Strafrecht

Anfechtbarkeit von staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen

Aktenzeichen  203 VAs 42/20

Datum:
14.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7678
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 153a Abs. 2, § 207 Abs. 3
EGGVG § 23
StGB § 232 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Maßnahmen der Staatsanwaltschaft im Rahmen von Ermittlungs- und Strafverfahren sind grundsätzlich nicht nach §§ 23 ff. EGGVG anfechtbar.  (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit ist ausnahmsweise dann geboten, wenn der Staatsanwaltschaft im Verfahrensstadium des Ermittlungsverfahrens vor Anklageerhebung Willkür vorgeworfen wird. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Verfahrensstadium nach Eröffnung des Hauptverfahrens ist die Gewährung eines isolierten Rechtsbehelfs gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft unabdingbar systemwidrig. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag des Antragstellers vom 24. Januar 2020 auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
2. Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat u.a. gegen den Antragsteller mit Anklageschrift vom 15.06.2016 Anklage zum Landgericht Regensburg wegen Wahlfälschung in vier tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Verleiten zur falschen Versicherung an Eides Statt und mit falscher Versicherung an Eides Statt und mit Urkundenfälschung, sowie Urkundenfälschung und Missbrauchs von Titeln gemäß §§ 107a Abs. 1, 132a Abs. 1, 156, 160 Abs. 1, 267 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 1 und 2, Abs. 2, 52, 53 StGB erhoben (Az.: 102 Js 16440/14). Die 5. Strafkammer des Landgerichts Regensburg hat die Anklage mit Beschluss vom 20.02.2017 (Az.: 5 KLs 102 Js 16440/14) unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Da die Strafkammer die Anklage aber nicht hinsichtlich aller Angeschuldigter in vollem Umfang zugelassen hatte (insoweit bestätigt durch Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 10.05.2017, Az.: 1 Ws 119 – 122/17), hat die Staatsanwaltschaft Regensburg unter dem 24.08.2017 und dann nochmals unter dem 26.10.2017 jeweils eine neue Anklageschrift gem. § 207 Abs. 3 StPO erstellt.
Im Rahmen eines Erörterungsgespräches nach §§ 213 Abs. 2, 212, 202a StPO am 08.09.2017 regten die damaligen Verteidigerinnen des Antragstellers eine Verfahrenseinstellung nach § 153a Abs. 2 StPO betreffend den Antragsteller an. Die Staatsanwaltschaft sah zum damaligen Zeitpunkt dafür keinen Raum.
Mit Beschluss vom 30.04.2018 hat die Strafkammer das Verfahren gegen eine andere Angeschuldigte vorläufig und dann mit Beschluss vom 28.05 2018 endgültig gemäß § 153a Abs. 2 StPO eingestellt.
In der Folgezeit fanden unter Beteiligung des Gerichts und der Staatsanwaltschaft erneut Gespräche statt, um die Möglichkeit einer Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a Abs. 2 StPO auch bezüglich weiterer Angeschuldigter abzuklären. Bei der Besprechung am 03.07.2018 äußerte die Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Antragstellers, dass sie einer Sachbehandlung nach § 153a Abs. 2 StPO nicht zustimmen könne, da dessen Tatbeitrag gewichtiger zu werten sei als derjenige anderer Angeschuldigter. Der Vorsitzende gab an, dass aus Sicht der Kammer eine solche Sachbehandlung bei einer entsprechenden Auflage nicht prinzipiell ausgeschlossen sei.
Mit Schreiben vom 01.10.2018 hat der Vorsitzende der Strafkammer angeregt, das Strafverfahren gegen den Antragsteller gegen eine Geldauflage in Höhe von 100.000 Euro nach § 153a Abs. 2 StPO einzustellen. Zur Begründung verwies er darauf, dass den Tathandlungen ein in verwaltungsrechtlicher Hinsicht jedenfalls zu beanstandendes Fehlverhalten der Gemeinde vorausgegangen sei, dass die dem Antragsteller zur Last gelegte Tat bereits lange zurückliege und dass eine zu angemessener Kompensation verpflichtende konventionswidrige Verfahrensverzögerung vorliege (verspätete Vorlage verschiedener Beweismittel, was bis dahin zu einer Verfahrensverzögerung von etwa acht Monaten geführt hatte). Die Staatsanwaltschaft hat ihre Zustimmung hierzu nach einem Hauptverhandlungstermin am 09.10.2018 am 11.10.2018 nicht erteilt.
Mit Beschluss vom 15.10.2018 hat die Strafkammer das Verfahren gegen drei weitere Angeklagte vorläufig nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt.
Das Verfahren gegen den Antragsteller wurde mit Beschluss der Strafkammer vom selben Tage abgetrennt und ausgesetzt; neuer Hauptverhandlungstermin wurde am 11.12.2018 bestimmt auf den 15.03.2019.
Aufgrund Ausgeschlossensein des erkennenden Richters, eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit des Antragstellers und eines anderweitigen Großverfahrens wurde schließlich der 27.01.2020 als Beginn der Hauptverhandlung bestimmt.
Mit Schreiben vom 24.01.2020, eingegangen bei Gericht per Telefax am selben Tage, hat der Antragsteller nunmehr Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG gestellt und beantragt, die Staatsanwaltschaft dazu zu verpflichten, ihre Zustimmung zu einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO auch bezüglich des Antragstellers dem Grunde nach zu erteilen. Zur Begründung trägt der Antragsteller u.a. vor, dass der Zustimmungsverweigerung zur Verfahrenseinstellung nach § 153a Abs. 2 StPO keine Entscheidung der Staatsanwaltschaft Regensburg oder der Generalstaatsanwaltschaft zugrunde gelegen habe, sondern eine Weisung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz. Diese Weisung beruhe auf sachfremden Erwägungen und instrumentalisiere den Antragsteller zu einem Spielball politischer Interessen, weshalb dem Antragsteller der Rechtsweg zu einem unabhängigen Richter eröffnet sein müsse. Als endgültige und letztverbindliche Entscheidung dürfe die Zustimmungsverweigerung wegen Art. 19 Abs. 4 GG einer Anfechtung nicht entzogen werden.
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Vorlageschreiben vom 11.02.2020 beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung auf Kosten des Antragstellers unter Festsetzung des Geschäftswertes auf 5.000,00 € als unzulässig zu verwerfen. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an, dass Gegenstand des Verfahrens kein Justizverwaltungsakt im Sinne der §§ 23 ff. EGGVG und der entsprechende Antrag deshalb bereits nicht statthaft sei. Darüber hinaus habe der Antragsteller sein Antragsrecht auch verwirkt.
Hierzu hat sich der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 26.02.2020 geäußert.
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgenannten Schreiben Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, da er bereits nicht statthaft ist.
1. Anträge auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG können sich nur gegen Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten richten. Maßnahme ist jedes behördliche Vorgehen in Form einer Anordnung, Verfügung oder in sonstiger Weise, das der Regelung einer Einzelangelegenheit dient und geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten zu verletzen, wozu auch schlicht hoheitliches Handeln und Realakte mit Außenwirkung rechnen (h.M.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 6; Mayer in Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 21, 23; Böttcher in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 42 ff.; Ellbogen in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 23, 25 ff.).
2. Maßnahmen der Staatsanwaltschaft im Rahmen von Ermittlungs- und Strafverfahren sind grundsätzlich nicht nach §§ 23 ff. EGGVG anfechtbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.05.1979, Az.: 2 BvR 782/78, BVerfGE 51, 176, 184; BVerfG, Beschluss vom 08.11.1983, Az.: 2 BvR 1138/83, NJW 1984, 1451; BVerfG, Beschluss vom 19.12.1983, Az.: 2 BvR 1731/82, NStZ 1984, 228; BVerfG, Beschluss vom 05.11.2001, Az.: 2 BvR 1551/01, NJW 2002, 815; BVerfG, Beschluss vom 02.10.2003, Az.: 2 BvR 660/03, NStZ 2004, 447; OLG Hamm, Beschluss vom 25.04.1985, Az.: 1 VAs 149/84, NStZ 1985, 472; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.11.1993, Az.: 2 VAs 23/93, NStZ 1994, 142; OLG Jena, Beschluss vom 19.08.2004, Az.: VAs 5/04, NStZ 2005, 343; KG, Beschluss vom 31.05.2010, Az.: 1 VAs 40/09, StraFo 2010, 428; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 9, 15; Mayer in Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 31, 37 ff.; Böttcher in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 11, 52 ff.; 106 ff.; Ellbogen in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 56, 58, 65).
Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, die auf die Einleitung, Durchführung und Gestaltung des Ermittlungsverfahrens und des Verfahrens vor Gericht gerichtet sind (wozu auch Entschließungen zählen, von ihr zustehenden prozessualen Befugnissen keinen Gebrauch zu machen), stellen nämlich Prozesshandlungen dar und sind deshalb nach dem System der Strafprozessordnung nur anfechtbar mit den hierfür in der StPO abschließend geregelten Rechtsbehelfen. Eine darüber hinausgehende selbständige gerichtliche Kontrolle nach §§ 23 ff. EGGVG würde zu einer Vielzahl von das eigentliche Verfahren verzögernden Nebenverfahren führen. Überdies haben Maßnahmen im Ermittlungsverfahren nicht entscheidenden, sondern nur die Abschlussverfügung vorbereitenden Charakter; sie bilden eine Einheit und werden, wenn es zur Anklage kommt, als Ganzes einer gerichtlichen Kontrolle zugeführt. Es ist ausreichend, wenn der Beschuldigte im Zwischen- und Hauptverfahren weitreichenden und umfassenden Rechtsschutz erhält. Dabei zielt die geltende Prozessstruktur auf die unmittelbar in der Strafprozessordnung vorgesehene gerichtliche Entscheidung ab. Ein vorhergehender Rechtsschutz gemäß §§ 23 ff. EGGVG wäre somit systemwidrig.
Das BVerfG hat in vorgenannten Entscheidungen die Rollenverteilung zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht, wie sie in der StPO angelegt ist, grundsätzlich als mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar angesehen.
Insbesondere ist auch – wie vorliegend – die Verweigerung der Zustimmung durch die Staatsanwaltschaft gem. § 153a Abs. 2 StPO grundsätzlich nicht nach §§ 23 ff. EGGVG anfechtbar (OLG Hamm, Beschluss vom 25.04.1985, Az.: 1 VAs 149/84, NStZ 1985, 472; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. § 153a StPO Rn. 47 und § 23 EGGVG Rn. 15; Mayer in Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 39; Mavany in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl. § 153a Rn. 150 i.V.m. § 153 Rn. 72 m. zahlr. Nachw.; Böttcher in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 111, Rn. 121 m. zahlr. Nachw., Rn. 123 m. weit. Nachw.; Peters in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. § 153a Rn. 56; Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 32).
3. Eine Ausnahme hiervon ist nur dann anzuerkennen, wenn sich eine Maßnahme als willkürlich erweist, d.h. unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar und schlechthin unhaltbar ist (BVerfG, Beschluss vom 08.05.1979, Az.: 2 BvR 782/78, BVerfGE 51, 176, 184 (zu § 232 Abs. 1 S. 1 StGB a.F., jetzt § 230 Abs. 1 S. 1, 2. HS StGB); BVerfG, Beschluss vom 08.11.1983, Az.: 2 BvR 1138/83, NJW 1984, 1451 (betreffend einen Auskunftsanspruch); BVerfG, Beschluss vom 19.12.1983, Az.: 2 BvR 1731/82, NStZ 1984, 228 (betr. Einleitung und Fortführung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens); BVerfG, Beschluss vom 05.11.2001, Az.: 2 BvR 1551/01, NJW 2002, 815 (zu § 153a Abs. 1 StPO); BVerfG, Beschluss vom 03.10.2003, Az.: 2 BvR 660/03, NStZ 2004, 447 (betr. Einleitung und Fortführung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens); KG, Beschluss vom 31.05.2010, Az.: 1 VAs 40/09, StraFo 2010, 428 (zu § 154 Abs. 1 StPO); Mayer in Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 32; Böttcher in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 112 – ausdrücklich a.A. Rn. 121 betreffend u.a. §§ 153 Abs. 1, 153a Abs. 1 StPO und Rn. 123 betreffend u.a. §§ 153 Abs. 2, 153a Abs. 2 StPO -; Ellbogen in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 49).
Danach ist eine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit ausnahmsweise dann geboten, wenn der Staatsanwaltschaft Willkür vorgeworfen wird, wenn also objektiv willkürliches Handeln der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Beschuldigten in Rede steht. Alle den vorgenannten Entscheidungen zugrunde liegenden Fälle betrafen das Verfahrensstadium des Ermittlungsverfahrens vor Anklageerhebung. Zudem war in keinem dieser Fälle schlüssig dargetan, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren aus schlechthin unhaltbaren Erwägungen eingeleitet oder fortgeführt hat.
In diesem Verfahrensstadium ist zutreffend darauf abzustellen, ob im Hinblick auf behauptete Willkür im Einzelfall sofortiger Rechtsschutz geboten ist oder ob dem Beschuldigten zugemutet werden kann, den weiteren Gang und den Abschluss des Ermittlungsverfahrens abzuwarten, um sodann, wenn es nicht zur Einstellung kommt, um richterliche Überprüfung nachzusuchen (Böttcher in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 112; Ellbogen in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 58, 65).
Dabei begründet es für sich allein aber noch keinen Fall der Willkür, wenn die Staatsanwaltschaft in anderen vergleichbaren Fällen anders verfahren ist (BVerfG, Urteil vom 04.04.1967, Az.: 1 BvR 126/65, BVerfGE 21, 245, 261; BVerfG, Beschluss vom 08.05.1979, Az.: 2 BvR 782/78, BVerfGE 51, 176, 184).
4. Unter diesen Vorgaben ergibt sich vorliegend, dass ein Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG auch unter dem Blickwinkel der Willkür nicht statthaft ist.
a) Die Verweigerung der Zustimmung der Staatsanwaltschaft zu der vom Gericht angeregten Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO ist keine nach §§ 23 ff. EGGVG anfechtbare Maßnahme. Sie gestaltet nämlich als Prozesshandlung das gerichtliche Verfahren mit und ist deshalb, da das Gesetz hierfür keinen gesonderten Rechtsbehelf vorsieht, grundsätzlich auch nicht gem. §§ 23 ff. EGGVG isoliert überprüfbar.
b) Der ohnehin nur ausnahmsweise anzuerkennende Einwand etwaiger Willkür kann hier schon vom Ansatz her keine Geltung beanspruchen.
Sämtliche unter Ziffer 3. zitierten Entscheidungen betrafen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, nicht jedoch Strafverfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens wie vorliegend. In letztgenanntem Verfahrensstadium ist die Gewährung eines isolierten Rechtsbehelfs unabdingbar systemwidrig.
Nach Erhebung der öffentlichen Klage übt nämlich das nunmehr mit der Sache befasste Gericht die notwendige Kontrolle über die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft aus und das weitere Verfahren zielt auf die unmittelbar in der Strafprozessordnung vorgesehene gerichtliche Entscheidung ab, womit Art. 19 Abs. 4 GG in ausreichendem Maße Genüge getan ist. Die erste gerichtliche Kontrolle findet dabei bereits im Eröffnungsverfahren aufgrund Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 203, 209 StPO statt. Im Hauptverfahren ist dann die grundsätzlich festgelegte Rollenverteilung im Strafprozess zu beachten. Ließe man eine isolierte Anfechtbarkeit der Verweigerung der Zustimmung durch die Staatsanwaltschaft gem. § 153a Abs. 2 StPO zu, liefe dies der geltenden Prozessstruktur diametral entgegen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.11.1993, Az.: 2 VAs 23/93, NStZ 1994, 142).
Im Hauptverfahren stehen sich Angeklagter und Staatsanwaltschaft als Prozessbeteiligte gleichberechtigt gegenüber. Beide arbeiten darauf hin, eine aus ihrer jeweiligen Sicht tat- und schuldangemessene Strafe durch das Gericht zu erwirken. Diese Rollenverteilung geriete aber in Schieflage, wenn einer der Beteiligten, nämlich die Staatsanwaltschaft, noch während laufender Hauptverhandlung mittels eines Antrags nach §§ 23 ff. EGGVG gezwungen werden könnte, einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO zuzustimmen. § 153a Abs. 2 StPO erfasst Fälle, bei denen die Schuld bis in den mittleren Bereich hineinreicht (vgl. nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. § 153a Rn. 7). Es sind also gerade nicht diejenigen Fälle, die die Rechtsprechung hinsichtlich einer Willkürkontrolle vorrangig im Blick hatte, nämlich dass ein Beschuldigter aus schlechthin unhaltbaren Erwägungen oder in völlig unverhältnismäßiger Weise ohne die Möglichkeit einer zeitnahen gerichtlichen Kontrolle mit einem Ermittlungsverfahren überzogen wird. Hier wird vor Gericht um das Maß der Schuld und den dafür im Strafmaß gerechten Ausgleich gerungen. Wenn das Gericht die Schuld als nicht zu schwerwiegend bewertet, mag es nach § 59 StGB verfahren. Sind Angeklagter oder Staatsanwaltschaft dann mit dem Strafausspruch im Urteil nicht einverstanden, sieht das Gesetz hierfür die Rechtsmittel der Berufung und Revision vor. Eines darüber hinausgehenden Rechtsschutzes bedarf es nicht.
5. Lediglich im Hinblick auf die breiten Ausführungen der Verteidigung zur Willkürkontrolle weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Verweigerung der Zustimmung zu einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft stellt vorliegend keine willkürliche Entscheidung dar, die aus schlechthin unhaltbaren Erwägungen heraus getroffen worden ist (Ellbogen in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. § 23 EGGVG Rn. 49).
Eine Willkür begründende konkrete Anhaltspunkte sind weder vom Antragsteller dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Die vorgetragenen Argumente erreichen nicht annähernd den Grad willkürlichen Handelns. Die Verweigerung der Zustimmung zu einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft ist vielmehr von sachlichen Gründen getragen und ohne weiteres nachvollziehbar.
a) Die Nichtzustimmung zur Verfahrenseinstellung ist eine der Staatsanwaltschaft Regensburg zuzurechnende in ordnungsgemäßem Geschäftsgang getroffene Entschließung.
Unerheblich ist das Vorbringen des Antragstellers, es handele sich dabei in Wahrheit um eine von politischen Erwägungen getragene Weisung durch das Bayerische Staatsministerium der Justiz. Die Behauptung, diese Weisung beruhe auf sachfremden Erwägungen und instrumentalisiere den Antragsteller zu einem Spielball politischer Interessen, ist bloße Spekulation und durch keinerlei konkrete Umstände belegt. Vielmehr entspricht es der gesetzlichen Regelung, dass die Staatsanwaltschaft Regensburg dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz in dieser Sache fortlaufend auf dem Dienstweg, d.h. über den Generalstaatsanwalt in Nürnberg, berichtet hat; das Bayerische Staatsministerium der Justiz übt nämlich über die Staatsanwaltschaft Regensburg die Dienstaufsicht aus (§ 147 Nr. 2 GVG). Ebenso übt der Generalstaatsanwalt in Nürnberg die Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaft Regensburg aus (§ 147 Nr. 3 GVG). Ausweislich des Schreibens des Generalstaatsanwalts in Nürnberg vom 02.11.2018 vertritt dieser unabhängig vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz die von der Staatsanwaltschaft dann zu beachtende Auffassung, dass „jedenfalls derzeit auch aus hiesiger Sicht eine Zustimmung zu der angeregten Einstellung nicht in Betracht“ kommt.
b) Die Entschließung der Staatsanwaltschaft liegt innerhalb des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums.
Im Rahmen des Opportunitätsprinzips und bei der Beurteilung besonderer Wertungskriterien für die Nichtverfolgung einer Straftat – wie der geringen Schuld des Beschuldigten oder dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung – ist ein besonders weiter Beurteilungsspielraum eröffnet (BVerfG, Beschluss vom 05.11.2001, Az.: 2 BvR 1551/01, NJW 2002, 815, zu § 153a Abs. 1 StPO; vgl. auch KG, Beschluss vom 31.05.2010, Az.: 1 VAs 40/09, StraFo 2010, 428).
Innerhalb dieses Beurteilungsspielraums liegt die Schuld des Antragstellers jedenfalls nicht am unteren Rand. Das Gericht hat sogar unter Berücksichtigung der Umstände, dass den Tathandlungen des Antragstellers ein in verwaltungsrechtlicher Hinsicht zu beanstandendes Fehlverhalten der Gemeinde vorausgegangen sei, dass die dem Antragsteller zur Last gelegte Tat bereits lange zurückliege und dass eine zu angemessener Kompensation verpflichtende konventionswidrige Verfahrensverzögerung vorliege, eine Einstellung nur gegen eine beträchtliche Geldauflage in Höhe von 100.000 Euro vorgeschlagen und ist damit selbst von einer beachtlichen Schuld des Antragstellers ausgegangen. Ein etwaiges Fehlverhalten Dritter, ein langes Zurückliegen der Tat und eine lange Verfahrensdauer als solche sind tragende Strafzumessungsgesichtspunkte (vgl. statt vieler Fischer, StGB, 67. Aufl. § 46 Rn. 60 sowie Rn. 61 mit zahlr. Nachw.). Die konkrete Strafzumessung im Urteil ist deshalb der richtige Ort dafür, diese Umstände angemessen strafmildernd zu berücksichtigen.
Eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung löst die Pflicht zur Kompensation im Sinne der sog. Vollstreckungslösung aus (vgl. auch dazu Fischer, a.a.O., § 46 Rn. 62, 128 ff.). Es ist nicht ersichtlich, dass die vorgetragene Verfahrensverzögerung bereits ein solches Gewicht erreicht hat, dass eine Verfahrenseinstellung nach Opportunitätsgrundsätzen geboten oder ein Verfahrenshindernis im Sinne von § 206a StPO gegeben ist (Fischer, a.a.O., § 46 Rn. 143 i.V.m. Rn. 130). Dies betrifft nämlich nur Extremfälle (BVerfG, Beschluss vom 05.02.2003, Az.: 2 BvR 327/02, 2 BvR 328/02 und 2 BvR 1473/02, StV 2003, 383, 385: selbst Verfahrensdauern von knapp sechs Jahren bzw. neun Jahren in Jugendsachen rechtfertigen noch eine strafrechtliche Sanktion, obwohl die Verfahrensverzögerungen weit über vier Jahre bzw. fast sieben Jahre betrugen; BVerfG, Beschluss vom 25.07.2003, Az.: 2 BvR 153/03, NStZ 2004, 335, 337: eine Verfahrensdauer von fast siebeneinhalb Jahren mit einer Verfahrensverzögerung von etwa vier Jahren gebietet noch keine Einstellung des Strafverfahrens; BGH, Urteil vom 08.03.2006, Az.: 5 StR 587/05, wistra 2006, 262, 264 f.: selbst bei einer Verfahrensverzögerung von drei Jahren und fünf Monaten bei einer Verfahrensdauer von annähernd acht Jahren ist noch eine spürbare Bestrafung gerechtfertigt). Vorliegendes Verfahren ist von einem solchen Extremfall weit entfernt.
Das gerichtliche Verfahren gegen den Antragsteller steht erst ganz am Anfang. Sollte die Staatsanwaltschaft auch im Laufe der Beweisaufnahme keinen Anlass für eine Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO sehen, hat hat das Gericht stattdessen – sofern es sich nicht nur um prozessökonomische Gründe der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung handelt – je nach dem Maß der festgestellten Schwere der Schuld die Möglichkeit zu prüfen, ob das Verfahren ohne Vollzug einer förmlichen Sanktion nach § 59 StGB abgeschlossen werden kann (dazu ausführlich BVerfG, Beschluss vom 25.07.2003, Az.: 2 BvR 153/03, NStZ 2004, 335, 337).
c) Schließlich begründet auch der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft, wie der Antragsteller vorträgt, in anderen vergleichbaren Fällen anders verfahren sei, für sich allein nicht den Vorwurf der Willkür. Eine etwaige Besserstellung Dritter macht das Verfahren gegen den Antragsteller nicht rechtsstaatswidrig und zwingt nicht dazu, dessen Verfahren einzustellen; der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen (BVerfG, Urteil vom 04.04.1967, Az.: 1 BvR 126/65, BVerfGE 21, 245, 261; BVerfG, Beschluss vom 08.05.1979, Az.: 2 BvR 782/78, BVerfGE 51, 176, 184).
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 1 Abs. 2 Nr. 19, 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG; die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen (§ 29 Abs. 1, Abs. 2 EGGVG).


Ähnliche Artikel


Nach oben