Strafrecht

Anforderungen an die Antragsschrift im Klageerzwingungsverfahren – Verjährungsbeginn beim Betrug

Aktenzeichen  4 Ws 81/20 KL, 4 Ws 82/20 KL

Datum:
20.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45282
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 78a
StPO § 172 Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

1. § 172 Abs. 3 S. 1 StPO fordert von den Antragstellern im Klageerzwingungsverfahren eine in sich geschlossene und aus sich heraus verständliche, konkrete und substantiierte Sachdarstellung, die es dem Senat ermöglicht, das mit dem Antrag verfolgte Begehren ohne Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten und anderer Schriftstücke zu überprüfen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Diesem Erfordernis kann nicht dadurch entsprochen werden, dass sich der Strafsenat aus verschiedenen Aktenteilen und insbesondere der Strafanzeige und eingereichten Anlagen den maßgeblichen Sachverhalt heraussuchen könnte oder müsste (OLG Celle BeckRS 2013, 15199; BerlVerfGH BeckRS 9998, 54285). Aus diesem Grund sind Bezugnahmen auf den Akteninhalt oder auf beigefügte Kopien im Verfahren nach § 172 Abs. 2, Abs. 3 StPO unzulässig (KG BeckRS 2014, 12561; s. auch BVerfG BeckRS 2015, 47174), wenn sie nicht lediglich der näheren Erläuterung des Antragsvorbringens dienen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Beim Fortwirken einer bei Vertragsschluss begangenen Täuschung tritt die Beendigung der Tat iSd § 78a StGB beim Betrug durch den endgültigen Vermögensverlust durch die täuschungsbedingte Erfüllung ein, bei Erfüllung durch mehrere täuschungsbedingte Verfügungen mit der letzten Verfügung (BGH BeckRS 9998, 161932; BeckRS 2000, 10131). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts in München vom 05.05.2020 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.
Der Generalstaatsanwalt in München hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 05.05.2020 der Beschwerde des Antragstellers F… B… gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft München I vom 18.02.2020 keine Folge gegeben. Hiergegen wenden sich die Antragsteller Fxx und Txx Bxx mit anwaltlichen Schriftsatz vom 19.06.2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erweist sich als unzulässig, weil er den Anforderungen des Gesetzes nicht genügt.
1. Der Antragstellerin Txx B… steht bereits keine Klagebefugnis nach § 172 Abs. 3 StPO zu, nachdem sie selbst weder Anzeige erstattet hat, noch Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft München I vom 18.02.2020 eingelegt hat.
2. Nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zudem die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, sowie die erforderlichen Beweismittel angeben. Dies bedeutet, dass von den Antragstellern im Klageerzwingungsverfahren eine in sich geschlossene und aus sich heraus verständliche, konkrete und substantiierte Sachdarstellung gefordert wird, die es dem Senat ermöglicht, das mit dem Antrag verfolgte Begehren ohne Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten und anderer Schriftstücke zu überprüfen.
Diesen Anforderungen wird die Antragsschrift vom 19.06.2020 nicht gerecht. Die Antragsteller bieten keine vollständige, aus sich heraus verständliche, in Einzelheiten reichende und prüfbare Sachverhaltsdarstellung (BVerfG, Beschluss vom 13.04.2016 – 2 BvR 1155/15 [BeckRS 2016, 45393]; Beschluss vom 21.10.2015 – 2 BvR 912/15, NJW 2016, 44 [23]), die sämtliche in der als verletzt behaupteten Strafvorschrift bestimmten Tatbestandsmerkmale in objektiver und subjektiver Hinsicht durch tatsächliche Lebensvorgänge ausfüllt. Hierzu gehört auch – neben einer Schilderung des Ablaufs des Ermittlungsverfahrens – eine Darlegung des wesentlichen Inhalts der angegriffenen Bescheide und einer Auseinandersetzung mit den Erwägungen der Strafverfolgungsbehörden in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (Moldenhauer in Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 172, Rn. 34, 38, § 174, Rn. 1).
a) Die Antragsteller versagen sich näherer Ausführungen zu den Bescheiden der Staatsanwaltschaft vom 18.02.2020 und des Generalstaatsanwalts vom 05.05.2020. Eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen der Staatsanwaltschaft, denen die Generalstaatsanwaltschaft beitritt, findet nicht ausreichend statt, insbesondere nicht zu dem von der Staatsanwaltschaft erörterten Verjährungszeitpunkt. Deswegen zeigen die Antragsteller keine Unvollständigkeiten, Widersprüche oder Unrichtigkeiten der staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen auf und bieten nicht einmal Anhaltspunkte, die für eine nicht überzeugende oder zweifelhafte Beweiswürdigung oder Bewertung der zur Anklageerhebung erforderlichen Verurteilungswahrscheinlichkeit sprechen könnten.
Deswegen kann der Senat nicht allein anhand der Antragsschrift prüfen und beurteilen, ob die Staatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht für die angezeigten Straftaten zu Unrecht verneint und deswegen unter Verstoß gegen das Legalitätsprinzip von einer Anklageerhebung abgesehen hat. Denn entgegen den Behauptungen der Antragsteller ist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB von Verjährung auszugehen. Die Beendigung der Tat im Sinne des § 78a StGB tritt beim Betrug ein, sobald der Vermögensvorteil eingetreten ist, was bereits am 23.10.2013, spätestens aber am 16.12.2013 der Fall war. Beim Fortwirken einer bei Vertragsschluss begangenen Täuschung tritt die Beendigung durch den endgültigen Vermögensverlust durch die täuschungsbedingte Erfüllung ein, bei Erfüllung durch mehrere täuschungsbedingte Verfügungen mit der letzten Verfügung (BGHSt 27, 342,343; BGHSt 46, 159, 166 ff). Vorliegend zahlten die Antragsteller am 23.10.2013 eine Anzahlung von 104.000 EUR an die … Immobilien GmbH. Hierbei handelte es sich um die letzte Vermögensverfügung, da am 16.12.2013 der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und ersichtlich keine weitere Zahlungen durch die Antragsteller geleistet worden sind. Selbst wenn man auf den 16.12.2013 als Datum der Beendigung einer Betrugstat infolge des Rücktritts abstellt, wäre diese somit am 15.12.2018 verjährt. Die Betrugsanzeige und die telefonische Bekanntgabe an die Beschuldigten, dass gegen sie ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist, erfolgte jedoch erst am 28.06.2019 und damit gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB verspätet.
b) Die Antragsteller nehmen zudem Bezug auf einen mit den Beschuldigten geschlossenen Kaufvertrag und lassen dabei außer Acht, dass zunächst der Prüfungsgegenstand im Verfahren nach § 172 Abs. 2 StPO allein durch das Vorbringen in der Antragsschrift bestimmt wird. Der genaue Sachverhalt wird nicht mitgeteilt, aus dem sich die Verwirklichung von Straftaten ergeben soll. Es bleibt unklar, welche konkrete strafbare Handlungen, wann von den Beschuldigten vorgenommen worden sein sollen und wer wann durch welche Handlung in welcher Weise getäuscht worden sein soll.
Dem Strafsenat muss jedoch allein aus der Antragsschrift, also ohne Bezugnahme auf Anlagen, weiterer Schriftstücke und der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft, eine Prüfung ermöglicht werden, ob sämtliche Tatbestandsmerkmale der als verletzt gerügten Straftatbestände durch eine ausreichende Tatsachengrundlage bestätigt werden können. Nur dann bestünde Anlass zu der Feststellung, dass ein strafrechtlich erhebliches Handeln der Beschuldigten in Betracht kommt, und zu der Untersuchung, ob die Staatsanwaltschaft unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls einer Fehleinschätzung hinsichtlich der Erweislichkeit der Tatvorwürfe oder der Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung in einer öffentlichen Hauptverhandlung unterlegen ist.
Diesem Erfordernis kann nicht dadurch entsprochen werden, dass sich der Strafsenat aus verschiedenen Aktenteilen und insbesondere der Strafanzeige und eingereichten Anlagen den maßgeblichen Sachverhalt heraussuchen könnte oder müsste (OLG Celle, Beschluss vom 18.07.2013 – 1 Ws 238/13 [BeckRS 2013, 15199]; BerlVerfGH NJW 2004, 2728). Aus diesem Grund sind Bezugnahmen auf den Akteninhalt oder auf beigefügte Kopien – nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung – im Verfahren nach § 172 Abs. 2, Abs. 3 StPO unzulässig (KG, Beschluss vom 04.07.2001 – Zs 2935/00 – 3 Ws 217/01 [BeckRS 2014, 12561]; s.a. BVerfG NJW 2015, 3500), wenn sie nicht lediglich der näheren Erläuterung des Antragsvorbringens dienen.
Eine Heilung dieser Mängel ist wegen zwischenzeitlichen Ablaufes der Antragsfrist des § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht mehr möglich. Soweit den Beschuldigten eine Untreue gemäß § 266 StGB vorgeworfen wird, ist dies Gegenstand eines weiteren Ermittlungsverfahrens, 241 Js 150516/20, und wird von der Staatsanwaltschaft gesondert behandelt.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da bei der Verwerfung unzulässiger Klageerzwingungsanträge Gerichtskosten nicht anfallen und Auslagen der Antragstellerin nicht erstattet werden.


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