Strafrecht

Angeklagte, Hauptverhandlung, Grundsicherung, Kindesmutter, Leistungen, Freiheitsstrafe, Krankenhaus, Betreuung, Verteidiger, Arbeitgeber, Kind, Arzt, Jugendhilfe, Untersuchungshaft, Art und Weise, billigend in Kauf, festgestellter Sachverhalt

Aktenzeichen  5 KLs 121 Js 28142/19

Datum:
31.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41975
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Angeklagte ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung.
2. Er wird deshalb zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Nebenklägers.
Angewandte Vorschriften:
§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5, 21 StGB

Gründe

Überblick
Der Angeklagte ist der leibliche Vater des am 18.07.2017 geborenen Kindes Thore V. und des am 25.10.2019 geborenen Nebenklägers Mika V.. Mit der Kindsmutter Natascha V. lebte der Angeklagte seit dem Jahr 2016 bis zum Tatgeschehen in einer festen Partnerschaft.
Nach der Geburt des Säuglings M musste die Kindsmutter ab dem 07.11.2019 wegen einer Infektion der Kaiserschnittnarbe erneut stationär in einer Klinik aufgenommen werden. Der Angeklagte war daher ab diesem Zeitpunkt vorwiegend allein für die Betreuung der beiden Kinder zuständig. Der Angeklagte erhielt in dieser Zeit insbesondere durch die Zeugin R. V., die Mutter der Natascha V., Unterstützung bei der Betreuung der Kinder. Die Zeugin V. nahm im Zeitraum zwischen dem 07.11.2019 und dem 15.11.2019 mehrfach und abwechselnd eines der beiden Kinder über Nacht bei sich auf.
Ab dem 15.11.2019 ging die Zeugin R. V. jedoch einer Beschäftigung auf einem Volksfest nach und schied daher vorübergehend bei der Betreuung ihrer Enkel aus. Der Angeklagte war daher während dieser Zeit weitgehend auf sich gestellt. Der Angeklagte war mit der zeitgleichen Versorgung der beiden Kinder überfordert, zumal es sich bei dem Säugling Mika V. um ein Kind handelte, das durch ein verhältnismäßig häufiges und langanhaltendes Schreien auffiel. Die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten erschwerte ihm jedoch sich seine Überforderung einzugestehen und nach Hilfe zu suchen.
In der Nacht vom 16. auf den 17.11.2019 fand der Säugling Mika keinen Schlaf und begann zunehmend zu schreien. Im Zeitraum zwischen 02:00 Uhr und 6:00 Uhr morgens kam Mika nicht mehr zur Ruhe und dem Angeklagten gelang es in dieser Zeit allenfalls eine Stunde zu schlafen. Jedenfalls ab 05:00 Uhr morgens schrie der Säugling durchgehend und der Angeklagte schlief lediglich noch 10 Minuten. Kurz nach 07:00 Uhr erwachte auch das Kind T. wieder. Etwa zu dieser Zeit gegen 07:00 Uhr am Morgen des 17.11.2019 kam es zu einer massiven Gewaltanwendung seitens des Angeklagten gegenüber dem Säugling Mika V.. Der Angeklagte schlug den Säugling im Zuge dieses Gewaltausbruchs zweimal unter erheblicher Kraftentfaltung mit dem Kopf gegen eine feste Struktur. Zugleich wirkte der Angeklagte mindestens 8 weitere Male auf eine nicht näher bekannte Art und Weise mit den Händen oder den Fäusten gegen den Kopf und den Oberkörper des Säuglings ein. Hierdurch erlitt der Säugling schwerste Verletzungen. Der massive verletzungsbedingte Blutverlust infolge von Einblutungen in die Kopfschwarte, die Gehirnsubstanz und die Schädelhöhle rief einen sogenannten Volumenmangelschock hervor, an dem der Säugling ohne Behandlung verstorben wäre. Auch das erlittene schwere Schädel-Hirn-Trauma war als lebensbedrohlich zu bewerten. Der Angeklagte erkannte aufgrund der äußeren Umstände seines Tuns, dass die Gewalteinwirkungen auf den Körper des Säuglings, insbesondere aber die beiden massiven Schläge des Kopfes gegen eine feste Struktur, für das Kind lebensbedrohliche Folgen haben können. Er ließ sich jedoch hierdurch von der Tatbegehung nicht abhalten und nahm es zumindest billigend in Kauf, dass der Säugling Mika in Folge der erlittenen Verletzungen zu Tode kommen könnte.
Der Sachverhalt steht fest aufgrund des Geständnisses des Angeklagten und der durchgeführten Beweisaufnahme, die das Geständnis des Angeklagten verifizieren konnte. Der Angeklagte hat zunächst angegeben, dass er aufgrund Schwindels über einen Teppich gestolpert sei und im Zuge dessen das Kind fallengelassen habe. Schließlich hat der Angeklagte jedoch eingeräumt, den Säugling geschlagen zu haben und – obgleich er über die Tat nicht weiter sprechen könne – zu dieser zu stehen. Der Tathergang wird auch durch die Ausführungen des behandelnden Arztes Dr. D. und insbesondere des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. S. belegt.
Nach den Ausführungen des psychologischen Sachverständigen Dr. T., der ein testpsychologisches Gutachtachen erstellt hat, verfügt der Angeklagte über einen IQ-Wert von 50 und ist deshalb leichtgradig intelligenzgemindert. Der Angeklagte zeigt zudem eine unsichere Persönlichkeit mit einer nur geringen Ich-Stärke. Er verfügt über nur unausgereifte Kompetenzen im Rahmen sozialer Kommunikation und besitzt ein gering ausgereiftes Verhaltensrepertoire. Auf Grundlage dessen und der durchgeführten Exploration des Angeklagten gelangt die psychiatrische Sachverständige Dr. L. zu dem Ergebnis, dass bei dem Angeklagten eine mittelgradige akute Belastungsreaktion vorliegt. In Verbindung mit der festzustellenden Persönlichkeitsstruktur und der leichten Intelligenzminderung war der Angeklagte im Tatzeitpunkt nicht wie andere Menschen in der Lage, flexibel auf außergewöhnliche Belastungen zu reagieren. Es bestand daher nach Ansicht der Kammer in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Sachverständigen, denen sich die Kammer nach einer eigenen kritischen Würdigung angeschlossen hat, eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit.
Durch die festgestellte Tat hat sich der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar gemacht. Der Tatbestand der Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 StGB ist demgegenüber nicht erfüllt. Im Hinblick auf die verminderte Schuldfähigkeit sind die subjektiven Anforderungen an eine rohe Tatausführung im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB nicht erfüllt. Vom Versuch des Totschlags ist der Angeklagte strafbefreiend zurückgetreten.
Nach Abwägung aller strafzumessungsrelevanter Gesichtspunkte hat die Kammer unter Berücksichtigung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren für tat- und schuldangemessen erachtet.
Dem Urteil ist keine Verständigung im Sinne des § 257c StGB vorausgegangen.
A. Persönliche Verhältnisse
Der Angeklagte wurde … 1983 als Sohn seiner verheirateten Eltern in Halle an der Saale geboren. Der Angeklagte hat zwei ältere Brüder im Alter von 41 und 42 Jahren. Einer der Brüder ist in den L. Werkstätten tätig, der andere Bruder geht einer Beschäftigung bei Audi nach. Der Angeklagte wurde nach dem Besuch des Kindergartens regelgerecht im Alter von 6 Jahren eingeschult und besuchte sodann für ein Jahr die Grundschule. Bereits nach dem ersten Grundschuljahr wechselte der Angeklagte auf eine Förderschule.
Im Jahr 1992 zog der Vater des Angeklagten aus beruflichen Gründen nach Bayern. Der Angeklagte und die weitere Familie folgten dem Vater im Jahr 1993. Nach seinem Umzug nach Bayern besuchte der Angeklagte bis zu seinem Schulabschluss im Jahr 1999 die P. Schule in Abensberg – Offenstetten. Hierbei handelt es sich um ein sonderpädagogisches Förderzentrum. Die schulischen Leistungen des Angeklagten waren insgesamt ordentlich. Der Angeklagte wurde als freundlicher und zurückhaltender Schüler beschrieben. Im Zeitraum von 1999 bis 2000 absolvierte der Angeklagte ein Berufsvorbereitungsjahr und besuchte sodann bis zum Jahr 2001 das Berufsbildungswerk in Abensberg. Nach mehreren Jahren der Berufsvorbereitung und Berufsfindung begann der Angeklagte schließlich im Jahr 2004 eine Tätigkeit in den L. Werkstätten. Die L. Werkstätten bieten Menschen, die aufgrund von geistigen, körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen keine Stelle auf dem regulären Arbeitsmarkt erlangen können, eine feste Beschäftigungsmöglichkeit. Der Angeklagte war im Bereich einer einfachen industriellen Fertigung in einer 5 Tage Woche jeweils von 7:30 bis 16:00 Uhr beschäftigt. Der Angeklagte begleitete zuletzt auch die Position eines sogenannten Werkstattrates. Dieses mit 3 Personen besetzte Mitbestimmungsorgan vertritt die Belange der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber. Der Angeklagte war bis zu seiner Inhaftierung am 13.12.2019 bei den L. Werkstätten beschäftigt. Nach seiner Haftentlassung nahm er diese Tätigkeit nur für etwa 2 – 3 Wochen wieder auf und ist seither ohne Beschäftigung.
Im Jahr 2016 lernte der Angeklagte N1. V., die Mutter des Nebenklägers, kennen, mit der er sich bis zu der gegenständlichen Tat in einer festen Beziehung befand. Nachdem der Angeklagte zuvor noch durchgehend bei seinen Eltern gewohnt hatte, zog er im Jahr 2017 mit Natascha V. in eine gemeinsame Wohnung. Die Kindesmutter war selbst als Busfahrerin bei den L. Werkstätten tätig. Am 18.07.2017 wurde das erste gemeinsame Kind T. V. geboren. Die Betreuung des ersten Kindes ging zunächst gut und die Familie zog im März 2018 in eine größere Wohnung nach Neustadt an der Donau. Trotz vorhandener Trennungsideen des Angeklagten wurde am 20.10.2019 der Nebenkläger Mika V. geboren.
Nach der gegenständlichen Tat verließ der Angeklagte die gemeinsam genutzte Wohnung und wohnt seither wieder bei seinen Eltern in Abensberg. Die Beziehung mit der Kindesmutter Natascha V. ist zwischenzeitlich gescheitert. Der Angeklagte hatte seit der gegenständlichen Tat keinen Kontakt mehr zu seinen Kindern.
Der Angeklagte leidet an einer leichten Intelligenzminderung. Sein Intelligenzquotient beträgt lediglich 50 Punkte. Er ist zu 100% schwerbehindert, wobei im Schwerbehindertenausweis auch die Zusätze G, B und H vermerkt sind.
In den L. Werkstätten erhielt der Angeklagte zuletzt 345 € monatlich und bezog zugleich Grundsicherung. Aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Arbeitslosigkeit lebt der Angeklagte derzeit nur noch von Grundsicherung und erhält hieraus monatlich einem Gesamtbetrag von etwa 650 Euro. Schulden oder nennenswertes Vermögen hat der Angeklagte nicht.
Der Angeklagte befand sich im Zeitraum vom 13.12.2019 bis zum 24.03.2020 in dem gegenständlichen Verfahren in Untersuchungshaft in der JVA Regensburg. Der Vollzug der Untersuchungshaft stellte sich für den Angeklagten als Belastung dar, die über die mit einer Inhaftierung gewöhnlich verbundene Einschränkungen hinausgingen. Insbesondere nahm der Angeklagte während der Untersuchungshaft stark ab. Seit der Tat leidet der Angeklagte zudem an Schlafstörungen, Albträumen und Antriebslosigkeit. Er verbringt die meiste Zeit im Bett und geht kaum noch sozialen Kontakten nach. Der Angeklagte ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister enthält keinen Eintrag.
B. Festgestellter Sachverhalt
Der Angeklagte ist der Lebensgefährte der Kindesmutter Natascha V. und Vater des am 25.10.2019 geborenen Säuglings Mika V.. Bei dem Säugling Mika V. handelt es sich um das zweite gemeinsame Kind des Angeklagten und der Kindsmutter Natascha V.. Die Familie wohnte am 17.10.2019 mit dem weiteren gemeinsamen Kind, dem zur Tatzeit etwa 2 Jahre alten Thore V., in einer Wohnung … in …
Nach der Geburt des Säuglings M V. wurde die Kindesmutter zunächst aus der Klinik entlassen und hielt sich anschließend für die Dauer von etwa zwei Wochen gemeinsam mit dem Angeklagten und den beiden Söhnen in der Familienwohnung auf. In der Folge entzündete sich jedoch die Kaiserschnittnarbe bei der Kindesmutter und diese musste ab dem 07.11.2019 wegen der Infektion erneut stationär in die G.klinik in Kelheim aufgenommen werden. Ab dem 07.11.2019 war daher vorwiegend der Angeklagte für die Betreuung der beiden Kinder zuständig. Zwar hätte auch die Möglichkeit bestanden, dass der Säugling Mika V. während des Krankenhausaufenthalts seiner Mutter bei dieser verbleibt. Dies lehnte der Angeklagte aber ab und bestand darauf, sich selbst um die beiden Kinder zu kümmern. Der Angeklagte wollte zeigen, dass er dies schafft, obwohl er bereits mit der Betreuung eines Kindes stark belastet war und die zeitgleiche Betreuung beider Kinder ihn ersichtlich überforderte.
Der Angeklagte erhielt in dieser Zeit dahingehend Unterstützung, dass die Hebamme Ingeborg B. den Angeklagten regelmäßig aufsuchte, um nach dem Rechten zu sehen. Insbesondere unterstützte aber auch die Zeugin R. V., die Mutter der Natascha V., den Angeklagten bei der Betreuung der Kinder. Die Zeugin V. nahm im Zeitraum zwischen dem 07.11.2019 und dem 15.11.2019 mehrfach und abwechselnd eines der beiden Kinder über Nacht bei sich auf. In dem vorgenannten Zeitraum übernachtete allein der Säugling Mika V. etwa drei- bis viermal bei der Zeugin R. V.. Zuletzt blieb der Säugling in der Nacht vom 13. auf den 14.11.2019 bei der Zeugin R. V. über Nacht. Bis zum 14.11.2019 besuchten der Angeklagte und die Zeugin R. V. die Kindesmutter nahezu täglich in der G.klinik. Hierbei wurden sie auch von den beiden Kindern begleitet. Für die Besuche bei seiner Lebensgefährtin war der Angeklagte auf die Hilfe der Zeugin V. angewiesen, da er selbst weder über einen Führerschein noch ein Fahrzeug verfügte.
Während sich die Kindsmutter Natascha V. im Krankenhaus befand, wurde seitens des Angeklagten und seiner Eltern auch angedacht, diesen durch Einschaltung der Koordinierten Kinderschutzstelle (KoKi) des Landkreises Kelheim Unterstützung zu verschaffen. Hierüber wurde auch mit der Kindsmutter gesprochen, die einer Einschaltung der Koordinierten Kinderschutzstelle (KoKi) offen gegenüberstand. Die in Aussicht genommene konnte jedoch nicht mehr vor dem 17.11.2020 bewerkstelligt werden. Ein erstes Gespräch mit der Koordinierten Kinderschutzstelle war für den darauf folgenden Montag, den 18.11.2019, beabsichtigt.
In der Zeit vom 15. bis zum 17.11.2019 erhielt der Angeklagte keine Unterstützung durch die Zeugin R. V.. Die Zeugin ging in diesem Zeitraum einer Beschäftigung auf einem Volksfest nach und schied daher vorübergehend bei der Betreuung ihrer Enkel aus. Der Angeklagte war daher während dieser Zeit alleine für die Kinder zuständig und weitgehend auf sich gestellt. Der Angeklagte war mit der zeitgleichen Versorgung der beiden Kinder überfordert, zumal es sich bei dem Säugling Mika V. um ein Kind handelte, das durch ein verhältnismäßig häufiges und langanhaltendes Schreien auffiel, sich jedoch auch beruhigen ließ und dann in den Schlaf fand. Die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten erschwerte ihm jedoch sich seine Überforderung einzugestehen und nach Hilfe zu suchen. Der Angeklagte besitzt eine labil-ängstliche Persönlichkeit, ist zwischenmenschlich gehemmt und unsicher sowie in seinen sozial-kommunikativen Fähigkeiten deutlich eingeschränkt.
Am Abend des 16.11.2019 bereitete der Angeklagte den beiden Kindern zunächst gegen 19:30 Uhr ein Fläschchen zu. Anschließend brachte der Angeklagte den damals 2-jährigen Thore V. ins Bett und dieser schlief ohne Weiteres ein. Auch dem Säugling Mika V. gab der Angeklagte das Fläschchen und blieb mit diesem noch etwa eine Stunde auf der Couch wach. Sodann brachte er den Säugling ins Bett. Dieser war satt und schlief sogleich gegen 21:00 Uhr ein. Der Angeklagte selbst war zu diesem Zeitpunkt bereits müde, fand jedoch keinen Schlaf. Bis Mitternacht gelang es ihm, etwa eine halbe Stunde zu schlafen. Zu diesem Zeitpunkt wurde Mika im Bett wieder wach und zunehmend unruhig. Der Angeklagte holte den Säugling daraufhin aus dem Bett heraus und gaben ihm erneut ein Fläschchen. In der Folge gelang es ihm jedoch nicht mehr, das Kind zum Einschlafen zu bringen und der Säugling fing zunehmend an zu weinen und zu schreien. Zwischen 01:00 Uhr und 02:00 Uhr am Morgen des 17.11.2019 gab der Angeklagte dem Säugling Mika daraufhin Tropfen für den Bauch und legte ihn gegen 02:00 Uhr in den Kinderwagen, damit er möglicherweise dort einschlafen kann. Der Säugling fand jedoch auch hier keinen Schlaf und schrie weiter. Durch das Schreien des Mika V. erwachte auch das Kind T. V. und begann ebenfalls zu weinen. Der Angeklagte wechselte daraufhin Thore die Windeln, woraufhin dieser wieder einschlief. Im Zeitraum zwischen 02:00 Uhr und 6:00 Uhr morgens kam Mika nicht zur Ruhe und dem Angeklagten gelang es in dieser Zeit allenfalls eine weitere Stunde zu schlafen. Jedenfalls ab 05:00 Uhr morgens schrie der Säugling Mika V. durchgehend und der Angeklagte schlief lediglich noch 10 Minuten. Kurz nach 07:00 Uhr erwachte auch das Kind T. wieder, woraufhin der Angeklagte zu diesem sagte, er solle spielen.
Etwa zu dieser Zeit gegen 07:00 Uhr am Morgen des 17.11.2019 kam es zu einer massiven Gewaltanwendung seitens des Angeklagten gegenüber dem Säugling Mika V.. Der Angeklagte schlug den Säugling im Zuge dieses Gewaltausbruchs zweimal unter erheblicher Kraftentfaltung mit dem Kopf gegen eine feste Struktur. Zugleich wirkte der Angeklagte mindestens 8 weitere Male auf eine nicht näher bekannte Art und Weise mit den Händen oder den Fäusten gegen den Kopf und den Oberkörper des Säuglings ein.
Wie von dem Angeklagten jedenfalls billigend in Kauf genommen, erlitt der Säugling Mika V. durch die massive Gewalteinwirkung ein Kalottenhämatom mit lebensbedrohlicher subgalealer Blutung, einen cerebralen Krampfanfall, einen hypovolämischen Schock im Rahmen einer lebensbedrohlich schwereren Blutung, multiple Frakturen der Schädel- und Gesichtsknochen, eine bilaterale Kalottenfraktur, eine traumatische intrakranielle Verletzung und Blutung, diffuse traumatisch bedingte Hirnverletzungen, eine diffuse traumatisch bedingte Hirnkontusion, multiple intrazerebrale Hämatome, eine traumatische intrazerebrale Blutung, eine traumatische subdurale Blutung, eine traumatische epidurale Blutung, eine Rippenserienfraktur der linken Rippen 5, 6, 7, 8, eine Fraktur der Rippe 5 rechts, eine traumatische Verletzung der behaarten Kopfhaut, ein Monokelhämatom links, traumatische Verletzungen und Hämatome im Gesichtsbereich, traumatische Verletzungen und Hämatome im Bereich des Thorax und des Abdomen, eine traumatische Verletzung der oberen und unteren Extremitäten, ein schweres traumatisches Schleimhauthämatom und ein stumpfes Bauchtrauma.
Insbesondere der erlittene erhebliche Blutverlust und der damit einhergehende hypovolämische Schock war für den Säugling Mika V. akut lebensbedrohlich. Das Leben des Säuglings konnte nur durch die Gabe einer Bluttransfusion gerettet werden. Infolge des schweren Schädel-Hirn-Traumas, das nicht nur zu Brüchen des knöchernen Schädeldaches, sondern auch zu Blutungen über und unter die harte Hirnhaut und insbesondere auch zu Einblutungen in die Hirnsubstanz im Sinne sogenannter Kontusionsblutungen sowie zu einer Blutung in die linke Seitenkammer geführt hatte, bestand zudem die Gefahr einer Hirnschwellung mit der möglichen Folge eines tödlichen zentralen Regulationsversagens.
Der Angeklagte erkannte aufgrund der äußeren Umstände seines Tuns, dass die Gewalteinwirkungen auf den Körper des Säuglings, insbesondere aber die beiden massiven Schläge des Kopfes gegen eine feste Struktur, für das Kind lebensbedrohliche Folgen haben können. Er ließ sich jedoch hierdurch von der Tatbegehung nicht abhalten und nahm es zumindest billigend in Kauf, dass der Säugling Mika in Folge der erlittenen Verletzungen zu Tode kommen könnte.
In der Folge kontaktierte der Angeklagte erstmals gegen 07:40 Uhr telefonisch die Hebamme Ingeborg B., die er zunächst jedoch nicht erreichen konnte. In der Folge rief der Angeklagte die Telefonnummer seines Bruders an und erreichte schließlich gegen 09:45 Uhr die Hebamme telefonisch. Auf Anraten der Hebamme verbrachte der Angeklagte von sich aus gemeinsam mit seinen Eltern den Säugling Mika V. sodann in die Klinik St. H. nach Regensburg, wo das Leben des Kindes durch eine intensiv-medizinische Behandlung insbesondere durch die Gabe einer Bluttransfusion gerettet werden konnte. Der Säugling musste bis zum 04.12.2019 stationär behandelt werden.
Es steht derzeit nicht fest, ob die erlittenen Verletzungen dauerhaft bleibende Folgen beim Säugling Mika V. hervorgerufen haben. Der Säugling leidet an einer spürbaren Lichtempfindlichkeit und ist nicht in der Lage altersentsprechend zu grabbeln. Er befindet sich deshalb in physiotherapeutischer Behandlung. Auch insoweit ist noch offen, ob die Beeinträchtigungen von dauerhafter Natur sind oder durch eine weitere physiotherapeutische und medizinische Behandlung beseitigt werden können.
Der Angeklagte war bei Begehung der Tat aufgrund einer akuten Belastungsreaktion im Zusammenhang mit persönlichkeitsspezifischen Einschränkungen in seinem Verhaltensrepertoire in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert.
C. Beweiswürdigung
I. Persönliche Verhältnisse
Die Feststellungen zu den biografischen Daten des Angeklagten beruhen auf dessen eigenen Ausführungen gegenüber der Sachverständigen Dr. med. L., die der Angeklagte im Rahmen der beiden von der Sachverständigen durchgeführten Explorationsgespräche am 22. und 23.07.2020 selbst getätigt hat. Die Sachverständige Dr. L. hat die Ausführungen des Angeklagten in der Haupthandlung schlüssig und widerspruchslos geschildert. Der Angeklagte hat die Ausführungen insoweit als richtig bestätigt und durch weitere eigene Angaben ergänzt. Insgesamt sind die Schilderungen des Angeklagten zu seinem persönlichen und wirtschaftlichen Werdegang in sich schlüssig und ohne erkennbare Lücken.
Die Feststellungen zu den fehlenden Vorstrafen des Angeklagten beruhen auf dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister.
II. Festgestellter Sachverhalt
1. Einlassungen des Angeklagten
a) Der Angeklagte hat zunächst zu Beginn der Hauptverhandlung über seinen Verteidiger erklären lassen, dass die Kindesmutter Natascha V. kurz nach der Geburt erneut ins Krankenhaus gemusst habe. Er sei in dieser Zeit allein für die Kinder zuständig gewesen. Er habe die Kindesmutter täglich im Krankenhaus besucht, sei aber schwer überfordert gewesen und habe deshalb auch nach Hilfe gesucht. Die Kindesmutter, die ihn während der Beziehung schikaniert habe, habe dies aber nicht gewollt und ihm untersagt, um Hilfe zu bitten. Er habe sich dem aus Angst, seine Kinder zu verlieren, gefügt. Die Kindesmutter Natascha V. habe ihn mit der Drohung, dass er seine Kinder verlieren werde, unter Druck gesetzt. Soweit die Hebamme im Ermittlungsverfahren davon berichtet habe, dass sie bereits einige Tage vor der Tat im Gesicht des M blaue Flecken festgestellt habe, könne er nur sagen, dass dies beim Spielen zwischen den Kindern passiert sei. Sein Sohn T. V. habe den Mika versehentlich mit einem Spielzeugauto ins Gesicht geschlagen.
Er habe dem Säugling M am 17.11.2019 gegen 07:00 Uhr morgens ein Fläschchen zubereitet. Allerdings habe er schon die ganze Nacht Schwindelgefühle gehabt. Er sei dann mit dem Säugling auf dem Arm und dem zubereiteten Fläschchen in der Hand von der Küche in Richtung des Wohnzimmers gegangen. Dabei sei es ihm schwindlig geworden. Er sei über eine Kante des Teppichs gestolpert und habe für kurze Zeit das Bewusstsein verloren. Im Fallen habe er sich gerade noch auf das Sofa retten. Einzelheiten zu diesem Vorfall könne er nicht mehr berichten. Er habe hieran keine Erinnerung mehr und wisse nicht, wie es genau passiert sei. Als er wieder zu sich gekommen sei, sei der Säugling auf dem Boden gelegen.
Die Erklärung des Verteidigers hat der Angeklagte sodann als seine eigene Einlassung autorisiert.
Die vorgenannte Schilderung des Angeklagten deckt sich im Wesentlichen mit derjenigen Schilderung, die der Angeklagte auch gegenüber dem ermittelnden Polizeibeamten KHK K. im Zuge der durchgeführten Tatrekonstruktion abgegeben hat. Die Videoaufzeichnungen der Tatrekonstruktion wurde in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen. Darauf ist zu sehen, wie der Angeklagte schildert, dass er dem Säugling Mika V. in der Küche der Familienwohnung ein Fläschchen zubereitet habe. Er sei dann mit dem Kind auf dem Arm in Richtung des Wohnzimmers gegangen. Dort sei er über eine Teppichkante gestürzt und habe sich im Fallen auf das dort befindliche Sofa gerettet. Hierbei sei ihm der Säugling aus dem Arm gefallen. Auf Frage des KHK K. im Zuge der Tatrekonstruktion gab der Angeklagte weiter an, dass es durchaus seien könne, dass er den Säugling im Fallen mit einem oder auch mit beiden Füßen berührt habe. Es habe sich hierbei aber allenfalls um ein leichtes Anstoßen gehandelt.
b) In der Hauptverhandlung vom 27.07.2020 hat der Angeklagte die von seinem Verteidiger abgegebene Einlassung in wesentlichen Punkten ergänzt. Der Angeklagte gab an, dass er nach der Geburt sofort in Mika verliebt gewesen sei. Er habe jedoch von Anfang an Angst gehabt, dass er alles nicht schaffe. Seine Sorgen habe er aber mit niemanden geteilt. Als seine Lebensgefährtin nach der Geburt nochmals ins Krankenhaus gemusst habe, sei er allein mit den beiden Kindern gewesen. Er habe Sorge gehabt, ob er das schaffe, habe es aber allen beweisen wollen. Bereits zuvor sei es ihm auch in körperlicher Hinsicht nicht so gut gegangen. Dennoch habe er sich gesagt, dass er es schaffe und keine Hilfe benötige.
Vor dem Vorfall, bei dem Mika verletzt worden sei, sei ihm schwarz vor Augen geworden. Er könne daher nicht sagen, was genau passiert sei. Bereits zuvor habe er bei zwei oder drei Gelegenheiten derartige Blackouts gehabt. Er habe jetzt Angst, seine Kinder zu verlieren. Ihm tue es von Herzen weh, seine Kinder nicht mehr zu sehen.
Zum Vortatgeschehen hat der Angeklagte ausgeführt, dass er vielleicht gegen 19:30 Uhr ein Fläschchen für beide Kinder zubereitet habe. Nachdem das Kind T. das Fläschchen getrunken hatte, habe er es ins Bett gebracht und Thore habe sogleich geschlafen. Auch Mika habe er das Fläschchen gegeben und sei mit ihm noch etwa 1 Stunde auf der Couch geblieben. Während dieser Zeit sei Mika ruhig und satt gewesen. Er habe ihn dann ins Bett gelegt und er sei etwa gegen 21:00 Uhr eingeschlafen. Er selbst sei ebenfalls müde gewesen, habe jedoch keinen Schlaf finden können und allenfalls eine halbe Stunde geschlafen. Irgendwann zwischen 23:00 Uhr und Mitternacht sei Mika im Bett unruhig geworden. Er habe ihn deshalb herausgeholt und ein weiteres Fläschchen für ihn zubereitet. Danach habe Mika überhaupt nicht mehr schlafen wollen. Er habe durchgehend gebrüllt. Irgendwann zwischen 01:00 Uhr und 02:00 Uhr am 17.11.2019 habe er ihm Tropfen für den Bauch gegeben. Danach habe er ihn in den Kinderwagen gelegt, weil er gedacht habe, dass der Säugling möglicherweise im Kinderwagen besser einschlafe. Mika habe schließlich eine halbe Stunde geschlafen sei, sei dann jedoch wieder richtig wach geworden. Auch Thore sei zwischendurch aufgewacht und habe mit Mika geschrien. Er habe Thore dann die Windeln gewechselt und dieser sei wieder eingeschlafen. Demgegenüber habe Mika überhaupt nicht mehr schlafen wollen. In der Zeit zwischen 02:30 Uhr und 06:00 Uhr habe er selbst vielleicht 1 Stunde geschlafen. Ab 05:00 Uhr morgens habe Mika dann richtig zu schreien begonnen. Er selbst sei zuletzt gegen 06:50 Uhr nochmals für 10 Minuten eingeschlafen. Kurz nach 07:00 Uhr sei auch Thore wieder aufgewacht und er habe ihn zum Spielen geschickt. Er sei dann mit Mika in die Küche gegangen und habe ihm ein Fläschchen bereitet. Bereits in der Küche sei es ihm schlecht geworden und er habe Mika für kurze Zeit abgelegen müssen. Dann sei er mit Mika in Richtung des Wohnzimmers gegangen und könne sich nur noch an die Teppichkante erinnern. Er habe Mika auf jeden Fall nicht geschlagen und wisse nicht, wie es zu den Verletzungen gekommen sei. Er könne sich an nichts erinnern. Als er wieder zu sich gekommen war, sei er wie gelähmt gewesen. Es sei ihm schlecht gegangen, nachdem er die Hebamme nicht habe erreichen können.
Der Kindsmutter habe er dann zunächst erzählt, dass ihm eine Flasche aus der Hand gefallen sei und den Säugling am Kopf getroffen habe. Diese Geschichte habe er nur erfunden, weil er Angst vor der Kindesmutter Natascha V. gehabt habe.
c) Schließlich hat der Angeklagte nach Abschluss der wesentlichen Teile der Beweisaufnahme am dritten Hauptverhandlungstag die vorgenannten Einlassungen korrigiert. Der Angeklagte führte zunächst aus, dass er sich schwertue, darüber zu reden. Als er zu sich gekommen sei, habe er Mika und Thore schreien gehört. Er habe nicht gewusst, was er machen solle. Er habe einen totalen Blackout gehabt und wisse nicht, was passiert sei. Er könne es nicht erklären. Er habe Mika auf der Couch gesehen und gedacht, was er da getan habe. Der Angeklagte sei starr und steif gewesen. Einzelheiten könne er nicht beschreiben. Er bereue sehr, was er getan habe und fürchte, seine Kinder nie wieder zu sehen. Er liebe seine Kinder sehr und stelle sich auch die Frage, weshalb er nicht gleich einen Notarzt gerufen habe. Er habe Mika geschlagen, an den Rest könne er sich nicht erinnern. Noch heute leide er unter der Situation. Er habe Schlafstörungen und traue sich nicht mehr aus dem Haus. In der Untersuchungshaft habe er stark abgenommen und kaum noch gegessen.
2. Beweiswürdigung zum Vortatgeschehen
a) Soweit der Angeklagte Angaben zu seiner Beziehung mit der Kindesmutter Natascha V. und zu seinen familiären Verhältnissen getätigt hat, haben diese im Zuge der weiteren Beweisaufnahme eine Bestätigung durch die glaubhafte Aussage der Zeugin N1. V. gefunden. Die Zeugin N1. V. hat gleichlautend vom Kennenlernen des Angeklagten berichtet. Sie habe den Angeklagten in den L. Werkstätten kennengelernt und gleich gedacht, der Angeklagte sei ein „guter Erzeuger“. Im Jahr 2016 seien sie zusammengekommen und im Jahr 2017 sei das erste gemeinsame Kind T. geboren worden. Sie habe beim Angeklagten weder einen Drogen- noch ein Alkoholproblem festgestellt. Der Angeklagte habe zuweilen über Kopfschmerzen geklagt, es habe dann aber eine Tablette zur Behandlung ausgereicht. Der Angeklagte sei zudem weder ihr gegenüber noch gegenüber den beiden Kindern jemals aggressiv geworden. Während ihrer Beziehung sei er nur ein- oder zweimal laut geworden. Insgesamt sei der Angeklagte ein guter Vater gewesen, dem seine Kinder sehr wichtig gewesen seien und der sich liebevoll um beide Kinder gekümmert habe. Der Angeklagte sei jedoch im Hinblick auf das zweite Kind zunächst hin und her gerissen gewesen. Er habe sich gefragt, ob sie mit zwei Kindern zu Recht kommen würden. Schließlich habe man sich jedoch für ein zweites Kind entschieden.
Nach der Geburt des Mika am 25.10.2019 habe sie das Krankenhaus zunächst am 30.10.2019 verlassen dürfen. Mika habe in dieser Zeit häufig geschrien und sich nur schwer beruhigen lassen. Der Säugling habe auch schlecht getrunken. Sie würde Mika jedoch nicht als sogenanntes Schreikind bezeichnen. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus sei es aber durchaus schwierig mit Mika gewesen. Schließlich habe sie sich am 07.11.2019 erneut ins Krankenhaus begeben müssen, da sich ihre Kaiserschnittnarbe entzündet habe. Sie sei dann am 07.11.2019 auch zum ersten Mal operiert worden. In der Folge sei jeden zweiten Tag eine weitere Operation erforderlich gewesen.
In diesem Zeitraum sei der Angeklagte für die Kinder zuständig gewesen. Hierbei sei der Angeklagte jedoch auch von ihrer Mutter unterstützt worden. Sowohl ihr kleiner als auch ihr großer Sohn seien in dieser Zeit mehrfach bei der Großmutter gewesen. Zuweilen seien auch beide gleichzeitig bei der Großmutter gewesen. Zuletzt sei der Angeklagte am 16. November mit Mika bei ihr im Krankenhaus gewesen. Der Angeklagte habe bei dieser Gelegenheit gesagt, dass er hoffe, dass sie bald nach Hause komme, denn er schaffe es bald nicht mehr. Der Angeklagte habe auch regelmäßig von unruhigen Nächten berichtet. Es treffe nicht zu, dass der Angeklagte angeregt habe, die Jugendhilfe einzuschalten. Die Koordinierte Kinderschutzstelle Kelheim (Koki) sei aber durchaus während ihres zweiten Krankenhausaufenthalts ein Thema gewesen. Sie hätten hierüber auch mit ihrer Mutter gesprochen. Von wem die Frage nach der Einschaltung der Koki aufgeworfen worden sei, könne sie nicht mehr sagen. Die Unterstützung sei am Freitag vor der Tat beantragt worden. Ein erstes Gespräch sei für den Montag nach der Tat beabsichtigt gewesen. Sie habe sich hiergegen nicht zur Wehr gesetzt und auch keine Angst gehabt, deshalb ihre Kinder zu verlieren. Vielmehr habe sie befürchtet, dass die angebotenen 10 Stunden Unterstützung pro Woche zu wenig wären. Nach dem Vorfall habe sie selbst die Hilfe dieser Stelle in Anspruch genommen.
Auch zuvor habe es bereits im Dezember 2017 Kontakt zur Koki wegen des Kindes Thore gegeben. Bei Thore sei zu dieser Zeit der Abriss des Zungenbändchens diagnostiziert worden und seitens der Ärzte sei als Ursache Füttergewalt vermutet worden. Es habe auch ein Hausbesuch stattgefunden, der jedoch zu keiner Beanstandung geführt habe. Der Verdacht der Füttergewalt habe aber nicht zugetroffen. Der Kontakt zur Koki habe daher auch schnell wieder beendet werden können. Auch soweit bei dem zweiten Sohn M2. der Abriss des Zungenbändchens diagnostiziert worden sei, sei Füttergewalt als Ursache vermutet worden. Dem habe jedoch zugrunde gelegen, dass Thore mit der Hand den Mika auf den Schnuller geschlagen habe. Hierdurch sei es zu der Verletzung gekommen.
b) Die Zeugin R. V., Mutter der Zeugin N1. V., hat zur Person des Angeklagten angegeben, dass sie nichts Schlechtes über den Angeklagten sagen könne. Der Angeklagte sei eigentlich immer ruhig gewesen. Sie könne sich nur an eine Gelegenheit erinnern, bei welcher der Angeklagte ihr gegenüber aufbrausend geworden sei. Der Angeklagte sei stets verschlossen gewesen, eine mögliche Überforderung hätte er aufgrund seiner Persönlichkeit nicht kommunizieren können. Der Angeklagte sei nach der Geburt des Mika sichtlich nervöser geworden. Mit Mika sei es insgesamt schwieriger gewesen als mit Thore.
Zum Vortatgeschehen hat die Zeugin R. V. ausgeführt, dass sie in der Zeit, als ihre Tochter im Krankenhaus gewesen sei, täglich für die Kinder da gewesen sei. Zudem hätte auch die Möglichkeit bestanden, dass Mika während des Krankenhausaufenthalts der Kindsmutter bei dieser im Krankenhaus verbleibe. Dies habe der Angeklagte jedoch nicht gewollt. Der Angeklagte habe Hilfe von ihr erhalten, beziehungsweise hätte diese jederzeit von ihr erhalten können. Die beiden Kinder wären während des Krankenhausaufenthaltes ihrer Tochter abwechselnd bei ihr gewesen und hätten auch bei ihr übernachtet. Der Angeklagte habe dabei gesagt, wenn sie ein Kind nehme, dann lieber den Säugling Mika. In diesem Zeitraum sei Mika drei- oder viermal bei ihr über Nacht geblieben. Er habe in diesen Nächten auch mal eine oder zwei Stunden geschrien, jedoch nicht die ganze Nacht hindurch. Der Säugling habe sich regelmäßig wieder beruhigen lassen und dann gelegentlich auch 3 oder 4 Stunden geschlafen. Zuletzt sei Mika in der Nacht vom 13. auf den 14.11.2019 bei ihr gewesen.
Zu der koordinierten Kinderschutzstelle Kelheim könne sie nicht viel sagen. Der Vorschlag sei entweder vom Angeklagten oder von dessen Mutter gekommen. Die Mutter des Angeklagten habe ihrer Erinnerung nach dort wegen Hilfe angerufen. Was dann besprochen worden sei, könne sie nicht sagen und auch nicht, ob ihre Tochter dafür oder dagegen gewesen sei.
Im Zeitraum zwischen dem 15. und dem 17.11.2019 sei sie einer beruflichen Beschäftigung nachgegangen und habe sich in diesem Zeitraum daher nicht mehr um die Kinder kümmern können. Der Angeklagte sei daher auf sich allein gestellt gewesen.
c) In der Hauptverhandlung wurde im Einverständnis mit den Verfahrensbeteiligten gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO die polizeiliche Aussage der Zeugin I. B. verlesen. Bei der Zeugin handelt es sich um die Hebamme, die für den Neugeborenen Mika zuständig gewesen ist. Die Zeugin B. hat gegenüber dem vernehmenden Kriminalbeamten KHK K. erklärt, dass sie von der Zeugin N1. V. für eine Nachsorge nach der Geburt ihres Kindes Mika kontaktiert worden sei. Sie habe den Säugling zum ersten Mal am 01.11.2019 gesehen. Das Kind sei unauffällig und völlig normal entwickelt gewesen. Die Kindesmutter habe dann ab dem 07.11.2019 wegen eines Aufbrechens der Kaiserschnittnarbe in die G.klinik nach Kelheim eingeliefert werden müssen. Es habe die Möglichkeit bestanden, dass der Säugling tagsüber vom Vater zur Kindsmutter ins Krankenhaus gebracht und abends wieder abgeholt wird. Ein besonderes Hilfsbedürfnis sei ihr gegenüber nicht geäußert worden. Am 11.11.2019 habe ihr der Angeklagte eine kleine bläuliche Verfärbung an der Wange des Kindes gezeigt. Er habe gesagt, dass das Hämatom durch den großen Bruder beim Spielen verursacht worden sei. Der Bruder wäre dem Säugling mit einem Spielzeug zu nahe gekommen. Es habe sich aber nur um sehr kleine Verfärbungen gehandelt. Sie habe daher keinen Verdacht geschöpft.
An diesem Tag habe sie dem Angeklagten auch von der Möglichkeit einer Unterstützung durch die KoKi erzählt. Bei der KoKi handele es sich um eine vom Landratsamt finanzierte Einrichtung, die etwa bei der Haushaltsführung und bei Fahrdiensten Unterstützung leisten könne. Der Angeklagte habe gemeint, dass dies gut sei. Sie habe dann für den Angeklagten Kontakt zur Koki hergestellt. Ihr sei erinnerlich, dass der Angeklagte aus nicht näher bekannten Gründen diese Unterstützung nicht angenommen habe. Zuletzt habe sie den Säugling am 15.11.2019 gesehen. Bei dieser Gelegenheit habe sie festgestellt, dass die Hämatome bereits rückläufig seien, neue Verletzungen habe sie nicht festgestellt.
Eine weitere Sachaufklärung wäre auch durch die persönliche Vernehmung der Zeugin B. unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht zu erwarten gewesen.
d) Die Zeugin R., Sozialpädagogin in den L. Werkstätten, hat angegeben, dass sie den Angeklagten seit mehreren Jahren kenne. Sie arbeite als Sozialpädagogin im sozialen Dienst der L. Werkstätten. In dieser Funktion habe sie regelmäßigen Kontakt zum Angeklagten unterhalten. Der Angeklagte sei aufgrund einer diagnostizierten Intelligenzminderung mit einem Grad der Behinderung von 100 in den L. Werkstätten tätig. Er sei dort gut integriert und im Rahmen der Produktion eingesetzt. Der Angeklagte hätte in den L. Werkstätten auch das Amt eines sogenannten Werkstattrates begleitet. Hierbei handele es sich um ein dreiköpfiges Gremium, das als Interessenvertretung der Beschäftigten fungiere und bei Problemen mit der Betriebsleitung vermittelt. Der Angeklagte sei in dieses Amt gewählt worden.
Über jeden Mitarbeiter gäbe es Verlaufsberichte. Aus diesen können Sie im Rahmen ihrer früheren Einträge entnehmen, dass der Angeklagte bei seinem Bericht über die zweite Vaterschaft nicht glücklich gewirkt habe. Er habe kein zweites Kind gewollt, da es mit Thore bereits recht anstrengend gewesen sei. Weiter habe der Angeklagte auch von einer belasteten Beziehung zur Kindesmutter berichtet. Die Probleme wären durch die zweite Schwangerschaft noch verstärkt worden. Der Angeklagte habe zudem davon berichtet, dass er erwäge die Beziehung zu beenden, aber aus Angst, seine Kinder zu verlieren, davor zurückgeschreckt habe. Der Angeklagte habe jedoch letztlich angegeben, dass er sich freue und sie ein zweites Kind schon schaffen würden.
e) Die geschilderten Aussagen der Zeugen sind insgesamt glaubhaft und ergeben ein im Kern übereinstimmendes Bild des Angeklagten.
An der Glaubwürdigkeit der Zeugen bestehen keine Zweifel. Das gilt insbesondere auch für die Zeugin N1. V. Bei der Zeugin handelt sich um die Kindesmutter, die aufgrund der erheblichen Verletzungen des Säuglings Mika dem Angeklagten zwischenzeitlich deutlich ablehnend gegenübersteht. Dennoch hat die Zeugin V. ihre Angaben in sich schlüssig und widerspruchslos getätigt. Die Zeugin V. hat insbesondere auch keinen erheblichen Belastungseifer gezeigt. Insbesondere hat die Zeugin auch dargelegt, dass sie den Angeklagten für einen liebevollen und fürsorglichen Vater halte und er in der Vergangenheit weder ihr noch den Kindern gegenüber aggressiv geworden sei. Die Zeugin V. gab zudem unumwunden an, dass der Angeklagte einem weiteren Kind zunächst kritisch gegenüber gestanden habe. Sie habe ihm aber entgegengehalten, dass er im Falle einer Trennung den Kontakt zu seinem Sohn T. verlieren könnte. Diese Umstände sprechen nach Ansicht der Kammer dafür, dass die Zeugin V. das Geschehen insgesamt wahrheitsgemäß berichtet hat. Gegenteilige Anhaltspunkte sind der Kammer – wie auch bei den weiteren einvernommenen Zeugen – im Zuge der Beweisaufnahme nicht bekannt geworden.
Nach durchgeführter Beweisaufnahme geht die Kammer davon aus, dass die Einschaltung der koordinierten Kinderschutzstelle Kelheim – ihrer Aussage entsprechend – durch die Zeugin B. veranlasst worden ist und der Angeklagte dem zunächst durchaus offen gegenüberstand. Soweit die Zeugin R. V. in diesem Zusammenhang angegeben hat, dass die Mutter des Angeklagten die KoKi verständigt habe, folgt die Kammer dem nicht. Einschränkungen in der Glaubwürdigkeit der Zeugin R. V. sind hieraus jedoch ebenfalls nicht zu entnehmen. Denn insofern ist in den Blick zu nehmen, dass die Zeugin R. V. selbst angegeben hat, hierüber nicht viel zu wissen. Insbesondere kann ihrer Aussage aber entnommen werden, dass sie in die Verständigung der KoKi und in die entsprechenden Absprachen nicht persönlich eingebunden gewesen ist. Der Aussage der Zeugin N1. V. ist demgegenüber zu entnehmen, dass zum Tatzeitpunkt bereits ein Kontakt zur KoKi hergestellt worden war und ein Erstgespräch für den Montag nach der Tat beabsichtigt gewesen ist. Die Zeugin N1. V. stand der Einschaltung der KoKi auch dem Grunde nach positiv gegenüber, zumal sie deren Hilfe auch nach dem Tatgeschehen selbst in Anspruch nahm. Die in den Blick genommene Einschaltung der koordinierten Kinderschutzstelle Kelheim zeigt zur Überzeugung der Kammer, dass seitens der Beteiligten eine Überforderung des Angeklagten mit der Kinderbetreuung durchaus erkannt wurde.
Offenbleiben musste nach der durchgeführten Hauptverhandlung jedoch, ob die durch die Zeugin B. beschriebenen Verletzungen im Gesicht des Säuglings Mika einige Tage vor der Tat auf eine Einwirkung des Angeklagten zurückzuführen sind. Der Angeklagte hat dies bestritten und angegeben, dass dies durch Thore verursacht worden sei. Abweichende Erkenntnis liegen hierzu nicht vor. Die Zeugin B. hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass es sich lediglich um sehr kleine Verletzungen gehandelt habe und sie der Erklärung des Vaters Glauben geschenkt habe.
Insgesamt ergibt sich nach Auffassung der Kammer aufgrund der übereinstimmenden Aussagen der vorgenannten Zeugen ein Gesamtbild, dass eine deutliche Überforderung des Angeklagten offenbart. Der Angeklagte hat bereits nach der Geburt des ersten Kindes verschiedentlich dargelegt, dass er mit Blick auf die persönliche Belastung daran zweifle, ob man mit einem weiteren Kind zurechtkomme. Entsprechende Angaben finden sich etwa in den Schilderungen gegenüber der Zeugin R.. Der Angeklagte wurde jedoch durch das von der Kindsmutter selbst geschilderte Drängen nach einem weiteren Kind und der damit verbundenen Inaussichtstellung eines möglichen Kontaktverlusts zu Thore zu einem weiteren Kind bewegt.
In der Folge kam es schon kurz nach der Geburt des Mika zu einer Belastungssituation die im Zeitraum zwischen dem 07.11.2019 und 17.11.2019 eine besondere Ausprägung erhielt. Die Kindesmutter befand sich in dieser Zeit stationär im Krankenhaus, so dass der Angeklagte die Betreuung der Kinder in großen Teilen alleine bewältigen musste. Er erhielt hierbei aber zunächst noch Unterstützung von der Zeugin R. V. und besuchte die Kindsmutter auch regelmäßig im Krankenhaus. Eine weitere Zuspitzung erfuhr die Situation ab dem 15.11.201 als die Zeugin R. V. aus beruflichen Gründen abwesend war. Der Angeklagte war somit allein für die Betreuung der beiden Kinder zuständig.
Nach der übereinstimmenden Schilderung der Zeuginnen R. und N V. war der Säugling Mika durchaus anstrengend. Er wurde von den Zeuginnen dahingehend beschrieben, dass er nachts sehr unruhig gewesen sei, zuweilen nicht in den Schlaf gefunden und mitunter mehrere Stunden geschrien habe, wenngleich er sich auch wieder habe beruhigen lassen. Im Vergleich mit dem zuvor geborenen Kind T. sei M durchaus anstrengender gewesen. Eine Unterstützung durch die Koordinierte Kinderschutzstelle Kelheim war erst ab dem 18.11.2019 beabsichtigt gewesen.
3. Tatgeschehen
Die Feststellungen zum Tatgeschehen beruhen auf dem Geständnis des Angeklagten sowie der Aussage des behandelnden Arztes Dr. D. und des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. S..
a) Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung widersprüchliche Angaben zum Tatgeschehen getätigt hat. Der Angeklagte hat zunächst im Kern geschildert, dass er über eine Teppichkante gestolpert sei und hierdurch zu Fall gekommen wäre. Er könne sich an Einzelheiten hierzu nicht erinnern. Als er wieder zu sich gekommen sei, sei der Säugling Mika auf dem Boden gelegen, er selbst habe sich auf die Couch retten können. Eine gleichlautende Tatschilderung hat der Angeklagte auch im Rahmen der polizeilichen Tatrekonstruktion abgegeben. Im Zuge dessen hat er weiter ausgeführt, dass er auch nicht ausschließen könne, dass er den Säugling mit einem oder mit beiden Füßen leicht berührt habe.
Von dieser Aussage hat der Angeklagte im Zuge der Hauptverhandlung substanziell Abstand genommen und zuletzt angegeben, dass er, als er zu sich gekommen sei, Mika und Thore schreien gehört habe. Er habe nicht gewusst, was er machen solle. Er habe einen totalen Blackout gehabt und habe nicht gewusst nicht, was passiert sei. Er könne es nicht erklären. Er habe Mika auf der Couch gesehen und gedacht, was er da getan habe. Mika sei starr und steif gewesen. Einzelheiten könne er nicht beschreiben. Er bereue sehr, was er getan habe und fürchte, seine Kinder nie wieder zu sehen. Er habe Mika geschlagen. Er könne darüber nicht weiter sprechen.
Die Kammer verkennt nicht, dass der letztgenannten Einlassung des Angeklagten keine Einzelheiten zum Tatgeschehen zu entnehmen sind. Im Hinblick auf die Verletzungen des Säuglings Mika hat der Angeklagte lediglich eingeräumt, das Kind geschlagen zu haben. Hiermit allein wären die festgestellten Verletzungen des Säuglings aber nicht zu erklären. Dennoch sieht die Kammer insofern ein Geständnis des Angeklagten für gegeben. Denn der Angeklagte hat in der Haupthandlung die Verantwortung für die Tat als solche übernommen und stand damit im Wortsinne zur Begehung der Tat. Der Umstand, dass der Angeklagte die Tat nicht in ihren Einzelheiten beschrieben hat, beruht zur Überzeugung der Kammer nicht darauf, dass der Angeklagte die Verantwortung für die Tat nicht im vollen Umfang auf sich nehmen wollte, sondern vielmehr darauf, dass er aufgrund eines sehr starken Schamgefühls hierzu in öffentlicher Hauptverhandlung nicht in der Lage war. Im Zuge der Hauptverhandlung hat sich für die Kammer verdeutlicht, dass der Angeklagte aufgrund seiner eingeschränkten intellektuellen Leistungsfähigkeit und der seiner Persönlichkeitsstruktur (vgl. Hierzu unten) nicht in der Lage ist, in öffentlicher Hauptverhandlung das Tatgeschehen im Detail zu beschreiben. Dennoch hat der Angeklagte glaubhaft zum Ausdruck gebracht, dass die Verletzungen des Säuglings Mika durch ihn verursacht worden sind. Denn der Angeklagte hat ausgeführt, dass er sehr bereue, was passiert sei. Er könne es nicht erklären. Er habe Mika auf der Couch gesehen und gedacht, was er da getan habe.
b) Die Kammer schließt demgegenüber aus, dass die Schilderung des Angeklagten, die er zunächst in der Haupthandlung abgegeben hat bzw. die auch der polizeilichen Tatrekonstruktion zu entnehmen ist, die Verletzungen des Säuglings Mika verursacht haben könnte. Aus den Angaben des behandelnden Arztes Dr. D. und des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. med. S. folgt vielmehr, dass sich die Tat wie festgestellt ereignet hat.
(1) Der Zeuge Dr. D. hat angegeben, dass er der behandelnde Oberarzt des Säuglings Mika gewesen sei. Er selbst sei seit 2004 Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Neurologe. Er sei als Kinderneurolge auf der Intensivstation tätig. Zudem sei er der Kinderschutzmediziner des Klinikums St. H. in Regensburg. Hierbei handelt es sich um ein großes Kinder- und Jugendkrankenhaus.
Der Zeuge Dr. D. hat angegeben, dass der Säugling Mika am Morgen des 17.11.2019 im Klinikum Sankt H. aufgenommen worden sei. Der Säugling sei umgehend intensiv-medizinisch behandelt worden, da eine akute Lebensgefahr bestanden habe. Im Zuge der durchgeführten Untersuchung seien die nachfolgenden Diagnosen gestellt worden: Kalottenhämatom mit lebensbedrohlicher subgalealer Blutung, cerebrale Krampfanfall, hypovolämischer Schock im Rahmen einer lebensbedrohlich schwereren Blutung, mulitiple Frakturen der Schädel- und Gesichtsknochen, bilaterale Kalottenfraktur, traumatische intrakranielle Verletzung und Blutung, diffuse traumatisch bedingte Hirnverletzungen, diffuse traumatisch bedingte Hirnkontusion, multiple intrazerebrale Hämatome, traumatische intrazerebrale Blutung, traumatische subdurale Blutung, traumatische epidurale Blutung, Rippenserienfraktur der linken Rippen 5, 6, 7, 8, Fraktur der Rippe 5 rechts, traumatische Verletzung der behaarten Kopfhaut, Monokelhämatom links, traumatische Verletzungen und Hämatome im Gesichtsbereich, traumatische Verletzungen und Hämatome im Bereich des Thorax und des Abdomen, traumatische Verletzung der oberen und unteren Extremitäten, ein schweres traumatisches Schleimhauthämatom sowie stumpfes Bauchtrauma.
Unter den genannten Verletzungen seien insbesondere die Vielzahl an Blutungen problematisch gewesen. Die Blutungen wären dabei in die Hirnsubstanz sowie über und unter die Kopfschwarte erfolgt. Insgesamt hätten die festgestellten Blutungen zu einem starken Blutverlust bei dem Kleinkind geführt. Der HB-Wert sei so niedrig gewesen, dass zwingend eine Bluttransfusion erforderlich gewesen sei. Der Säugling habe einen hypovolämischen Schock erlitten. Aus seiner Sicht hätte ohne die Gabe einer Bluttransfusion ein Versterben des Säuglings gedroht. Aus seiner medizinischen Sicht würden auch die interkraniellen Blutungen in etwa 25% der Fälle ohne Behandlung zum Tode führen. Im Zuge der Behandlung sei es zudem zu einem krampfverdächtigen Ereignis gekommen. Hierbei habe es sich aber um ein einmaliges Ereignis gehandelt, dass in der Folge nicht mehr aufgetreten sei. Insgesamt habe der Säugling an sehr starken Schmerzen gelitten, die einer Schmerztherapie bedurft hätten. Der Säugling habe über mehrere Tage hinweg durch eine Magensonde ernährt werden müssen, da er aufgrund der erlittenen Verletzungen nicht habe trinken können. Operativ habe aber keine Behandlung erfolgen müssen. Auch die festzustellenden interkraniellen Verletzungen seien einer Operation nicht zugänglich gewesen. Hinweise auf ältere Verletzungen hätten sich im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen nicht ergeben. Für das Vorliegen eines sogenannten Schütteltraumas habe er einen von drei Anhaltspunkte gefunden. So seien beim Schütteltrauma Einblutungen in die Netzhaut typische Folge der Tat. Derartige Einblutungen habe er jedoch nicht feststellen können. Auch subdurale Blutungen, die ebenfalls Zeichen eines Schütteltrauma seien können, habe er nicht festgestellt. Lediglich Rippenbrüche lägen vor.
Hinsichtlich bleibender Folgen für den Säugling führte der Zeuge Dr. D. aus, dass bei derartigen Verletzungen in etwa 90% der Fälle leichte Behinderungen zurückbleiben würden. In etwa 65 – 75% der Fallgestaltungen würden schwere neurologische Folgen verbleiben. Im Zuge der Behandlung habe er jedoch (noch) keine neurologischen Einschränkungen bei dem Säuglinge feststellen können. Aufgrund des jungen Alters sei dies aber auch nicht zu erwarten gewesen. Spätfolgen würden sich typischerweise erst im Zeitablauf feststellen lassen. Im März 2020 habe es eine Nachuntersuchung gegebene, die jedoch ein Kollege durchgeführt habe. Ihm sei berichtet worden, dass es im Zuge der Nachuntersuchung dezente Auffälligkeiten in der Motorik gegeben hätte.
Den Angeklagten habe er im Zuge der Behandlung nur wenige Minuten gesehen. Er habe gestresst und aufgelöst gewirkt. Vom Pflegepersonal sei ihm aber berichtet worden, dass der Angeklagte während der Wartezeit eingeschlafen sei. Ob dies zutreffe, könne er jedoch nicht sagen. Im Zuge der Anamnese habe der Angeklagte ein Stolpern über den Teppich geschildert, das dazu geführt haben soll, dass ihm die Trinkflasche aus der Hand gefallen sei und den Säugling am Kopf getroffen habe. Seiner Auffassung nach sei dieser Tathergang mit dem vielgestaltigen Verletzungsbild in keiner Weise zu vereinbaren.
(2) In der Hauptverhandlung wurde auch der Sachverständige und Facharzt für Rechtsmedizin Prof. Dr. med. S. vom rechtsmedizinischen Institut der Universität Erlangen-Nürnberg einvernommen. Der Sachverständige Prof. Dr. S. ist der Kammer aus einer Vielzahl von Strafverfahren bekannt. An seiner herausgehobenen Sachkunde im Fachbereich der Rechtsmedizin bestehen keinerlei Zweifel.
Der Sachverständige Prof. Dr. med. S. hat ausgeführt, dass er den Säugling Mika am 26.11.2019 selbst im Klinikum St. H. in Regensburg untersucht habe. Die körperliche Untersuchung des Säuglings sei jedoch unergiebig gewesen. Abgesehen von einer älteren und nahezu vollständig resorbierten Einblutungen über dem linken Hüftgelenk seien keine äußeren Verletzungen mehr erkennbar gewesen. Er habe jedoch von dem behandelnden Arzt Dr. D. eine CD zur Verfügung gestellt bekommen, auf der sich Lichtbilder mit einer vollständigen Dokumentation der damaligen sichtbaren Verletzungen befunden hätten. Die Lichtbilder, die dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt wurden, sind auch von der Kammer in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden. Zur Begutachtung habe dem Sachverständigen auch der stationäre Arztbrief der Klinik St. H. für den Zeitraum 17.11.2019 bis 04.12.2019 zur Verfügung gestanden. Ebenso wären die Laborwerte, der Urinstatus und ein MRT-Befund des Schädels/Hals vom 18.11.2019 vorgelegen.
Insgesamt seien die Diagnosen vom Klinikum St. H. widerspruchslos erhoben worden. Er weise jedoch darauf hin, dass die Diagnosen an Hand der ICD-10 Kodierung aufgelistet worden seien, wodurch teilweise sich überschneidende bzw. zusammengehörende Diagnosen separat genannt worden wäre, die ohne Anlehnung an die ICD-10 auch hätten zusammengefasst werden können. Insgesamt hätte eine Vielzahl der Diagnosen unter der führenden Diagnose einer traumatischen intrakraniellen Verletzung und Blutung zusammengefasst werden können. Dennoch seien die Diagnosen für sich genommen als zutreffend zu bezeichnen. Im Hinblick auf den Blutabgang aus dem After des Säuglings sei einschränkend darauf hinzuweisen, dass dieser sich nicht zweifelsfrei als primäre Verletzungsfolge begreifen lasse. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die rektale Blutung durch die Gabe eines krampflösenden Zäpfchens entstanden sei. Letztlich sei hinsichtlich der Diagnose einer traumatischen Prellung des linken Augapfels darauf hinzuweisen, dass sich keine Entsprechung in den Krankenunterlagen finden ließe. Zwar sei eine ausgeprägte Einblutungen in die Weichteile des linken Auges im Sinne eines sogenannten Monokel Hämatoms ersichtlich, dies führe aber nicht zwangsläufig zu einer Prellung des Augapfels. Dies sei zwar durchaus naheliegend, lasse sich aber nicht ohne weiteres belegen.
Die Verletzungen des Säuglings Mika seien aus rechtsmedizinischer Sicht ohne Zweifel als konkret lebensbedrohlich zu bewerten. Dabei sei insbesondere ein massiver verletzungsbedingter Blutverlust in den Blick zu nehmen, der infolge von Einblutungen in die Kopfschwarte aber auch in die sonstigen dokumentierten Einblutungsbezirke der Haut, der Weichteile, der Gehirnsubstanz und der Schädelhöhle entstanden sei. Hierdurch sei ein sogenannter Volumenmangelschock entstanden, der auch mit Blick auf den stark gesunken HB-Wert nachgewiesen sei. Zudem habe der Volumenmangelschock kompensatorisch dazu geführt, dass die Herzfrequenz des Säuglings auf 180 Schläge pro Minute erhöht gewesen sei bei einem gleichzeitig verminderten Blutdruck von 70 zu 29. Aus sachverständiger Sicht sei sicher davon auszugehen, dass der Säugling ohne Behandlung an dem beschriebenen Volumenmangelschock verstorben wäre. Weiterhin sei in diesem Zusammenhang auch das erlittene schwere Schädel-Hirn-Trauma zu berücksichtigen. Dies habe zu Einblutungen über und unter die harte Hirnhaut und insbesondere auch zu Einblutungen in die Hirnsubstanz im Sinne sogenannter Kontusionsblutungen geführt. Weiter sei eine Einblutungen in die linke Hirnseitenkammer festzustellen gewesen. Hierdurch sei die Gefahr einer Hirnschwellung mit der möglichen Folge eines tödlichen Regulationsversagens entstanden.
Aus sachverständiger Sicht sei die zu Beginn der Hauptverhandlung geäußerte Tatversion des Angeklagten, die dieser auch im Rahmen der polizeilichen Tatrekonstruktion geschildert habe, als nicht plausibel zu bewerten. Die beidseitigen Schädelfrakturen, die intrakraniellen Verletzungsbefunde, die Rippenfrakturen und auch die zahlreichen Hämatome ließen sich mit dem vom Angeklagten anfänglich geschilderten Unfallgeschehen in keiner Weise in Einklang bringen. Das Befundmuster sei vielmehr Folge einer mehrfachen massiven stumpfen Gewalteinwirkung, die in engem zeitlichen Zusammenhang erfolgt sein dürfte. In diesem Zusammenhang sei auch zu sehen, dass es bereits aus rechtsmedizinischer Sicht ungewöhnlich sei, dass der Angeklagte – seiner anfänglichen Schilderung entsprechend – den Säugling, nicht jedoch die Flasche habe fallen lassen. Ein Fall des Säuglings aus Hüfthöhe auf den Teppich im Wohnzimmer hätte zudem höchstwahrscheinlich verletzungsfrei bleiben müssen. Auch ein Anstoßen mit beiden Füßen gegen den Säugling, so wie es der Angeklagte in der Tatrekonstruktion geschildert habe, sei bewegungsmotorisch nicht plausibel.
Zudem läge auch ein sogenanntes Schütteltrauma fern. Beim Schütteltrauma würden sich regelmäßig ausgeprägte Subduralhämatome über den Großhirnhälften zeigen. Diese entstünden dadurch, dass das Gehirn durch die starke Beschleunigung beim Schütteln gegen die Innenwand des Schädels geschleudert werde, hierfür hätten sich aber keine hinreichenden Befunde gezeigt. Ein diskretes Subduralhämatom habe sich lediglich unterhalb des Kleinhirnzeltes gezeigt und sei durchaus als Folge eines massiven stumpfen Schädeltraumas zu verstehen. Für ein sogenanntes Schütteltrauma würden allenfalls die festzustellenden Rippenfrakturen sprechen, die durch ein festes Umklammern des Säuglings entstehen würden. Es würden zudem auch die typischen Netzhautschäden fehlen. Derartige Augenhintergrundblutungen seien jedoch regelmäßige Folge eines Schütteltraumas. Es sei zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Schütteltrauma um ein sogenanntes Non-impact-Trauma handele. D. h ein derartiges Trauma verursache regelmäßig keinerlei knöchernen Verletzungen. Die vorliegenden schweren Schädelfrakturen seien daher nicht allein durch ein Schütteltrauma zu erklären.
Aus sachverständiger Sicht bestünden nach alledem keine Zweifel daran, dass der Säugling fest am Oberkörper gepackt und mindestens zweimal gegen eine harte Struktur geschlagen worden sei. Die weiteren Hämatome im Gesichtsbereich ließen zudem den Schluss auf eine stumpfe Gewalteinwirkung gegen den Ohrenbereich beidseits, die Stirn- und Wangenregion sowie beide Augen zu. Das festgestellte Verletzungsbild würde sich auch widerspruchslos mit Faustschlägen in Einklang bringen lassen, wobei er dies aus sachverständiger Sicht aber nicht positiv feststellen könne. Demgegenüber könne er jedoch ausschließen, dass die knöchernen Verletzungen des Schädels allein durch Schläge entstanden sind. Die Schädelknochen seien beim Säugling noch sehr elastisch, was eigentlich von Vorteil sei. Vorliegend sei die Gewaltanwendung jedoch derart massiv gewesen, dass selbst die elastischen Schädelknochen gebrochen seien. Dies könnten nur durch die geschilderten Schläge gegen eine feste Struktur erklärt werden. Aus der Vielzahl der festgestellten Hämatome im Bereich des Kopfes und des Oberkörpers sei nach alledem der Schluss zu ziehen, dass es neben diesen beiden stumpfen Gewalteinwirkungen noch weitere Gewalteinwirkungen gegen den Kopf und den Torso des Kleinkindes gegeben habe. Insgesamt gehe er in einer konservativen Schätzung von mindestens 8 weiteren selbstständigen Gewalteinwirkungen gegen den Säugling aus.
Zur zeitlichen Abfolge der Gewalteinwirkung könne der Sachverständige jedoch keine verlässlichen Angaben machen. Die festgestellten Verletzungen seien sowohl mit einem Zeitrahmen von 5 – 10 Minuten als auch mit einem Geschehen, das sich über mehrere Stunden hinweg gezogen habe, in Einklang zu bringen.
(3) Die Kammer schließt sich nach einer eigenen kritischen Würdigung den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. S. in vollem Umfang an. Der Sachverständige hat die aus den erlittenen Verletzungen resultierende konkrete Gefahr für das Leben des Kindes schlüssig und widerspruchslos dargelegt. Er hat insbesondere aufgezeigt, dass die vielen festgestellten Blutungen und der hierdurch entstandene Volumenmangelschock ohne eine umgehende Behandlung zum Tod des Säuglings geführt hätten. Die Kammer hat zudem nach der durchgeführten Vernehmung des Sachverständigen keinerlei Zweifel daran, dass sich das Tatgeschehen weder so zugetragen hat, wie es der Angeklagte anfänglich geschildert hat, noch dass es sich um ein sogenanntes Schütteltrauma gehandelt haben könnte. In Übereinstimmung mit den nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen kann das aufgefundene Verletzungsbild mit keiner der beiden Tatalternativen schlüssig in Einklang gebracht werden. Insbesondere die massiven knöchernen Verletzungen des Schädels sprechen gegen ein Schütteltrauma und für eine mehrfache stumpfe Gewalteinwirkung durch massive Schläge des Säuglings gegen eine feste Struktur. Die auch aus den im Zuge der Hauptverhandlung in Augenschein genommen Lichtbildern ersichtlichen Hämatome belegen zudem ebenfalls in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen, dass es neben dieser massiven stumpfen Gewalteinwirkungen noch weitere Gewalteinwirkungen gegen den Kopf und den Oberkörper des Kindes gegeben hat, die insbesondere mit der anfänglichen Schilderung des Angeklagten nicht in Einklang gebracht werden können. Die Kammer folgt auch insoweit den Ausführungen des Sachverständigen und geht von einer Mindestanzahl von 8 weiteren Gewalteinwirkungen aus.
Hieraus folgt zur Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte die Tat in objektiver Hinsicht wie festgestellt begangen hat. Eine andere Person kommt als Täter nicht in Betracht, zumal der Angeklagte zuletzt erklärt hat, dass er den Säugling Mika geschlagen habe und sehr bereue, was er getan habe. Aus der massiven Einwirkung von stumpfer Gewalt gegen den Kopf des Säuglings schließt die Kammer, dass der Angeklagte auch die konkrete Todesgefahr für den Säugling erkannt hat. Der Angeklagte hat den Säugling nicht „lediglich“ geschüttelt, sondern ihn zunächst derart massiv gepackt, dass mehrere Rippen des Säuglings brachen. Sodann hat der Angeklagte den Säugling gegen eine feste Struktur geschlagen. Hierdurch hat das Kind trotz noch flexibler Schädelknochen mehrere Schädelbrüche erlitten. Es offenbart sich somit eine derart massive Kraftentfaltung seitens des Angeklagten, die zur sicheren Überzeugung der Kammer den Schluss zulässt, dass der Angeklagte die sich hieraus ergebende konkrete Gefahr für das Leben des Säuglings erkannt und billigend in Kauf genommen hat.
4. Schuldfähigkeit des Angeklagten
a) Im Zuge der Beweisaufnahme wurde der psychologische Sachverständige Dr. J. T. einvernommen. Der Sachverständige ist Diplom-Psychologe und Psychotherapeut. Er ist zum öffentlich beeideten Sachverständigen im Bereich der forensischen Psychologie bestellt.
Der Sachverständige Dr. T. hat angegeben, dass er den Angeklagten am 22. und 23.07.2020 einer testpsychologischen Zusatzuntersuchung unterzogen habe. Der Angeklagte sei, nachdem er vor der Hauptverhandlung eine Mitwirkung an einer Exploration gegenüber der psychiatrischen Sachverständigen Dr. L. verweigert habe, den Testuntersuchungen zugänglich gewesen und habe hieran motiviert teilgenommen, sodass die Untersuchung insgesamt ohne Probleme habe durchgeführt werden können. Es sei im Rahmen der Testung aber deutlich geworden, dass der Angeklagte dazu neige, eher schnell aufzugeben. Es habe auch eine beachtliche Zeit in Anspruch genommen, dem Angeklagten die Angst vor der Exploration zu nehmen, die dann aber problemlos habe durchgeführt werden können.
Im Rahmen der Untersuchung habe der Sachverständige zunächst den Wechsler Intelligenztest durchgeführt. Dieser bestehe aus zwei Teilen, einem bildungsabhängigen und einem bildungsunabhängigen Teil. Im Rahmen der durchgeführten Testung habe er beim Angeklagten einen Intelligenzquotienten von 50 festgestellt. Die Höhe des Intelligenzquotienten sei dabei der Diagnose einer leichten Intelligenzminderung zuzurechnen. Es hätten sich sowohl im bildungsabhängigen als auch im bildungsunabhängigen Testteil beim Angeklagten signifikante Defizite gezeigt. Insgesamt ergebe sich hieraus nach seiner Auffassung aber keine forensisch relevante Intelligenzminderung, da grobe Defizite in der Intelligenz nicht ersichtlich gewesen wären.
Hirnorganische Defizite habe er im Rahmen der durchgeführten Testungen nicht feststellen können. Diese folgere er ebenfalls aus dem Wechsler Intelligenztest. Dieser beinhalte auch hirnorganisch sensible Unterverfahren. Hierbei hätten sich keine signifikanten Abweichungen gegenüber den übrigen Testteilen gezeigt, sodass dieser Befund gegen eine hirnorganische Störung beim Angeklagten spreche. Die Ergebnisse aus dem Wechsler Intelligenztest habe er auch im Rahmen der weiteren Testverfahren verifizieren können, welche die Erwartungswerte erfüllt hätten. Hinweise auf eine schwerwiegende krankhafte Störung etwa aus dem schizophrenen Formenkreis oder auf eine schwere Persönlichkeitsstörung hätten sich über die gesamten Testverfahren hinweg ebenfalls nicht ergeben.
Er habe auch weitere Testverfahren durchgeführt, um die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten näher zu ergründen. Insbesondere habe er das Freiburger Persönlichkeitsinventar herangezogen. Hierbei handele es sich um einen Test, der mit verschiedenen Fragestellungen die Persönlichkeitsstruktur eines Probanden erhellen soll. Ferner habe er einen Fragebogen herangezogen, der die Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen des Angeklagten abgefragt habe. Dabei sei es darum gegangen, wie sich der Angeklagte selbst wahrnehme. Bei dem ebenfalls herangezogenen Theoretischen-Apperzetions-Test handele es sich um ein projektives Verfahren, bei welchen dem Probanden Bildvorlagen übergeben werden. Der Proband könne sich anschließend hierzu äußern. Hierdurch sei ermittelbar, wie der Proband seine Beziehungen im persönlichen Bereich ausgestalten würde. Insgesamt habe sich aus den vorgenannten Testverfahren ergeben, dass der Angeklagte über eine sehr geringe Lebenszufriedenheit verfüge. Er besitzt eine labile und ängstliche Persönlichkeit und sei im zwischenmenschlichen Bereich gehemmt und unsicher. Er nehme seine intellektuellen Defizite als beschämend wahr. Auf Stresssituationen reagiere der Angeklagte mit psychovegetativen Begleiterscheinungen, etwa mit Bauchschmerzen oder Durchfällen. Im interpersonellen Bereich wären die Kommunikationsfähigkeit des Angeklagten deutlich eingeschränkt. Der Angeklagte sei insbesondere im Hinblick auf sein Selbstbewusstsein und seine Durchsetzungsbereitschaft gehemmt. Insgesamt handele sich bei dem Angeklagten um eine unsichere Persönlichkeit, der es an sozialer Kompetenz und Durchsetzungsfähigkeit mangeln würde. Der Angeklagte verfüge insbesondere in Stresssituationen nicht über ein flexibles Verhaltensrepertoire. Eine erhöhte Aggressionsbereitschaft sei beim Angeklagten aber in keiner Weise festzustellen gewesen.
Ergänzend hierzu habe er auch noch den Rosenzweig P-F Test durchgeführt. Hierbei werde die psychosoziale Kompromissfähigkeit in sozialen Belastungssituationen abgefragt. Auch hier habe sich im Ergebnis gezeigt, dass sich der Angeklagte selbst als dependente Persönlichkeit beschreibe. Er neige dazu, Probleme eher zu verharmlosen und habe keine hinreichenden Strategien zur Problemlösung. Diese Erkenntnisse würden sich auch mit dem ergänzend durchgeführten Foto-Hand-Test decken. Hierbei handele es sich um ein konstruiertes projektives Verfahren, aus dem sich ergeben habe, dass der Angeklagte über keine erhöhte Durchsetzungskraft in für ihn wichtigen Belangen verfüge.
Nach den gemeinsam mit der psychiatrischen Sachverständigen Dr. L. durchgeführten Explorationsgesprächen und den durchgeführten Testverfahren habe sich beim Angeklagten eine leichte Intelligenzminderung (IQ 50) ergeben. Der Angeklagte zeige zudem eine unsichere Persönlichkeit mit einer nur geringen Ich-Stärke. Er habe eine unausgereifte Kompetenz im Rahmen sozialer Kommunikation und verfüge nur über ein gering ausgereiftes Verhaltensrepertoire.
Den Einschätzungen des psychologischen Sachverständigen, welche dieser aus den durchgeführten Explorationsgesprächen und den Testverfahren gewonnen hat, schließt sich die Kammer nach einer eigenen kritischen Würdigung an. Der Sachverständige hat die dargelegten Ergebnisse insbesondere mit den genannten und wissenschaftlich anerkannten Testverfahren belegen können. Der Befund des Sachverständigen deckt sich auch mit dem Eindruck, den die Kammer selbst durch die Hauptverhandlung vom Angeklagten erhalten hat. Der Angeklagte erschien der Kammer trotz erkennbarer Defizite nicht als schwergradig intelligenzgemindert. Die Persönlichkeitsstruktur, wie sie vom Sachverständigen beschrieben worden ist, deckt sich jedoch mit den Erkenntnissen aus der Hauptverhandlung. Auch hier zeigte sich der Angeklagte als durchaus unsicher und in sich zurückgezogen. Über ausgeprägte kommunikative Kompetenzen verfügte der Angeklagte kaum. Auch die weiteren Zeugenaussagen können die durch den Sachverständigen gewonnenen Erkenntnisse belegen. So wird der Angeklagte etwa im Hinblick auf die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin Natascha V. etwa von der Zeugin R. V. als dependent und unterlegen beschrieben. Die Kammer hat nach alledem keinen Zweifel daran, dass die Einschätzung der Persönlichkeit des Angeklagten durch den Sachverständigen, der dies widerspruchslos und in sich schlüssig geschildert hat, zutreffend wiedergegeben worden ist.
(b) Die Sachverständige Dr. med. S. L., Fachärztin für Psychiatrie, hat im Rahmen ihres in der Hauptverhandlung erstatteten Sachverständigengutachtens erklärt, dass sie den Angeklagten am 22. und 23.07.2020 gemeinsam mit dem psychologischen Sachverständigen Dr. T. exploriert habe. Vor Beginn der Hauptverhandlung habe der Angeklagte eine Mitwirkung an der Begutachtung noch mit der Begründung verweigert, dass er befürchte, hierdurch Probleme zu bekommen, seine Kinder wieder zu sehen. Im Zuge der Hauptverhandlung habe er sich dann jedoch zu einer Exploration bereit erklärt.
Im Rahmen der Exploration habe der Angeklagte neben seinem Werdegang auch die Beziehungen zur Kindesmutter Natascha V. geschildert. Er habe angegeben, dass er sie im Jahr 2016 kennengelernt habe und sie 2017 zusammengezogen wären. Am 18.07.2017 sei Thore zur Welt gekommen. Er habe sich sehr über die Geburt von Thore gefreut und sich auch gerne um das Kind gekümmert. Der Angeklagte habe ihr gegenüber weiter angegeben, dass er selbst gemerkt habe, dass er Hilfe benötige. Es sei aber die Kindesmutter gewesen, die Hilfe abgelehnt habe. Der Angeklagte habe weiter davon berichtet, dass er sich überfordert gefühlt habe. Kontakt zu seinen Eltern habe die Zeugin V. abgelehnt. Im März 2018 sei die Familie dann umgezogen. Zum damaligen Zeitpunkt sei alles ganz gut gegangen. Im Hinblick auf ein zweites Kind habe er zunächst abwarten und schauen wollen, wie es mit Thore gehe. Er habe zudem von Trennungsabsichten zu diesem Zeitpunkt berichtet. Der Angeklagte habe ausgeführt, dass er von einer Trennung Abstand genommen habe, weil er nach entsprechenden Äußerungen der Kindsmutter Angst gehabt habe, im Fall einer Trennung Thore nicht mehr sehen zu dürfen.
In der psychiatrischen Anamnese hätten sich keine Auffälligkeiten ergeben. Insbesondere lägen keine Hinweise auf eine Depression zum Tatzeitpunkt vor. Der Angeklagte habe lediglich nach der Tat über Schlafstörungen, Verzweiflung, Antriebslosigkeit sowie Albträumen berichtet. Eine Alkohol- oder Drogenproblematik habe der Angeklagte ihr gegenüber nicht geschildert. Im psychopathologischen Befund habe der Angeklagte den Eindruck hinterlassen, dass er geistig fitter sei, als es der festgestellte Intelligenzquotient von 50 zum Ausdruck bringe. Im Rahmen der Exploration sei der Angeklagte stets kooperativ gewesen. Wegen der auch selbst wahrgenommenen intellektuellen Defizite habe der Angeklagte aber zuweilen deutlich beschämt gewirkt. Hinweise auf eine krankhafte seelische Störung im Sinne einer Schizophrenie oder einer Persönlichkeitsstörung hätten sich im Zuge der Exploration nicht ergeben.
Zur Diagnose führte die Sachverständige Dr. L. weiter aus, dass sie sich im Hinblick auf die Intelligenzminderung den Ergebnissen der Testpsychologie, wie sie von dem Sachverständigen Dr. T. geschildert worden seien, anschließe. Bei dem Angeklagten sei von einer leichten Intelligenzminderung auszugehen, die aus dem festgestellten IQ von 50 abzuleiten sei. Die Intelligenzminderung führe beim Angeklagten aber grundsätzlich im Alltag zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung. So sei es dem Angeklagten etwa ohne Weiteres möglich gewesen, die Funktion eines Werkstattrates in den L. Werkstätten einzunehmen. Der Angeklagte sei aufgrund der festzustellenden leichten Intelligenzminderung im Alltag nicht auf Hilfe angewiesen und komme innerhalb eingespielter Routinen gut zurecht. Probleme ergäben sich demgegenüber insbesondere im schulischen Bereich. Im Hinblick auf die Persönlichkeit des Angeklagten habe sie diesen im Rahmen der Explorationsgespräche ebenfalls als unsicher und wenig selbstbewusst erlebt. Er neige dazu Defizite zu verdrängen. Er sei jedoch leicht führbar und habe keinerlei Anhaltspunkte für eine gesteigerte Aggressivität gezeigt. Insgesamt genüge die festgestellte leichte Intelligenzminderung aus forensisch-psychiatrischer Sicht nicht, um das Eingangskriterium des Schwachsinns im Sinne des § 20 StGB zu bejahen. Hierfür besitze die Intelligenzminderung zu wenig Einfluss auf die psychosoziale Leistungsfähigkeit des Angeklagten.
Sie gehe vielmehr davon aus, dass beim Angeklagten im Tatzeitpunkt eine akute Belastungsreaktion (ICD-10 F 43.01) in einer mittelgradigen Ausprägung vorgelegen habe. Bei dieser handele es sich um eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB. Eine akute Belastungsreaktion sei nach der ICD-10 eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickle und im Allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen wieder abklinge. Die individuelle Vulnerabilität und die zur Verfügung stehenden Bewältigungsmechanismen (Coping-Strategien) würden beim Auftreten und beim Schweregrad der akuten Belastungsreaktion eine entscheidende Rolle spielen. Die Diagnosekriterien der ICD-10 F 43.01 seien ihrer Ansicht nach insoweit erfüllt. Diese würde voraussetzen, dass der Angeklagte eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung erlebt habe und der außergewöhnlichen Belastung unmittelbar der Beginn der Symptome gefolgt sei. Ferner müssten für eine akute Belastungsreaktion in mittelgradiger Ausprägung mindestens ein Symptom aus einer 1. Symptomgruppe und mindestens zwei Symptome aus seiner 2. Symptomgruppe vorgelegen haben. Dies sei aus sachverständiger Sicht zu bejahen.
So habe der Angeklagte eine außergewöhnliche Belastung erlebt. Er sei im Tatzeitraum auf sich allein gestellt und für zwei Kleinkinder zuständig gewesen. Dies habe der Angeklagte sicherlich als eine äußerst belastende Situation empfunden. Insbesondere sei in diesem Zusammenhang auch die individuelle Vulnerablilität des Angeklagten zu berücksichtigen, die im Hinblick auf die bereits dargelegten Einschränkungen in der Persönlichkeitsstruktur besonders ausgeprägt sei. Der Angeklagte sei trotz bestehender Hilfsangebote nicht ohne weiteres dazu in der Lage gewesen, dies auch kommunikativ zu äußern. Er sei vielmehr gewillt gewesen, dennoch zu zeigen, dass er es schaffe. Die außergewöhnliche Belastung und der Beginn der Symptomatik seien auch in zeitlicher Hinsicht miteinander verknüpft. Nach Auffassung der Kammer ist in diesem Zusammenhang in den Blick zu nehmen, dass sich die durch den Angeklagten erfahrene außergewöhnliche Belastung nicht als punktuelles Ereignis dargestellt hat. Vielmehr hat das Geschehen über mehrere Tage hinweg eine anschwellende Entwicklung genommen. Der Angeklagte war nach dem erneuten Krankenhausaufenthalt der Kindsmutter zunächst allein für die beiden Kleinkinder verantwortlich und mit der Betreuung bereits überfordert. Diese Lage verstärkte sich im Zeitraum vom 15. bis zum 17.11.2019 nochmals dadurch, dass die Zeugin R. V., die sich zuvor noch maßgeblich um eine Entlastung des Angeklagten bemüht hatte, abwesend und der Angeklagte nunmehr völlig auf sich gestellt war. Schließlich erreichte die bereits angespannte Lage in der Nacht vom 16. auf den 17.11.2019 ihren Höhenpunkt durch eine besonders lang andauernde Unruhe und ein heftiges Schreien des Säuglings Mika. Nach Ansicht der Kammer bieten diese Umstände, entsprechend den Ausführungen der Sachverständigen, eine hinreichende Grundlage für das Entstehen einer akuten Belastungsreaktion. Die Symptomatik der psychischen Dekompensation erfolgte noch während dieser außergewöhnlichen Belastung.
Die Sachverständige Dr. L. hat ferner aufgezeigt, dass neben Symptomen der ersten Symptomgruppe auch die weiteren Symptome der zweiten Symptomgruppe der akuten mittelgradigen Belastungsreaktion zu bejahen sind. So sei beim Angeklagten entsprechend der Schilderung des Vortatgeschehens von erheblicher Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit im Sinne des Diagnosekriteriums der ICD-10 F 43.01 Nr. 1 lit. e auszugehen. Der Angeklagte habe angegeben, dass das Kind die Nacht zum Tage gemacht habe und sich hierdurch eine erhebliche Verzweiflung in ihm angestaut habe. Auch habe eine Desorientierung des Angeklagten vorgelegen (Nr. 1 lit. c). Der Angeklagte habe insbesondere geschildert, nach der Tat „wieder zu sich“ gekommen zu sein. Dies spreche für eine derartige Desorientierung. Insgesamt sei jedenfalls von einer mittelgradigen akuten Belastungsreaktion auszugehen. Diese sei dem Eingangskriterium einer schweren anderen seelischen Abartigkeit zuzuordnen.
Hieraus folge aus sachverständiger Sicht auch eine forensisch relevante Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten. Es sei hierbei in den Blick zu nehmen, dass die geschilderte akute Belastungsreaktion nicht isoliert betrachtet werden dürfe. Sie stehe vielmehr in Zusammenhang mit der leichten Intelligenzminderung einerseits und der festgestellten Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten andererseits. Insbesondere die Persönlichkeitsstruktur erschwere es dem Angeklagten ganz maßgeblich, in derart belastenden Situationen Coping-Strategien zu entwickeln. Sie schließe sich insofern den Ausführungen des psychologischen Sachverständigen an, dass der Angeklagte nicht ohne Beeinträchtigung in der Lage sei, in derartigen Situationen eine Hilfsbedürftigkeit zu äußern, da es ihm an hinreichenden sozial-kommunikativen Fähigkeiten mangele. Der Angeklagte sei nicht wie andere Menschen in der Lage, flexibel auf außergewöhnliche Belastungen zu reagieren.
Die Kammer schließt sich nach eigener kritischer Würdigung der Einschätzung der forensisch-psychiatrischen Sachverständigen Dr. L. an. Die Kammer nimmt dabei insbesondere in den Blick, dass der Angeklagte aufgrund der bestehenden Intelligenzminderung von vornherein mit einem eingeschränkten Verhaltensrepertoire ausgestattet ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der festgestellte Intelligenzquotient von 50 zwar als leichte Intelligenzminderung zu bewerten ist, aber an der Grenze zur mittelgradigen Intelligenzminderung liegt. Der Bereich einer mittelgradigen Intelligenzminderung jedoch schon bei einem Wert von 49 beginnt. Die Kammer schließt eine mittelgradige Intelligenzminderung aber aus. Sowohl der persönliche Eindruck der Kammer in der Hauptverhandlung als auch die Vita des Angeklagten, insbesondere aber seine Fähigkeit als Sprecher der Mitarbeiter in den L. Werkstätten zu fungieren, lassen nur den Schluss zu, dass der Angeklagte in die Gruppe der leicht intelligenzgeminderten Personen fällt. Der Angeklagte ist in der Lage – zwar mit Unterstützung – einer einfachen Arbeit nachzugehen und weitgehend ein eigenständiges Leben zu führen.
Nach der Überzeugung der Kammer hat die von der psychiatrischen Sachverständigen Dr. L. festgestellte Störung einen gewichtigen Niederschlag im Tatgeschehen gefunden und ist demnach auch als erheblich im Sinne des § 21 StGB zu bewerten. Bei der „Erheblichkeit“ handelt es sich um einen Rechtsbegriff, über dessen Vorliegen das Gericht in eigener Verantwortung zu entscheiden hat (vgl. Fischer, StGB 67. Auflage, § 21 Rn. 7 m.w.N.). Die Kammer hat in der gebotenen Gesamtwürdigung in den Blick genommen, dass die von dem psychologischen Sachverständigen dargelegte Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten in der konkreten Tatsituation eine beachtliche Auswirkung gezeigt hat. Geht man davon aus, dass der Angeklagte eine labilen und ängstliche Persönlichkeit besitzt, im zwischenmenschlichen Bereich gehemmt und unsicher ist und insbesondere in Stresssituationen nicht über hinreichende kommunikative Fähigkeiten verfügt bzw. kein ausgereiftes Verhaltensrepertoire besitzt, so ist von einem erheblichen Einfluss der akuten mittelgradigen Belastungsreaktion auf die ohnehin beeinträchtigte psychosoziale Leistungsfähigkeit des Angeklagten auszugehen. In der Tatnacht kam es aufgrund eines zunehmenden Schreiens des Säuglings und einer damit verbundenen Ruhelosigkeit des ohnehin überlasteten Angeklagten zu einer akuten Steigerung der Belastungssituation. Der Angeklagte, der seinen Kindern große Zuneigung entgegenbrachte, konnte die Überforderungssituation nicht mehr bewältigen, so dass es zu einem außer Verhältnis stehenden Gewaltausbruch kam. Vor dem Hintergrund der sich hieraus ergebenden Tatsituation war die Fähigkeit des Angeklagten, den motivatorischen und situativen Tatanreizen in der konkreten Tatsituation zu widerstehen und sich normgerecht zu verhalten nach Auffassung der Kammer im Vergleich mit dem „Durchschnittsbürger“ in einem solchen Maß verringert, dass die Rechtsordnung diesen Umstand nicht übergehen darf und eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit zu bejahen ist.
D. Rechtliche Würdigung
1. Durch die Tat hat sich der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB strafbar gemacht. Der Angeklagte hat den Säugling Mika V. durch die festgestellte massive Gewalteinwirkung körperlich misshandelt und an dessen Gesundheit geschädigt. Durch die Tat des Angeklagten hat der Säugling konkret lebensgefährdende Verletzungen erlitten. Insbesondere hätte der durch die Vielzahl von Blutungen eingetretene Blutverlust ohne medizinische Behandlung und insbesondere ohne die Gabe einer Bluttransfusion unweigerlich den Tod des Kleinkindes verursacht. Auch das schwere Schädel-Hirn-Trauma mit den damit verbundenen Verletzungen ist als zumindest abstrakt lebensgefährdende Verletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu bewerten.
Der Angeklagte hat aufgrund der massiven Gewalteinwirkung auf den Kopf des Säuglings, die trotz noch elastischer knöcherner Strukturen zu multiplen Frakturen der Schädelknochen geführt hat, die Umstände erkannt, aus der sich die Lebensgefahr für das Kleinkind ergeben hat. Der Angeklagte hat dennoch gehandelt und hierdurch gezeigt, dass er die konkrete Gefahr des Todes auch billigend in Kauf genommen hat. Hierfür spricht auch, dass es sich nicht um eine einmalige Einwirkung auf den Körper des Kleinkindes gehandelt hat, sondern der Angeklagte den Säugling jedenfalls zweimal gegen eine feste Struktur geschlagen und mindestens acht weitere Male gewaltsam auf den Kopf und den Oberkörper des Säuglings eingewirkt hat.
2. Demgegenüber ist entgegen der Anklage der Staatsanwaltschaft Regensburg der Tatbestand der Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 StGB nicht erfüllt. Der Tatbestand erfordert insbesondere, dass der Täter eine Person unter 18 Jahren quält oder roh misshandelt. Quälen ist das Verursachen länger andauernder oder sich wiederholender Schmerzen oder Leiden. Das Merkmal wird typischerweise durch eine Vielzahl von Handlungen verwirklicht (vgl. Fischer, StGB 67. Auflage, § 225 Rn. 8a). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es handelt sich um ein einmaliges gewaltsames Vorgehen gegen den Säugling, das nicht als ein Verursachen länger andauernder oder sich wiederholender Schmerzen oder Leiden zu bewerten ist.
Darüber hinaus liegt auch die Alternative eines rohen Misshandelns zur Überzeugung der Kammer nicht vor. Das rohe Misshandeln setzt eine gefühllose, fremdes Leiden missachtende Gesinnung voraus. Der Begriff „roh“ beschreibt dabei sowohl die innere Haltung des Täters als auch das „wie“ der Misshandlung. Dabei muss die Gefühllosigkeit jedoch keine dauernde Charaktereigenschaft sein (vgl. hierzu Fischer a.a.O. Rn. 9). Auch diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte dem Säugling Mika aus einer gefühllosen und fremdes Leiden missachtende Gesinnung heraus die festgestellten schwersten Verletzungen zugefügt hat. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass subjektive Gesinnungen eines Täters regelmäßig aus den äußeren Umständen der Tat zu folgern sind. Je schwerwiegender die Tatbegehung als solche ist, desto näher liegt es auch, dem Angeklagten eine besonders verwerfliche rohe Gesinnung zu attestieren. Vor diesem Hintergrund erlangt die massive Gewalteinwirkung, die der Angeklagte insbesondere gegen den Kopf des Säuglings ausgeübt hat, eine nicht außer Acht zu lassende Bedeutung. Hierbei handelt es sich aber nicht um das einzige Merkmal, das bei der Frage nach der rohen Gesinnung zu berücksichtigen ist. Die Kammer hat daher weiter in den Blick genommen, dass sich der Angeklagte – wie dargelegt – bei Tatbegehung in einer akuten Belastungsreaktion befand und deshalb in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war. Ist der Angeklagte aber in seiner Steuerungsfähigkeit gemindert, kann er also den Tatanreizen im Vergleich zum „Durchschnittsbürger“ nicht in vergleichbarer Art und Weise widerstehen, so spricht dies nach Ansicht der Kammer auch angesichts der konkreten Tatausführung durchgreifend gegen eine besonders rohe Gesinnung des Angeklagten. Der Angeklagte hatte aufgrund seiner eingeschränkten intellektuellen Leistungsfähigkeit, seiner labilen und ängstlichen Persönlichkeit sowie seinen mangelnden Kompetenzen im sozial-kommunikativen Bereich der belastenden Tatsituation weniger entgegenzusetzen und kommt in belastenden Lebenssituationen schneller an die Grenzen seiner psycho-sozialen Leistungsfähigkeit. Dies steht einer subjektiv rohen Gesinnung des Angeklagten nach Auffassung der Kammer maßgeblich entgegen, sodass eine Verurteilung wegen der Misshandlung eines Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 StGB ausscheiden musste.
3. Nach den in der Hauptverhandlung getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte infolge der massiven Gewalteinwirkung die konkrete Gefahr für das Leben des Säuglings erkannt und diese auch billigend in Kauf genommen. Von dem Versuch eines Tötungsdelikts ist der Angeklagte aber strafbefreienden gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 StGB zurückgetreten. Aus der hierfür maßgeblichen Sicht des Angeklagten war die Tat nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung noch nicht beendet. Im Zuge der durchgeführten Beweisaufnahme haben sich keine Hinweise darauf ergeben, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Erfolgseintritt des Todes aus Sicht des Angeklagten bereits als gesichert anzusehen war. Der Angeklagte hat die weitere Tatausführung sodann freiwillig aufgegeben und den Säugling jedenfalls in unmittelbarer zeitlicher Nähe durch Einschaltung weiterer Personen einer ärztlichen Behandlung zugeführt. Hierdurch hat der Angeklagte die Tat nicht nur aufgegeben, sondern auch den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs im Ergebnis auch verhindert. Nach den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. med. S. hätte der durch die Blutungen ausgelöste Volumenmangelschock ohne weiteres den Tod des Kindes verursacht. Der Angeklagte hat den Säugling jedoch einer medizinischen Behandlung zugeführt und hierdurch die Gabe einer lebensrettenden Bluttransfusion ermöglicht. Hierdurch hat er freiwillig den Tod des Säuglings verhindert.
Nach alledem war der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu verurteilen.
E. Strafzumessung
Der Strafrahmen ist dem Grunde nach aus § 224 Abs. 1 StGB zu entnehmen, der Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahre vorsieht.
1. Ein minder schwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung war aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung zu verneinen. Dabei hat die Kammer nicht nur das engere Tatgeschehen berücksichtigt, sondern auch alle Umstände herangezogen, die für die Bewertung der Tat und des Täters bedeutsam sind, unabhängig davon, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder ihr nachfolgen.
Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte die Tat zuletzt eingeräumt hat. Der Angeklagte ist zudem strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister weist insoweit keinen Eintrag auf. Dem Angeklagten treffen zudem die außerstrafrechtlichen Folgen der Tat besonders stark. Der Angeklagte hat seit dem Tatgeschehen keinerlei Kontakt mehr zu seinen beiden Kindern, worunter er ersichtlich leidet. Ein uneingeschränkter Umgang mit seinen Kindern wird der Angeklagte auch auf absehbare Dauer nicht unterhalten können. Er hat zudem nachvollziehbar und glaubhaft von Schlafstörungen, Albträumen und Antriebslosigkeit in Folge der Tat berichtet. Die Kammer hat ferner zugunsten des Angeklagten in die anzustellenden Gesamtabwägung eingestellt, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt in seiner Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert gewesen ist. Aber auch unter Berücksichtigung des letztgenannten Umstandes ist nicht von einem minder schweren Fall der gefährlichen Körperverletzung auszugehen. Denn zulasten des Angeklagten war auch die Schwere der Gewaltanwendung gegenüber dem zum Tatzeitpunkt erst wenige Wochen alten Säugling zu berücksichtigen. Der Angeklagte hat den Säugling zweimal gegen eine feste Struktur geschlagen. Dies geht ersichtlich über die Schwere der Gewaltanwendung hinaus wie sie etwa im Rahmen eines sogenannten Schütteltraumas zu beobachten wäre. Zudem hat die Kammer in den Blick genommen, wie schwerwiegend die Verletzungen des Säuglings gewesen sind, wenn gleich die Kammer nicht verkennt, dass der Umstand der hervorgerufenen Lebensgefahr als solcher keine Berücksichtigung zulasten des Angeklagten finden kann, da dieser Tatbestandsmerkmal ist. Der Säugling hat massive Verletzungen insbesondere im Kopf- und Hirnbereich davongetragen. Die Kammer geht jedoch nicht davon aus, dass der Säugling durch die Tat dauerhafte Schäden erlitten hat. Zwar haben sowohl der behandelnde Arzt Dr. D. als auch der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. S. angegeben, dass derartige Folgen durchaus zu erwarten seien. Konkrete Feststellungen hierzu konnte die Kammer jedoch nicht treffen. Soweit die Zeugin N1. V. von einer besonderen Lichtempfindlichkeit des Säuglings sowie nunmehr aufgetretenen motorischen Schwächen beim Grabbeln berichtet hat, stellt die Kammer zwar diese Umstände als Verletzungsfolge in die anzustellende Gesamtabwägung ein, kann hieraus aber noch keine dauerhaft verbleibenden Folgen herleiten. Insofern musste offenbleiben, ob sich die von der Zeugin V. beschriebenen Auffälligkeiten in näherer Zukunft durch eine Behandlung wieder zurückbilden. Eine im März 2020 durchgeführte Nachuntersuchung habe nach der Aussage des Zeugen Dr. D. ergeben, dass sich im Zuge der Nachuntersuchung nur dezente Auffälligkeiten in der Motorik gezeigt hätten. Zu berücksichtigen ist letztlich auch, dass die Verletzungshandlungen gegenüber einem wehrlosen Säugling begangen wurden.
Insgesamt erweist sich die Tat des Angeklagten als derart schwerwiegend, dass auch unter Berücksichtigung der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten ein minderschwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung nicht bejaht werden kann.
2. Die Kammer mindert den Strafrahmen aber gemäß § 21 StGB in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB. Nach den getroffenen Feststellungen war der Angeklagte im Zeitpunkt der Tat in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert. Dies führt in der wiederum anzustellenden Gesamtabwägung nach nochmaliger Abwägung der oben genannten strafzumessungsrelevanten Gesichtspunkte, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, zu einer fakultativen Strafrahmenverschiebung gemäß § 49 Abs. 1 StGB. Die Kammer hat dabei nochmals alle vorgenannten Erwägungen gegeneinander abgewogen und in Ausgleich gebracht und sieht die Voraussetzungen einer fakultativen Strafrahmenverschiebung für gegeben an. Die Kammer berücksichtigt dabei insbesondere, dass die festgestellte erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit das Tatgeschehen ganz maßgeblich geprägt hat und als solche dem Angeklagten persönlich nicht vorwerfbar ist. Dies gilt auch mit Blick auf die Schwere der Tatausführung und die Schwere der hierdurch verursachten Verletzungsfolgen.
Die Kammer legt daher der konkreten Strafzumessung den nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB geminderten Strafrahmen der gefährlichen Körperverletzung zugrunde.
3. Nach nochmaliger Abwägung der oben genannten strafzumessungsrelevanten Gesichtspunkte, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, in Ansehung des konkreten Tatbildes und unter Berücksichtigung der Auswirkung der verhängten Strafe auf das weitere Leben des Angeklagten erachtet die Kammer die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren für tat- und schuldangemessen.
F. Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1 StPO.

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