Ziffer 4). Der Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass bereits der einmalige Konsum von so genannten harten Drogen wie Kokain im Regelfall zum Verlust der Fahreignung führe. Aus den vorgenannten Gründen müsse dem Antragsteller das Recht aberkannt werden, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.
Der Führerschein sei bei der Verwaltungsbehörde zur Eintragung der Aberkennung vorzulegen.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23. April 2021, bei Gericht eingegangen am 27. April 2021, erhob der Antragsteller Klage und beantragte zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes … (wohl: Stadt …*) vom 15. April 2021, zugegangen am 16. April 2021, wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Zweifel der Antragsgegnerin an der Fahreignung des Antragstellers entsprechen nicht den Tatsachen. Eine hierauf gestützte Anordnung setze voraus, dass Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. April 2021 sei rechtswidrig. Denn die Antragsgegnerin stütze die Aberkennung der ausländischen Fahrerlaubnis lediglich auf eine zweifelhafte Befragung bei der Polizei und auf eine Befundmitteilung eines privaten Gutachters. Die Befundmitteilung leide an einem erheblichen Fehler, da eine Grenzwertüberschreitung offensichtlich falsch bejaht worden sei. Die Beweiserhebung durch Befragung des Antragstellers bei der Polizei sei rechtswidrig gewesen und sei deshalb widersprochen worden. Ein Dolmetscher für die polnische Sprache sei nicht zugegen gewesen. Es liege ein Beweisverwertungsverbot vor. Der Antragsteller sei auf seine Fahrerlaubnis angewiesen. Mit dem Entzug der Fahrerlaubnis drohe dem Antragsteller die Arbeitslosigkeit. Die Arbeit des Antragstellers bedürfe zwingend einer Fahrerlaubnis, da dieser an unterschiedlichen Baustellen im gesamten Bundesgebiet Montagearbeiten durchführe. Dies könne schon deswegen gravierende Folgen nach sich ziehen, da der Antragsteller seine gesamte Familie zu unterhalten habe. Insgesamt werde eine Situation entstehen, in der die gesamte Familie sich in einer prekären finanziellen Situation befinden werde. Zu Unrecht sei die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass mildere Mittel sowie anderweitige Maßnahmen nicht zur Verfügung stünden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Führerscheinentzugs und der Einziehung des Führerscheins sei nicht ausreichend begründet. Die Antragsgegnerin führe nur aus, der Antragsteller habe sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Damit seien aber lediglich Gründe für die Entziehung der Fahrerlaubnis selbst, nicht jedoch für deren sofortige Vollziehung dargetan, was nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erforderlich sei. Denn die Antragsgegnerin lege nicht dar, dass die Umstände, aus denen sich die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen eines Kraftfahrzeuges ergeben soll, gleichzeitig das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Entzuges der Fahrerlaubnis begründen. Darüber hinaus sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis nicht gerechtfertigt, weil ein überwiegendes Vollziehungsinteresse der Öffentlichkeit nicht bestehe. Denn ein genügend konkretisierter Verdacht, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei, und er deshalb andere Verkehrsteilnehmer so sehr gefährde, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden könne, sei nicht gegeben.
Mit Schreiben vom 1. Juni 2021, bei Gericht eingegangen am 4. Juni 2021, beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen. Es wurde entgegnet, der Hinweis des Bevollmächtigten des Antragstellers, dass der Antragsteller auf die Substanzen Tetrahydrocannabinol und Benzoylecgonin zwar positiv getestet worden sei, aber lediglich der Grenzwert für THC überschritten gewesen sei und die Befundmitteilung vom 12. Januar 2021 zu Unrecht auch bei der Substanz Benzoylecgonin eine Grenzwertüberschreitung bejaht habe, gehe fehl. Ungeachtet der Tatsache, dass nach der beim Bundesverkehrsministerium angesiedelten Grenzwertkommission der analytische Grenzwert für Benzoylecgonin bei 75 ng/ml liege, mithin der beim Antragsteller gemessene Wert von 84,5 ng/ml durchaus eine Überschreitung darstelle, komme es hierauf überhaupt nicht an. Die Frage nach der Grenzwertüberschreitung habe zwar Bedeutung für die Verwirklichung des Bußgeldtatbestandes des § 24a Abs. 2 StVG, nicht hingegen für die Frage nach der Eignung bzw. Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Die für die Kraftfahreignung relevante Frage der Einnahme eines Betäubungsmittels lasse sich unabhängig von der vorgefundenen Konzentration beantworten, weil es hierfür im Unterschied zum Konsum von Cannabis nicht darauf ankomme, ob der Betroffene unter dem Einfluss des Betäubungsmittels ein Kraftfahrzeug geführt habe und folglich nicht zwischen dem Drogenkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges zu trennen vermöge. Auch sei der Begriff der „Einnahme“ regelmäßig bereits beim einmaligen Konsum sog. „harter“ Drogen erfüllt, wie auch die Systematik der Nr. 9 der Anlage 4 zur FeV zu erkennen gebe. Durch den Befundbericht sei ein vorangegangener Konsum von Cannabis und Kokain zweifelsfrei belegt. Selbst wenn im Befundbericht eine Grenzüberschreitung zu Unrecht bejaht worden wäre, wäre dies für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids ohne Belang. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers ziehe auch der Umstand, dass der Antragsteller gegenüber der Polizei den Konsum von Cannabis am Vortag der Kontrolle und Kokain zwei Tage vor der Kontrolle eingeräumt habe, ohne vorher über seine Rechte belehrt worden zu sein oder einen Dolmetscher für die polnische Sprache zur Seite gestellt bekommen zu haben, nicht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids nach sich. Obgleich es sich bei der Aussage des Antragstellers laut polizeilicher Mitteilung um eine sog. Spontanäußerung handelte, bei welcher keine Belehrungspflicht nach § 136 StPO bestehe und für welche nach gängiger Rechtsprechung kein Verwertungsverbot eingreife, sei die gegenüber der Polizei getätigte Aussage des Antragstellers im Aberkennungsverfahren durch die Antragsgegnerin gänzlich unberücksichtigt geblieben. Dies werde daran deutlich, dass die Aussage an keiner Stelle des angefochtenen Bescheids erwähnt werde. Vielmehr sei der Bescheid allein auf den o.g. Befundbericht gestützt worden. Unmittelbar nach der Wiedergabe von dessen Ergebnis heiße es, „aufgrund dieser Tatsache“ habe sich der Antragsteller als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Dass die Aussage des Antragstellers gegenüber der Polizei in irgendeiner Weise Eingang in den Bescheid gefunden hätte, sei nicht erkennbar. Der Bevollmächtigte des Antragstellers bringe insoweit auch nichts vor. Selbst wenn die Aussage – entgegen obigen Ausführungen – einem Verwertungsverbot unterläge, ließe sie die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids folglich unberührt. Der Bevollmächtigte des Antragstellers bringe vor, dass beim Antragsteller eine Drogengefährdung in Form von regelmäßigem Cannabis- oder gar Kokainkonsum gegeben sein soll, sei in keiner Weise festgestellt worden. Auch dieser Einwand sei unbehelflich. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV führe die Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG (ausgenommen Cannabis) im Regelfall bereits zur Nichteignung. Ein regelmäßiger Konsum werde insoweit nicht verlangt. Tatsächlich stelle nach der normativen Wertung des Verordnungsgebers bereits eine für eine Vergangenheit nur einmalig nachgewiesene Einnahme von Betäubungsmitteln für den Regelfall eine hinreichende Prognosegrundlage für einen künftigen eignungsausschließenden Drogenkonsum dar. Auch der Einwand des Bevollmächtigten des Antragstellers, die einmalige Einnahme von Cannabis schließe die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen regelmäßig aus, gehe an der Sache vorbei. Ungeachtet der Tatsache, dass beim Antragsteller – worauf lediglich ergänzend hingewiesen werde und was wegen des Zeitablaufs in den Aberkennungsbescheid keinen Eingang gefunden habe – bereits am 26. Oktober 2012 5,4 ng/ml Carbonsäure nachgewiesen und am 18. April 2015 in seiner rechten Hosentasche 1,01 g Marihuana aufgefunden worden sei, habe der Antragsteller eben nicht nur Cannabis, sondern auch Kokain eingenommen. Unerheblich sei ebenfalls, dass – worauf der Bevollmächtigte des Antragstellers hinweise – ein Führen von Kraftfahrzeugen unter dem Einfluss von Kokain nicht vorgelegen habe und sich keinerlei Hinweise auf eine beim Antragsteller aktuell bestehende Drogenproblematik ergeben hätten. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entfalle bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung. Dies gelte unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen und sei somit nicht das Ergebnis einer Abwägung. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig „harte“ Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sei oder, wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt habe. Eines Nachweises, dass der Betäubungsmittelmittelkonsum zur Fahruntüchtigkeit geführt habe, bedürfe es folglich nicht.
Der Vorwurf, die Antragsgegnerin sei ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen, sei nicht gerechtfertigt. Zum einen sei die Behauptung, die Antragsgegnerin habe die Aberkennung der ausländischen Fahrerlaubnis lediglich auf eine zweifelhafte Befragung bei der Polizei und auf eine Befundmitteilung eines privaten Gutachters gestützt, bereits deshalb falsch, weil die vom Antragsteller gegenüber der Polizei getätigte Spontanäußerung keinen Eingang in den angefochtenen Bescheid gefunden habe. Zudem handele es sich beim … … nicht um irgendeinen „privaten“ Gutachter, sondern um ein Institut, welches bei der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) nach ISO 17025 akkreditiert sei für forensische Zwecke inkl. Fahreignungsdiagnostik. Folglich seien die in der Befundmitteilung bestätigten Untersuchungswerte zulässig und verwertbar und dürften dem Aberkennungsbescheid zugrunde gelegt werden. Anders als der Bevollmächtigte des Antragstellers meine, war auch eine eigene Begutachtung des Antragstellers durch die Antragsgegnerin nicht angezeigt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BayVGH habe bereits der einmalige Konsum von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) im Regelfall gemäß Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahrungeeignetheit zur Folge. Der Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens bedürfe es insoweit nicht (vgl. § 11 Abs. 7 FeV). Ein demgegenüber von vornherein einschränkendes Verständnis der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV unter Einbeziehung von Nr. 2 der Vorbemerkung in dem Sinne, dass die Eignungsbeurteilung regelmäßig eine Begutachtung voraussetze, würde der für den Regelfall im Hinblick auf das besondere Gefährdungspotenzial „harter“ Drogen vorgenommenen normativen Wertung nicht gerecht. Die Behauptung des Bevollmächtigten des Antragstellers, die Antragsgegnerin lege nicht dar, dass die Umstände, aus denen sich die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen eines Kraftfahrzeuges ergeben solle, gleichzeitig das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Entzuges der Fahrerlaubnis begründe, sei falsch. Die Antragsgegnerin habe unter Nr. 5 ihres Bescheides die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben, die sie dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen. Sie habe das besondere öffentliche Interesse damit begründet, dass ein unter Drogeneinfluss stehender Fahrzeugführer eine über die allgemeine Verkehrsgefährdung hinausgehende Gefahr für die Verkehrsteilnehmer bedeute. Aufgrund dieses Mangels müsse jederzeit mit einem Fehlverhalten bei der Führung eines Fahrzeuges gerechnet werden. Der Antragsteller verfüge nicht über das besondere Verantwortungsbewusstsein, das bei einem Fahrzeugführer vorausgesetzt werden müsse, um das notwendige Maß an Sicherheit für sämtliche Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Bei sorgfältiger Abwägung der Interessenlage sei es daher gerechtfertigt, dass der Antragsteller einstweilen an der Führung eines Kraftfahrzeuges gehindert werde. Dass sich hierbei Erlassinteresse und Vollziehbarkeitsinteresse in Teilen decken, sei unschädlich. Es sei nicht ausgeschlossen, dass ein und dieselbe Rechtsgrundlage sowohl die Gesichtspunkte für den Erlass des Verwaltungsakts zu liefern als Dringlichkeitsgründe für die Vollziehbarkeitsanordnung zu indizieren vermöge. Die Regelung des § 46 FeV diene dem Schutz der Allgemeinheit und der Individualrechtsgüter der Verkehrsteilnehmer vor Gefährdungen durch unfähige und ungeeignete Kraftfahrer. Es handele sich insofern um eine Vorschrift der Gefahrenabwehr. Da der Straßenverkehr hohe Risiken für gewichtige Rechtsgüter von verfassungsrechtlichem Rang vieler Bürger berge, wohne dem Fahrerlaubnisrecht per se eine gewisse Dringlichkeit inne. Weil es sich folglich sowohl beim GrundVerwaltungsakt (Entziehung der Fahrerlaubnis) als auch bei der Anordnung des Sofortvollzugs um Maßnahmen der Gefahrenabwehr handele, sei von einer Teilidentität von Erlass- und Vollziehungsinteresse auszugehen. Die in einem solchen Fall an die Begründung der Vollziehbarkeitsanordnung zu stellenden Anforderungen seien dabei vorliegend erfüllt, weil hinreichend erkennbar sei, worin die Gründe gerade für die sofortige Vollziehung liegen. So sei die Entziehung der Fahrerlaubnis selbst auf die fehlende Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen gestützt worden, während die Anordnung des Sofortvollzugs der Abwehr – schon vor dem Abschluss des Widerspruchs- oder eines ggf. länger andauernden Hauptsacheverfahrens – drohender Gefahren diene. Anders als der Sofortvollzug, dessen Wirkungen im Falle eines Obsiegens im Widerspruchs- oder Hauptsacheverfahrens weitgehend reparabel seien, gelte dies für die in diesem Fall gefährdeten Rechtsgüter nicht.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Behörden- und auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antragsteller begehrt nach Auslegung des gestellten Antrags (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Aberkennung des Rechts, von seiner polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, und gegen die Vorlageverpflichtung seines Führerscheins gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Hs. 2 VwGO. Der Klage des Antragstellers kommt diesbezüglich aufgrund der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu. Ausweislich des insoweit eindeutigen Wortlauts des gestellten Antrags ist eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der nach Art. 21a BayVwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Androhung der Einziehung des Führerscheins im Wege des unmittelbaren Zwangs nicht Streitgegenstand des Verfahrens. Diesbezüglich wurde von Seiten des Antragstellers auch nichts vorgetragen.
Der so verstandene Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keine Aussicht auf Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Im vorliegenden Fall eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO stellt das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet worden ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise dann wieder her, wenn das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache erhebliche Bedeutung. Bleibt dieser Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen, da dann das von der Behörde geltend gemachte besondere Interesse am Sofortvollzug regelmäßig überwiegt.
In Anwendung dieser Grundsätze bleibt der Antrag ohne Erfolg.
Die Aberkennung des Rechts, von der polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, und die Aufforderung zur Vorlage des Führerscheins erweisen sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt daher das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
1. Die Begründung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid entspricht entgegen der Auffassung des Antragstellers den formellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug sowohl bezüglich der Aberkennung des Rechts, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, als auch bezüglich der Vorlageverpflichtung in ausreichender Form begründet wurde. So hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass aufgrund des Eignungsmangels jederzeit mit einem Fehlverhalten bei der Führung eines Kraftfahrzeugs gerechnet werden müsse und deshalb zu befürchten sei, dass andere Verkehrsteilnehmer dadurch erheblich gefährdet würden. Daher bestehe ein dringendes Interesse an der sofortigen Unterbindung der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr in Deutschland. Die mit dieser Entscheidung verbundenen Nachteile in Bezug auf private Lebensführung und Berufstätigkeit müssten vom Antragsteller im Hinblick auf den hohen Rang der gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit und das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit hingenommen werden.
Bezüglich der Vorlage des Führerscheins zur Eintragung der Aberkennung führte die Antragsgegnerin aus, dass durch die Eintragung des Sperrvermerks auf dem ausländischen Führerschein nach außen hin dokumentiert werden solle, dass keine Fahrberechtigung für Deutschland bestehe. Somit könne die Polizei bei Verkehrskontrollen nicht über die Gültigkeit der ausländischen Fahrerlaubnis in Deutschland getäuscht werden. Dadurch würden mögliche Sicherheitsrisiken für andere Verkehrsteilnehmer minimiert.
Dies ist nicht zu beanstanden. Da es sich beim Fahrerlaubnisrecht um einen besonderen Teil des Sicherheitsrechts handelt, entspricht es der ständigen Rechtsprechung der Kammer, dass es für die Anordnungsbehörde ausreicht, die typische Interessenlage dieser Fallgruppe aufzuzeigen und auszuführen, dass im Falle möglicherweise ungeeigneter Fahrzeugführer ein Ausschluss an der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr wegen der davon ausgehenden akuten Gefahr schnellstmöglich anzuordnen ist.
2. Der Streitgegenständliche Bescheid ist auch im Übrigen rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
Nach der in diesem Verfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage liegen die Voraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. der Aberkennung des Rechts, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 FeV i.V.m. Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV vor, so dass der Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. April 2021 zu Recht ergangen ist.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 FeV ist eine Fahrerlaubnis dann zu entziehen bzw. das Recht, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, dann abzuerkennen, wenn sich der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ein Ermessenspielraum kommt der Fahrerlaubnisbehörde nicht zu. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ist insbesondere von einer Nichteignung auszugehen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen.
Ergänzend sind hier auch die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Stand: 31. Dezember 2019) heranzuziehen, denen verkehrsmedizinisches Erfahrungswissen zugrunde liegt und die deshalb nach der ständigen Rechtsprechung zur Würdigung des Sachverhalts und zur Beurteilung der Eignung zur Führung von Kraftfahrzeugen mit heranzuziehen sind.
Nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV und Ziffer 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung ist derjenige nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden, der Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) konsumiert. Die Fahreignung entfällt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (st. Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 19.1.2016 – 11 CS 15.2403 – juris Rn. 11; B.v. 23.2.2016 – 11 CS 16.38 – juris Rn. 8; B. v. 14.11.2018 – 11 CS 18.963 – juris Rn. 11; OVG NW, B.v. 23.7.2015 – 16 B 656/15 – juris Rn. 5 ff. m.w.N.).
Dass der Antragsteller Kokain konsumiert hat und – ohne dass es fahrerlaubnisrechtlich darauf ankäme – unter der Wirkung dieser Substanz am 23. Dezember 2020 ein Kraftfahrzeug geführt hat, steht bereits aufgrund des Drogenschnelltests vor Ort und der Befundmitteilung des … … … … (* … …*) vom 12. Januar 2021 fest. Das ebenfalls konsumierte Cannabis wurde von der Fahrerlaubnisbehörde angesichts des Konsums von Kokain nicht berücksichtigt.
Der Einwand des Antragstellers, die Befundmitteilung leide an einem erheblichen Fehler, da eine Grenzwertüberschreitung offensichtlich falsch bejaht worden sei, geht insoweit ins Leere. Bereits durch den am 23. Dezember 2020 durchgeführten Drogenschnelltest ist festgestellt, dass im Urin des Antragstellers Kokain nachgewiesen wurde und er diese daher zuvor konsumiert hatte. Der im Urin durchgeführte Drogenschnelltest ist auch unabhängig von der Befundmitteilung aussagefähig und ausreichend als Nachweis für den Konsum von Drogen, denn er zeigt mit hinreichender Sicherheit einen Drogenkonsum an. Eine Aussage über den Zeitpunkt der Drogeneinnahme ist damit zwar nicht möglich, dies ist aber bei der Einnahme von Kokain für die Feststellung der Fahrungeeignetheit auch nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 27.06.2019 – 11 CS 19.961 m.w.N).
Zudem ist für die Kammer nicht ersichtlich, weshalb die Befundmitteilung vom 12. Januar 2021 bei der Substanz Benzoylecgonin eine Grenzwertüberschreitung zu Unrecht bejaht haben soll. Dieser Einwand ist unsubstantiiert. Außerdem hat der Grenzwert zwar Bedeutung für die Verwirklichung des Bußgeldtatbestandes des § 24a Abs. 2 StVG, nicht hingegen für die Frage, ob Kokain als Betäubungsmittel eingenommen wurde. Die für die Kraftfahreignung relevante Frage der Einnahme eines Betäubungsmittels lässt sich unabhängig von der vorgefundenen Konzentration beantworten, weil es hierfür im Unterschied zum Konsum von Cannabis nicht darauf ankommt, ob der Betroffene unter dem Einfluss des Betäubungsmittels ein Kraftfahrzeug geführt hat und folglich nicht zwischen dem Drogenkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges zu trennen vermag (vgl. OVG Berlin-Brandenburg B.v. 15.2.2008 – 1 S 186.07, BeckRS 2008, 35999).
Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat die Antragsgegnerin die Aberkennung der ausländischen Fahrerlaubnis auch nicht auf die Befragung des Antragstellers bei der Polizei gestützt.
Der Antragsteller hat gegenüber der Polizei den Konsum von Kokain und Cannabis eingeräumt. Jedoch hat die Antragsgegnerin diese Äußerung des Antragstellers nicht für den Fahrerlaubnisentzug herangezogen. Nirgends wird seitens der Antragsgegnerin auf diese Äußerung des Antragstellers Bezug genommen. Unabhängig davon weist die Kammer darauf hin, dass es ständiger Rechtsprechung der deutschen Obergerichtsbarkeit entspricht, dass im präventiven Bereich des Fahrerlaubnisrechts strafprozessuale Regelungen des Beweisverwertungsverbotes bzw. entsprechende Regelungen nicht gelten. Es ist nämlich mit dem hochwertigen Recht der Allgemeinheit auf vorbeugende Maßnahmen zur Abwehr von Risiken für die Verkehrssicherheit nicht zu vereinbaren, wenn Fahrerlaubnisbehörden in Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen in jedem Fall an der Berücksichtigung fehlerhaft gewonnener Erkenntnisse gehindert wären (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 19.1.1998 – 11 B 95.2282 und grundlegend: BVerwG, B.v. 4.9.1970 – I B 50.69, jeweils juris).
Aufgrund der festgestellten Nichteignung war die Fahrerlaubnisbehörde nach § 3 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 FeV zur Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zur Aberkennung des Rechts, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, verpflichtet. Der Fahrerlaubnisbehörde war für diese Entscheidung keinerlei Ermessen eingeräumt. Steht die Nichteignung fest, so ist die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen. Billigkeitserwägungen wie das Angewiesensein auf den Führerschein – auch zur Berufsausübung – können nicht entgegengebracht werden. Zudem steht der Fahrerlaubnisbehörde entgegen der Auffassung des Antragstellers kein milderes Mittel im Rahmen der § 3 Abs. 1 Satz 1, Satz StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 FeV zur Verfügung.
Bei feststehender Ungeeignetheit kommt auch die Einholung eines Gutachtens im Rahmen des Entziehungsverfahrens nicht in Betracht (vgl. § 11 Abs. 7 FeV).
Dem Antragsteller steht die Möglichkeit offen, gemäß Ziffer 9.5 der Anlage 4 zur FeV durch den Nachweis einjähriger Abstinenz und eines tiefgreifenden Einstellungswandels die Wiedererlangung seiner Fahreignung zu belegen (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2009 – 11 CS 09.85; VG Regensburg, U.v. 20.1.2011 – RN 8 S 11.33, jeweils juris).
Die mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 15. April 2021 erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. Aberkennung des Rechts, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, ist damit rechtmäßig.
Dies hat zur Folge, dass auch die unter Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Vorlageverpflichtung bezüglich des Führerscheins gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 2 FeV rechtmäßig ist. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 StVG erlischt das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland. Der Führerschein ist unverzüglich der entscheidenden Behörde zur Eintragung vorzulegen. Nach § 47 Abs. 2 Satz 2 FeV wird auf dem Führerschein vermerkt, dass von der Fahrerlaubnis im Inland kein Gebrauch gemacht werden darf. Dies erfolgt nach § 47 Abs. 2 Satz 3 FeV bei einem EU-Kartenführerschein durch die Anbringung eines roten, schräg durchgestrichenen „D“ im Feld 13 des Führerscheins.
Aufgrund der insgesamt negativen Prognose hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Klage überwiegt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist daher abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung des Jahres 2013.


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