Aktenzeichen V ZB 14/10
Leitsatz
In entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG kann das Rechtsbeschwerdegericht wie das Beschwerdegericht vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen, insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist .
Verfahrensgang
vorgehend LG Frankenthal, 8. Januar 2010, Az: 1 T 252/09, Beschlussvorgehend AG Frankenthal, 3. Dezember 2009, Az: 2 XIV 41/09 B, Beschluss
Tenor
Der Antrag des Betroffenen, die Vollziehung des Beschlusses des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 3. Dezember 2009 in der Fassung des Beschlusses der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. Januar 2010 bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde auszusetzen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Der Betroffene ist libanesischer Staatsbürger und lebt seit 28 Jahren in Deutschland. Die beteiligte Behörde ordnete mit Bescheid vom 20. Februar 2007 seine Ausweisung an, weil er unter anderem wegen Erwerbs von Heroin und gefährlicher Körperverletzung zu mehreren Freiheitsstrafen verurteilt worden war, deren Vollstreckung nicht (mehr) zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach Eintritt der Bestandskraft der Ausweisung betrieb sie die Beschaffung der Ersatzpapiere, die sich indessen länger hinzog und bis zu dem nachträglich vorgezogenen Ende der Strafhaft nicht mehr gelang. Auf Antrag der Behörde hat das Amtsgericht die Sicherungshaft von drei Monaten gegen den Betroffenen angeordnet. Das Landgericht hat diese auf die Beschwerde des Betroffenen auf zwei Monate bis zum Ablauf des 31. Januar 2010 verkürzt, weil die Papiere inzwischen erteilt sind und die Abschiebung für den 26. Januar 2010 vorgesehen ist. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, über die noch nicht entschieden ist. Mit dem hier zu bescheidenden Antrag möchte er die Aussetzung des Vollzugs der Haftentscheidungen erreichen.
II.
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Er ist allerdings in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft. Der Gesetzgeber hat zwar in § 74 Abs. 4 FamFG nur eine Verweisung auf die Vorschriften des Verfahrens erster Instanz vorgesehen. Er hat dabei aber übersehen, dass die als Orientierung dienende Vorschrift des § 555 ZPO (vgl. Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/6308 S. 211) durch Sondervorschriften (§§ 565, 719 ZPO) ergänzt wird. Die dadurch entstandene planwidrige Lücke ist durch die entsprechende Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG zu schließen (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 74 Rdn. 61).
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2. Der Antrag ist aber unbegründet.
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a) Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Betroffenen gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung, die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (vgl. Senat, Beschl. v. 31. Oktober 2007, V ZB 114/07, WuM 2008, 95, 96).
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b) Daran fehlt es hier. Die Anordnung der Sicherungshaft wird sich nach bisherigem Sachstand als rechtmäßig erweisen.
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aa) Der Betroffene ist auf Grund der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung nach §§ 56, 58 AufenthG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet.
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bb) Nach den dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnissen bestand bei Anordnung und besteht auch jetzt der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen will (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG).
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(1) Der Betroffene meint, es lägen keinen konkreten, belastbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass er sich der Abschiebung entziehen werde. Er habe im Mai 2008 selbst um die Durchführung der Abschiebung gebeten, an der Beschaffung der Papiere aktiv mitgewirkt und erklärt, er werde sich mit seinem Übergangsgeld von 3.500 € in einer Pension einquartieren. Der Umstand, dass er keine aktiven familiären Bindungen habe, reiche allein nicht für die Anordnung von Sicherungshaft aus. Diese Einwände überzeugen den Senat nicht.
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(2) Es ist zwar zweifelhaft, darin ist dem Betroffenen Recht zu geben, ob sich der begründete Verdacht, er wolle sich dem Vollzug der Ausreise entziehen, darauf stützen lässt, dass er zu Beginn seines Aufenthalts in Deutschland 1982 mehrfach untergetaucht ist. Dieser Verdacht ergibt sich aber daraus, dass der Betroffene in hohem Maß unzuverlässig ist. Das ist insbesondere dem gegen ihn ergangenen Strafurteil des Amtsgerichts Frankenthal/Pfalz vom 18. September 2006 zu entnehmen. Darin hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und die Aussetzung der Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt. Begründet hat es diese Entscheidung damit, dass der Betroffene die Bewährungsauflagen aus früheren Verurteilungen zu Freiheitsstrafen nicht eingehalten und den ihm aufgegebenen Kontakt zu seinem Bewährungshelfer nicht gehalten hat. Vor allem aber hat es festgestellt, dass sich der Betroffene durch die vorangegangenen Verurteilungen in keiner Weise hat beeindrucken lassen und letztlich „macht, was er will“, wie es in dem Urteil heißt. Verlässliche Anzeichen dafür, dass sich der Betroffene in der Strafhaft verändert hat und dem Vollzug der Ausweisung nicht entzieht, liegen nicht vor. Der Betroffene hat zwar nach seinen Angaben nach Bestandskraft der Ausweisung im Mai 2008 um deren baldigen Vollzug gebeten und an der Beschaffung der Papiere mitgewirkt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Betroffene allerdings noch etwa 18 Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen. Deshalb ist seinem Verhalten nicht, jedenfalls nicht sicher zu entnehmen, dass er sich mit einer Rückkehr in seine Heimat abgefunden hat. Es ist ferner nicht erkennbar, dass der Betroffene in Deutschland einen festen Bezugspunkt hat oder begründen könnte, an dem er an dem für seine Abschiebung vorgesehenen Zeitpunkt angetroffen werden könnte. Daran ändert auch die erklärte Absicht des Betroffenen nichts, sich nach Entlassung aus der Haft in einer Pension einzumieten.
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cc) Entgegen der Ansicht des Betroffenen ist die Anordnung der Sicherungshaft auch verhältnismäßig. Die Anordnung der Sicherungshaft kann zwar auch dann unverhältnismäßig sein, wenn die Behörde den Vollzug der Ausweisung nicht mit Nachdruck betrieben und insbesondere nicht die notwendigen Anstrengungen unternommen hat, die Ausweisung während einer Strafhaft zu betreiben (BayObLGZ 1991, 258, 260). Gemessen daran ist die Anordnung der Sicherungshaft aber nicht zu beanstanden. Die beteiligte Behörde hat die Ausweisung zu Beginn der Strafhaft angeordnet. Sie hat kurz nach dem Eintritt der Bestandskraft ihrer Entscheidung die Beschaffung der Ersatzpapiere betrieben. Anlass, schon vorher damit zu beginnen, hatte sie nicht, zumal der Betroffene bei Erlass des verwaltungsgerichtlichen Urteils noch nahezu zwei Jahre Strafhaft zu verbüßen hatte. Dass die libanesischen Behörden in diesem langen Zeitraum zur Beschaffung der Ersatzpapiere nicht in der Lage sein würden, war nicht vorherzusehen.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub